Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.04.2001, Az.: 4 K 373/91

Übernahme eines Gartenbaubetriebs zwischen Familienangehörigen als unentgeltlicher Erwerb

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
25.04.2001
Aktenzeichen
4 K 373/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 14649
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2001:0425.4K373.91.0A

Fundstellen

  • EFG 2001, 1548 (Volltext mit red. LS)
  • ErbBstg 2002, 95

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Übernahme des väterlichen Betriebes durch den Kläger ab dem 01.03.1988 auf einem Kaufvertrag oder einem unentgeltlichen Übergabevertrag beruht und ob der Gewinn für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 01.03. bis 31.12.1988 oder für einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum zu ermitteln ist.

2

Der Vater des Klägers betrieb einen Gartenbaubetrieb auf gepachteten Grundstücken und einem Erbbaurecht. Ein Teil des Betriebes befand sich in H., der andere Teil in B. Das am 01.11.1953 begonnene Pachtverhältnis lief am 31.12.1990 ab, das Erbbaurecht war ab 01.07.1974 für die Dauer von 99 Jahren bestellt. Der Gewinn wurde durch Vermögensvergleich ermittelt. Wirtschaftsjahr war das Kalenderjahr.

3

Durch notariellen Vertrag vom 17.03.1988 (Bl. 50 der ESt-Akte 1988 des FA) erwarb der Kläger von seinem Vater mit Wirkung ab 01.03.1988 den Gartenbaubetrieb mit allen Aktiven und Passiven für einen angegebenen Kaufpreis von 240.000,00 DM zuzüglich 14% Umsatzsteuer (= 33.600,00 DM). Grundlage für den Kaufpreis bildete ein vom ..., erstelltes Gutachten vom 23.08.1982 (Bl. 65ff der ESt-Akte 1988 des FA). Nach § 4 des Vertrages sollte über die Fälligkeit des Kaufpreises eine gesonderte Vereinbarung getroffen werden. Ein Teil des Kaufpreises sollte durch eine Leibrente in Höhe von monatlich 600,00 DM an den Vater (geb. am 03.05.1922) und die Mutter (geb. 02.02.1923) als Gesamtberechtigte (§ 428 BGB) bis zum Ableben des letztversterbenden Elternteils, jedoch längstens bis zur Tilgung des vereinbarten Kaufpreises, erbracht werden. Mit dem Tod des letztversterbenden Elternteils sollte der Rest-Kaufpreis entfallen, soweit er nicht bereits durch Zahlung der Leibrente getilgt worden ist. In einem weiteren notariellen Erbvertrag vom 15.06.1988 (Bl. 92 ff der ESt-Akte 1988 des FA) haben der Kläger und seine Eltern vereinbart, dass der Kläger den im Zeitpunkt des Todes des letztversterbenden Elternteils verbleibenden Restkaufpreis als nicht anrechenbares Vorausvermächtnis erhält. Der übernommene Betrieb wurde auf Antrag des Klägers am 05.02.1990 in das Handelsregister eingetragen.

4

Das FA setzte zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Einkommensteuer 1988 auf der Grundlage der Einkommensteuererklärung auf 0,00 DM fest.

5

Nach einer Außenprüfung beim Vater des Klägers kam das FA zu dem Ergebnis, dass der Übertragungsvertrag als unentgeltliches Rechtsgeschäft anzusehen sei, weil Leistung und Gegenleistung (Kaufobjekt und Kaufpreis) nicht wie unter fremden Dritten gegeneinander abgewogen seien. Die Höhe des Kaufpreises von nur 274.600,00 DM brutto mit einer Differenz von 167.000,00 DM gegenüber dem im Gutachten festgestellten Wert von 440.775,00 DM sei nicht nachvollziehbar. Ein Geschäftswert und ein für die Gärtnerei wertmäßig bedeutsamer Bestand an Vorräten, Pflanzen und Hilfsstoffen hätten bei der Kaufpreisbemessung keine Berücksichtigung gefunden. Ebensowenig seien entgegen den Gepflogenheiten unter fremden Dritten die Forderungen und Verbindlichkeiten abgestimmt oder erkennbar in die Kaufpreiskalkulation einbezogen worden. Außerdem seien von den Vertragsparteien hinsichtlich des Kaufpreises keine Vereinbarungen über die Laufzeit der Tilgung und die Tilgungsraten sowie eine Verzinsung des Kaufpreises getroffen worden. Lediglich die Zahlung einer monatlichen Rente in Höhe von 600,00 DM bis zum Tode des letztversterbenden Elternteils sei vereinbart worden. Insgesamt habe der Kläger lediglich eine rechnerische Gegenleistung von 36.221 DM übernommen. Dies ergebe sich aus folgender Aufstellung:

