Verwaltungsgericht Oldenburg
v. 09.12.2008, Az.: 7 A 2471/08

keine Versicherungsnachweispflicht für ein verschrottetes Fahrzeug; Teilnichtigkeit eines Verwaltungsaktes

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
09.12.2008
Aktenzeichen
7 A 2471/08
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2008, 45990
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2008:1209.7A2471.08.0A

Fundstelle

  • DAR 2009, 224-225 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Das Verlangen der Zulassungsbehörde, eine ausreichende Kfz-Haftpflichtversicherung für ein Fahrzeug nachzuweisen, ist nach dessen Verschrottung rechtswidrig-nichtig. Das Verlangen der Behörde, die Fahrzeugschilder zur Entstempelung und die Fahrzeugpapiere vorzulegen, ist in einem solchen Fall jedoch als die Aufforderung an den Kfz-Halter, seinen Pflichten aus FZV 14 I 1 nachzukommen, gemäß VwVfG 44 IV rechtmäßig. Maßnahmen der Zwangsvollstreckung sind hinsichtlich dieser Pflichten des Fahrzeughalters in das pflichtgemäße Ermessen der Behörde gestellt.

Tatbestand:

1

Am 8. August 2008 teilte die VHV Allgemeine AG dem Beklagten mit, dass das Versicherungsverhältnis (Kfz-Haftpflicht) zum Kläger für das Fahrzeug AUR ... seit dem 10. Juni 2008 nicht mehr bestehe. Der Beklagte unterrichtete den Kläger mit Schreiben vom 11. August 2008 von dieser Anzeige der VHV Allgemeine AG. Zugleich forderte der Beklagte den Kläger auf, bis zum 18. August 2008 eine ausreichende Kfz-Haftpflichtversicherung nachzuweisen "oder gem. § 14 Abs. 1 FZV den Fahrzeugschein/die Zulassungsbescheinigung Teil I, den Fahrzeugbrief/die Zulassungsbescheinigung Teil II und das/die Kennzeichenschild(er) zwecks Außerbetriebsetzung bei mir vorzulegen." Falls der Kläger das Fahrzeug veräußert habe, so müsse er dies mit weiteren Einzelheiten schriftlich mitteilen. Weiter wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er "die Einziehung der Fahrzeugpapiere und Entstempelung der Kennzeichenschilder durch meinen Vollzugsbeamten bzw. die Polizei veranlassen (werde)", wenn der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkomme, und dass mit der Einleitung dieser Zwangsmaßnahme eine weitere Verwaltungsgebühr von 150,70 € fällig werde. Diese werde auch dann fällig, wenn die Voraussetzungen zur zwangsweisen Einziehung der Fahrzeugpapiere und Entstempelung der Kennzeichenschilder erst nach Einleitung der Zwangsmaßnahmen beseitigt worden seien.

2

Der Kläger teilte dem Beklagten daraufhin am 14. August 2008 telefonisch mit, dass das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen AUR ... durch ein Entsorgungsunternehmen verschrottet worden sei und er das Fahrzeug demnächst abmelden werde.

3

Am 19. August 2008 forderte der Beklagte seinen Vollzugsdienst auf, "zur Durchführung einer Maßnahme gemäß § 25 FZV" für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen AUR ... "die Kennzeichen zu entwerten, den Schein/ZB I entwerten und auszuhändigen und die Abmeldung im Brief einzutragen". Am gleichen Tage suchte der Vollzugsbeamte des Beklagten den Kläger auf, entstempelte die Kennzeichen AUR und entwertete die zugehörige Zulassungsbescheinigung I.

4

Der Beklagte setzte durch Bescheid vom 20. August 2008 eine Gebühr in Höhe von 150,70 € "für Maßnahmen zur zwangsweisen Außerbetriebsetzung des Kraftfahrzeuges mit dem ... amtlichen Kennzeichen (AUR ...) fest".

5

Der Kläger hat am 5. September 2008 Klage erhoben.

