Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.04.2001, Az.: 1 V 665/00
Feststellungsbescheid über den Grundstückswerts als Grundlagenbescheid für die Festsetzung der Erbschaftsteuer; Feststellung der Art der wirtschaftlichen Einheit; Vorläufiger Rechtsschutz im Wege der Aussetzung der Vollziehung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 27.04.2001
- Aktenzeichen
- 1 V 665/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 14661
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:0427.1V665.00.0A
Fundstelle
- EFG 2001, 1105
Gründe
Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Frage, ob bei der Bedarfsbewertung nach § 138 BewG ein Grundstück als Betriebsgrundstück zu bewerten ist.
Der Antragsteller ist Eigentümer des streitigen Grundstücks in E. Er unterhält auf diesem Grundstück ein Hotel, aus dem er gewerbliche Einkünfte erzielt. Das Hotelgrundstück gehörte zunächst dem Vater des Antragstellers. Bereits im Jahre 1981 verpachtete der Vater das Hotel an seinen Sohn, den Antragsteller. Die Pachteinnahmen deklarierte der Vater in seinen Gewinnermittlungen als gewerbliche Einkünfte. Mit Schenkungsvertrag aus dem Jahre 1998übertrug der Vater das Grundstück seinem Sohn. Wenig später starb der Vater.
Im Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1964 ist für das Grundstück die Grundstücksart Geschäftsgrundstück und die Vermögensart Betriebsvermögen festgestellt. Diese Feststellungen haben sich bis heute nicht verändert. Neben diversen Wertfortschreibungen hat das Finanzamt nach der Grundstücksübertragung lediglich eine Zurechnungsfortschreibung auf den Antragsteller vorgenommen.
Mit Bescheid aus dem Jahre 2000 stellte das Finanzamt den Grundstückswert auf den Tag der Schenkung auf 776 TDM gesondert fest. Der Bescheid enthält die Feststellung: Ein Betriebsgrundstück liegt nicht vor. Gegen den Bescheid hat der Antragsteller mit Zustimmung des Finanzamts Sprungklage erhoben, die vor dem Senat anhängig ist. Mit der Klage wendet sich der Antragsteller gegen die Feststellung, dass das Grundstück kein Betriebsgrundstück sei. Der festgestellte Wert des Grundstücks auf den sich die Parteien bereits im Vorverfahren geeinigt haben ist nicht angegriffen worden. Dementsprechend hat der Antragsteller im Hauptsacheverfahren beantragt, den Feststellungsbescheid insoweit aufzuheben, als darin das Nichtvorliegen eines Betriebsgrundstücks festgestellt worden ist, ferner festzustellen, dass ein Betriebsgrundstück vorliegt.
Parallel zur Klage hat der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Feststellungsbescheides bei Gericht beantragt, nachdem ein entsprechender Antrag beim Finanzamt keinen Erfolg hatte.
Der Antrag hat bei Gericht Erfolg.
Der Senat sieht die AdV als zulässigen vorläufigen Rechtsschutz an, obwohl dem Haupt-sacheverfahren kein Anfechtungs- sondern ein Verpflichtungsbegehren zugrunde liegt.
Dabei lässt sich der Senat zunächst von derÜberzeugung leiten, dass der angefochtene Feststellungsbescheid gem.§ 138 Abs. 5 BewG und der diese Feststellungen aufnehmende Erbschafts- bzw. Schenkungssteuerbescheid im Verhältnis Grundlagenbescheid Folgebescheid (§ 182 AO) zueinander stehen, und zwar auch insoweit, als es um die Feststellung der Betriebsvermögenseigenschaft geht (so auch R 51 Abs. 2 ErbStR; Kapp/Ebeling, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, § 12 Rdnr. 273.3). Diese Erkenntnis gewinnt das Gericht aus der in § 138 Abs. 5 Nr. 1 BewG normierten Verpflichtung, in den Feststellungsbescheid nicht nur Wertfeststellungen aufzunehmen, sondern auch Feststellungen über die Art der wirtschaftlichen Einheit und bei Betriebsgrundstücken auch über den Gewerbebetrieb, zu dem sie gehören. Die Verpflichtung zur Aufnahme derartiger Artfeststellungen kann zur Überzeugung des Senats nur den Zweck haben, die Artfeststellungen im Feststellungsbescheid auch für das Besteuerungsfinanzamt verbindlich festzuschreiben, zumal das Besteuerungsfinanzamt faktisch häufig gar nicht in der Lage sein wird, diese Feststellungen selber zu treffen.
