Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.07.1989, Az.: 10 L 91/89

Einfamilienhaus; Grundsteuervergünstigung; Anerkennung einer Mehrfläche ; Steueervergünstigung; Arbeitszimmer

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.07.1989
Aktenzeichen
10 L 91/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 12796
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:0718.10L91.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 05.12.1986 - AZ: 2 OS A 216/86
nachfolgend
BVerwG - 18.01.1991 - AZ: BVerwG 8 C 87/89

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 2. Kammer Osnabrück - vom 5. Dezember 1986 geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 26. September 1985 und des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 1986 verpflichtet, das Familienheim des Klägers in Osnabrück, Max-Reger-Straße 31, als steuerbegünstigt anzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger begehrt die Anerkennung seines in Osnabrück, ...-Straße ..., gelegenen Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung als steuerbegünstigt.

2

Mit Beginn der Bauarbeiten stellte der Kläger unter dem 19. November 1984 bei der Beklagten einen Antrag auf Grundsteuervergünstigung für ein Familienheim mit zwei Wohnungen. Nach der dem Antrag beigefügten Berechnung der Wohnfläche des Planungsbüros L. und S. beträgt die Wohnfläche der Einliegerwohnung, die sich im Erdgeschoß befindet, 55,30 qm, während die Eigentümerwohnung, die sich sowohl im Erdgeschoß als auch im Dachgeschoß befindet, 161,76 qm groß ist. In dem Formularantrag ist die Zahl der zum klägerischen Haushalt gehörenden Personen mit vier angegeben. Außerdem heißt es zur Begründung der Anerkennung einer Mehrfläche in dem Antrag: "Arbeitszimmer für Dr. ...".

3

Auf eine entsprechende Nachfrage der Beklagten bezüglich der Erforderlichkeit des Arbeitszimmers teilte der Kläger, der Facharzt für Hals-Nase-Ohr ist und in der K.straße ... eine Praxis hat sowie Belegarzt in der P.-Klinik ist, mit, daß er das Arbeitszimmer für folgende Arbeiten benötige: Vorbereitende Buchführungsarbeiten, Erledigung des Zahlungsverkehrs der Praxis, Lohnkontenführung für das Personal, Ausarbeitung der Operationspläne, Erstellung von Gutachten und Privatrechnungen der Privatpatienten, Erstellung der Abrechnungen für die Kassenärztliche Vereinigung, Studium von Fachliteratur zur ärztlich notwendigen Fortbildung. Nach einer Auskunft des Einwohnermeldeamts der Beklagten bestand der Haushalt des Klägers am 25. September 1985 aus vier Personen.

4

Mit Bescheid vom 26. September 1985 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus: Der vom Kläger geltend gemachte Mehrbedarf aus beruflichen Gründen könne nicht anerkannt werden. Es sei ihm zumutbar, diese Tätigkeiten außerhalb seiner Wohnung in den dazu jederzeit zur Verfügung stehenden Praxisräumen zu erledigen. Daneben müsse die Anerkennung einer Mehrfläche auch dann versagt werden, wenn die Überschreitung der Wohnflächengrenze auf besonders hohem Baukomfort beruhe. Bei dem Wohnhaus des Klägers handele es sich um ein Objekt mit gehobenem Baukomfort, bei dem Wohn- und Eßzimmer im Erdgeschoß allein eine Fläche von 50,11 qm hätten. Eine Zubilligung des beantragten Mehrbedarfs sei deshalb auch aus diesem Grunde nicht möglich.

5

Gegen die Ablehnung legte der Kläger unter dem 8. Oktober 1985 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus: Die im Schreiben vom 19. August 1985 im einzelnen aufgeführten Tätigkeiten könnten aus arbeitstechnischen Gründen sowie aus Gründen der Wahrung des Arztgeheimnisses unter keinen Umständen außerhalb des häuslichen Rahmens stattfinden. Die Baukosten in Höhe von ca. 550.000,-- DM für das gesamte Objekt ließen nicht den Schluß auf einen besonders hohen Baukomfort zu. Es sei auch nicht unüblich, daß ein Wohn-/Eßzimmerbereich 50,11 qm ausmache. Zu seinem Haushalt müßten noch zwei Kinder aus erster Ehe hinzugezählt werden, die ihren dauernden Wohnsitz zwar derzeit nicht bei ihm hätten, jedoch häufig zu Besuch kämen und dann untergebracht werden müßten. Für die nächste Zeit sei eine Wohnsitzverlegung zumindest eines dieser Kinder in sein Haus auf Dauer geplant.

