Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.06.2000, Az.: 3 K 114/98

Anspruch auf nachträgliche Herabsetzung der für den früheren Erwerb festgesetzten Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
22.06.2000
Aktenzeichen
3 K 114/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 14416
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0622.3K114.98.0A

Fundstellen

  • EFG 2001, 452-453 (Volltext mit red. LS)
  • KFR 2001, 109
  • UVR 2001, 236

Tatbestand

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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin in Anwendung der Zusammenrechnungsvorschrift des § 14 Abs. 1 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz in der Fassung vom 27. Februar 1997 (Bundesgesetzblatt I S. 379) - im Folgenden: ErbStG 1996 gezahlte Schenkungsteuer zu erstatten ist.

2

Die Klägerin erhielt von ihrem Vater ... schenkungsweise am 1. Januar 1992 einen Betrag von 158.186,20 DM. Für diesen Erwerb setzte das beklagte Finanzamt FA durch bestandskräftigen Bescheid vom 20. Oktober 1995 Schenkungsteuer von 2.383,00 DM fest. Am 14. Dezember 1997 erhielt die Klägerin von ihrem Vater schenkungsweise einen weiteren Betrag von 12.000,00 DM. Mit Schriftsatz vom 21. Januar 1998 beantragte die Klägerin im Hinblick auf die geänderte Fassung des § 14 Abs. 1 ErbStG 1996 die Erstattung der für den vorausgegangenen Erwerb gezahlten Schenkungsteuer. Das FA erteilte der Klägerin daraufhin bezüglich des Erwerbs vom 14. Dezember 1997 einen Freistellungsbescheid vom 23. Januar 1998 und lehnte gleichzeitig den Erstattungsantrag ab. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA durch Bescheid vom 16. März 1998 als unbegründet zurück.

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Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin eine unrichtige Anwendung des § 14 ErbStG 1996 rügt.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das beklagte Finanzamt unter Aufhebung bzw. Änderung des Schenkungsteuerbescheids vom 20. Oktober 1995 sowie des Bescheids vom 14. Dezember 1997 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 16. März 1998 zu verpflichten, Schenkungsteuer von 2.383,00 DM zu erstatten.

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Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Es tritt dem Klagevorbringen entgegen.

7

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die beim FA geführte Schenkungsteuerakte (St.-Nr.,,) und auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

8

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Gründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

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1.

Die Klage ist zulässig. Das Klagebegehren ist zwar lediglich auf Erstattung von 2.383,00 DM Schenkungsteuer gerichtet. Durch § 155 Abs. 1 S. 3 AO wird jedoch zwischen der Freistellung von einer Steuer und der nachfolgenden Erstattung der bisher entrichteten Steuer unterschieden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. Juni 1984 I R 283/81 BStBI II 1984 S. 828). Hielt man wie in der Literatur (Moench, Kommentar zum ErbStG, Loseblatt Stand: Mai 2000, § 14 Rz. 24) und offenbar auch vom FA in seiner Klageerwiderung erwogen einen Anspruch auf Steuererstattung im Rahmen der Anwendung des § 14 Abs. 1 ErbStG 1996 auch unbeschadet einer bestandskräftigen Festsetzung der Schenkungsteuer für den früheren Erwerb für prinzipiell denkbar, so käme eine dahingehende Auslegung des Klageantrages in Betracht, dass mit diesem unter Änderung des Freistellungsbescheids vom 23. Januar 1998 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 16. März 1998 auch die Freistellung des früheren Erwerbs der Klägerin von der Schenkungsteuer und die Festsetzung des entsprechenden Erstattungsbetrags begehrt wird. Bei dieser Auslegung des Klageantrages wäre mit der Folge der Zulässigkeit der Klage von einer sinngemäßen Ablehnung einer solchen Freistellung durch das FA auszugehen. Eine abschließende Entscheidung über die Zulässigkeit eines solchen Klageantrags bedarf es jedoch nicht. Denn das Klagebegehren ist jedenfalls einer dahingehenden sinngemäßen Auslegung zugänglich, dass es auf Verpflichtung des FA zur Aufhebung des Schenkungsteuerbescheids vom 20. Oktober 1995 gerichtet ist. Bei dieser Auslegung würde dem hier dem Wortlaut nach allein gestellten Erstattungsantrag zwar an sich das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen (vgl. BFH-Urteil vom 16. Juli 1989 VII R 24/77 BStBI II 1980 S. 632; Gräber, Kommentar zur FGO, 4. Aufl. 1998 § 40 Rz. 34). Gleichwohl müsste das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für die sinngemäß begehrte Verpflichtung deshalb bejaht werden, weil das FA mit seinen Verwaltungsentscheidungen vom 23. Januar und 16. März 1998 sinngemäß die Änderung des Schenkungsteuerbescheids vom 20. Oktober 1995 abgelehnt hat.

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2.

Die Klage ist unbegründet. Aus § 14 Abs. 1 ErbStG 1996 ergibt sich kein Anspruch der Klägerin auf nachträgliche Herabsetzung der für den früheren Erwerb festgesetzten Schenkungsteuer.

