Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.04.2001, Az.: 5 K 244/97

Versteuerung im Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts; Entstehungszeitpunkt der Umsatzsteuer beim Wechsel von der Ist- zur Soll-Besteuerung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
19.04.2001
Aktenzeichen
5 K 244/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 14624
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2001:0419.5K244.97.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 30.01.2003 - AZ: V R 58/01

Fundstellen

  • DB 2001, 1910
  • EFG 2001, 1004 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • UStB 2001, 295

Tatbestand

1

Die Klägerin wurde mit Vertrag vom 30. Juli 1991 als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet. Gesellschaftszweck war der Ankauf eines Grundstücks, die Errichtung eines Einkaufszentrums sowie dessen Vermietung oder Veräußerung. Mit Bescheid vom 15. Mai 1992 genehmigte der Beklagte die von der Klägerin beantragte Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG.

2

Mit Vertrag vom 11. September 1992 verkaufte die Klägerin eine Teilfläche des von ihr erworbenen Grundstücks einschließlich des aufstehenden, mittlerweile fertiggestellten Einkaufszentrums an den Kaufmann R (Erwerber). Hierfür stellte sie dem Erwerber mit Rechnung vom 1. Dezember 1992 40.234.013,00 DM zuzüglich 5.689.089,44 DM Umsatzsteuer in Rechnung. Nach den Feststellungen einer bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung hatte die Klägerin einen Teil des Entgeltes in Höhe von 1.429.639,00 DM zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 200.149,46 DM weder im Jahr 1992 noch im Streitjahr 1993 vereinnahmt und deshalb auch nicht der Umsatzsteuer unterworfen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Prüfungsfeststellungen wird auf den Prüfungsbericht vom 4. November 1996 Bezug genommen.

3

Im Anschluß an die Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte vom Fortfall der Voraussetzungen einer Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten im Streitjahr aus und unterwarf die von der Klägerin ausgeführten Umsätze auch soweit das Entgelt hierfür noch nicht vereinnahmt worden war, der Umsatzsteuer. Dabei handelte es sich um ein noch nicht vereinnahmtes Nettoentgelt in Höhe von 1.429.639,00 DM.

4

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sie die noch vor dem Wechsel zur Sollversteuerung ausgeführten Umsätze erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung versteuern müsse.

5

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 1993 mit ... DM festzusetzen.

6

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Zur Begründung seines Antrags trägt der beklagte vor, der Gesamtumsatz der Klägerin habe im Jahr 1992 über 250.000,00 DM betragen und damit über der Grenze des § 20 Abs. 1 UStG gelegen. Damit seien die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten im Streitjahr 1993 entfallen. Die noch vor dem Wechsel von der Ist-Besteuerung zur Soll-Besteuerung ausgeführten und abgerechneten Umsätze seien im Zeitpunkt des Wechsels der Besteuerungsform und damit im Streitjahr zu erfassen gewesen. Eine Besteuerung erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung berge die Gefahr, dass die Besteuerung unterbleibe.

8

Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Steuerakten zu Steuer-Nr. ... sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

9

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Gründe

10

Die Klage ist zulässig und begründet.

11

Die Klage ist zulässig, obwohl der Prozeßbevollmächtigte formell einen Klageantrag gestellt hat, aus dem sich die für die Zulässigkeit einer Klage nach § 40 Abs. 2 FGO erforderliche Beschwer nicht ergibt. Im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 1993 vom 16. Dezember 1996 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 18. April 1987 ist die Umsatzsteuer auf ./. 438.328,00 DM festgesetzt. Mit seinem Antrag begehrt der Prozeßbevollmächtigte, die Steuer auf 132.489,94 DM, also höher als im angefochtenen Bescheid, festzusetzen. Das wirkliche Klagebegehren kann aber vorliegend unter Einbeziehung der Begründung im Wege der Auslegung ermittelt werden. Danach geht es der Klägerin darum, die vor dem Wechsel zur Soll-Besteuerung ausgeführten Umsätze, für die das Entgelt noch nicht vereinnahmt worden ist, erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgeltes versteuern zu müssen. Hierbei handelt es sich im Streitjahr um Umsatzsteuern in Höhe von 200.149,46 DM. Der Antrag ist deshalb dahingehend auszulegen, dass eine Herabsetzung der Umsatzsteuer um diesen Betrag begehrt wird.

