Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.04.2001, Az.: 5 K 187/95

Vorsteuerabzugsberechtigung eines unselbstständigen Betriebsschlossers bei gleichzeitiger gewerblicher Vermietung eines ihm gehörenden Raumes

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
05.04.2001
Aktenzeichen
5 K 187/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 14567
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2001:0405.5K187.95.0A

Fundstellen

  • EFG 2001, 1077 (Volltext mit red. LS)
  • UStB 2001, 296-297

Tatbestand

1

Der Kläger war im Streitjahr unselbständig als Betriebsschlosser bei der D. GmbH tätig. Die Beteiligten streiten darüber, ob er daneben durch die Vermietung eines Raumes an eine Fußpflegepraxis Unternehmer und als solcher zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen ist.

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Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 20. September 1990 erwarb der Kläger das vertraglich näher bezeichnete Grundstück in D. Mit Bauwerkvertrag vom 31. Oktober 1990 beauftragte er die S. Baubetreuung GmbH mit der Errichtung eines Wohngebäudes auf dem Grundstück. Während der Bauphase übertrug der Kläger ein Drittel des Grundstücks auf seine jetzige Ehefrau und damalige Lebensgefährtin, Frau P. Mit Rechnung vom 12. November 1991 rechnete die S. Baubetreuung GmbH gegenüber dem Kläger über die Durchführung des Bauvorhabens ab und stellte ihm dabei 31.938,51 DM Umsatzsteuer gesondert in Rechnung. Darüber hinaus stellten ihm andere Unternehmer weitere Vorsteuern in Höhe von insgesamt 2.512,14 DM für Leistungen im Zusammenhang mit der Errichtung des Hauses in Rechnung. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger Frau P. bereits ab 1. Oktober 1991 einen Teil des Gebäudes mit einer Grundfläche von 38,27 qm zum Betrieb ihrer Fußpflegepraxis entgeltlich überlassen hatte. Dabei handelt es sich um 22,25 v.H. der gesamten Gebäudefläche. Den schriftlichen Mietvertrag unterzeichneten der Kläger und Frau P. am 1. Mai 1992; er sollte rückwirkend ab 1. Oktober 1991 gelten. Als monatlichen Mietzins vereinbarten die Vertragsparteien 300,00 DM zuzüglich 42,00 DM Umsatzsteuer. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen in dem Grundstückskaufvertrag, dem Überlassungsvertrag und dem Mietvertrag wird auf den jeweils in Kopie zu den Steuerakten gelangten Vertragstext Bezug genommen.

3

Frau P. überwies die Mietzahlungen in der Folgezeit auf ein Konto des Klägers, allerdings nur in Höhe von 300,00 DM. Mit seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1991 unterwarf der Kläger Umsätze in Höhe von 789,00 DM der Umsatzsteuer und machte Vorsteuern in Höhe von 7.665,26 DM geltend. Hierbei handelte es ich um 22,25 v.H. der dem Kläger insgesamt in Rechnung gestellten Umsatzsteuern in Höhe von 34.450,65 DM. Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 4. Januar 1993 die Durchführung einer Umsatzsteuerveranlagung für den Kläger ab. Der gegen die Ablehnung gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

4

Hiergegen richtet sich nunmehr die Klage. Zu deren Begründung trägt der Kläger vor, er sei als Unternehmer zum Abzug der auf Leistungsbezüge für sein Unternehmen entfallenden Vorsteuern berechtigt. Zivilrechtlich könne die Ausübung des Gebrauchsrechts i.S.d. §§ 741 ff. BGB auch zwischen den Teilhabern einer Miteigentümergemeinschaft untereinander geregelt werden. Der zwischen ihm, dem Kläger, und Frau P. geschlossene Mietvertrag sei daher zivilrechtlich möglich und wirksam gewesen. Durch die Ausführung der auf diesem Vertrag beruhenden Vermietungsleistungen sei er zum Unternehmer geworden.

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Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, die Umsatzsteuer 1991 auf ./. 7.554,80 DM festzusetzen.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Er vertritt die Auffassung, die Vermietung eines rechnerisch festgelegten ideellen Miteigentumsanteils durch ein einzelnes Mitglied einer Bruchteilsgemeinschaft sei nicht möglich. Bei der Vermietung von Miteigentum handle es sich um eine Verwaltungsmaßnahme, über die gemäß § 744 Abs. 1 BGB nur die Grundstücksgemeinschaft gemeinschaftlich entscheiden könne. Da die Vermietungsleistung zwingend von der Gemeinschaft erbracht werde, könne auch nur sie diesbezüglich leistender Unternehmer sein.

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Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Steuerakten zu Steuer-Nr. ... sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

9

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Gründe

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Die Klage ist überwiegend begründet.

11

Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, für den Kläger eine Umsatzsteuerveranlagung durchzuführen. Dem Kläger steht gemäß § 15 Abs. 1 UStG der von ihm geltend gemachte Vorsteuerabzug zu. Insbesondere scheitert seine Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht an der fehlenden Unternehmereigenschaft.