6

Eine am 27. Mai 1986 vom Prüfdienst der Beklagten durchgeführte Ortsbesichtigung ergab, daß die Einliegerwohnung des Klägers vermietet war. Außerdem wurde festgestellt, daß das "Arbeitszimmer" des Klägers mit einem Schreibtisch mit Stuhl, einer Karteikartenanlage und einer Bücherwand ausgestattet war.

7

Mit Bescheid vom 4. Juli 1986 wies die Bezirksregierung Weser-Ems den Widerspruch des Klägers zurück und führte aus: Der Kläger verfüge über Praxisräume in der K.straße und in der P.-Klink in Osnabrück. In diesen stünden ihm ausreichende Räumlichkeiten zur Verfügung. Es erscheine nicht glaubhaft, daß die Ausarbeitung von Operationsplänen, die in der Klinik erfolgen müßte, im privaten Arbeitszimmer des Klägers vorgenommen werde und daß das Arztgeheimnis im häuslichen Rahmen mehr geschützt sein solle als in den Praxisräumen. Es könne dem Kläger zugemutet werden, die vorhandenen Praxisräume für die Erledigung der anfallenden Arbeiten zu nutzen.

8

Der Kläger hat am 18. Juli 1986 Klage erhoben. Zur Begründung hat er sich auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren bezogen und ergänzend geltend gemacht: Seine Praxisräume befänden sich in großen Gebäuden, in denen die Zentralheizung an eine Zeituhr gekoppelt sei. Die Praxisräume seien in den Abendstunden, an Sonn- und Feiertagen und an Wochenenden nicht beheizt. Zu diesen Zeiten sei es ihm deshalb nicht zuzumuten, dort seiner Arbeit nachzugehen. In den angemieteten Praxisräumen befänden sich keinerlei Zimmer oder abgeschlossene Räume, welche auch während des Praxisbetriebes unter Verschluß gehalten werden könnten. Ihm sei es daher nicht möglich, Patientenakten, die dem Gegenstand nach vertraulich zu behandeln seien, dort liegen zu lassen. Er müsse also stets dann, wenn er in seiner Gutachtertätigkeit unterbrochen werde, alle Unterlagen unter Verschluß nehmen. Dies gelte auch für vorbereitende Buchführungsarbeiten, die Erledigung des Zahlungsverkehrs der Praxis, die Lohnkontenführung, die Erstellung von Abrechnungen im privat- und kassenärztlichen Sektor. Diesen Arbeiten würden ausnahmslos in seinem Arbeitszimmer unter Mitwirkung seiner Ehefrau durchgeführt. Der Eß-/Wohnzimmerbereich diene keinerlei Repräsentationspflichten. Er sei nur deswegen so groß, weil aus Kostengründen eine Raumtrennwand fortgelassen worden sei. Seine im Jahre 1969 geborene Tochter Sylvia aus erster Ehe habe bis zum Juli 1986 bei ihrer Mutter in Argentinien gelebt. In den Monaten Juli und August 1986 habe sie in seinem Haus in Osnabrück gelebt. Im September sei sie wieder nach Argentinien gefahren, wo sie im Dezember 1986 ihr Abitur ablegen werde. Spätestens ab Weihnachten 1986 werde sie nach Osnabrück zurückkommen und bei ihm leben. Es solle dann überlegt werden, wie ihr weiterer Lebensweg verlaufen solle. Die Einzelheiten seien noch nicht geklärt.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 26. September 1985 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 4. Juli 1986 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den vom Kläger neu geschaffenen Wohnraum als steuerbegünstigt im Sinne der §§ 82, 83 des II. WoBauG anzuerkennen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