12

Die Klage ist auch begründet. Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, die Umsätze, die die Klägerin vor dem Wechsel der Art der Steuerberechnung zwar ausgeführt, für die sie aber das Entgelt noch nicht vereinnahmt hat, im Streitjahr der Besteuerung zu unterwerfen. Die Umsatzsteuer entsteht gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (Soll-Besteuerung) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem die Leistung ausgeführt worden ist, bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind. Im Zeitpunkt der Ausführung der Leistung, also 1992, hat die Klägerin ihre Umsätze berechtigterweise nach vereinnahmten Entgelten versteuert. Die Steuer ist deshalb 1992 noch nicht entstanden, weil das hierfür gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b UStG erforderliche Tatbestandsmerkmal der Vereinnahmung nicht erfüllt ist.

13

Die Voraussetzungen für die Entstehung der Umsatzsteuer nach§ 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG haben auch 1993 nicht vorgelegen. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a UStG greift schon deshalb nicht ein, weil die Leistung nicht 1993 ausgeführt worden ist. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b UStG ist nicht erfüllt, weil die Klägerin das Entgelt für die Leistung auch 1993 noch nicht vereinnahmt hat. § 13 UStG sieht auch keine Sonderregelung für den Fall des Wechsels der Art der Steuerberechnung vor.

14

§ 20 Abs. 1 UStG führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen trifft § 20 Abs. 1 UStG keine Regelung zum Entstehungszeitpunkt der Steuer. § 20 Abs. 1 Satz 3 UStG besagt lediglich, dass Umsätze nicht unversteuert bleiben dürfen, wenn der Unternehmer die Art der Steuerberechnung wechselt. In welcher Weise die Besteuerung sicherzustellen ist, regelt die Bestimmung nicht. Es bleibt deshalb dabei, dass die bei Ausführung eines Umsatzes geltende Art der Steuerberechnung über den Entstehungszeitpunkt der Umsatzsteuer entscheidet. Damit ist bis zum Wechsel von der Ist-Besteuerung zur Soll-Besteuerung die Vereinnahmung des Entgeltes maßgebend (Zeuner in Bunjes/Geist, UStG, 6. Aufl., § 20 Rz. 23; Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 20 Rz. 27; Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 20 Rz. 84).

15

Der Rechtsauffassung von Wagner (in Sölch/Ringleb/List, UStG, § 20 Rz. 33) folgt der Senat nicht, weil es im Gesetz keine Anhaltspunkte für ein Wahlrecht des Unternehmers im Hinblick auf den Zeitpunkt der Besteuerung gibt. Außerdem wäre auch bei Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung der Klage stattzugeben, weil die Klägerin ihr Wahlrecht für die Besteuerung im Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgeltes ausgeübt hätte.

16

Auch die von Flückiger/Georgy (in Plückebaum/Malitzky, UStG, § 20 Rz. 208 ff.) und Devermann (in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 20 Rz. 93) vertretene Auffassung, die Besteuerung müsse im ersten Voranmeldungszeitraum nach dem Wechsel zur Sollbesteuerung erfolgen, kann der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Zum einen lassen diese Rechtsansichten eine Begründung vermissen. Zum anderen stehen sie nicht im Einklang mit den gesetzlichen Regelungen, die aus den o.g. Gründen keine Sonderregelung für die Entstehung der Steuer beim Wechsel der Art der Steuerberechnung enthalten. Weshalb der Beklagte davon ausgeht, dass die Besteuerung nur sichergestellt werden kann, wenn die Außenstände beim Wechsel von der Ist-Besteuerung zur Soll-Besteuerung sofort versteuert werden, ist nicht nachzuvollziehen. Eine solche Regelung mag verwaltungstechnisch praktischer sein, vom Gesetz vorgesehen ist sie nicht.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

18

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m.§§ 708 Nr.10, 711 ZPO.