Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.06.2000, Az.: 5 K 491/98
Im Ausland gezahlte Trinkgelder anlässlich einer Kurbehandlung auch dann als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wenn der Empfänger des Trinkgeldes nicht namentlich genannt wird
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 15.06.2000
- Aktenzeichen
- 5 K 491/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 35720
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0615.5K491.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 30.10.2003 - AZ: III R 32/01
Rechtsgrundlagen
- AO § 160
- EStG § 33
Fundstellen
- DStRE 2002, 889 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2002, 1045-1046
- IWB 2002, 988
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Trinkgelder, die im Zusammenhang mit einer ärztlich angeordneten Behandlung einer Krankheit hingegeben werden, gehören ihrer Art nach zu den unmittelbaren Krankheitskosten. Das gilt nur, wenn die Trinkgelder dem Grund und der Höhe nach angemessen sind und nicht außerhalb des Rahmens des Üblichen liegen. Erforderlich sind zudem substantiierte Angaben über die einzelnen Empfänger und die Höhe des zugewandten Trinkgeldes.
- 2.
Bei im Ausland gezahlten Trinkgeldern ist es nicht erforderlich, die Empfänger der Trinkgelder zu benennen; es reicht vielmehr aus, dass die Trinkgelder den jeweiligen Behandlungen konkret zugerechnet werden.
- 3.
Das Benennungsverlangen gem. § 160 AO soll sicherstellen, dass die Trinkgeldempfänger den Bezug der Gelder versteuern; verhindert werden soll ein Steuerausfall bei der "deutschen" Steuer.
- 4.
Ist für den deutschen Fiskus kein Steuerausfall zu befürchten, ist § 160 AO nicht anwendbar.
Tatbestand
Die Kläger sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Zunächst waren zwischen den Beteiligten mehrere Punkte streitig (Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung, Anerkennung eines orthopädischen Autositzes sowie Kuren in Abano/Italien als außergewöhnliche Belastung).
Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte einem gerichtlichen Hinweis folgend einige der Streitpunkte unstreitig gestellt; einige andere Streitpunkte werden von den Klägern nicht mehr verfolgt. Diesbezüglich wird auf den richterlichen Hinweis vom 30. Juni 1999 sowie auf das Schreiben des Beklagten vom 23. Juli 1999 und das der Kläger vom 5. August 1999 Bezug genommen.
Streitig sind nunmehr noch drei Punkte:
1) Trinkgelder (255,79)
Hier ist zu klären, ob die in der Kur von den Klägern gezahlten Trinkgelder als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind.
Die Kläger tragen vor, dass Trinkgelder, die im Zusammenhang mit einer ärztlich verordneten Leistung hingegeben werden, Krankheitskosten darstellen und als außergewöhnliche Belastung abzuziehen seien, sofern sie den Rahmen des Angemessenen und Üblichen nicht überschreiten.
Der Kurarzt vor Ort habe für die Ehefrau folgende Leistungen verordnet: Morgenmassage auf dem Zimmer, Schlammpackung, Ozonbad, Inhalation, Fangomaske und Gemeinschaftsgymnastik. Für den Ehemann seien als Leistungen die Morgenmassage auf dem Zimmer, Schlammpackung, Ozonbad, Spezialmassage und Gemeinschaftsgymnastik verordnet worden. Für die Einzelanwendungen sei jeweils Trinkgeld gegeben worden. Gerade in mediterranen Ländern wie Italien würde von medizinischen Hilfskräften ein Trinkgeld erwartet. Gezahlt worden seien höchstens 5.000 Lire pro Anwendung, was etwa 4,70 DM entspreche.
Die Kläger haben eine Aufstellung über die Trinkgelder vorgelegt, die von ihnen anlässlich der Einzelbehandlungen an die jeweiligen Pflege- und Behandlungskräfte gezahlt worden sind. Die Empfänger der Trinkgelder sind aus der Aufstellung nicht zu ersehen.
2) Reisetasche (369,00 DM) und Kurzreisekoffer (479,00 DM)
Die Kläger tragen vor, dass diese beiden Gegenstände ausschließlich beruflich genutzt worden seien. Der Koffer und die Tasche würden im Rahmen der beruflich bedingten doppelten Haushaltsführung zum Transport von Bettwäsche, Handtüchern sowie Haushalts- und Sanitärutensilien benötigt.