6

Er trägt vor: Er habe das Fahrzeug zunächst noch nicht abgemeldet, da er annahm (das Fahrzeug habe Saisonkennzeichen gehabt), dass es reichen würde, das Fahrzeug bis zum Oktober endgültig stillzulegen. Da von einem verschrotteten Fahrzeug keine Gefahr für die Öffentlichkeit ausgehe und er die zuständige Sachbearbeiterin vor dem 19. August 2008 über die Verschrottung informiert habe, sei die Gebühr rechtswidrig.

7

Der Kläger beantragt,

  1. den Bescheid des Beklagten vom 20. August 2008 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

9

Er erwidert: Seine Sachbearbeiterin habe dem Kläger bei dem Telefongespräch mitgeteilt, dass er das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen AUR ... bis zum 18. August 2008 abmelden müsse. Da das Fahrzeug bis zu diesem Termin nicht abgemeldet worden sei und noch besiegelte Kennzeichen sowie Fahrzeugpapiere im Verkehr gewesen seien, habe er am 19. August 2008 die angedrohte Maßnahme zur zwangsweisen Einziehung der Fahrzeugpapiere und Entstempelung der Kennzeichenschilder eingeleitet.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Über die Klage konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§§ 84 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO).

12

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

13

Rechtsgrundlage für den Gebührenbescheid des Beklagten vom 20. August 2008 sind § 6a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. §§ 1, 2, 4 und 6 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) i.V.m. der Gebührennummer 254 des Gebührentarifs für Maßnahmen im Straßenverkehr (Anlage GebOSt - GebTSt); auf diese "Normenkette" nimmt der Bescheid auch zutreffend Bezug. Die Festsetzung der Gebühr in Höhe von 150,70 € ist indes materiell rechtswidrig. Die Entstempelung der Kennzeichenschilder AUR ... und die zwangsweise Einziehung der Fahrzeugpapiere am 19. August 2008 durch den Vollzugsdienst des Beklagten war keine rechtmäßige gebührenpflichtige Amtshandlung i.S.v. § 6a Abs. 1 Nr. 1a StVG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 GebOSt. An dieser Feststellung ist das Gericht nicht deshalb gehindert, weil die zugrunde liegende Verfügung (Bescheid des Beklagten vom 11. August 2008) ihrerseits nicht angefochten ist. Die Klageschrift des Klägers wendet sich ausdrücklich nur gegen die Gebührenfestsetzung durch den Bescheid des Beklagten vom 20. August 2008. Die Verfügung des Beklagten vom 11. August 2008 hat sich noch vor ihrer Bestandskraft anderweitig i.S.v. § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt, da das fragliche Kraftfahrzeug des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen AUR ... durch dessen Verschrottung gegenständlich endgültig dem öffentlichen Verkehr entzogen ist, die zugehörigen Kennzeichenschilder entstempelt und auch die Fahrzeugpapiere eingezogen sind.

14

Im Einzelnen gilt hier Folgendes:

15

Zu Unrecht beruft sich der Beklagte auf § 25 FZV als Rechtsgrundlage für die Beauftragung seines Vollstreckungsdienstes am 19. August 2008. Der Beklagte meint damit insbesondere § 25 Abs. 4 Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV - i.V.m. §§ 64 ff. Niedersächsisches Gesetz über die Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG)). § 25 Abs. 4 FZV besagt, dass die Zulassungsbehörde unverzüglich das Fahrzeug außer Betrieb zu setzen hat, wenn sie z.B. durch eine Anzeige des Versicherers nach § 25 Abs. 1 FZV - wie hier - davon erfährt, dass für ein Fahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung besteht. Die Voraussetzungen von § 25 Abs. 4 FZV waren für die Maßnahmen des Beklagten am 19. August 2008 jedoch nicht erfüllt.

16

Zwar teilte die VHV Allgemeine AG mit der "Anzeige" vom 8. August 2008 dem Beklagten den fehlenden Versicherungsschutz für das Kraftfahrzeug des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen AUR ... mit. Es ist auch höchstrichterlich geklärt, dass die Zulassungsstelle auf eine solche Anzeige des Versicherers tätig werden darf und muss und keine weiteren Nachforschungen bei der Versicherung anzustellen hat ( BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1982 - 3 C 2/90 -, zitiert nach juris). Der Bescheid des Beklagten vom 11. August 2008 ist mithin zunächst nicht zu beanstanden. Allerdings hat der Kläger am 14. August 2008 dem Beklagten telefonisch wahrheitsgemäß mitgeteilt, dass das Kraftfahrzeug selbst mittlerweile verschrottet sei. Dies hat zur Folge, dass der Bescheid des Beklagten vom 11. August 2008 rechtswidrig ist. Er geht ins Leere, soweit er vom Kläger verlangt, "wieder eine ausreichende Kfz-Haftpflichtversicherung für das ...Fahrzeug" nachzuweisen. Eine solche Versicherungspflicht besteht gemäß § 1 Pflichtversicherungsgesetz nur für Fahrzeuge, die auf öffentlichen Wegen oder Plätzen verwendet werden, was bei dem hier in Rede stehenden Pkw des Klägers Fahrzeugtyp 86 C Volkswagen nicht (mehr) der Fall ist. § 25 Abs. 4 FZV ist nach der Verschrottung des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen AUR-ZZ 28 nicht mehr anwendbar. Es ist kein Fahrzeug mehr vorhanden, für das vorschriftswidrig "keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung besteht".

17

Der Bescheid des Beklagten vom 11. August 2008 ist in diesem Umfang nichtig. Dies folgt aus § 44 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 4 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG). Nach der erstgenannten Vorschrift ist ein Verwaltungsakt nichtig, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann. Dabei ist der Begriff der Ausführung im weitesten Sinne zu verstehen. Es sind beispielsweise Verwaltungsakte hinsichtlich eines nicht existierenden Objekts nichtig; dies jedenfalls dann, wenn es sich um höchstpersönliche Verwaltungsakte bzw. nur für ganz bestimmte Objekte gewollte Regelungen handelt. Typisches Beispiel hierfür ist die Unterschutzstellung eines nicht mehr vorhandenen Denkmals. Damit ist ohne weiteres gleichzusetzen die Durchsetzung der Versicherungspflicht für ein tatsächlich nicht mehr existierendes Kraftfahrzeug (s. zu alledem Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 44 Rz. 40 f.m.w.N.). § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG betrifft nicht die Vollstreckbarkeit eines Verwaltungsaktes - diese ist hier hinsichtlich von Teilaspekten der Pflichten aus § 25 Abs. 4 FZV (Entstempelung der Kennzeichen und Aushändigung der Kraftfahrzeugpapiere) noch möglich -, sondern die Frage, ob der Pflichtige die Leistung bewirken kann. Dies ist hier nicht der Fall, da eine Pflichtversicherung für ein nicht existierendes Kraftfahrzeug nicht abgeschlossen werden kann.

18

Der Kläger hat durch sein Verhalten mithin nicht gegen seine Pflichten über den Versicherungsnachweis (§ 23 FZV) bzw. zur Pflichtversicherung von Kraftfahrzeugen verstoßen. Er hat indes § 14 Abs. 1 Satz 1 FZV missachtet. Nach dieser Vorschrift hat der Halter eines zugelassenen Fahrzeuges, das außer Betrieb gesetzt werden soll, dies der Zulassungsbehörde unter Vorlage der Zulassungsbescheinigung unverzüglich anzuzeigen und die Kennzeichen zur Entstempelung vorzulegen.