Barwert der Rente (600,00 DM/monatlich) auf Lebenszeit68.162,00 DM
+ Übernommene betriebliche Schulden36.216,00 DM
./. übernommene Forderungen49.972,00 DM
./. übernommene Vorräte 18.185,00 DM
rechnerische Gegenleistung36.221,00 DM
6

Das FA erkannte den Kaufvertrag nicht an und ermittelte einen gewerblichen Gewinn in Höhe von 44.883,61 DM. Dabei wich es von der Gewinnermittlung des Klägers, der den Gewinn abweichend vom Kalenderjahr für den Zeitraum vom 01.03.1988 bis 28.02.1989 ermittelt hat, ab, indem es die Buchwerte des Rechtsvorgängers fortführte und den Gewinn auf das Rumpfwirtschaftsjahr 01.03. bis 31.12.1988 umrechnete:

Gewinn lt. Bilanz auf den 28.02.19891.425,00 DM
+ AfA wie bisher70.880.39,00 DM
+ Angleichung des Rentenbarwerts 2.688,00 DM
Zwischensumme74.993,64 DM
85% der Zwischensumme (entsprechend dem Verhältnis für die Monate aus 1988 und 1989)63.744,00 DM
./. berichtigte AfA bis zum 31.12.1988 18.860,39 DM
Gewinn 198844.883,61 DM
7

Die Rente behandelte das FA als dauernde Last und berücksichtigte sie als Sonderausgaben. Dementsprechend setzte es durch Änderungsbescheid vom 16.10.1990 die Einkommensteuer 1988 auf 9.832,00 DM fest. Außerdem setzte das FA erstmalig durch Bescheid vom 05.11.1990 den Gewerbesteuer-Messbetrag 1988 auf 486,00 DM fest. Diesen zerlegte es durch einen weiteren Bescheid vom 05.11.1990, wobei auf die Stadt H. ein Anteil von 347,15 DM und die Stadt B. ein Anteil von 138,85 DM entfiel.

8

Dagegen richtet sich nach erfolglos gebliebenem Vorverfahren die Klage.

9

Nachdem der Kläger während des Klageverfahrens die Einkommensteuererklärung für 1990 eingereicht hat, setzte das FA durch Bescheid vom 26.10.1992 den verbleibenden Verlustabzug zum 31.12.1990 gemäß § 10d Abs. 3 a.F. EStG auf 58.664,00 DM fest.

10

Zur Begründung der Klage wurde im wesentlichen vorgetragen: Der Kläger habe den Betrieb seines Vaters entgeltlich für einen Kaufpreis von 240.000,00 DM zzgl. USt erworben. Die Höhe des Kaufpreises entspreche dem Wert der Gegenleistung. Der Zeitwert des Gärtnereibetriebes lt. dem Gutachten vom 23.08.1982 habe nicht 440.765,00 DM, sondern nur 336.129,00 DM betragen. Die Differenz ergebe sich aus den Werten der gepachteten Flächen und des Erbbaurechts, die fehlerhaft mit dem kapitalisierten Pachtzins angesetzt worden seien. Ausgehend von dem Zeitwert 1982 in Höhe von 336.129,00 DM sei unter Berücksichtigung der AfA für den Zeitraum 01.04.1982 bis 01.03.1988 in Höhe von 96.129,00 DM der pauschalierte Übernahmepreis mit 240.000,00 DM zzgl. USt vereinbart worden. Die übernommenen Bestände an Pflanzen, Vorräte und Hilfsstoffe mit einem Anteil von 7,6 % des Gesamtkaufpreises hätten keine Bedeutung gehabt. Diese Bestände hätten bereits in dem Gutachten vom 23.08.1982 keine Berücksichtigung gefunden, weil sie als nicht wesentlich betrachtet worden seien. Der Unterschiedsbetrag zwischen den betrieblichen Forderungen und Verbindlichkeiten von rund 14.000,00 DM betrage nur 5,7 % des Gesamtkaufpreises und sei damit ebenfalls von nur untergeordneter Bedeutung. Es treffe zwar zu, dass keinerlei Kaufpreismodalitäten vereinbart worden seien. Die Fälligkeit des Kaufpreises habe einer gesonderten Vereinbarung vorbehalten bleiben sollen, weil beim Vertragsabschluss noch keine Klarheit darüber bestanden habe, welchen Ertrag der Betrieb unter der neuen Regie würde erwirtschaften können. Der Gewinn sei nicht für das Rumpfwirtschaftsjahr, sondern für den vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum vom 01.03.1988 bis 28.02.1989 zu ermitteln. Der Kläger sei nicht an das Wirtschaftsjahr des Rechtsvorgängers gebunden. Auch wenn den Ausführungen des Klägers nicht gefolgt werden könne, sei unter Berücksichtigung des nicht ausgeglichenen Verlustes aus 1990 die Einkommensteuer 1988 auf 0,00 DM herabzusetzen.