13

Zur Begründung hat sie sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen und ergänzend geltend gemacht: Der Kläger verfüge über Praxisräume in der K.straße 25 und in der Belegabteilung der P.-Klinik, die in zumutbarer Entfernung der Wohnung lägen. In diesen könne er die als notwendige häusliche Arbeiten deklarierten Tätigkeiten durchführen. Die Überschreitung der zulässigen Wohnflächengrenze beruhe darauf, daß der Kläger den für den allgemeinen Wohnbedarf vorgesehenen Räumlichkeiten Ausmaße gegeben habe, die einem höheren als dem nach dem II. WoBauG zu fördernden Lebensstandard entsprächen. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, daß zur Hauptwohnung ein Gästezimmer von nahezu 9 qm Fläche gehöre. Selbst wenn im Zeitpunkt des erstmaligen Bezuges beabsichtigt gewesen wäre, ein Kind des Klägers aus erster Ehe in die Familie aufzunehmen, hätte dies nur dann berücksichtigt werden können, wenn diese Absicht bei Antragstellung bekanntgegeben worden und die Aufnahme in den Haushalt dann innerhalb einer Frist von einem halben Jahr nach dem Bezug der Wohnung tatsächlich erfolgt wäre.

14

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 5. Dezember 1986 abgewiesen und zur Begründung ausführt: Eine Mehrfläche zur angemessenen Berücksichtigung beruflicher Bedürfnisse sei deshalb nicht erforderlich, weil der Kläger sich durch besonderen Baukomfort mit großen Räumen die Befriedigung dieser besonderen Bedürfnisse im Rahmen der gesetzlichen Wohnflächengrenzen unmöglich gemacht habe. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Oktober 1965 (BVerwGE 22, 101) sei besonderer Baukomfort bereits bei einem Eß-/Wohnzimmerbereich von 46 qm gegeben. Im vorliegenden Fall betrage die Fläche 50,11 qm. Dabei gehe das Gericht aufgrund der besonderen räumlichen Gestaltung davon aus, daß der Kläger die großzügige Bemessung des Wohn-/Eßzimmerbereichs von vornherein gewollt habe. Der Wohnbereich sei gegenüber dem Eßbereich erhöht und über nicht rechtwinklig angeordnete Stufen vom Eßzimmerbereich aus zu erreichen. Wegen dieser baulichen Gestaltung erscheine es nicht einleutend, daß zunächst beabsichtigt gewesen sein solle, zwischen Wohn- und Eßzimmer eine Trennwand zu errichten. Da die Erforderlichkeit des Mehrbedarfs aus beruflichen Gründen bereits ausgeschlossen sei, könne das Gericht die Frage, ob im Falle des Klägers berufliche Bedürfnisse an Mehrbedarf tatsächlich vorlägen, dahinstehen lassen. Eine Überschreitung der zulässigen Wohnflächengrenze nach § 82 Abs. 2 a II. WoBauG komme nicht in Betracht, da die Tochter Sylvia des Klägers aus erster Ehe weder im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit zu dessen Haushalt gehört habe noch alsbald nach der Fertigstellung des Familienheimes in den Haushalt des Klägers aufgenommen worden sei. Die Tochter Sylvia habe bis zum Juli 1986 dauernd in Argentinien gelebt.

15

Gegen das am 3. März 1987 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. April 1987 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen und macht ergänzend geltend: Da sein Haushalt aus vier Personen bestehe, sei er nicht verpflichtet, zusätzliche berufliche Bedürfnisse aus der Regelwohnfläche zu decken. Sein Arbeitszimmer nehme er wochentags täglich zwei Stunden und an Wochenenden insgesamt zehn bis zwölf Stunden in Anspruch. Weder in der Praxis in der K.straße noch in den Praxisräumen in der P.-Klinik gäbe es abschließbare Räume, die für die in seinem häuslichen Arbeitszimmer durchgeführten Arbeiten geeignet wären. Die in der Fußgängerzone gelegene Praxis in der K.straße sei 4,4 km, die P.-Klinik 1,5 km von seinem Familienheim entfernt. Es sei möglich, die Praxisräume in der K.straße auch außerhalb der Sprechstunden und an Wochenenden zu beheizen.

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Der Kläger beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klagantrag zu erkennen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

20

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

21

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Senat vorgelegen.

