Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.07.1989, Az.: 18 OVG L 27/87

Mitwirkungsbefugnisse der öffentlich-rechtlichen Personalvertretung an einem Universitätsklinikum bei außerordentlicher Kündigung wegen Verdachts der Rezeptfälschung; Beginn der Zweiwochenfrist bei Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung; Rezeptfälschungen eines Krankenpflegers als Grund einer außerordentlichen Kündigung seines Angestelltenverhältnisses

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
19.07.1989
Aktenzeichen
18 OVG L 27/87
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1989, 16556
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:0719.18OVG.L27.87.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 06.10.1987 - AZ: PL 11/87

Verfahrensgegenstand

Ersetzung der Zustimmung des Personalrates zu einer außerordentlichen Kündigung eines ihm angehörigen Beschäftigten

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Zweiwochenfrist gem. § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Das ist der Fall, wenn er über eine sichere und möglichst vollständige positive Kenntnis der für eine Entscheidung über die Kündigung maßgebenden Tatsachen verfügt (BAG, Urt. v. 28.10.1971 - 2 AZR 32/71).

  2. 2.

    Der Beginn der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist gehemmt, solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Kündigungssachverhaltes nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen mit der gebotenen Eile durchführt, insbesondere dem Kündigungsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Diese vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Rechtsgrundsätze gelten nicht nur für den Bereich der Verdachtskündigung, sondern auch für Kündigungen, die auf einen Tatvorwurf gestützt sind, sofern der Kündigungssachverhalt zunächst noch weiterer Aufklärung bedarf (BAG, Urt. v. 10.6.1988 - 2 AZR 25/88).

  3. 3.

    Ein Kündigungsberechtigter handelt im Rahmen des ihm bei der Durchführung der Ermittlungen zustehenden pflichtgemäßen Ermessens, wenn er den Zeitpunkt der Anhörung eines Beteiligten von einem positiven Bescheid über die Arbeitsfähigkeit des von der Kündigung Betroffenen abhängig macht.

  4. 4.

    Das zuständige Verwaltungsgericht kann eine von der zuständigen Personalvertretung verweigerte Zustimmung auf Antrag des Dienststellenleiters ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt ist. Das ist der Fall, wenn die dem Betroffenen zur Last gelegten Verfehlungen so schwer wiegen, dass er als Krankenpfleger im Angestelltenverhältnis nicht mehr tragbar ist. Eine Untragbarkeit liegt jedenfalls bei der Entwendung von Rezeptformularen, der Fälschung von Rezepten und ihrer Vorlage bei Apotheken zum Zwecke der Einlösung vor. Diese Verfehlungen sind als fortgesetzter schwerer Vertrauensbruch gegenüber dem Arbeitgeber zu werten.

Der 18. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
hat auf die mündliche Anhörung vom 19. Juli 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hamann und Ladwig sowie
die ehrenamtlichen Richter Prieß und Teich
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 6. Oktober 1987 geändert.

Die vom Beteiligten zu 1) mit Schreiben vom 12. August 1987 verweigerte Zustimmung zu der vom Antragsteller beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2) wird durch diese gerichtliche Entscheidung ersetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der (am ... geborene) Beteiligte zu 2) trat am 1. April 1981 in das Angestelltenverhältnis als Krankenpfleger. Im Dezember 1981 wurde der zunächst befristete Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit verlängert. Der Beteiligte zu 2) wurde in der Abteilung Dermatologie, dem späteren Zentrum Dermatologie des Fachbereichs Medizin der Universität ... beschäftigt. Er ist Mitglied des Beteiligten zu 1).