11

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 09.07.1991 und Änderung des Einkommensteuer-Änderungsbescheids vom 16.10.1990 ohne bzw. hilfsweise unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrags nach § 10d EStG aus 1990 in Höhe von 41.142,00 DM die Einkommensteuer auf 0,00 DM festzusetzen, und unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 09.07.1991 und Änderung des Gewerbesteuer-Messbetragsbescheids und des Zerlegungsbescheids vom 05.11.1990 den Gewerbesteuer-Messbetrag auf 0,00 DM festzusetzen.

12

Das FA beantragt,

die Einkommensteuer 1988 auf 0,00 DM festzusetzen und die Klage im Übrigen abzuweisen.

13

Es hält hinsichtlich der steuerlichen Behandlung des Übernahmevertrages an seiner Einspruchsentscheidung fest. Die begehrte Herabsetzung der Einkommensteuer 1988 auf 0,00 DM könne nur mit der Inanspruchnahme des Verlustrücktrags aus dem Jahr 1990 erreicht werden.

Gründe

14

Die Klage ist nur hinsichtlich der Einkommensteuer 1988 mit Rücksicht auf den vorzunehmenden Verlustrücktrag aus 1990 begründet. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

15

1.

Das FA hat zu Recht einen entgeltlichen Erwerb des Gärtnereibetriebes durch den Kläger von seinem Vater verneint.

16

Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH), dem sich der erkennende Senat anschließt, qualifiziert sog. Übergabeverträge grundsätzlich als unentgeltliche Rechtsgeschäfte (BFH BStBl II 1990, 847). Kennzeichnend für diesen Vertragstypus ist es, dass die Eltern oder - wie im Streitfall - ein Elternteil schon zu Lebzeiten Vermögen (§ 419 BGB) oder Vermögensteile einem Angehörigen übertragen und sich dafür Leistungen für ihren Unterhalt versprechen lassen. Bei Verträgen diesen Inhalts besteht eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass die Übergabe des Vermögens an Abkömmlinge aus familiären oder erbrechtlichen Gründen, nicht aber im Wege eines Veräußerungsgeschäfts unter kaufmännischer Abwägung von Leistung und Gegenleistung erfolgt. Dementsprechend sind die Versorgungsleistungen beim Empfänger als wiederkehrende Bezüge zu versteuern (§ 22 Nr. 1 EStG) und damit korrespondierend beim Leistenden als Sonderausgaben abzugsfähig (§ 10 Abs. 1a EStG). Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen liegt vor, wenn ein Ratenkauf vorliegt, oder soweit der Übernehmer Ausgleichsgelder an weichende Erben zu zahlen hat.

17

Im Streitfall stellen die in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang geschlossenen notariellen Verträge vom 17.03. und 15.06.1988 einen einheitlichen Übergabevertrag im vorgenannten Sinn dar, wonach der Kläger eine bestimmte lebenslange Rente zu zahlen hat und ihm ein verbleibender Restkaufpreis beim Tod des Letztberechtigten als nicht anrechenbares Vorausvermächtnis zu Gute kommen soll. Demgegenüber wurde keine Vereinbarung darüber getroffen, auf welche Weise über die zu zahlende Rente hinaus der Kaufpreis getilgt werden sollte. Aufgrund dieser Vereinbarungen und der Tatsache, dass über die vereinbarte Leibrente hinaus keine Zahlungen auf den genannten Kaufpreis geleistet worden sind, kommt der erkennende Senat zu dem Ergebnis, dass die Leibrente nicht lediglich einen Teil des Kaufpreises bilden sollte, sondern der Kläger den Betrieb von vornherein nur gegen Zahlung einer monatlichen Leibrente bis zum Tod des Letztberechtigten übernehmen sollte.