22

II.

Die Beruf ung ist zulässig und begründet.

23

Der Kläger hat einen Anspruch auf Anerkennung seines Familienheimes mit zwei Wohnungen als steuerbegünstigt.

24

Nach § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 II. WoBauG in der hier maßgeblichen Fassung beträgt die Wohnflächengrenze für ein Familienheim mit zwei Wohnungen 240 qm. Dabei darf bei einem Familienheim mit zwei Wohnungen keine der Wohnungen die Wohnfläche von 156 qm übersteigen (§ 82 Abs. 1 iVm § 39 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG). Wie unter den Beteiligten unstreitig ist, überschreitet die vom Kläger genutzte Wohnung die Wohnflächengrenze von 156 qm um 5,76 qm.

25

Die Überschreitung ist gemäß § 82 Abs. 2 b II. WoBauG zulässig. Danach ist eine Überschreitung der sich nach Abs. 1 ergebenden Wohnflächengrenzen zulässig, soweit die Mehrfläche zur angemessenen Berücksichtigung der besonderen persönlichen oder beruflichen Bedürfnisse des künftigen Wohnungsinhabers erforderlich ist.

26

Bevor in einer Einzelfallprüfung festgestellt wird, ob zusätzlicher, über die Wohnflächengrenzen hinausgehender Wohnraum zur Erfüllung der besonderen persönlichen oder beruflichen Bedürfnisse erforderlich ist, ist zunächst zu prüfen, ob die Wohnbedürfnisse bereits innerhalb der maßgeblichen Wohnflächengrenzen angemessen berücksichtigt werden können (BVerwG, Urt. v. 23. 9. 1987, ZMR 1988, 119). Denn der Bauherr muß grundsätzlich so planen, daß er seinen Wohnraumbedarf innerhalb der Wohnflächengrenzen befriedigen kann (BVerwG, Urt. v. 21. 4. 1982, Buchholz 454,4, § 82 II. WoBauG Nr. 39; OVG Lüneburg, Urt. v. 18. 4. 1989 - 10 L 67/89). Allerdings stellt sich diese Frage immer nur dann, wenn weniger als vier Personen in dem Haushalt des Bauherrn leben und außerdem besondere persönliche oder berufliche Gründe geltend gemacht werden. Gehören dagegen - wie im vorliegenden Fall - vier Personen zum Haushalt, so darf der Wohnungsinhaber nicht auf die sich aus den §§ 39 Abs. 1 und 82 Abs. 1 II. WoBauG ergebenden Wohnflächengrenzen verwiesen werden. Dies folgt aus § 82 Abs. 2 a II. WoBauG. Danach wird die in § 82 Abs. 1 II. WoBauG bestimmte normale Wohnflächenobergrenze für einen Haushalt von vier Personen als ausreichend angesehen. Hieraus ergibt sich, daß weitere Bedürfnisse zur Zubilligung einer Mehrfläche führen (Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Kom. zum II. WoBauG, § 82 Anm. 10, S. 47). Der Antrag des Klägers durfte deshalb nicht mit dem Hinweis auf einen vom üblichen abweichenden Baukomfort abgelehnt werden.

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Besondere berufliche Bedürfnisse machen die Zuerkennung von Mehrfläche nach § 82 Abs. 2 b II. WoBauG erforderlich, wenn die Ausübung dieser Tätigkeit ganz oder teilweise in der Wohnung erfolgt und dort tatsächlich ein entsprechender Raum oder Raumteil vorhanden ist. Dabei müssen die besonderen Bedürfnisse bereits bei der Gestaltung des Bauvorhabens zum Ausdruck gekommen sein (Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, aaO, S. 44 m.w.N.). Mehrfläche zur angemessenen Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse kann anerkannt werden bei ausschließlicher oder teilweiser Ausübung einer Berufs- oder Erwerbstätigkeit innerhalb der Wohnung, bei häuslicher Vorbereitung oder Zusatzarbeit für eine außerhalb der Wohnung ausgeübte Berufs- oder Erwerbstätigkeit, bei beruflicher Nebentätigkeit oder Berufsaus- und Weiterbildung innerhalb der Wohnung (vgl. hierzu Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, aaO, S. 44 - 46). Voraussetzung für die Anerkennung ist allerdings, daß dem Berufstätigen in zumutbarer Entfernung von der Wohnung keine ausreichenden Arbeitsräume zur Verfügung stehen (OVG Münster, Urt. v. 23. 11. 1973 - XIV A 431/72 - Leitsatz in BBauBl 1976, 435 - Nr. 167).