2

Am 14. Juli 1987 teilte der Apotheker ... aus ... der Verwaltung der Kliniken der Hochschule mit, daß in seiner Apotheke gefälschte Rezepte der "Hautklinik der Universitätskliniken" über dem Betäubungsmittelgesetz unterliegende Schmerzmittel eingelöst worden seien; er bezeichnete später den Beteiligten zu 2) als Täter. Am 15. Juli 1987 unterrichtete der Beteiligte zu 2) morgens den Krankenpfleger ... von der Fachleitung im Zentrum Dermatologie, daß er in die Abteilung für Psychiatrie der Universität ... als Patient aufgenommen worden sei. Nach seinen Angaben räumte er gegenüber Herrn ... auch das mit einer Abhängigkeit von bestimmten Medikamenten zusammenhängende Fehlverhalten ein. Nach einem Verwaltungsvermerk vom 20. Juli 1987, der von einem Mitarbeiter der Verwaltung der Kliniken aufgenommen worden war, soll der Beteiligte zu 2) gegenüber der Kriminalpolizei in ... zeitlich nach der Anzeige des Apothekers ca. 80 Rezeptfälschungen eingeräumt haben, wie ein am 17. Juli geführtes Telefongespräch ergeben habe. Mit einem Schreiben vom 27. Juli 1987 wandte sich die Verwaltung der Kliniken an die Kriminalpolizei in ... mit der Bitte um eine alsbaldige und umfassende Information über den Stand der Ermittlungen. Am 30. Juli 1987 erwiderte die Polizeidienststelle, sie könne die erbetenen Auskünfte nicht erteilen; die Ermittlungssache werde in acht Tagen an die Staatsanwaltschaft in ... abgegeben. Mit einem Schreiben vom 31. Juli 1987 stellte die Verwaltung der Kliniken bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht ... Strafantrag wegen Diebstahls gegen den Beteiligten zu 2); nach ihren Feststellungen habe der Beteiligte zu 2) zwei Rezeptblöcke mit je 92 Rezepten aus der Hautklinik der Universität ... entwendet; der Beteiligte habe die gefälschten Rezepte verschiedenen Apotheken im Raum Uslar vorgelegt und sich so die Schmerzmittel verschafft. Mit einem Schreiben vom 6. August 1987 bescheinigte die Abteilung der Psychiatrie der Universität ..., daß der Beteiligte am 10. August 1987 wieder arbeitsfähig sei. Am 6. August 1987 wurde der Beteiligte zu 2) von der leitenden Krankenschwester ... und dem Leiter der Personalabteilung bei der Verwaltung der Kliniken ... zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen angehört. Der Beteiligte gab zu, Rezeptblöcke der Universitätskliniken mit sog. "Patientenaufklebern" an sich genommen und unter Verwendung eines Dienststempels und mit Hilfe einer gefälschten ärztlichen Unterschrift sich mittels der vorgelegten Rezepte bei verschiedenen Apotheken das Schmerzmittel "Valeron" verschafft zu haben, das jedoch nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterliege. Der Beteiligte zu 2) wurde aufgefordert, bis zum 10. August 1987 gegenüber der Verwaltung zu erklären, ob er mit einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsvertrages einverstanden sei. Eine Einigung kam jedoch nicht zustande. Mit einem Schreiben vom 10. August 1987 (abgesandt am 11.8.1987) teilte die Verwaltung der Kliniken dem Beteiligten zu 1) mit, daß sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Beteiligten zu 2) wegen dessen strafrechtlichen Fehlverhaltens mit einer außerordentlichen, jedenfalls mit einer ordentlichen Kündigung zu beenden, und beantragte dessen Zustimmung. Mit einem Schreiben vom 12. August 1987 (eingegangen am folgenden Tage) versagte der Beteiligte zu 1) seine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung und machte geltend: Die gesetzlich maßgebende Zweiwochenfrist für eine solche Kündigung sei verstrichen. Der Beteiligte zu 2) habe am 15. Juli 1987 seinen unmittelbaren Dienstvorgesetzten ... von der Fachleitung im Zentrum Dermatologie telefonisch informiert, nachdem ihm am Vortage in einer Apotheke in ... vorgehalten worden sei, ein von ihm einzulösendes Rezept sei gefälscht gewesen. Sei aber die Zweiwochenfrist am 15. Juli 1987 in Lauf gesetzt worden, so komme eine außerordentliche Kündigung nicht mehr in Betracht.

3

Der Antragsteller hat am 19. August 1987 das Verwaltungsgericht angerufen und vorgetragen: Die zweiwöchige Frist nach § 54 Abs. 2 BAT sei noch nicht verstrichen gewesen. Diese Frist habe erst zu laufen begonnen, nachdem der Beteiligte zu 2) am 6. August 1987 angehört worden sei. Eine solche Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers sei beim Verdacht eines Kündigungsgrundes aus Gründen der Fürsorgepflicht und für eine sachgerechte Entscheidung geboten gewesen. Auch lägen die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung vor. Der Beteiligte zu 2) habe in einer größeren Anzahl von Fällen Rezeptformulare und "Patientenaufkleber" gestohlen und bei der Erstellung unrichtiger Rezepte Urkundenfälschungen begangen. Er sei in seinem Arbeitsverhältnis nicht mehr tragbar.

