Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.04.2010, Az.: 15 UF 40/10
Kostenentscheidung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren in Übergangsfällen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.04.2010
- Aktenzeichen
- 15 UF 40/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 17375
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0426.15UF40.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Neustadt am Rübenberge - 12.01.2010 - AZ: 38 F 353/09 KI
Rechtsgrundlagen
- § 111 Nr. 3 FamFG
- § 169 Nr. 1 FamFG
- § 81 FamFG
Fundstelle
- FamRZ 2010, 1840-1841
Amtlicher Leitsatz
Bei der Kostenentscheidung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren, das nach dem 1. September 2009 anhängig wurde, kann zwischen den Gerichtskosten, insbesondere den Kosten eines Abstammungsgutachtens, und den zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu differenzieren sein.
Tenor:
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen die Kostenentscheidung in dem Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt a. Rbge. vom 12. Januar 2010 wird zurück gewiesen.
II. Der Beteiligte zu 3 trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu 1 und 2 im Beschwerdeverfahren.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 900 € festgesetzt.
IV. Dem Beteiligten zu 3 wird die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe versagt.
Gründe
1. Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren über die Kostenentscheidung des Amtsgerichts im Vaterschaftsfeststellungsverfahren.
Die Beteiligte zu 1 begehrte mit ihrem Antrag die Feststellung der Vaterschaft des Beteiligten zu 3. Mit Schreiben des die Beteiligte zu 1 vertretenden Beistands vom 6. und 21. August 2009 wurde der Beteiligte zu 3 aufgefordert, die Vaterschaft für die Beteiligte zu 1 anzuerkennen, da allein er nach Angaben der Beteiligten zu 2 zu ihr in der gesetzlichen Empfängniszeit eine intime Beziehung hatte. Mit Schreiben vom 19. August 2009 teilte der Beteiligte zu 3 mit, dass er nicht bereit sei, die Vaterschaft und den Unterhaltsanspruch urkundlich anzuerkennen, weil er einen Vaterschafstest machen wollte.
In dem vom Sachverständigen Prof. Dr. Tröger erstatteten Gutachten vom 17. Dezember 2009 wurde die Vaterschaft des Beteiligten zu 3 mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99999 % als´praktisch erwiesen´ festgestellt. In der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2010 erklärte der Beteiligte zu 3, dass er die Vaterschaft zwischenzeitlich am 7. Januar 2010 anerkannt habe.
Das Amtsgericht hat im angefochtenen Beschluss die Vaterschaft des Beteiligten zu 3 festgestellt und diesem die gerichtlichen Kosten (Gebühren und Auslagen) auferlegt, während die außergerichtlichen Kosten von jedem Beteiligten selbst zu tragen sind.
Gegen die Kostenentscheidung wendet sich der Beteiligte zu 3 mit seiner Beschwerde und macht geltend, dass er vor Einleitung des Verfahrens versucht habe, die Vaterschaft gutachterlich feststellen zu lassen. Die Beteiligte zu 2 habe jedoch ihre Mitwirkung beharrlich verweigert. Daher habe er keine Veranlassung für das gerichtliche Verfahren gegeben. Darüber hinaus habe er nach dem Ergebnis des Abstammungsgutachtens die Vaterschaft unverzüglich anerkannt. Dass die Beteiligte zu 2 seiner Vaterschaftsanerkennung nicht zugestimmt habe, sei von ihm nicht zu vertreten.
2. a) Die auf die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses beschränkte Beschwerde ist zulässig.
Die Kostenentscheidung eines Beschlusses ist in Verfahren, die keine Ehe oder Familienstreitsachen sind, für die weiterhin § 99 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG gilt, eine Endentscheidung i.S.d. § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Sie kann daher mit einer hierauf begrenzten Beschwerde angefochten werden, auch wenn das Rechtmittel nicht gleichzeitig gegen die Hauptsache gerichtet ist. Die frühere Rechtslage, wonach gemäß § 20a Abs. 2 FGG a.F. die Entscheidung über den Kostenpunkt in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur angegriffen werden konnte, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen war, besteht nicht mehr fort (vgl. Keidel/MeyerHolz, FamFG, 16. Aufl. Rn. 13 zu § 58. SchulteBunert/Weinreich/Unger, FamFG, 2. Aufl., Rn. 20 Vorbemerkung zu §§ 58 - 75). Der nach § 61 Abs. 1 auch für die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung maßgebliche Beschwerdewert von 600€ (vgl. OLG Oldenburg Beschluss vom 26. Februar 2010 - 14 UF 175/09 - zitiert nach juris) wird bereits durch die Kosten des Abstammungsgutachtens von 714 € erreicht, weil der Beteiligte zu 3 mit seiner Beschwerde beantragt, der Beteiligten zu 2 die Kosten insgesamt aufzuerlegen.
b) Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Da § 183 FamFG allein auf Verfahren nach § 169 Nr. 4 FamFG auf Anfechtung der Vaterschaft Anwendung findet, sind im Vaterschaftsfeststellungsverfahren die allgemeinen Regelungen der §§ 80 ff. FamFG maßgeblich (Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis Rn. 275). Gemäß § 81 Abs. 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen, wobei in Familiensachen stets über die Kosten zu entscheiden ist. Während in den bisherigen, kontradiktorisch ausgestalteten Kindschaftssachen der §§ 640 ZPO a.F. im Vaterschaftsfeststellungsprozess die Kosten nach § 91 ZPO dem Beklagten im Fall seiner Feststellung aufzuerlegen waren, begründet das Unterliegen eines Beteiligten nach § 81 Abs. 1 und 2 FamFG nicht ohne weiteres dessen Verpflichtung zur Kostenerstattung (MünchKommZPO/Schindler, Rn. 12 zu§ 81 FamFG. Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl. Rn. 46 zu § 81). Allerdings soll in streitigen Sachen die Kostenerstattung den Regelfall bilden, wenn ein Beteiligter unterlegen ist (Prütting/Helms/Feskorn, FamFG, Rn. 12 zu § 81 FamFG).
Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass es im Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft i. d. R. gerechtfertigt ist, bei der Kostenentscheidung zwischen den Gerichtskosten einerseits und den außergerichtlichen Kosten andererseits zu unterscheiden (vgl. Keidel/Zimmermann, aaO. Rn. 8 zu § 81. Prütting/Helms/Feskorn, FamFG, Rn. 9 f. zu § 81 FamFG). Die vollständige oder teilweise Erstattung der Kosten durch einen Beteiligten muss billigem Ermessen entsprechen. Bei Streitigkeiten unter Familienangehörigen ist für die Anordnung einer Kostenerstattung (weiterhin) Zurückhaltung geboten (vgl. Prütting/Helms/Feskorn, FamFG, Rn. 13, 14a zu § 81 FamFG). In § 81 Abs. 2 FamFG sind beispielhaft Ermessenserwägungen aufgeführt, die es rechtfertigen können, einem Beteiligten die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise aufzuerlegen. Fehlen derartige Anhaltspunkte, entspricht es nunmehr auch in Abstammungssachen grundsätzlich der Billigkeit, dass jeder Beteiligte seine eigenen außergerichtlichen Aufwendungen trägt. Dies beruht darauf, dass die Verfahren in Abstammungssachen nach dem FamFG nach der Gesetzesbegründung ´nunmehr einheitlich als ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgestaltet werden´ und ´anders als ein ZPOVerfahren ohne formellen Gegner´ konzipiert sind (vgl. BTDrs 16/6308, S. 243, 244). Als einseitiges, nicht streitiges Antragsverfahren ist das Abstammungsverfahren kostenrechtlich eher mit einer Kindschaftssache als mit einer Familienstreitsache zu vergleichen. Dem minderjährigen Kind als Antragsteller oder als Beteiligtem können Kosten nach § 81 Abs. 3 FamFG in Abstammungsverfahren nicht auferlegt werden, weil diese dessen Person betreffen.
Dies hindert es indes nicht, dem Beteiligten, der als Vater des Kindes festgestellt wird, ohne Antragsteller zu sein, die gerichtlichen Kosten (Gebühren und Auslagen) i.S.v. § 80 Satz 1 FamFG aufzuerlegen. Dies findet seinen Grund darin, dass der potentielle biologische Vater die Möglichkeit hat, seine Vaterschaft vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens urkundlich anzuerkennen.
Vor diesem Hintergrund entspricht die angefochtene Kostenentscheidung billigem Ermessen, ohne dass es einer Beurteilung durch den Senat bedarf, ob die Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 Nr. 1 (Veranlassung des Verfahrens durch grobes Verschulden) oder Nr. 2 (fehlende anfängliche Erfolgsaussicht des Antrags) erfüllt sind. Dies gilt auch, soweit dem Beteiligten zu 3 auferlegt wurde, die Kosten des Abstammungsgutachtens insgesamt zu tragen. Der Beteiligte zu 3 wurde vor dem Verfahren aufgefordert, die Vaterschaft für die Antragstellerin anzuerkennen. Dies wollte er nach seinem Schreiben vom 19. August 2009 von einem außergerichtlichen Vaterschaftstest abhängig machen. In diesem Schreiben hat der Beteiligte zu 3 weder nähere Gründe für seine Zweifel an der Vaterschaft mitgeteilt, noch zu der Frage der Kosten für das außergerichtliche Gutachten Stellung genommen. Mit der Beschwerdebegründung zeigt er darüber hinaus keine konkreten Umstände auf, dass die Beteiligte zu 2, sich beharrlich geweigert habe, an einem außergerichtlichen Gutachten mitzuwirken. Insoweit besteht eine Obliegenheit der Mutter des Kindes, an einem außergerichtlichen Abstammungstest mitzuwirken, nicht unbegrenzt (vgl. OLG Hamm FamRZ 2004, 549[OLG Hamm 12.08.2003 - 9 WF 118/03] [zur Mutwilligkeit i.S.v. § 114 ZPO]). Vielmehr müssen aus Sicht der Mutter und des Kindes Mindeststandards bei der Erstellung des Gutachtens gewährleistet sein. Aus diesem Grund besteht ein Anspruch auf Klärung der Abstammung nach § 1598a Abs. 1 Satz 2 BGB nur, wenn die Probe nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entnommen wird. Der Beteiligte zu 3 hat nicht vorgetragen, ob er der Beteiligten zu 2 mitgeteilt hatte, bei welchem Institut er die Proben der Beteiligten untersuchen lassen wollte und ob dieses Institut die genetische Abstammungsuntersuchung nach den ´Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten´ (FamRZ 2002, 1159 ff.) erstellt.
Auf das Verhalten nach Vorlage des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens kann sich der Beteiligte zu 3 nicht berufen, weil vor der urkundlichen Anerkennung seiner Vaterschaft die hier streitigen Kosten bereits entstanden waren. Es kommt daher weder auf seine sofortige Anerkennung noch auf die fehlende Zustimmung der Beteiligten zu 2 an.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf § 40 Abs. 1 FamGKG.
4. Dem Beteiligten zu 3 ist Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht zu bewilligen, weil seine Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO).
Dr. Schwonberg
Dr. Meyer-Holz