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Gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG 1996 sind mehrere Vermögenserwerbe, die innerhalb von 10 Jahren von derselben Person anfallen, zusammenzurechnen. Durch diese Zusammenrechnung wird gewährleistet, dass die Freibeträge innerhalb des Zusammenrechnungszeitraums nur einmal zur Anwendung kommen und sich für die mehreren Erwerbe gegenüber einer einheitlichen Zuwendung in gleicher Höhe kein Progressionsvorteil ergibt. Trotz der Zusammenrechnung bleibt allerdings jeder Einzelerwerb ein selbständiger steuerpflichtiger Vorgang (vgl. BR-Drs. 30/96 S. 69). § 14 ErbStG 1996 trifft mithin - lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den (jeweils) letzten Erwerb innerhalb des 10 Jahreszeitraums festzusetzen ist (BFH-Urteile vom 17. April 1991 II R 121/88 BStBI II 1991 S. 522 m.w.N.; vom 7. Oktober 1998 II R 64/96, BStBl. II 1999 S. 25). Die Berechnung der anrechenbaren Steuer kann nach § 14 Abs. 1 S. 2 und 3 ErbStG 1996 alternativ nach Maßgabe der fiktiven Steuer für den Vorerwerb oder nach der tatsächlich für den Vorerwerb zu entrichtenden Steuer, wenn diese höher ist, erfolgen. Beide in § 14 Abs. 2 S. 2 und 3 ErbStG 1996 zugelassenen Anrechnungsmöglichkeiten schließen indes die Erstattung einer "Mehrsteuer" für die Fälle aus, in denen die tatsächliche Steuer für den Vorerwerb höher als die Steuer für den Gesamterwerb ist oder in denen wie im Streitfall aufgrund der durch das ErbStG 1996 erhöhten Freibeträge für den Gesamterwerb nach neuem Recht eine Besteuerung überhaupt entfällt (ebenso Moench, a.a.O. § 14 Rz. 24; Troll/Jülicher, Kommentar zum ErbStG § 14 Rz. 23; Weinmann, ZEV 1997 S. 185/188; Kapp/Ebeling, Kommentar zum ErbStG, Loseblatt Stand: November 1999, § 14 Rz. 16.3; R 70 Abs. 4 S. 5 ErbStR). Der gegenteiligen Auffassung (Felix, KÖSDI 1997 S. 10971; Harder ZEV 1996 S. 301) ist schon aufgrund des Wortlauts und der Systematik des § 14 Abs. 1 ErbStG 1996 nicht zu folgen: Soweit § 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG 1996 einen Abzug der Steuern für den Vorerwerb anordnet, lässt sich daraus unter keinem Gesichtspunkt ein Erstattungsanspruch herleiten (a.A. insoweit wohl Moench, AO § 14 Rz. 23). Denn diese Bestimmung ist allein darauf gerichtet, eine doppelte Besteuerung des früheren Erwerbs im Zuge der Zusammenrechnung zu verhindern (BR-Drs. 30/96 S. 69). Ein Eingriff in die rechtswirksame Besteuerung des Vorerwerbs ist wie auch der Hinweis der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 30/96 S. 69) auf die rechtliche Selbständigkeit des einzelnen Erwerbs zeigt mit dieser Vorschrift offensichtlich nicht verbunden. Insbesondere ist für die Anrechnung des früheren Erwerbs das Recht zur Zeit des letzten Erwerbs maßgebend (BFH-Urteil vom 31. Mai 1989 II R 110/87 BStBI II 1989 S. 733; vom 17. April 1991 a.a.O.). Auch § 14 Abs. 1 S. 3 ErbStG 1996 lässt die Erstattung nicht zu, weil insoweit lediglich der Abzug der entrichteten höheren Steuer für den Erwerb zugelassen ist.

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Diesem Ergebnis stehen weder andere Bestimmungen des ErbStG 1996 noch Verfassungsrecht entgegen. Gemäß § 37 Abs. 1 ErbStG 1996 sind die Bestimmungen dieses Gesetzes auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 1995 entstanden ist oder entsteht. Damit bleibt es für Erwerbe vor diesem ersten Anwendungszeitpunkt des ErbStG 1996 und damit auch für den hier fraglichen früheren Erwerb der Klägerin aus dem Jahre 1992 bei den insoweit maßgeblichen Regelungen des ErbStG 1974. Mangels einer im ErbStG 1996 enthaltenen Entscheidung zur Durchbrechung der Bestandskraft der für einen früheren Erwerb festgesetzten Schenkungsteuer scheidet zugleich eine Änderung des bezüglich des früheren Erwerbs ergangenen Schenkungsteuerbescheids gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aus (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1990 X R 5/88 BStBI II 1991 S. 55). Der alleinigen Maßgeblichkeit des früheren Rechts für die Steuerberechnung bezüglich des früheren Erwerbs stehen auch Verfassungsbestimmungen nicht entgegen. Zwar ist die für den letzten Erwerb der Klägerin anzuwendende Freibetragsregelung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1996 auf den zur Erbschaftsteuer ergangenen BVerfG-Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 BStBI II 1995 S. 671 (dort unter C. I. 2. b. a.a. der Gründe) zurückzuführen. Diesem BVerfG-Beschluss ist jedoch zu entnehmen, dass das bisherige Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht bis Ende 1995 weiter anzuwenden ist. Eine Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des ErbStG 1974 hat das BVerfG mithin nicht festgestellt (vgl. auch BFH-Beschluss vom 11. März 1998 II B 59/97 BStBI II 1998 S. 395), so dass es der Gesetzgeber ohne Verfassungsverstoß auch im Hinblick auf die §§ 14, 37 ErbStG 1996 für Erwerbe vor dem 1. Januar 1996 bei der bisherigen Rechtslage belassen konnte.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.