4

Der Antragsteller hat beantragt,

die vom Beteiligten zu 1) verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2) gemäß § 108 Abs. 1 BPersVG zu ersetzen.

5

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben beantragt,

den Antrag abzulehnen.

6

Der Beteiligte zu 2) hat erwidert: Er befinde sich bei einer Stelle für Suchtberatung in ... in einer Therapie. Am 13. Juli 1987 sei der Zustand der Abhängigkeit von Medikamenten beendet gewesen. Am 15. Juli 1987 habe er Herrn ... in einem Telefongespräch den Umfang seines Fehlverhaltens geschildert und eingestanden. Herr ... habe ihm erklärt, die gemachten Angaben an die Verwaltung der Kliniken weitergeben zu wollen.

7

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch Beschluß vom 6. Oktober 1987 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 2) sei rechtlich nicht mehr möglich, weil die zweiwöchige Ausschlußfrist des § 54 Abs. 2 BAT bereits verstrichen gewesen sei, als der Antragsteller das Gericht angerufen habe. Nach dieser Vorschrift beginne die Frist mit dem Zeltpunkt, zu dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlange. Zwar werde der Lauf der Frist solange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführe und dabei auch den betroffenen Arbeitnehmer anhöre. Die am 6. August 1987 durchgeführte Anhörung des Beteiligten zu 2) habe aber nicht mehr fristhemmend wirken können. Dem Personaldezernenten des Antragstellers seien die zur außerordentlichen Kündigung führenden Gründe bereits am 15. Juli 1987 bekanntgeworden. Besondere Gründe, mit der Anhörung des Beteiligten zu 2) bis zum 6. August 1987 zu warten, seien nicht erkennbar. Ein Angebot des Beteiligten zu 2), die Aussprache zu einem früheren Zeitpunkt durchzuführen, sei vom Antragsteller abgelehnt worden.

8

Gegen den ihm am 30. Oktober 1987 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller am 24. November 1987 Beschwerde eingelegt und das Rechtsmittel am 18. Dezember 1987 begründet. Er trägt vor: Die zweiwöchige Ausschlußfrist sei noch nicht verstrichen gewesen, als das Verwaltungsgericht am 19. August 1987 angerufen worden sei. Er habe den Beteiligten zu 2) anhören müssen, bevor eine auf die erhobenen Vorwürfe gestützte Verdachtskündigung habe ausgesprochen werden können. Die Anhörung sei nicht vor dem 6. August 1987 möglich gewesen. Weder die Anzeige des Apothekers ... am 14. Juli 1987 noch die in der Folgezeit von der Kriminalpolizei zum Ermittlungsstand erteilten Auskünfte hätten eine hinreichende Grundlage für die Entscheidung über eine gegenüber dem Beteiligten zu 2) auszusprechende außerordentliche Kündigung ergeben. Erst die Anhörung des Beteiligten habe ihm - dem Antragsteller - die erforderlichen Erkenntnisse verschafft. Er sei auch nicht gehalten gewesen, den Beteiligten zu 2) vor dem 6. August 1987 zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu hören. Nachdem der Beteiligte am 15. Juli 1987 in die geschlossene Abteilung der Psychiatrischen Universitätsklinik aufgenommen worden sei, habe er - der Antragsteller - eine Anhörung während der Unterbringung nicht in Betracht ziehen müssen. Die Anhörung sei dann am 6. August 1987 durchgeführt worden, nachdem die Abteilung für Psychiatrie in einem Schreiben gleichen Datums bescheinigt hatte, daß der Beteiligte zu 2) am 10. August 1987 wieder arbeitsfähig sei. Es treffe auch nicht zu, daß der Beteiligte zu 2) bereits vor dem 6. August 1987 um eine Anhörung gebeten habe. Zwar habe sich der Beteiligte vor diesem Datum mehrfach bei der Zentralen Pflegedienstleitung um Gesprächstermine bemüht, er sei aber von der leitenden Krankenschwester ... darauf verwiesen worden, er möge sich erst im Falle der Arbeitsfähigkeit wieder bei ihr melden. Dieses Verhalten von Frau ... müsse er - der Antragsteller - sich nicht zurechnen lassen.

