Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.06.2000, Az.: 3 K 502/97
Eintritt der Festsetzungsverjährung; Maßgeblichkeit des Ereignisses, das zuerst eintritt, für Beginn der Festsetzungsfrist
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 07.06.2000
- Aktenzeichen
- 3 K 502/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 14401
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0607.3K502.97.0A
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Festsetzung von Schenkungsteuer Festsetzungsverjährung entgegen steht.
Der Kläger erhielt von seinem Vater 1978/79 schenkweise den Inhalt eines Bankschließfachs, dessen Inhalt nach Angaben des Klägers einen Wert von 2,5 bis 3 Millionen DM hatte. Der Vater des Klägers verstarb 1980. Nachdem der Kläger dem Finanzamt diesen Sachverhalt mit einem vom 25. November 1996 datierenden Schreiben angezeigt hatte, setzte das beklagte Finanzamt FA gegen den Kläger mit Bescheid vom 29. Januar 1997 Schenkungsteuer von 289.200,00 DM unter Zugrundelegung eines steuerpflichtigen Erwerbs von 2.410.000,00 DM fest. Den hier erhobenen Einspruch, mit dem sich der Kläger auf Festsetzungsverjährung berief, wies das FA durch Einspruchsbescheid vom 10. November 1997 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das FA aus, dass die Festsetzungsfrist erst im Zeitpunkt der Kenntniserlangung von dem Erwerb mit Ablauf des Jahres 1996 zu laufen begonnen habe.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung der Kläger vorträgt: Die Festsetzungsfrist habe gemäß § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO mit Ablauf des Jahres 1980, in dem der Vater verstorben sei, zu laufen begonnen. Auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung des FA, komme es aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht an.
Der Kläger beantragt,
den Schenkungsteuerbescheid vom 29. Januar 1997 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 10. November 1997 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es erwidert: Die Formulierung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO sei nicht eindeutig und lasse erkennen, dass die Festsetzungsfrist erst mit Kenntniserlangung des FA zu laufen beginne.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und auf die beim FA geführten Schenkungsteuerakten (St.-Nr. ....) Bezug genommen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Die angegriffenen Bescheide sind aufzuheben, da ihnen der Ablauf des Festsetzungsfrist entgegensteht (§ 169 Abs. 1 S. 1 AO).
Im Streitfall begann die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO, da eine gemäß § 30 Abs. 1 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz ErbStG erforderliche Anzeige des Erwerbs nicht erfolgt ist, bei der spätestens im Jahre 1979 bewirkten Schenkung mit Ablauf des Kalenderjahres 1982. Die Festsetzungsfrist kann daher, wovon die Beteiligten zu Rechtübereinstimmend ausgehen, bezüglich des Erwerbs des Klägers nur dann gewahrt sein kann, wenn - unbeschadet des bereits 1980 eingetretenen Tods des Schenkers eine auf den Zeitpunkt der erstmaligen Kenntniserlangung des FA im Jahre 1996 bezogene Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 5 AO vorliegt. Der Senat folgt dieser vom FA vertretenen Rechtsansicht nicht.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO löst jede der beiden Tatbestandsalternativen dieser Vorschrift (Tod des Schenkers bzw. Kenntniserlangung der Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung) jeweils für sich alleine den Beginn der Festsetzungsfrist aus. Diese Auslegung wird auch durch die Entstehungsgeschichte und den Sinn und Zweck des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO gedeckt, zumal andernfalls bezüglich der Schenkungsteuer eine Anlaufhemmung trotz Kenntnis der Finanzbehörde von einer vollzogenen Schenkung bis zum Tod des Schenkers bestünde (FG Köln, Urteil vom 23. März 1998 9 K 5355/96, EFG 1998 S. 1171). Maßgebend für den Beginn der Festsetzungsfrist ist demgemäß für § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO jeweils das Ereignis, das zuerst eintritt; dies ist - soweit ersichtlich - auch im Übrigen in Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 28. Mai 1998 II R 54/95 BStBI II 1998 S. 647; FG Köln, a.a.O.) und Literatur (Moench, Kommentar zum ErbStG, Stand: Mai 2000, § 30 Rz. 20; Troll/Gebel/Jülicher, Kommentar zum ErbStG, Stand: November 1999 Anhang AO zu §§ 169 ff. AO unter a) unstreitig.
Anhaltspunkte für die Wahrung der Festsetzungsfrist aufgrund einer Ablaufhemmung gemäß § 171 AO bestehen nach Aktenlage nicht und werden auch vom FA nicht geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m.§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.