Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.04.2001, Az.: 1 K 344/97

Vereinbarung eines zutreffenden Auseinandersetzungswerts; Nachträgliche wertaufhellende Tatsachen zur Bestimmung des Teilwertes eines Seeschiffes

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
23.04.2001
Aktenzeichen
1 K 344/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 14638
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2001:0423.1K344.97.0A

Fundstelle

  • EFG 2002, 800-801

Tatbestand

1

Umstritten ist - im Rahmen der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens - die Bewertung eines Seeschiffs.

2

Am Stichtag, dem 01.01.1990, waren an der Partenreederei .... die Klägerin und der Beigeladene beteiligt. Zum Betriebsvermögen gehörte insbesondere das Motorschiff .... . Dieses Schiff war im Jahre 1983 für ca. 4.000.000 DM angeschafft worden.

3

Am ...1990 erwarb die Klägerin die Anteile des Beigeladenen; es entstand ein Einzelunternehmen. Bei ihrer finanziellen Auseinandersetzung legten die beiden Beteiligten einen Schiffswert i.H.v. ca. 2.5 Mio. DM zugrunde. Im Februar 1991 verkaufte die Klägerin das Schiff für 3.000.000 DM.

4

Vom ...1993 - ...1995 fand - mit Unterbrechungen - bei der Partenreederei eine Außenprüfung statt. Danach stellte der Beklagte (Finanzamt, FA) den Einheitswert des Betriebsvermögens der Reederei auf den 01.01.1990 durch den in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid auf ... DM fest. Dabei schätzte das FA den Teilwert der "MS ... " - in Anlehnung an den Auseinandersetzungswert - auf 2.000.000 DM.

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Hiergegen wendet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Die Klägerin begehrt, den Wert des Schiffes niedriger anzusetzen, nämlich mit 1.018.081 DM. Dabei geht sie entsprechend einem Einheitswertbescheid auf den 01.01.1989 vom ... von einem Restwert des Schiffes am 01.01.1989 i.H.v. 1.357.441 DM aus und reduziert diesen Betrag um die AfA i.H.v. 339.360 DM.

6

Die Klägerin trägt vor:

7

Der im Januar 1990 von der Klägerin und dem Beigeladenen angesetzte Auseinandersetzungswert des Schiffes dürfe bei der Einheitsbewertung nicht berücksichtigt werden. Das ergäbe sich einerseits aus Abschn. 39 Abs. 5 der Vermögensteuerrichtlinien (VStR). Dort sei ausdrücklich bestimmt, dass nach dem Abschlusszeitpunkt mit dem Beginn des neuen Wirtschaftsjahres eintretende Wertänderungen zum Abschlusszeitpunkt nicht zu berücksichtigen seien, selbst dann nicht, wenn sie zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt waren. Im Übrigen lasse z.B. der Kaufpreis, der irgendwann für ein Schiff wie die MS ... erzielt werde, kaum einen Rückschluss auf dessen Teilwert zu. Denn der Kaufpreis sei von vielen Faktoren abhängig und z.T. rein zufällig bedingt. Das hänge insbesondere damit zusammen, dass es nur wenige derartige Schiffe gäbe. Die Frage, ob und zu welchen Konditionen ein solches Schiff überhaupt verkauft werden könne, hänge von ganz individuellen Umständen ab, die man nicht verallgemeinern könne. Ein solches Schiff sei zu verkaufen, möglicherweise sogar zu einem guten Preis, wenn jemand da sei, der gerade ein solches Schiff haben wolle. Werde umgekehrt ein solches Schiff nicht gesucht, so sei es praktisch unverkäuflich. Es besitze keinen bezifferbaren Wert.

8

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Einheitswertbescheides vom ... und des Einspruchsbescheides vom ... den Einheitswert auf den 01.01.1990 auf minus ... DM festzusetzen.

9

Das FA beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

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Es hält den Auseinandersetzungswert, den die Klägerin und der Beigeladene wenige Tage nach dem Stichtag angesetzt haben, für eine wertaufhellende Tatsache, aus der Schlüsse auf den Wert des Schiffes zum Stichtag gezogen werden dürften. Zwar sei es richtig, dass im Regelfalle der "Teilwert" eines Schiffes nur schematisch ermittelt werden könne. Das sähen auch die Schifffahrtsrichtlinien vor. Jedoch bleibe der Nachweis, dass andere als die schematisch ermittelten Teilwerte richtig seien, vorbehalten. Von diesem Vorbehalt habe im Streitfall Gebrauch gemacht werden müssen. Denn wenn die Klägerin und der Beigeladene am 03.01.1990 bei ihrer finanziellen Auseinandersetzung selbst von einem Wert des Schiffes i.H.v. ca. 2.500.000 DM ausgingen, könne das nur bedeuten, dass der schematisch ermittelte Buchwert von 1.018.081 DM am 31.12.1989 nicht zutreffe. Allen Unsicherheiten habe das FA mit seinem Abschlag von ca. 500.000 DM ausreichend Rechnung getragen.

11

Im Übrigen wird auf die eingereichte Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Gründe

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Die Klage ist nicht begründet.