9

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

10

Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen,

11

und erwidern: Der Personaldezernent des Antragstellers sei bereits am 15. Juli 1987 über die für die Entscheidung über eine außerordentliche Kündigung relevanten Tatsachen in Kenntnis gesetzt worden. Am 14. Juli 1987 sei Herr Grosse durch den Apotheker Passow bereits fernmündlich darüber unterrichtet worden, daß der Beteiligte zu 2) versucht habe, gefälschte Rezepte einzulösen. Am folgenden Tage habe der Beteiligte seinen unmittelbaren Vorgesetzten, Herrn ... bei der Fachleitung Dermatologie, fernmündlich darüber informiert, daß er gefälschte Rezepte vorgelegt habe und von der Polizei auf eine eigene Anzeige hin vernommen worden sei. Der Beteiligte zu 2) sei auch nach seiner Unterbringung in die Psychiatrische Klinik am 15. Juli 1987 jederzeit ansprechbar gewesen. Er habe aus therapeutischen Gründen eine alsbaldige Aussprache mit dem Antragsteller gewollt. Wenn die den Pflegedienst leitende Krankenschwester ..., die Vorgesetzte von Herrn ..., einen Gesprächstermin abgelehnt habe, so müsse der Antragsteller das gegen sich gelten lassen. Das "Anhörungsgespräch" am 6. August 1987 habe lediglich dazu gedient, den Beteiligten zu 2) auf Drängen des Antragstellers dazu zu bewegen, den Arbeitsvertrag aufzulösen. Selbst wenn der Antragsteller nach dem 15. Juli 1987 weitere Ermittlungen für erforderlich hätte halten dürfen, so habe er diese in der Folgezeit nicht zügig genug durchgeführt.

12

Der Beteiligte zu 2) ist vom Schöffengericht ... durch Urteil vom 22. Dezember 1987 - 10 Ls 22 Js 15823/87 - wegen fortgesetzten Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Betrug zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten - bei Aussetzung zur Bewährung - verurteilt worden; dabei ging das Gericht davon aus, daß der Beteiligte etwa 50 gefälschte Rezepte vorgelegt habe.

13

Wegen des weiteren Vorbringens des Antragstellers und der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze verwiesen, wegen des sonstigen Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

14

Dem Senat liegen die über den Beteiligten zu 2) geführten Personalakten sowie die in der Kündigungsangelegenheit entstandenen Verwaltungsvorgänge einschließlich der Unterlagen über die Mitwirkung des Beteiligten zu 1) vor.

15

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Dessen Antrag, die vom Beteiligten zu 1) versagte Zustimmung zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2) zu ersetzen, muß Erfolg haben.

16

Der am 19. August 1987 beim Verwaltungsgericht eingegangene Antrag ist entgegen der Ansicht dieses Gerichts nicht verspätet. Für einen Antrag nach § 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG ist auch die als Ausschlußfrist anzusehende Frist des § 626 Abs. 2 BGB maßgebend (Beschl. d. Senats v. 5.12.1984 - 18 OVG L 3/83 (Nds.) -). Die Dinge verhalten sich rechtlich ebenso wie bei der gleichartigen Schutzvorschrift des § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes - BetrVG - (vgl. BAG, Beschl. v. 18.8.1977 - 2 ABR 19/77 -, BAGE 29, 270 (279) [BAG 18.08.1977 - 2 ABR 19/77][BAG 18.08.1977 - 2 ABR 19/77] = AP § 103 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 7.5.1986 - 2 ABR 27/85 -, BAGE 52, 50 (60) [BAG 07.05.1986 - 2 ABR 27/85][BAG 07.05.1986 - 2 ABR 27/85] = AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 18). Dies bedeutet, daß im Regelungsbereich des § 108 BPersVG an die Stelle der Kündigung, wie sie § 626 Abs. 2 BGB vorsieht, der Antrag an das Verwaltungsgericht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG tritt (ebenso zu § 103 BetrVG: die vorgenannten Nachwelse aus der Rechtsprechung des BAG). Die Zweiwochenfrist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn er über eine sichere und möglichst vollständige positive Kenntnis der für eine Entscheidung über die Kündigung maßgebenden Tatsachen verfügt (BAG, Urt. v. 28.10.1971 - 2 AZR 32/71 -, AP § 626 BGB Ausschlußfrist Nr. 1; BAG, Urt. v. 6.7.1972 - 2 AZR 386/71 -, AP § 626 BGB Ausschlußfrist Nr. 3). Der Beginn der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist gehemmt, solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Kündigungssachverhaltes nach pflichtgemäßem Ermessen notwenig erscheinenden Maßnahmen mit der gebotenen Eile durchführt, insbesondere dem Kündigungsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. In der Regel ist eine solche Anhörung geeignet, den Fristablauf zu hemmen. Diese vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Rechtsgrundsätze gelten nicht nur für den Bereich der Verdachtskündigung, sondern auch für Kündigungen, die auf einen Tatvorwurf gestützt sind, sofern der Kündigungssachverhalt zunächst noch weiterer Aufklärung bedarf (so zum Vorstehenden: BAG, Urt. v. 10.6.1988 - 2 AZR 25/88 -, BB 1989, 1062).

