Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.06.2000, Az.: 14 V 453/99
Nachweis des Postausgangs durch computergeführtes Postausgangsbuch
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 22.06.2000
- Aktenzeichen
- 14 V 453/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 35728
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0622.14V453.99.0A
Rechtsgrundlagen
- AO § 110
Fundstellen
- NWB DokSt 2000, 1323
- SteuerBriefe 2001, 908-910
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Absendung eines Einspruchs beweist nicht dessen rechtzeitigen Zugang, wenn er vom Finanzamt bestritten wird.
- 2.
Hat der Stpfl. das zu befördernde Schriftstück rechtzeitig zur Post gegeben, kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO in Betracht.
- 3.
Ein mittels PC erstelltes Postausgangsbuch kann die Aufgabe zur Post nicht glaubhaft machen. Denn es ist dann nicht geeignet, die Aufgabe zur Post glaubhaft zu machen, wenn es zu jeder Zeit abgeändert und neu ausgedruckt werden kann, ohne dass diese Abänderung auffallen würde.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin betrieb bis 1995 eine Modeboutique für Damenoberbekleidung. Eine für 1991 bis 1995 durchgeführte Außenprüfung stellte daneben einen gewerblichen Grundstückshandel fest. Für diesen gewerblichen Grundstückshandel nahm die Betriebsprüfung einen gesonderten Betrieb für die Jahre 1991 bis 1995 an. Mit Bescheide vom 12. Januar 1998 wurden entsprechende Gewerbesteuermessbescheide erlassen. Am 05. März 1998 ging beim Antragsgegner eine Einspruchsbegründung ein, die die Gewerbesteuermessbescheide 1991 bis 1995 betraf. Mit Schreiben vom gleichen Tag teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass entsprechende Einsprüche gegen die Gewerbesteuermessbescheide nicht vorliegen würden. Mit Schreiben vom 15. Mai 1998 beantragte die Antragstellerin für den Fall, dass das Einspruchsschreiben nicht gefunden werde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Außerdem beantragte sie mit Schreiben vom 05. März 1998 die Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide für 1991 bis 1995. Mit Bescheid vom 21. Januar 1999 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsbescheid vom 09. Juni 1999 zurückgewiesen. Mit Einspruchsbescheid vom gleichen Tag wurden auch die Einsprüche gegen die Gewerbesteuermessbescheide 1991 bis 1995 als unzulässig zurückgewiesen. Am 02. Juli 1999 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide 1992 bis 1995 beim Finanzgericht.
Der Prozessbevollmächtigte trägt vor, dass Einspruchsschreiben sei laut Festplattenauszug am 21. Januar 1998 um 12.00 Uhr erstellt worden. Das Schreiben habe einen Dateinamen mit Inhaltsangabe, Mandantennummer, Datum der Aufnahme und PC-Kennung erhalten. Die damals für den Postausgang zuständige Mitarbeiterin Frau X habe üblicherweise die ausgehende Post mit Inhaltsangabe in das per PC geführte Postausgangsbuch eingetragen. Sie habe dann die jeweilige Tagespost vollständig frankiert spätestens bis 16.00 Uhr zur Post gebracht. Dieses sei auch am 21. Januar 1998 so geschehen. Dies belege auch die geführte Zeitaufstellung für Frau X für den Zeitraum 19. Dezember bis 23. Januar. Der Prozessbevollmächtigte trägt weiterhin vor, er kontrolliere auch täglich nachmittags nach 15.00 Uhr das Postausgangsbuch, so dass das Finanzamt die Feststellungslast trage.
Die Antragstellerin beantragt,
die Gewerbesteuermessbescheide 1992 bis 1995 von der Vollziehung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide 1992 bis 1995 abzulehnen.
Der Antragsgegner trägt vor, der Postausgang könne nicht in hinreichender Weise nachgewiesen werden. Das vom Prozessbevollmächtigten computergeführte Postausgangsbuch sei wegen der Möglichkeit, jederzeit Änderungen vornehmen zu können, nicht geeignet, den von der Rechtsprechung geforderten konkreten Nachweis zur Absendung eines bestimmten Schreibens zu führen. Das übrige Vorbringen der Antragstellerin betreffe nur die üblichen Vorgänge innerhalb der Praxisorganisation, die allenfalls Rückschlüsse auf den typischen Geschehensablauf zuließen. Dieses reiche wiederum nicht als Nachweis für die Wiedereinsetzung aus. Der Festplattenauszug könne auch nicht die Absendung nachweisen, da beim PC unbegrenzte Bearbeitungsmöglichkeiten bestehen. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass der Prozessbevollmächtigte nach vollständiger Mandatsübernahme zwar die zur Einkommensteuer von der Klägerin selbst und zur Umsatzsteuer vom vorher mit der Sache befaßten Steuerberater erhobenen Einsprüche konkret und ausführlich begründe, die Begründung der angeblich von ihm selbst erhobenen Einsprüche aber übersehe, obwohl er sich offensichtlich doch mit der Gewerbesteuer befaßt habe.
Die Beteiligten haben sich mit der Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (§ 79 a Abs. 3, 4 FinanzgerichtsordnungFGO -).
Gründe
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hatte.
a) Ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466).
Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Bei summarischer Prüfung sprechen keine gewichtigen Gründe gegen die Rechtmäßigkeit der Gewerbesteuermessbescheide 1992 bis 1995. Sie wurden nicht rechtzeitig mit Einspruch angefochten. Auch liegen keine Wiedereinsetzungsgründe vor, die zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führen würden.
