Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.06.2000, Az.: 7 K (III) 241/93
Grunderwerbsteuer auf Baukosten; Gegenstand der auf die Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 27.06.2000
- Aktenzeichen
- 7 K (III) 241/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 14432
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0627.7K.III241.93.0A
Tatbestand
Streitig ist, ob im Rahmen eines einheitlichen Vertragswerks die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage um die Baukosten für ein Reihenhaus zu erweitern ist.
Die Kläger erwarben gemeinsam durch notariellen Kaufvertrag vom 12. Oktober 1990 von Herrn W. ein unbebautes Grundstück zum Gesamtkaufpreis von 24.000,00 DM. In dem Notarvertrag heißt es, dass der dort näher bezeichnete Grundbesitz zur Bebauung mit einem Einfamilienreihenwohnhaus (Seite 2) verkauft wird und, dass die Erschließungskosten für die Reihenhausbebauung ... zu Lasten der Käufer (gehen) und ... in dem gesonderten Werkvertrag zu regeln (sind) (Seite 6). Am 12./13. Oktober 1990 schlossen die Kläger mit dem Unternehmen mb-baubetreuung GmbH (mb) einen Bauvertrag über die Herstellung eines Reihenhauses auf dem erworbenen Grundstück zu einem Preis von 230.265,00 DM ab. Den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung vom 25. September 1990 stellte das Unternehmen mb als Bauherrin am 4. Oktober 1990 bei der Stadt W. Dieser Antrag wurde am 11. Oktober 1990 an den zuständigen Landkreis weitergeleitet. Das Unternehmen mb teilte dem Landkreis mit Schreiben vom 30. Januar 1991, dass die Kläger die Bauherren seien.
Das beklagte Finanzamt sah den Grundstückskaufvertrag und den Bauvertrag als einen einheitlichen Vorgang zum Erwerb eines Hausgrundstücks an. Es setzte mit Bescheiden vom 27. März 1991 Grunderwerbsteuer nach einem Gesamtkaufpreis von 254.265,00 DM in Höhe von 5.084,00 DM fest.
Nach erfolglosen Einspruchsverfahren erheben die Kläger Klage und tragen im Wesentlichen folgendes vor: Es werde zwar nicht in Abrede gestellt, dass mit Abschluss des Grundstückskaufvertrags bereits klar gewesen sei, dass auch das Unternehmen mb Vertragspartner der Kläger werden sollte. Gleichwohl sei der notarielle Vertrag über den Erwerb des Grund und Bodens unabhängig von dem Bauvertrag abgeschlossen worden; man habe sich allein aufgrund des günstigen Angebots des Unternehmens mb für dieses als Vertragspartner entschieden. Im übrigen bestehe zwischen dem Unternehmen mb und dem Veräußerer des Grund und Bodens keine Identität. Entsprechend sei nicht von einem einheitlichen Vertragswerk auszugehen. Allein der Kaufpreis für den Grund und Boden sei grunderwerbsteuerpflichtig.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Grunderwerbsteuer unter Änderung der Bescheide vom 27. März 1991 in der Fassung der Einspruchsentscheidungen vom 1. Juni 1993 von 5.084,00 DM auf 480,00 DM herabzusetzen.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält an seiner Auffassung fest, dass hier ein einheitliches Vertragswerk vorliege. Die Kläger seien auch nach eigenen Aussagen von Anfang an an dem Erwerb eines schlüsselfertigen Wohngebäudes mit Grundstück interessiert gewesen und seien ausweislich des Wortlauts des notariellen Grundstückskaufvertrages bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Notarvertrages zur Bebauung nach den konkreten Plänen des Unternehmens mb verpflichtet gewesen. Auch aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus erscheine es nicht glaubhaft, dass die Kläger das Mittelgrundstück einer Reihenhauszeile auch ohne Bauverpflichtung gegenüber dem Unternehmen mb hätten erwerben können; neben dem Verlust von Auslagen für Architektenleistungen und sonstigen Auslagen des Unternehmens mb zur Bauvorbereitung wäre ggf. die Durchführung des gesamten Projekts gefährdet gewesen.
Dem Senat haben die beim beklagten Finanzamt ... geführten Grunderwerbsteuerakten vorgelegen.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Die angefochtene Grunderwerbsteuerfestsetzung ist rechtmäßig.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Erwerb eines Anspruchs auf Übereignung eines inländischen Grundstücks der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist nach§ 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käuferübernommenen sonstigen Leistungen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der der Senat nunmehr folgt (anders noch die Senatsentscheidung vom 15. September 1998 VII III 371/92, EFG 1999, 443), gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben. Entscheidend für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist dabei, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist. Zwar knüpft die Grunderwerbsteuer an einen auf den Eigentumserwerb an einem Grundstück gerichteten Rechtsvorgang, nämlich an das tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG an. Erfasst werden soll von der Grunderwerbsteuer aber der tatsächliche Zustand des Grundstücks, der in Durchführung des auf den Eigentumserwerb gerichteten Rechtsvorgangs eintritt. Gegenstand der auf die Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen kann das Grundstück in dem Zustand sein, den es im Zeitpunkt des Vertragsschlusses hat, oder in einem (künftigen) Zustand, in den es erst zu versetzen ist. Ob als Gegenstand eines Erwerbsvorgangs das zukünftig bebaute Grundstück anzusehen ist, kann sich aus dem tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäft, d.h. aus dem Inhalt der zivilrechtlichenÜbereignungsverpflichtung des Veräußerers oder aus mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv engem sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen oder Umständen ergeben, die insgesamt zu dem Erfolg führen, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln und kann auch aus dem Zusammenwirken mehrerer Personen auf der Veräußererseite folgen, wenn die Umstände des Zusammenwirkens ergeben, dass der Erwerber ein bebautes Grundstück erhält. Ist dies der Fall, so gehören alle Aufwendungen des Grundstückserwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung, die von ihm für die Verschaffung des bebauten Grundstücks gewährt werden (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1999 II R 17/99, BStBl. II 2000, 34 mit weiteren Nachweisen.).
Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist das aus damaliger Sicht in Zukunft bebaute Grundstück Gegenstand des grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgangs. Denn zwischen dem notariellen Grundstücksvertrag und dem Bauvertrag gibt es einen engen - auch klägerseits grundsätzlich nicht bestrittenen - objektiven Zusammenhang. Zum einen sind die genannten Verträge zeitnah abgeschlossen worden. Zweitens hat der spätere Bauvertragspartner der Kläger, das Unternehmen mb, schon vor Abschluss des notariellen Grundstücksvertrags zwischen den Klägern und einem Dritten für das betreffende Grundstück einen Bauantrag gestellt, obwohl das Unternehmen mb nicht Eigentümer des Grundstücks war. Des weiteren war der Bau des klägerischen Reihenhauses lediglich ein Teil einer komplexen Reihenhausbebauung, die allein das Unternehmen mb durchführte, so dass dem Hinweis der Klägerseite, man hätte auch mit anderen Anbietern bauen können, nicht zu folgen ist.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.