Bei der Anschaffung des Kurzreisekoffers handele es sich darüber hinaus um eine Ersatzbeschaffung, weil der ursprüngliche Koffer im Zuge eines Schadensfalles im September 1995 auf der Arbeitsstelle überfahren und nicht mehr reparabel gewesen sei.
3) Kostenerstattung der Krankenkasse (660,00 DM)
Die Kur wurde vom 22.12.1995 bis zum 12.01.1996 durchgeführt. Die (für beide Kläger) geltend gemachten Kurkosten erkannte der Beklagte in Höhe von insgesamt 5.797,19 DM als außergewöhnliche Belastung an. Streitig ist, ob die im Folgejahr (1996) gezahlte Erstattung der Krankenkasse in Höhe von insgesamt 660,00 DM (22 Tage mal 15,00 DM mal 2 Personen) bereits im Streitjahr oder erst in 1996 zu berücksichtigen ist. Der Beklagte hat die Erstattung im Streitjahr berücksichtigt. Hiergegen wenden sich die Kläger. Sie tragen vor, dass die Berücksichtigung der Kostenerstattung im Streitjahr das im Steuerrecht geltende Zu- und Abflussprinzip sowie den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung verletze. Zumindest die Erstattungen der Krankenkasse, die den Zeitraum vom 01.01. bis zum 12.01.1996 beträfen, seien nicht im Streitjahr zu berücksichtigen.
Die Kläger beantragen,
die Aufwendungen für den Koffer und die Tasche in Höhe von insgesamt 848,00 DM zum Werbungskostenabzug zuzulassen und die als außergewöhnliche Belastung anzuerkennenden Aufwendungen durch Kürzung der Krankenkassenerstattung in Höhe von 660,00 DM und Anerkennung der Trinkgelder in Höhe von 255,79 zu erhöhen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, dass die Aufwendungen für die Tasche und den Koffer ebenso wie die gezahlten Trinkgelder als Kosten der privaten Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig seien.
Wegen der Berücksichtigung der Krankenkassenerstattung im Streitjahr verweist der Beklagte auf das Urteil des BFH vom 21. August 1974 (B StBl II 1975, 14). Danach sei eine Erstattung in späteren Jahren bereits in früheren Jahren gegenzurechnen sei, wenn der Steuerpflichtige mit der Erstattung rechnen konnte. Dies sei vorliegend der Fall.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Finanzgerichtsakte Bezug genommen. Dem Gericht hat die Einkommensteuerakte der Kläger zu Steuernummer XXX vorgelegen.
Gründe
Die Trinkgelder sind als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zuzulassen; im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1) Trinkgelder, die im Zusammenhang mit einer ärztlich angeordneten Behandlung einer Krankheit hingegeben werden, gehören ihrer Art nach zu den unmittelbaren Krankheitskosten (B FH, Urteil vom 22. Oktober 1996 III R 240/94 , BStBl II 1997, 346). Dies gilt aber nur dann, wenn die Trinkgelder dem Grunde und der Höhe nach angemessen sind und nicht außerhalb des Rahmens des Üblichen liegen. Weitere Voraussetzung für die Berücksichtigung von Trinkgeldern ist, dass substantiierte Angaben über die einzelnen Empfänger und die Höhe des ihnen zugewandten Trinkgeldes vorliegen (BFH, a.a.O.).
Die Kläger haben dem Gericht mitgeteilt, dass der Kurarzt vor Ort (Italien) die jeweiligen Behandlungen (Massage, Ozonbad, etc.) angeordnet habe. Die Zahl der verordneten Leistungen sind auch aus den vorgelegten Abrechnungen der Kurverwaltung zu ersehen. Die Kläger haben ihrem Schreiben vom 5. August 1999 auch eine Aufstellung beigefügt, aus der die Höhe der gewährten Trinkgelder - aufgeschlüsselt nach den verschiedenen Behandlungen zu erkennen ist. So wurden für die Massage auf dem Zimmer 5.000 Lire, für die Schlammpackung 3.000 Lire, für das Ozon-Bad 3.000 Lire, die Spezialmassage 5.000 Lire und die Inhalation 2.000 Lire Trinkgeld gegeben.
Die Empfänger der Trinkgelder haben die Kläger zwar nicht benannt. Dieser Umstand führt nach der Auffassung des Senats jedoch nicht zur Versagung der Abzugsfähigkeit. Der Bundesfinanzhof hat in dem angeführten Urteil die namentliche Nennung der Empfänger des Trinkgeldes mit einem Hinweis auf § 160 Abgabenordnung (AO) begründet. § 160 AO fordert die Benennung der Zahlungsempfänger, um sicherzustellen, dass diese den Bezug der Gelder versteuern. Sinn und Zweck des Benennungsverlangens ist die Verhinderung des Steuerausfalls beim Geschäftspartner, wobei die Rechtsprechung den Steuerausfall zu Recht auf die deutsche Steuer bezogen hat (B FH, Urteil vom 9. August 1989 I R 66/86 , BStBl II 1989, 995 [BFH 09.08.1989 - I R 66/86] ; ebenso Tipke/Kruse, AO , § 160, Rz. 3, 10).
Daraus folgt, dass § 160 AO in Fällen wie dem vorliegenden, wo kein Steuerausfall für den deutschen Fiskus zu befürchten ist, nicht anwendbar ist. Dann aber kann die Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung auch nicht mit der Begründung versagt werden, dass die Empfänger der Trinkgelder nicht namentlich benannt worden sind. Ausreichend ist vielmehr, dass die Trinkgelder den jeweiligen Behandlungen konkret zugerechnet worden sind.
Für die einzelnen Behandlungen gewährten die Kläger Trinkgelder in Höhe von 2.000 bis 5.000 Lire (ca. 2,20 bis 4,70 DM). Der Senat hält die gewährten Trinkgelder - sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach - bei medizinischen Behandlungskräften in Italien für angemessen.
2) Die Aufwendungen für Reisetasche und den Kurzreisekoffer sind als gemischte Aufwendungen im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht abzugsfähig. § 12 Abs. 1 Satz 2 EStG enthält ein Aufteilungs- und Abzugsverbot für solche Aufwendungen, die sowohl beruflich als auch durch die Lebensführung veranlasst sind (sog. gemischte Aufwendungen), mit der Folge, dass auch der Teil der Aufwendungen nicht abzugsfähig ist, der beruflich veranlasst ist. Der Senat geht unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung davon aus, dass die Kläger die Reisetasche und den Koffer nicht ausschließlich für berufliche Zwecke sondern auch für private Reisen und zum Transport von Privatsachen benutzt haben. Damit scheidet trotz der (auch) beruflichen Nutzung ein Abzug der Aufwendungen aus.
Dass der Kurzreisekoffer eine Ersatzbeschaffung für einen bei der Arbeit zerstörten Koffer gewesen ist, führt zu keiner anderen Beurteilung.
3) Die Erstattungen der Krankenkasse in 1996 sind vom Beklagten zu Recht im Streitjahr berücksichtigt worden.
Bei der außergewöhnlichen Belastung i.S.d. § 33 EStG gilt das Belastungsprinzip. Danach sind nur solche Aufwendungen abzugsfähig, die eine endgültige Belastung des Steuerpflichtigen bedeuten. Legt ein Steuerpflichtiger eine Ausgabe lediglich vor bzw. aus und erhält er anschließend von dritter Seite z.B. Krankenversicherung Kostenerstattung, so stellt sich die Aufwendung nur als vorübergehende Belastung dar. Dabei ist eine Vorteilsanrechnung auch dann vorzunehmen, wenn der Ersatz der Aufwendungen erst in einem späteren Veranlagungszeitraum geleistet wird. Insofern ist das Zu- und Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG durch das in § 33 EStG geltende Belastungsprinzip ausgeschaltet (B FH, Urteil vom 21. August 1974 , BStBl II 1975, 14 [BFH 21.08.1974 - VI R 236/71]).
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall sind die Erstattungen der Krankenkasse in 1996 auf die Kuraufwendungen der Kläger in 1995 anzurechnen. Dies gilt auch für Erstattungen, die die Zeit vom 01.01. 12.01.1996 betreffen, weil die Kläger auch umfangreiche Aufwendungen für diesen Zeitraum (z.B. Hin- und Rückfahrt sowie Unterkunft und Verpflegung) bereits in 1995 gezahlt und als Aufwendungen geltend gemacht haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) . Nachdem der Beklagte die Kläger im Laufe des Verfahrens hinsichtlich mehrerer Streitpunkte klaglos gestellt hat und die Kläger mehrere Streitpunkte nicht weiter verfolgen und Kläger und Beklagte im gerichtlichen Verfahren teils obsiegen und teils unterliegen, hält es der Senat für sachgerecht, die Kosten gegeneinander aufzuheben.