Der Einspruch gegen Verwaltungsakte in Abgabenangelegenheiten ist gem. § 355 Abs. 1 AbgabenordnungAO - innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes einzulegen. Für die Einhaltung der Einspruchsfrist gem. § 355 Abs. 1 AO trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast (B FH-Urt. v. 26. Mai 1987 IV S 17/86 , BFH/NV 1988, 115 ; Urt. v. 28. Oktober 1987 I R 12/84, BStBl. II 1988, 111). Die Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Absendung beweist nicht den rechtzeitigen Zugang, wenn er vom Finanzamt bestritten wird (B FH-Urt. v. 26. Mai 1987 IV S 17/86 , BFH/NV 1988, 115). Der Antragsgegner bestreitet den Zugang des Einspruch vom 21. Januar 1998. Die Antragstellerin trägt nicht Tatsachen vor, die auf einen Zugang am 21. Januar 1998 schließen lassen. Es werden nur Ausführungen zur Aufgabe des Einspruchsschreibens zur Post gemacht. Es ist im vorliegenden Verfahren aber Sache der Antragstellerin, die maßgeblichen Umstände von sich aus vorzutragen und glaubhaft zu machen (B FH-Beschl. v. 17. März 1994 XI B 81/93 , BFH/NV 1995, 171 m. w. Nachw.).
Auch kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO nicht in Betracht. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm gem. § 110 Abs. 1 Satz 1 AO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist gem. § 110 Abs. 2 Satz 1 AO innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Der Steuerpflichtige handelt ohne Verschulden, wenn er rechtzeitig das zu befördernde Schriftstück zur Post gegeben hat. Denn nach ständiger Rechtsprechung muss der Bürger auf die normalen Postlaufzeiten vertrauen können (B VerfG-Beschl. v. 15. Mai 1995 1 BvR 2440/94 , NJW 1995, 2546 ; BFH, Urt. v. 30. Januar 1981 III R 18/79 , BStBl. II 1981, 390). Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin trägt vor, er habe am 21. Januar 1998 das Einspruchsschreiben zur Post bringen lassen. Mit Schreiben vom 06. Mai 1998 teilte der Antragsgegner dem Prozessbevollmächtigte mit, dass das Einspruchsschreiben nicht eingegangen sei. Am 15. Mai 1998 beantragte der Prozessbevollmächtigte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zwar würde bei Zugrundelegung dieses Geschehensablaufes Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewähren sein; doch hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass am 21. Januar 1998 das Einspruchsschreiben zur Post gebracht worden ist. Das mittels PC erstellte Postausgangsbuch kann die Aufgabe zur Post nicht glaubhaft machen. Ein mit Hilfe des PC erstelltes Kontrollbuch ist dann nicht geeignet, die Aufgabe zur Post glaubhaft zu machen, wenn es zu jeder Zeit abgeändert und neu ausgedruckt werden kann, ohne dass diese Abänderung auffallen würde (anders insoweit der Sachverhalt des FG Brandenburg, Urt. v. 01. April 1998 1 K 1724/96 E, EFG 1998, 980 nach dem Manipulationen ausgeschlossen waren, weil das PC-Programm von DATEV Fristen und Bescheide wegen der Vergabe laufender Nummern Zurückdatierungen hätte erkennen lassen). Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, dass Manipulationen bei dem verwendeten Programm nicht möglich seien, obwohl sie vom Berichterstatter auf mögliche Manipulationen hingewiesen worden ist. Gleiches gilt für einen Ausdruck einer Datei bzw. Dateiinformation von der Festplatte des PC. Auch hier sind Zurückdatierungen möglich, ohne dass sie als solche zu erkennen sind. Auch der Auszug aus dem Terminkalender vom 19. Januar 1998 macht nicht die Aufgabe zur Post glaubhaft, sondern weist nur auf einen Termin um 11.45 Uhr in Sachen P.. Abgesehen davon, dass die Zeitaufstellung für Frau X weder den Aussteller, noch das Ausstellungsdatum, noch das betreffende Jahr erkennen läßt, belegt sie ebenso nicht die Aufgabe des konkreten Einspruchsschreibens bei der Post. Es wird im Antragsverfahren zwar vorgetragen, dass Frau X das Einspruchsschreiben mit der übrigen Post am 21. Januar 1998 um ca. 15.15 Uhr beim Postamt an der Berliner Freiheit in Bremen abgegeben hat; jedoch wird der Vortrag nicht mit präsenten Beweismitteln, insbesondere einer Versicherung an Eides Statt von Frau X, glaubhaft gemacht. Es ist Sache der Antragstellerin in einem summarischen Verfahren die entscheidungserheblichen Tatsachen mittels präsenter Beweismittel darzulegen und glaubhaft zu machen (B FH Beschl. v. 17. März 1994 a. a. O.; Beschl. v. 10. Februar 1967 III B 9/66, BStBl. III 1967, 182).
b) Ebensowenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung der angefochtenen Bescheide für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines - noch nicht bestandskräftigen - Steuerbescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wiedergutzumachen waren, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. Beschluss des BFH vom 24. März 1994 IV S 1/94 , BStBl II 1994, 398). Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich, noch hat sie die Antragstellerin substantiiert vorgetragen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .