Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 30.04.2010, Az.: 11 W 12/10
Zulässigkeit der Erteilung eines "absoluten" Wettbewerbsverbots an einen als "Finanzberater" tätigen (FB) Handelsvertreter; Einfirmenvertreter kraft Vertrages durch Vereinbarung eines Konkurrenzverbots
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 30.04.2010
- Aktenzeichen
- 11 W 12/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 20641
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0430.11W12.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 17.02.2010 - AZ: 13 O 274/09
Rechtsgrundlagen
- § 86 Abs. 1 HGB
- § 92a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB
In der Beschwerdesache
...
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Richter am Oberlandesgericht Bendtsen als Einzelrichter
am 30. April 2010
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 17. Februar 2010 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Rechtsweg vor die ordentlichen Gerichte zulässig ist.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Wert: 1.082,42 EUR
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Rückerstattung von Leistungen.
Die Klägerin betreibt ein Finanzdienstleistungsunternehmen. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedient sie sich Handelsvertretern, die als "Finanzberater" (FB) Verträge vermitteln.
Die Parteien schlössen am 25. Juni 2008 einen Finanzberatervertrag (K1; Bl. 7 d.A.). Danach sollte der Beklagte als selbständiger Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 ff., 92 HGB hauptberuflich auf dem Gebiet der Vermittlung von Versicherungen, Bausparverträgen, Finanzierungen, Kapitalanlagen sowie von Maklerverträgen tätig sein. Der Vertrag sollte am 1. Juli 2008 beginnen. In Nr. 4 dieses Vertrages wurde wegen der Rechte, Pflichten und Befugnisse der Parteien auf die als Anlage beigefügten "Allgemeinen Vertragsbestimmungen" der Klägerin (im Folgenden: AV) Bezug genommen.
In deren Nr. 7.2 heißt es unter dem Titel "Anderweitige Tätigkeiten; Wettbewerb":
"Nach Maßgabe des § 86 Abs. 1, 2. HS HGB ist es dem FB untersagt, Produkte und Dienstleistungen anzubieten oder zu vertreiben, die in Wettbewerb zu den Vertragsprodukten stehen. Dies gilt auch für das Immobiliengeschäft. Für Unternehmen, die Versicherungs- und Finanzdienstleistungsprodukte anbieten, besteht ein absolutes Wettbewerbsverbot. ...".
Die Klägerin zahlte an den Beklagten 23.098,04 EUR, und zwar am 23. Juli 2008 4.000 EUR, am 21. August 2008 4.000 EUR, am 23. September 2009 3.875,33 EUR, am 7. November 3.834,22 EUR, am 28. November 2008 3.996,24 EUR sowie am 22. Dezember 2008 3.392,25 EUR. Die Klägerin bezeichnete diese Zahlungen als Provisionsvorschusszahlungen. Die Klägerin macht weiter einen Saldo vom August 2009 zu Lasten des Beklagten in Höhe von 869,86 EUR geltend (K4; Bl. 34 d.A.).
Der Beklagte rügt die Unzuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Bl. 51 d.A.). Er ist der Auffassung, Arbeitnehmer der Klägerin gewesen zu sein. Er sei an die Klägerin gebunden gewesen und es habe aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen ein faktisches Wettbewerbsverbot bestanden (Bl. 51 f. d.A.). Zudem habe er überörtlich zahlreiche Termine auf Weisung der Klägerin wahrnehmen müssen (Bl. 100 d.A.). Auch weitere - von ihm näher dargelegte - Umstände sprächen für seine Einordnung als Arbeitnehmer (Bl. 102 d.A.).
Auf den Hilfsantrag der Klägerin (Bl. 66 d.A.) hat das Landgericht mit Beschluss vom 17. Februar 2010 (Bl. 105 d.A.) den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Freiburg verwiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, der Beklagte sei Einfirmenvertreter im Sinne des § 92a HGB gewesen, weshalb für den Rechtsstreit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3a, 5 Abs. 3 ArbGG i.V.m. § 92a HGB die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte eröffnet sei.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 5. März 2010 (Bl. 143 d.A.), aufgrund derer sie den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt haben will.
II.
Die gemäß § 17a Abs. 4 S. 3 GVG statthafte sofortige Beschwerde ist begründet. Zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits ist nicht die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, sondern diejenige der ordentlichen Gerichte eröffnet.
Nach § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gerichte alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis.