18

Es gibt keinen Grund, abweichend von den genannten Grundsätzen zu den sog. Übergabeverträgen die vom Kläger zugesagte Leibrente von monatlich 600,00 DM (= 7.200,00 DM jährlich) als entgeltliche Gegenleistung für den Gartenbaubetrieb anzusehen. Mit der vereinbarten Rente wäre der Kaufpreis von 273.600,00 DM erst nach 38 Jahren getilgt worden. Die Lebenserwartung der Mutter des Klägers, die bei Abschluss des Vertrages vom 17.03.1988 bereits das 65. Lebensjahr vollendet hatte und als die jüngere der beiden Berechtigten als die voraussichtlich Letztberechtigte anzusehen ist, betrug aber nur 17 Jahre (Mittlere Lebenserwartung, abgeleitet aus der "Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland 1986/1988 nach dem Gebietsstand seit dem 03.10.1990", Tabelle 6 zu § 12 Bewertungsgesetz). Die Differenz zwischen einer sich dann ergebenden Rentenleistung von 122.400,00 DM (= 7.200,00 DM x 17 Jahre) und dem verbleibenden Restkaufpreis von 151.200,00 DM, der dem Kläger als nicht anrechenbares Vorausvermächtnis zu gute kommen sollte, macht deutlich, dass Leistung und Gegenleistung nicht in kaufmännischer Weise wirtschaftlich ausgewogen sind. Von einem Ratenkauf kann daher keine Rede sein. Da der Kläger auch keine Gleichstellungsgelder an seine Schwester zu zahlen hatte, hat das FA zu Recht den Übertragungsvertrag als unentgeltliches Rechtsgeschäft behandelt.

19

Da der Betrieb auf den Kläger unentgeltlich übertragen wurde, hat das FA bei der Gewinnermittlung auch zu Recht die Buchwerte des Rechtsvorgängers fortgeführt (§ 7 Abs. 1 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -; ab 1999: § 6 Abs. 3 EStG). Es hat auch zutreffend den Gewinn für das Rumpfwirtschaftsjahr 01.03. bis 31.12.1988 ermittelt. Die Umstellung des Wirtschaftsjahres auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum ist steuerlich nur wirksam, wenn sie im Einvernehmen mit dem Finanzamt vorgenommen wird (§ 4 a Abs. 1 Nr. 2 EStG, § 8b Nr. 2 EStDV). Diese Voraussetzung liegt für das Streitjahr nicht vor. Die Ermittlung des Gewinns im Übrigen hat der Kläger nicht beanstandet; Fehler sind auch nicht ersichtlich.

20

Nach allem konnte die Einkommensteuer 1988 nur unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus 1990 auf 0,00 DM herabgesetzt werden. Das ergibt die folgende Berechnung:

Gesamtbetrag der Einkünfte bisher51.345,00 DM
./. Sonderausgaben wie bisher10.203,00 DM
./. Verlustrücktrag 41.142,00 DM
Einkommen0,00 DM
21

2.

Die Klage gegen den Gewerbesteuer-Messbetrag 1988 ist unbegründet. Das FA hat den Gewerbeertrag gerundet auf volle 100,00 DM zutreffend mit 44.800,00 DM angesetzt. Wegen der Gründe wird auf die Entscheidungsgründe zu 1. mit Ausnahme der Ausführungen zum Verlustrücktrag Bezug genommen. Eine Minderung des Gewerbeertrags im Wege des Verlustrücktrags kam mangels entsprechender Bestimmung im Gewerbesteuergesetz nicht in Betracht. Der Ansatz des Steuermessbetrags nach dem Gewerbekapital auf 46,00 DM wurde nicht beanstandet und lässt auch keine Fehler erkennen.

22

3.

Der Bescheid über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages 1988 ist ebenfalls unbegründet. Fehler wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

23

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 137 FGO. Obwohl der Kläger aufgrund des Verlustrücktrags teilweise obsiegt hat, waren ihm die Kosten voll aufzuerlegen, weil er den Verlustrücktrag erst während des Klageverfahrens nachgewiesen hat.