19

Daraus folgt zugleich, dass der Bescheid des Beklagten vom 11. August 2008 nur teilweise gemäß § 44 VwVfG nichtig ist. Nach dieser Vorschrift ist der Verwaltungsakt im Ganzen nichtig, wenn die Nichtigkeit nur einen Teil betrifft und der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Wirksam ist unter Zugrundelegung dieser Vorschrift die Aufforderung des Beklagten an den Kläger in den Bescheid vom 11. August 2008, die Fahrzeugpapiere und die Kennzeichenschilder AUR-ZZ 28 "zwecks Außerbetriebsetzung" vorzulegen. Bei der in § 44 Abs. 4 VwVfG maßgeblichen Frage, ob die Behörde den Verwaltungsakt auch ohne den nichtigen Teil (hier: Nachweis der Versicherung für das u.a.) erlassen hätte, ist entsprechend dem Zweck der Bestimmung nicht auf den subjektiven oder hypothetischen Willen der Behörde bzw. die Meinung des handelnden Amtsträgers abzustellen. Entscheidend ist vielmehr, ob bei objektiver Betrachtungsweise, die sich am Sinn und Zweck der Rechtssätze, deren Vollzug der Verwaltungsakt dient, orientiert, zu erwarten ist, dass eine Behörde jedenfalls auch die verbleibende Regelung getroffen hätte oder aus Rechtsgründen hätte treffen müssen. Es ist letztlich darauf abzustellen, wie eine vernünftige Behörde bei Kenntnis der Sachlage entschieden hätte (Sachs, in: Stehlkens u.a., Kommentar zum VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 44 Rz. 196 m.w.N.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe besteht daher der Bescheid des Beklagten vom 11. August 2008 fort, soweit er den Kläger zu den Handlungen gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 FZV auffordert.

20

Im Hinblick auf diese objektiv gebotene Auslegung des Bescheides des Beklagten vom 11. August 2008 in seinem nicht nichtigen Teil ist es unerheblich, dass die zuständige Sachbearbeiterin des Beklagten die fernmündliche Bitte an den Kläger am 14. August 2008, bis zum 18. August 2008 das Fahrzeug unter Vorlage des Fahrzeugscheins und -briefs sowie der Kennzeichen abzumelden, offenkundig nur mit den Erfordernissen der Haftpflichtversicherung eines Fahrzeuges im öffentlichen Straßenraum begründete.

21

Die Anordnung des Beklagten vom 19. August 2008 an seinen Vollzugsdienst, die Kennzeichen "AUR ..." sowie "den Schein/ZB I zu entwerten, auszuhändigen und die Abmeldung im Brief einzutragen" ist als Vollstreckungsmaßnahme für die Pflichten des Klägers aus § 14 Abs. 1 Satz 1 FZV allerdings rechtswidrig. Diese entsprechenden Maßnahmen des Vollstreckungsbeamten des Beklagten am Nachmittag des 19. August 2008 sind eine Ersatzvornahme gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG. Diese Ersatzvornahme am 19. August 2008 lässt sich durch eine "Auswechslung" der Rechtsgrundlagen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 FZV statt § 25 Abs. 4 FZV) nicht als rechtmäßige Maßnahme darstellen. § 25 Abs. 4 FZV sieht ein Ermessen der Behörde bei fehlendem Versicherungsschutz bei einem Kraftfahrzeug, dass im öffentlichen Straßenraum verwendet wird, nicht vor. Eine vergleichbare Regelung fehlt bei dem Verstoß eines Kraftfahrzeughalters gegen § 14 Abs. 1 Satz 1 FZV. Dies hat zur Folge, dass Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung dieser Pflichten nach den allgemeinen Grundsätzen gemäß §§ 64 ff. Nds. SOG ins Ermessen der zuständigen Behörde gestellt sind. Für den Fall, dass ein Halter eines Kraftfahrzeuges gegen seine Pflichten aus § 14 Abs. 1 Satz 1 FZV verstößt, hat die Behörde ein Entschließungsermessen, mit welchen Maßnahmen gemäß §§ 64 ff. Nds. SOG sie die entsprechende Handlungspflicht durchsetzt. Hier hat der Beklagte aber durchgängig hervorgehoben, dass er verpflichtet gewesen sei, die Maßnahmen der Ersatzvornahme am 19. August 2008 zu treffen. Wegen dieses Ermessensausfalls ist die Androhung dieses Zwangsmittels in dem Bescheid vom 11. August 2008 und das hieran anknüpfende Tätigwerden des Vollzugsdienstes des Beklagten zur Durchsetzung der Pflichten des Klägers gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 FZV rechtswidrig. Gemäß § 114 Satz 2 VwGO kann dieser Mangel auch nicht mehr geheilt werden. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (aber nicht erstmals anstellen).