Diese Trennung zwischen den Feststellungen des Lagefinanzamts und den Festsetzungen des Besteuerungsfinanzamts führt dazu, dass ein Steuerpflichtiger den ErbSt-Bescheid nicht mit dem Ziel anfechten kann, einen bisher nicht gewährten Freibetrag für Betriebsvermögen nach§ 13 a ErbStG zu erhalten abgesehen von der hier nicht einschlägigen Ausnahme, nach der das Besteuerungsfinanzamt selbständig zu prüfen hat, ob das Grundstück auch in der Hand des Erwerbers weiterhin seine Eigenschaft als Betriebsgrundstück behält. Vor-läufiger Rechtsschutz in Form einer AdV des ErbSt-Bescheides, die von ihrem Wesen her bei einer zu hohen Steuerfestsetzung eingreift, ist wegen der Vorschaltung des Feststellungsbescheides als eines Grundlagenbescheides nicht möglich. Der Steuerpflichtige muss daher, um den Freibetrag zu erhalten, den Feststellungsbescheid anfechten und das kann er will er die Feststellung erreichen, dass das Grundstück ein Betriebsgrundstück ist nur durch eine Verpflichtungsklage. Bei Verpflichtungsklagen sieht die FGO vorläufigen Rechtsschutz nur durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO vor und nicht durch AdV. Gleichwohl hat die Rechtsprechung den Anwendungsbereich der AdV im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes über den Wortlaut der Norm hinaus erweitert (vgl. BFH, Beschlüsse vom 14. April 1987 GrS 2/85, BFHE 149, 493, BStBl. II 1987, 637; vom 10. April 1991 II B 66/89, BFHE 164, 101, BStBl. II 1991, 549; vom 18. August 1993 II B 159/92, BFH/NV 1994, 298). Das gilt namentlich dann, wenn sich die Steuerfestsetzung nicht einstufig in einem einheitlichen Bescheid vollzieht, sondern wenn ihr ein Feststellungsbescheid als Grundlagenbescheid vorgeschaltet ist.
Für den Streitfall sieht der Senat den erweiterten Anwendungsbereich der AdV im Sinne vorgenannter Rechtsprechung als gegeben an. Dem Antragsteller kann ein Nachteil nicht allein daraus erwachsen, dass der Gesetzgeber die Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer nicht einheitlich in einem Bescheid festsetzt, sondern im Interesse der Verfahrenseffektivität in zwei Bescheide aufspaltet. Deshalb ist der Antrag auf AdV des angefochtenen Feststellungsbescheides mit dem Ziel, die Feststellung des Grundstücks als Betriebsgrundstück zu erlangen, zulässig.
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die AdV soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durchüberwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 FGO). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl. III 1967, 182; vom 18. Juni 1997 II B 33/97, BStBl. II 1997, 515).
Derartige Unsicherheiten haften dem angefochtenen Feststellungsbescheid an. Er stützt sich auf die Auffassung der Finanzamts, dass das Grundstück deshalb kein Betriebsgrundstück sei, weil es vom Veräußerer fremdgewerblich genutzt worden sei. Diese Auffassung ist streitig. Das FG Düsseldorf hat diese Rechtsauffassung verworfen mit Urteil vom 7. Dezember 2000 11 K 625/99 BG, EFG 2001, 344. Über die gegen dieses Urteil eingelegte Revision (II R 8/01) ist noch nicht entschieden. Rechtsprechung des BFH liegt zu dieser Frage noch nicht vor.
Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 135 Abs. 1 FGO.