Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.06.2000, Az.: 5 V 640/99
Umsatzsteuerpflichtigkeit der Zustimmung des Verpächters zur Veräußerung der Milchquote; Voraussetzungen einer unbilligen Härte
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.06.2000
- Aktenzeichen
- 5 V 640/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 14411
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0619.5V640.99.0A
Fundstelle
- NWB DokSt 2001, 455
Tatbestand
Streitig ist, ob die Zustimmung des Verpächters zum Verkauf der Milchquote durch den Pächter der Umsatzsteuer unterfällt.
Im Streitjahr veräußerte der Pächter mit Zustimmung des Verpächters und Antragstellers (Ast) die gesamte Milchreferenzmenge. Die nach der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGVO) erforderliche - Zustimmung des Verpächters erklärte der Ast. durch schriftlichen Vertrag vom 26. April 1995 unter der Voraussetzung, dass 70 v.H. des Kaufpreises für die Milchquote an ihn (den Ast.) ausgezahlt werden.
Entsprechend dieser Vereinbarung wurden an den Ast. insgesamt 102.000,00 DM (Zahlungen vom 28. April 1995 und 26. Mai 1995 in Höhe von 67.000,00 DM bzw. 35.000,00 DM ) ausgezahlt. Der Gesamtkaufpreis betrug brutto 132.002,00 DM.
Der Antragsgegner ging zunächst davon aus, dass der Ast. die Milchquote entnommen habe und bewertete die Entnahme mit dem gemeinen Wert, also mit dem Verkaufserlös der Milchquote (132.002,00 DM brutto). Im Einspruchsverfahren beurteilte er die Zustimmung des Ast. als steuerpflichtige Leistung mit der Folge, dass jedenfalls in Höhe des vom Ast. erhaltenen Entgelts (102.000,00 DM brutto) Umsatzsteuer angefallen sei.
Der Ast. trägt vor, dass die Zustimmung des Ast. einen Rechtsverzicht darstelle. Für diesen habe der Ast. eine Entschädigung vom Pächter erhalten, die nicht steuerbar sei. Außerdem habe der EuGH mit Urteil vom 29. Februar 1996 (Rs. C-215/94, UR 1996, 119) entschieden, dass die Aufgabe der Milchproduktion nicht als umsatzsteuerbare Leistung anzusehen sei.
Er beantragt,
die Umsatzsteuer 1995 in Höhe von 14.544,72 DM von der Vollziehung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Finanzgerichtsakte Bezug genommen. Dem Gericht haben die Steuerakte des Ast. zu St.Nr.XX vorgelegen.
Gründe
Der Antrag ist unbegründet.
1)
Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung FGO -). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofes BFH vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 m.w.N.).
Solche zur Rechtswidrigkeit des Umsatzsteuerbescheides 1995 führenden - Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.
Der Antragsgegner hat die Zustimmung des Ast. zur Veräußerung gegen Zahlung von 102.000,00 DM zu Recht als umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch bewertet. Zwar geht die Milchquote nach § 7a Abs. 2 der 27. Verordnung zur Änderung der MGVO (Fassung vom 24. März 1993 BGBl I 374) mit der Verpachtung auf den Pächter über. Dieser Übergang stellt aber keinen Vollrechtserwerb durch den Pächter dar, weil die Milchquote nach Ablauf des Pachtverhältnisse wieder an den Verpächter zurückfällt (vgl. Felsmann, A 1477 b m.w.N.). Daher war der Pächter nur mit Zustimmung des Ast. zum Verkauf der Milchquote berechtigt.
Weil die vom Ast. erklärte Zustimmung zum Rechtsverzicht freiwillig, nämlich gegen Zahlung von insgesamt 102.000,00 DM erfolgte, scheidet die Annahme einer steuerfreien Entschädigungsleistung aus.
Das vom Ast. zitierte Urteil des EuGH betrifft nur die Fälle, in denen den Erzeugern für die Verpflichtung zur Aufgabe ihrer Produktion aus Marktordnungsgründen ein Ausgleich gezahlt wird. In diesen Fällen erhalten weder die Europäische Gemeinschaft noch die nationalen Stellen Verbrauchsvorteile zur eigenen Verwendung, aufgrund derer sie als Empfänger einer Dienstleistung angesehen werden könnten (BFH, a.a.O.).
Im vorliegenden Fall hat sich der Ast. jedoch nicht gegenüber der Europäischen Gemeinschaft (oder nationalen Stellen) zur Aufgabe der Milchproduktion bereit erklärt; vielmehr hat er mit seiner Zustimmung an der Übertragung seiner Milchquote mitgewirkt und damit mittelbar dem Käufer der Milchquote einen Verbrauchsvorteil verschafft.
2)
Ebensowenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für den Ast. eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wiedergutzumachen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. Beschluss des BFH vom 19. April 1968 IV B 3/66, BStBl II 1968, 538, 540). Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich noch hat sie der Ast. substantiiert vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.