Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.04.2001, Az.: 7 K 139/96
Sofortige Änderung des Gesellschafterbestandes nach Gründung der Gesellschaft; Voraussetzungen des Gestaltungsmißbrauchs
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 03.04.2001
- Aktenzeichen
- 7 K 139/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 23863
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:0403.7K139.96.0A
Fundstellen
- DWW 2003, 131
- EFG 2003, 180-181
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Gründung einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit sofortigem Gesellschafterwechsel die Grunderwerbsteuer aufgrund der Annahme eines Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten anfällt.
Die Eheleute D. waren im Grundbuch als Bruchteilseigentümer zu je 1/2 eines Hausgrundstücks eingetragen. Mit Notarvertrag vom 2. November 1995 gründeten die Eheleute eine Grundstücksgesellschaft nach den §§ 705 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit jeweils gleichen Anteilen. Am selben Tag veräußerte Frau D. ihren Gesellschaftsanteil für 525.000,00 DM an den Kläger, den Bruder ihres Ehemannes. Der Kläger ist Steuerberater. Das beklagte Finanzamt sah in diesem Vorgang nicht den Erwerb eines Gesellschaftsanteils, sondern einen Grundstückserwerb und setzte entsprechend Grunderwerbsteuer in Höhe von 10.500,00 DM (= 2 v.H. von 525.000,00 DM) mit Bescheid vom 19. Dezember 1995 fest.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhebt der Kläger Klage und trägt im Wesentlichen folgendes vor:
Er habe lediglich einen Anteil an einer Gesamthand erworben. Die Übertragung eines Gesellschaftsanteils unterliege nicht der Grunderwerbsteuer. Es sei nicht rechtsmissbräuchlich, wenn zunächst die Eheleute D. eine Grundstücksgesellschaft gründen und anschließend er mit Frau D. einen nichtgrunderwerbsteuerbaren Gesellschafterwechsel vollziehe. Es sei lediglich ein mündlicher Gesellschaftsvertrag geschlossen worden, da keine Besonderheiten zu regeln gewesen seien. Die Gesellschafter seien je hälftig am Gewinn und Verlust beteiligt. Gesellschaftszweck sei der Erwerb und die Verwaltung von Grundvermögen. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts trete als solche nach außen auf; sie habe in 1996 ein weiteres Grundstück erworben. Die Entscheidung für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts habe rein wirtschaftliche Gründe. So seien die in Verbindung mit Grundbesitz anfallenden Nebenkosten in der Regel geringer, wenn Gesellschafter zum Beispiel zur Finanzierung neuer Objekte aufgenommen würden, bedürfe es nur einer Mitteilung an das Amtsgericht hinsichtlich des Beitritts oder Ausscheidens eines Gesellschafters.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 3. März 1996 aufzuheben und damit die Grunderwerbsteuer auf 0,00 DM herabzusetzen.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält an seiner Auffassung aus dem Vorverfahren fest, wonach hier ein Grundstückserwerb gegeben ist. Der Sinn und Zweck des nicht steuerbaren Wechsels im Personenstand einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, nämlich den Zusammenschluss mehrerer Personen zu einer Personengesellschaft und den späteren Wechsel der Gesellschafter nicht durch steuerliche Hindernisse zu erschweren, werde hier verfehlt. Denn hier sei ein Grundstücksmiteigentümer (Frau D.) nur für eine logische Sekunde und lediglich zu dem Zweck in eine neue Gesellschaft eingetreten, um im nächsten Moment wieder abzutreten.
Dem Gericht hat die beim beklagten Finanzamt geführte Grunderwerbsteuerakte vorgelegen. Das Gericht hat mit Schreiben vom 26. Februar 2001 vom Kläger den Gesellschaftsvertrag der Grundstücksgesellschaft, in die der Kläger mit Notarvertrag vom 2. November 1995 eintrat, angefordert. Auf das Antwortschreiben des Klägers vom 6. März 2001, das teilweise von seinen Ausführungen im Schreiben vom 22. Februar 2001 abweicht, wird Bezug genommen.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch aufÜbereignung begründet, soweit sich der Rechtsvorgang auf ein inländisches Grundstück bezieht. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kommt diese Vorschrift mit Blick auf § 42 Satz 1 der Abgabenordnung (AO), wonach das Steuergesetz durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden kann, auch bei der Übertragung besonders ausgestalteter Mitgliedschaftsrechte an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur Anwendung, wenn dieseÜbertragung im rechtlichen und wirtschaftlichen Ergebnis der Verschaffung eines Grundstücks oder Grundstückanteils gleichkommt (vgl. BFH vom 27. März 1991 II R 82/87, BStBl. II 1991, 731, mit weiteren Nachweisen). Nach § 42 Satz 2 AO entsteht beim Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.
Nach diesen Rechtsgrundsätzen, denen der Senat folgt, hat der Kläger grunderwerbsteuerlich nicht einen Gesellschaftsanteil, sondern wegen Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten einen Anteil am Grundstück erworben. Entsprechend ist der Grunderwerbsteueranspruch entstanden. Denn das zeitliche Zusammentreffen von Gründung einer Immobiliengesellschaft und Anteilsübertragung am selben Tag, also die Gesellschaftsgründung mit sofortigem Gesellschafterwechsel, und das Fehlen eines außersteuerlichen Grundes für diese Gestaltung lassen allein den Schluss zu, dass die Gestaltung der Umgehung der Grunderwerbsteuer, die bei angemessener rechtlicher Gestaltung (Erwerb des Miteigentumsanteils am Grundstück) entsteht, dienen sollte.
Die Einwendungen des Klägers, wonach die Gestaltung rein wirtschaftliche Gründe habe, greifen nicht durch. Denn die mit Schreiben vom 6. März 2001 angeführten Rechtfertigungen sind möglicherweise gute Gründe für die Fortführung der bereits existierenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch den Kläger und seinen Bruder. Die Ausführungen des Klägers vermögen aber nicht zu erklären, warum die Gründung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die Eheleute D. mit sofortigem Austausch der Gesellschafterin durch den Kläger ein wirtschaftlich angemessener Vorgang sein soll. Vielmehr hätte es sich aus wirtschaftlicher Sicht angeboten, dass der Kläger den Miteigentumsanteil am Grundstück von Frau D. erwirbt, um dann anschließend mit seinem Bruder, dem anderen Miteigentümer, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu gründen, zur Inanspruchnahme der klägerseits beschriebenen wirtschaftlichen Vorteile.
Es kann auch nicht eingewandt werden, dass dem Kläger der Gestaltungsmissbrauch nicht zuzurechnen sei, weil die Gründung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts allein zwischen den Eheleuten D. stattgefunden habe. Denn wie das Schreiben des Klägers vom 6. März 2001 zeigt, haben die Eheleute D. und der Kläger von Anfang an zusammengewirkt. So schreibt der Kläger im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag der Grundstücksgesellschaft, in die der Kläger eingetreten ist: "Wir haben auf die schriftliche Form verzichtet...".
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.