12

Der Kläger ist Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG. Nach dieser Norm ist Unternehmer, wer eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen selbständig ausübt. Vorliegend hat der Kläger auf der Grundlage des als Mietvertrag bezeichneten Vertrages vom 1. Mai 1992 im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses sonstige Leistungen i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG an Frau P. ausgeführt. Ob die von dem Kläger ausgeführten Leistungen in der Übertragung seines ihm gemäß § 743 Abs. 2 BGB als Miteigentümer zustehenden (Mit-) Gebrauchsrechts oder in dem zeitlich beschränkten schuldrechtlichen Verzicht auf dieses Recht hinsichtlich des Frau P. überlassenen Raumes im Haus ... in D. bestanden haben, hat der Senat offenlassen können. Sowohl die Rechtspacht als Einräumung und Übertragung von Rechten als auch der Verzicht auf die Ausübung einer Rechtsposition führt zu sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG (Sölch/Ringleb, § 3 Rz. 224 ff. m.w.N.).

13

Ungeachtet der Bezeichnung durch die Vertragsparteien stellt der zwischen ihnen geschlossene Vertrag keinen Mietvertrag dar. Zwar handelt es sich bei der entgeltlichen Nutzungsüberlassung eines Grundstücks an einzelne von mehreren Miteigentümern grundsätzlich um einen Mietvertrag zwischen diesen und der Eigentümergemeinschaft (Urteil des BGH vom 15. September 1997 II ZR 94/96, NJW 1998, 372, 373). Auch haben die Vertragsparteien den zwischen ihnen geschlossenen Vertrag als Mietvertrag bezeichnet. Hierbei handelt es sich aber um eine Falschbezeichnung, die nicht im Einklang mit dem von den Vertragsparteien gewollten Inhalt steht. In diesem Fall ist der übereinstimmende Wille der Parteien rechtlich auch dann allein maßgebend, wenn er im Inhalt der Vereinbarung keinen oder nur unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Auflage, § 133 Rz.8).

14

Der Abschluss eines Mietvertrages hat nicht den Gestaltungsinteressen der Beteiligten entsprochen, weil der Kläger und nicht die Gemeinschaft die Gebrauchsüberlassung als Leistung ausführen sollte. Auch sollte er und nicht die Gemeinschaft das Entgelt für die zu erbringende Leistung erhalten. Zielsetzung der Vertragsparteien ist es zum einen gewesen, Frau P. die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit hinsichtlich des von ihr als Fußpflegepraxis verwendeten Raumes zu eröffnen. Zum anderen lag es insbesondere im Interesse des Klägers durch die im Zuge der Vertragserfüllung zu erbringenden Leistungen eine eigene unternehmerische Tätigkeit zu begründen. Dieses Ziel kommt in der von ihm abgegebenen Umsatzsteuererklärung zum Ausdruck. Die Vermietung einer im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Sache kann aber nur durch die Teilhaber gemeinschaftlich erfolgen, weil die Vermietung einer Sache der gemeinschaftlichen Verwaltung gemäß §§ 744, 745 BGB unterliegt. Bei der Vereinbarung eines Mietvertrages wäre deshalb zwingend die Gemeinschaft zur Vermieterin und damit zur Unternehmerin geworden.

15

Die Vertragsparteien haben Frau P. die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit an dem Raum aber auch durch folgende rechtliche Gestaltung einräumen können, die im Gegensatz zu einem Mietvertrag mit ihren sonstigen Interessen im Einklang steht. Frau P. hat als Teilhaberin bereits ein (Mit-) Gebrauchsrecht aus § 743 Abs. 2 BGB innegehabt. Um die un-eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit zu erhalten, hat es deshalb ausgereicht, daß der Kläger ihr sein (Mit-) Gebrauchsrecht übertragen oder auf dessen Ausübung zu ihren Gunsten verzichtet hat. Damit sind die Leistungen an Frau P. durch den Kläger, nicht aber die Miteigentümergemeinschaft erbracht worden.

16

Allerdings ist die Klage nicht begründet, soweit der Kläger Nettoumsätze in Höhe von lediglich 789,47 DM der Umsatzsteuer unterworfen hat. Die gemäß § 1 Abs. 1 UStG zu versteuernden Umsätze betragen stattdessen 900,00 DM. Die Umsatzsteuer entsteht gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Bemessungsgrundlage ist dabei das vereinbarte Entgelt. Vorliegend haben die Vertragsparteien im Mietvertrag vom 1. Mai 1992 ein Nettoentgelt von 300,00 DM monatlich zuzüglich 42,00 DM Umsatzsteuer vereinbart. Hiervon ist für die Besteuerung auszugehen.

17

Zwar hat Frau P. tatsächlich nur 300,00 DM (brutto) überwiesen. Der Grund für diese im Widerspruch zum Mietvertrag stehenden geringeren Zahlungen ist für den Senat nicht nach-vollziehbar. Um eine von den Vertragsparteien nachträglich vereinbarte Änderung der Bemessungsgrundlage kann es sich vom zeitlichen Ablauf her nicht gehandelt haben. Der Mietvertrag ist am 1. Mai 1992 unterschrieben worden und sollte in dieser Form bereits ab 1. Oktober 1991 gelten. Die Überweisungen der Mietzahlungen für den im Streit befindlichen Zeitraum Oktober bis 31. Dezember 1991 sind aber bereits am 11. November 1991, 10. Dezember 1991 und 10. Januar 1991 erfolgt.

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Selbst wenn aber eine Änderung der Bemessungsgrundlage vorliegen würde, käme insoweit keine andere Besteuerung in Betracht. In diesem Fall hätten die Beteiligten eine Berichtigung nach § 17 UStG vornehmen und in diesem Zuge auch die Rechnung korrigieren müssen. Bis zur Berichtigung der Rechnung schuldet der Kläger die höher ausgewiesene Steuer nach § 14 Abs. 2 UStG.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3.

20

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.