17

Die Verwaltung der Kliniken - als die maßgebende Stelle der Antragstellerin - hatte am 15. Juli 1987 noch nicht von den für eine Kündigung im Falle des Beteiligten zu 2) maßgebenden Tatsachen in dem rechtlich umschriebenen Sinne Kenntnis erlangt. Am Vortage war einem Mitarbeiter der Verwaltung durch einen Telefonanruf bekanntgeworden, daß in einer Apotheke gefälschte Rezepte der Hautklinik der Universität vorgelegt worden waren. Dem entsprechenden Verwaltungsvermerk vom 20. Juli 1987 ist nicht zu entnehmen, ob der anrufende Apotheker Passow bereits am 14. oder 15. Juli 1987 den Beteiligten zu 2) als Täter bezeichnet hat. Die Verwaltungsunterlagen geben auch nichts dafür her, daß der Krankenpfleger Biegler von der Zentralen Pflegedienstleitung die vom Beteiligten zu 2) behauptete, fernmündlich gemachte Äußerung, er habe den Umfang seines Fehlverhaltens geschildert und eingestanden, an die Verwaltung der Kliniken weitergegeben hat. Es findet sich dort lediglich eine schriftliche Äußerung ... vom 15. Juli 1987 über die Aufnahme des Beteiligten zu 2) in die Psychiatrische Abteilung der Universität .... Im übrigen bleibt auch nach dem Vorbringen des Beteiligten unklar, was er zum Ausmaß der Verfehlungen und zum Tathergang im einzelnen Herr ... gesagt hat. Auch nach dem 15. Juli 1987 ist es der Verwaltung der Kliniken nicht gelungen, die Ermittlungsunterlagen bei der Kriminalpolizei in ... zur Kenntnis zu nehmen, insbesondere eine polizeiliche Niederschrift über eine Aussage des Beteiligten zu 2) und eines der gefälschten Rezepte einzusehen. Lediglich in einem mit der Polizeidienststelle am 17. Juli 1987 geführten Ferngespräch wurde der Verwaltung der Kliniken bekannt, daß der Beteiligte zu 2) gegenüber der Kriminalpolizei in ... rund 80 Fälschungen zugegeben habe, in einem weiteren Ferngespräch wurde ihr von der Polizei ausweislich eines Vermerks vom 30. Juli 1987 mitgeteilt, daß der Beteiligte auch zwei Rezeptblöcke der Klinik gestohlen habe. Diese späteren Angaben machten zwar der Verwaltung der Kliniken das Ausmaß der Verfehlungen des Beteiligten deutlicher, es blieben aber wesentliche Fragen ungeklärt, die der Verwaltung der Kliniken bei der Gesamtwürdigung, ob eine außerordentliche Kündigung auszusprechen sei (vgl. dazu grds. BAG, Urt. v. 10.6.1988 a.a.O., S. 1062), erheblich erscheinen mußten, insbesondere, wie der Beteiligte zu 2) bei der Herstellung der gefälschten Rezepte zu Werke gegangen war. Bei dieser Sachlage durfte die Verwaltung eine Anhörung des Beteiligten zu 2) für geboten halten.