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Hieran gemessen ist das im Erdgeschoß des klägerischen Hauses gelegene 12,82 qm große Arbeitszimmer zur angemessenen Berücksichtigung der besonderen beruflichen Bedürfnisse des Klägers erforderlich. Der Kläger hat im Berufungsverfahren auf eine entsprechende Nachfrage des Senats noch einmal im einzelnen dargelegt, in welchem zeitlichen Umfang er sein Arbeitszimmer, das bereits zu Baubeginn geplant war, zu welchen Tätigkeiten in Anspruch nimmt. Danach verbringt der Kläger wochentags zwei Stunden täglich und am Wochenende zehn bis zwölf Stunden in seinem Arbeitszimmer. Dort erledigt er folgende Arbeiten: Lohnbuchhaltung, Kontenführung, Rechnungsstellung für privat versicherte Patienten, Kontrolle und Mahnung der Zahlungseingänge, Abfassung und Diktat von Arztbriefen, Abfassung, Diktat und Korrektur von Gutachten für das Versorgungsamt und die Bundesversicherung für Angestellte, ärztliche Bescheinigungen, Auskünfte an Versicherungsträger und sonstige Zahlstellen, Korrespondenz mit der Kassenärztlichen Vereinigung, Abrechnung und Erstellung von Belegen für die gesetzliche Krankenversicherung, Durchsicht von Fachliteratur und Abfassung entsprechender Stellungnahmen sowie Diktat von Operationsberichten. Zur Erledigung dieser Tätigkeiten lagert der Kläger in seinem Arbeitszimmer die Steuerbelege der Praxisgemeinschaft der letzten zehn Jahrgänge (60 DIN A 4 Ordner). Außerdem hat er dort den größten Teil der notwendigen Fachliteratur untergebracht. Für die Richtigkeit dieser Angaben, die von der Beklagten nicht bestritten werden, spricht die von dem Prüfdienst der Beklagten anläßlich einer Ortsbesichtigung im Hause des Klägers am 27. Mai 1986 festgestellte Ausstattung des klägerischen Arbeitszimmers. Danach befanden sich in diesem Zimmer seinerzeit ein Schreibtisch mit Stuhl, eine Karteikartenanlage und eine Bücherwand. Dem Kläger stehen für die von ihm geschilderten Tätigkeiten auch keine ausreichenden Arbeitsräume in zumutbarer Entfernung von seinem Familienheim zur Verfügung. Der Kläger hat unwidersprochen dargelegt, daß die Praxisräume in der K.straße und in der P.-Klinik lediglich Räume enthalten, die zu Verkehrszwecken (Flur usw.) und spezifisch HNO - ärztlichen Tätigkeiten (Sprechzimmer, Inhalationszimmer, Injektionszimmer, Audiometrieräume u.a.m.) geeignet seien. Außerdem stünden die Praxisräume in der P.-Klinik seinem Kollegen Dr. ..., mit dem er eine Gemeinschaftspraxis betreibe, zur Verfügung. Zudem müßten diese Räume jederzeit für zu behandelnde Notfälle bereitgehalten werden. Abschließbare Räume, die ausschließlich den von ihm in seinem häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten gewidmet werden könnten, seien dagegen nicht vorhanden. Darüber hinaus ist es dem Kläger auch angesichts der von ihm dargestellten Beheizungsmöglichkeiten der Praxisräume und deren Entfernung von seinem Familienheim nicht zumutbar, diese als Arbeitszimmer zu nutzen.

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Die Beklagte war daher zu verpflichten, die vom Kläger begehrte Anerkennung zu erteilen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

31

Die Revision wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

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Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Jank ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben. Dr. Heidelmann

33

Dr. Heidelmann

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Dr. Greve