13

Es ist nicht zu beanstanden, dass das FA bei der Einheitsbewertung auf den 01.01.1990 das "MS .... " mit 2.000.000 DM angesetzt hat. Dabei hat das FA die Seeschifffahrtsrichtlinien nicht verletzt. Das ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:

14

Gem. § 19 Abs. 1 Nr. 2 Bewertungsgesetz (BewG) werden Einheitswerte festgestellt u.a. für gewerbliche Betriebe. Zum Betriebsvermögen gehören dabei alle Teile einer wirtschaftlichen Einheit, die dem Betrieb eines Gewerbes als Hauptzweck dienen, soweit die Wirtschaftsgüter dem Betriebsinhaber gehören, § 95 Abs. 1 BewG. Grundsätzlich sind die zu einem gewerblichen Betrieb gehörenden Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert anzusetzen (§ 109 Abs. 1 BewG). Gem. § 10 Abs. 2 und 3 BewG ist "Teilwert" der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass er das Unternehmen fortführt.

15

Die zahlenmäßige Ermittlung von Teilwerten ist in vielen Fällen schwierig und kaum exakt durchführbar. Zur Erleichterung hat die Verwaltung Richtlinien herausgegeben, die im Regelfall für die Besteuerung verbindlich sind. Solche Richtlinien sind z.B. die Seeschifffahrtsrichtlinien. Sie sind auch im Streitfall anzuwenden.

16

Nach diesen Richtlinien wäre zwar der von der Klägerin berechnete Buchwert der "MS .... " auf den 01.01.1991 grundsätzlich nicht zu beanstanden. Allerdings enthalten die Seeschifffahrtsrichtlinien den ausdrücklichen Vorbehalt, dass ein abweichender Wert vorgreiflich ist, wenn er nachgewiesen wird (Tz. 13 letzter Satz). Das ist hier der Fall.

17

Denn die Klägerin und der Beigeladene haben am 03.01.1990, d.h. in unmittelbarer zeitlicher Stichtagsnähe, beim Erwerb der Anteile des Beigeladenen durch die Klägerin einen Schiffswert von ca. 2.500.000 DM zugrunde gelegt. Man muss davon ausgehen, dass dieser Betrag wenigstens ungefähr den wahren Teilwert entsprach. Grundsätzlich spricht eine Vermutung dafür, dass Personen, die nicht miteinander verwandt sind und gegensätzliche finanzielle Interessen verfolgen, einen zutreffenden Auseinandersetzungswert vereinbaren. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass das im Streitfall anders gewesen wäre und dass der Auseinandersetzungswert stark überhöht gewesen sein könnte. Dazu müssten ganz ungewöhnliche Umstände vorgelegen haben; solche sind nicht einmal andeutungsweise erkennbar. Ferner ist davon auszugehen, dass die Klägerin und der Beigeladene als unmittelbar Beteiligte am besten wussten, welchen ungefähren Wert das Schiff besaß. Für eine zwischen dem 01.01. und dem 03.01.1990 eingetretene Wertsteigerung gibt es gleichfalls keine Indizien. Alles in allem ist kaum vorstellbar, dass das Schiff wenige Tage nach dem Stichtag von den Beteiligten zu einem Wert angesetzt wurde, der nahezu 1.500.000 DM, d.h. um weit mehr als das Doppelte über seinem realen Wert am Stichtag lag. Zwar verkennt der Senat nicht, dass es sehr problematisch sein kann, den Wert eines Schiffes zu schätzen, und dass der erzielbare Kaufpreis von vielen Faktoren abhängt. Dennoch stimmt der Senat der Klägerin nicht darin zu, dass ein Kaufpreis oder ein Auseinandersetzungswert kein gewichtiges Indiz bei der Teilwertermittlung sei. Der Senat ist vielmehr davon überzeugt, dass das "MS .. " am 01.01.1990 erheblich mehr wert war als 1.018.081. DM.

18

Unter diesen Umständen handelte das FA sachgerecht, als es bei der Einheitswertermittlung auf dem 01.01.1990 nicht dem schematischen Buchwert ansetzte, sondern von dem in den Seeschifffahrtsrichtlinien enthaltenen Vorbehalt Gebrauch machte und den Teilwert der "MS ... " im Wege der Schätzung ermittelte. Dies widerspricht auch nicht Abschn. 39 Abs. 5 VStR. Danach sind zwar nach dem Stichtag eingetretene Wertsteigerungen nicht zu berücksichtigen. Eine solche Wertsteigerung liegt vor, wenn sich der Wert des Wirtschaftsgutes nach dem Stichtag verändert. Davon kann im Streitfall jedoch keine Rede sein. Der höhere Ansatz des "MS ... " beruht nicht auf einer Wertsteigerung, sondern offensichtlich darauf, dass der Buchwert per 01.01.1990 zu niedrig war.

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Auch zahlenmäßig ist die Schätzung nicht zu beanstanden. Denn der geschätzte Wert von 2.000.000 DM liegt 500.000 DM unter dem Auseinandersetzungsbetrag. Damit hat das FA allen Besonderheiten, die den Verkauf der Reedereianteile möglicherweise beeinflusst haben, hinreichend Rechnung getragen.

20

Da der angefochtene Einheitswertbescheid auch im übrigen keine Fehler erkennen lässt - solche Unrichtigkeiten sind auch nicht vorgetragen worden -, musste die Klage abgewiesen werden.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko getragen hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.