18

Der Verwaltung der Kliniken kann ferner nicht entgegengehalten werden, sie habe sich zuviel Zeit gelassen, bis sie die Anhörung des Beteiligten zu 2) am 6. August 1987 durchführte. Hierbei kann offenbleiben, ob der Kündigungsgegner zum Kündigungssachverhalt innerhalb einer kurz bemessenen Frist angehört werden muß, die regelmäßig nicht länger als eine Woche sein dürfe (vgl. dazu BAG, Urt. v. 10.6.1988 a.a.O.). Im vorliegenden Fall durfte die Verwaltung davon absehen, dem Beteiligten zu 2) vor dem 6. August 1987 Gelegenheit zu geben, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Nachdem er am 15. Juli 1987 morgens in die Psychiatrische Abteilung der Klinik der Universität ... aufgenommen worden war, handelte die Verwaltung nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie mit der Anhörung bis zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Beteiligten zu 2) wartete, was die Abteilung für Psychiatrie am 6. August 1987 bescheinigte. Unerheblich ist hierbei, ob der Beteiligte in der Psychiatrischen Klinik möglicherweise nicht "geschlossen" untergebracht gewesen ist und ob er sich auch in der Zwischenzeit "vernehmungsfähig" gefühlt hat. Aus den dargelegten Erwägungen, mit denen die Verwaltung mit der Anhörung zugewartet hat, ist auch ohne Bedeutung, daß der Beteiligte zu 2) sich in der Zeit seines Krankenhausaufenthalts um ein Gespräch bei der Zentralen Pflegedienstleitung bemüht hat, das überdies nach seinem Beschwerdevorbringen "aus therapeutiscchen Gründen" geführt werden, offenbar jedenfalls nicht primär der Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe dienen sollte - für das letztere wäre die Verwaltung der Kliniken der alleinige Ansprechpartner gewesen -. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts handelte der Kündigungsberechtigte hier im Rahmen des ihm bei der Durchführung der Ermittlungen zustehenden pflichtgemäßen Ermessens, wenn er den Zeitpunkt der Anhörung des Beteiligten zu 2) von einem positiven Bescheid der Psychiatrischen Abteilung zur Arbeitsfähigkeit des Beteiligten abhängig gemacht hat.

19

Schließlich hat die am 6. August 1987 durchgeführte Anhörung für die Verwaltung der Kliniken auch zusätzliche und bestätigende sachliche Erkenntnisse ergeben; sie ist nach dem Inhalt eines entsprechenden Vermerks vom 10. August 1987 keine "reine Formsache" gewesen und hat auch nicht nur dem Zweck gedient, den Beteiligten zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu bewegen.

20

Hat hiernach die Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB frühestens am 6. August 1987 zu laufen begonnen und ist deshalb der beim Verwaltungsgericht am 19. August 1987 eingegangene Antrag nicht verspätet so liegen hier auch die übrigen Voraussetzungen des § 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG vor.

21

Nach dieser Regelung kann das Verwaltungsgericht eine von der zuständigen Personalvertretung verweigerte Zustimmung auf Antrag des Dienststellenleiters ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Ein derartiger Sachverhalt ist hier gegeben. Die dem Beteiligten zu 2) zur Last gelegten Verfehlungen wiegen so schwer, daß er als Krankenpfleger im Angestelltenverhältnis nicht mehr tragbar ist. Er hat in zahlreichen Fällen Rezeptformulare entwendet, Rezepte gefälscht und diese Apotheken zur Einlösung vorgelegt. Er hat unrichtige Rezepte hergestellt, indem er sie mit Anschriften von Patienten versah, einen Dienststempel unbefugt benutzte und die Unterschrift eines Arztes fälschte. Dieses Verhalten, das später zu einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen fortgesetzten Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Betruges geführt hat, stellt einen fortgesetzt schweren Vertrauensbruch gegenüber dem Arbeitgeber dar. Nach der Anhörung des Beteiligten zu 2) waren dessen Verfehlungen in tatsächlicher Hinsicht so hinreichend gewiß, daß auf sie eine außerordentliche Kündigung gestützt werden kann.

22

Hiernach waren dem Antrag und der Beschwerde des Antragstellers unter Änderung des angefochtenen Beschlusses stattzugeben.

23

Eine Kostenentscheidung ergeht im Beschlußverfahren nicht.

24

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil keine der hierfür vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen vorliegt.

Dr. Dembowski
Dr. Hamann
Ladwig
Prieß
Teich