22

Zweckmäßigerweise hätte hier der Beklagte auf die telefonischen Informationen des Klägers hin diesen durch einen neuen schriftlichen Bescheid aufgefordert, seine Pflichten aus § 14 Abs. 1 Satz 1 FZV zu erfüllen, und ihm für den Fall der Zuwiderhandlung (auch unter Fristsetzung) Zwangsmaßnahmen angedroht. Dabei hat der Beklagte ein "offenes" Ermessen. So wäre er nach allgemeinem Ordnungsrecht (§ 11 Nds. SOG) auch befugt gewesen, den Kläger unter Fristsetzung und Androhung eines Zwangsgeldes aufzufordern, seinen Pflichten aus § 14 Abs. 1 Satz 1 FZV nach Verschrottung des Pkw "AUR ..." nachzukommen. Es sprechen sogar beachtliche Gesichtspunkte dafür, dass es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspräche, wenn die Behörde zunächst versuchte, diese Verpflichtung mittels Zwangsgeldes (und nicht gleich mit der Ersatzvornahme) durchzusetzen (s. hierzu allgemein: Urteil des Gerichts vom 4. Juli 2008 - 7 A 993/07 - V.n.b. - zu § 13 Abs. 1 Satz 5 FZV).

23

Selbst wenn § 25 Abs. 4 FZV auch nach der Verschrottung des zu versichernden Fahrzeuges und bis zu dessen Abmeldung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 FZV als Rechtsgrundlage für Zwangsmaßnahmen ansähe, so wäre die Ersatzvornahme am 19. August 2008 doch unverhältnismäßig gewesen.

24

Unverzüglich bedeutet "ohne schuldhaftes Zögern". § 25 Abs. 4 FZV soll die Allgemeinheit und insbesondere andere Kraftfahrer durch Schäden durch nicht versicherte Fahrzeuge bewahren. Durch das schnelle Einschreiten der Behörde soll sichergestellt werden, dass Kraftfahrzeuge ohne Versicherungsschutz nicht am Straßenverkehr teilnehmen (s. Nds. OVG, Beschluss vom 27. Juni 2006 - 12 LA 204/05 -, zitiert nach juris; zu § 29d StVZO). In Verbindung mit § 14 Abs. 1 FZV macht § 25 Abs. 4 FZV zwar deutlich, dass die Außerbetriebsetzung nicht allein das Kraftfahrzeug betrifft. Vielmehr umfasst sie nach diesen Vorschriften auch die Pflicht, bei der zuständigen Zulassungsbehörde die Fahrzeugpapiere abzuliefern und von ihr das Kennzeichen entstempeln zu lassen. Den letztgenannten Pflichten ist der Kläger nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist nachgekommen. Insofern hat die Sachbearbeiterin des Beklagten den Kläger bei dem Telefongespräch am 14. August 2008 zutreffend aufgefordert, diesen Pflichten nachzukommen. Aufgrund des Wissens über den Untergang des fraglichen Kraftfahrzeuges war jedoch die Zwangsstilllegung im Wege der Ersatzvornahme (bezüglich der Vorlage der Kraftfahrzeugpapiere und der amtlichen Kennzeichen) unverhältnismäßig. Der Beklagte hätte im Rahmen seines Entschließungsermessens nach § 64 Nds. SOG nicht außer Acht lassen dürfen, dass von dem Fahrzeug des Klägers keine Gefahren für die Öffentlichkeit und andere Verkehrsteilnehmer ausgingen. Zudem hatte der Beklagte seinerseits auch nicht Zweifel daran geäußert, dass der Kläger nicht demnächst - wie in dem Telefongespräch am 14. August 2008 angekündigt - die Kennzeichen und die Fahrzeugpapiere ihm vorlegen würde. Deshalb sind die Zwangsmaßnahmen bezüglich der Fahrzeugpapiere und des Kennzeichens AUR nach dem Untergang des Fahrzeugs im Einzelfall auch im Lichte von § 25 Abs. 4 FZU ermessensfehlerhaft.

25

Die Zwangsmaßnahmen des Beklagten am 19. August 2008 können daher nicht auf §§ 25 Abs. 3, 4, FZV bzw. § 14 Abs. 1 Satz 1 FZV i.V.m. §§ 64 ff. Nds. SOG gestützt werden und lösen daher nicht den Gebührentatbestand von Nr. 254 Satz 2 GebTSt aus.