Für die Abgrenzung zwischen selbstständigem und angestelltem Handelsvertreter - und damit für die Abgrenzung der Zuständigkeit von ordentlichem Gericht und Arbeitsgericht - ist weder isoliert auf die von den Parteien gewählte Einordnung des Vertrags oder die von diesen gewählte Bezeichnung als Angestellter oder Handelsvertreter noch allein auf die tatsächliche Durchführung des Vertrags abzustellen. Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse unter Würdigung sowohl der vertraglichen Gestaltung als auch der tatsächlichen Handhabung des Vertrages.
Der Kläger hat die für die Begründung der Rechtswegzuständigkeit maßgeblichen Tatsachen zu beweisen, sofern der Beklagte diese bestreitet (BGH GWR 2009, 464).
Der Beklagte war kein Einfirmenvertreter kraft Vertrages im Sinne des § 92a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB.
1.
Der Senat teilt die Auffassung der Kammer, dies ergebe sich aus dem Wettbewerbsverbot, nicht. Für die Annahme eines vertraglichen Ausschlusses im Sinne dieser Vorschrift reicht ein bloßes Konkurrenzverbot nicht aus, weil dadurch nicht die Möglichkeit ausgeschlossen wird, für Unternehmer eines anderen Wirtschaftszweigs tätig zu werden. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag legt dem Beklagten lediglich ein Konkurrenzverbot auf, nicht aber ein umfassendes Verbot, für weitere Unternehmer tätig zu sein. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Vereinbarung eines "absoluten" Wettbewerbsverbots. Dieses bezieht sich lediglich auf Unternehmen, die Versicherungs- und Finanzdienstleistungsprodukte anbieten. Auch die Klägerin bietet Finanzdienstleistungen an. Ob mit dem vereinbarten Wettbewerbsverbot eine Erweiterung des ohnehin nach § 86 Abs. 2 2. HS HGB geltenden Wettbewerbsverbots verbunden ist, kann fraglich sein. Da die Klägerin umfassend die Beratung von Kunden in Finanzangelegenheiten anbietet (K1; Bl. 7 d.A.), spricht einiges dafür, dass das zwischen den Parteien vereinbarte mit dem ohnehin bestehenden gesetzlichen Wettbewerbsverbot deckungsgleich ist. Jedenfalls ist der Auffassung des Landgerichts nicht zuzustimmen, jede Erweiterung des Wettbewerbsverbots begründe die Einfirmenvertretereigenschaft des Handelsvertreters im Sinne des§ 92a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB.
Nur wenn der Vertreter überhaupt keine anderen Produkte vermitteln darf, was auf ein umfassendes Verbot hinausliefe, für weitere - auch anderen Wirtschaftszweigen zugehörige - Unternehmer tätig zu sein, besteht Anlass für die Annahme einer solchen Eigenschaft. Einer derartigen Auslegung steht aber der Wortlaut des Konkurrenzverbots entgegen. Dort ist nur von einem Wettbewerbsverbot "nach Maßgabe des § 86 Abs. 1, 2. HS HGB" die Rede. Das absolute Wettbewerbsverbot bezieht sich ausschließlich auf Unternehmen, die Versicherungs- und Finanzdienstleitungen anbieten. Nach dem Wortlaut der Klausel ist den Mitarbeitern der Klägerin nicht jede anderweitige wirtschaftliche Betätigung, sondern nur jede weitere gleichartige gewerbliche Tätigkeit, die die Klägerin nicht als unbedenklich bezeichnet hat, untersagt. Hätte die Klägerin ein begründetes Interesse daran schützen wollen, dass der Beklagte seine Arbeitskraft voll und ganz zu ihren Gunsten einsetzt, so hätte sie dies ohne weiteres bei der Fassung der Klausel zum Ausdruck bringen können (vgl. BGH NJW-RR 2001, 677 [BGH 17.01.2001 - VIII ZR 186/99]). Damit war dem Beklagten nur eine gleichartige gewerbliche Tätigkeit untersagt. Unterliegt der Handelsvertreter einem vertraglichen, § 86 Absatz 1 HGB entsprechenden Wettbewerbsverbot, reicht dies für die Annahme einer Einfirmen-Vertretung im Sinne des § 92a HGB selbst dann nicht aus, wenn damit eine Tätigkeit innerhalb der gesamten Branche untersagt ist, da der Handelsvertreter auch in anderen Branchen oder überhaupt in anderer Art und Weise geschäftlich tätig sein kann. (OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. Januar 2010, 22 W 55/09). Erst dann, wenn der Handelsvertreter weder eine Verkaufstätigkeit noch irgendeine Handelsvertretertätigkeit, und zwar unabhängig von dem von ihm betreuten Kundenkreis, vom Absatzgebiet des Unternehmers und der von ihm angebotenen Produktpalette ausüben darf, ist die Annahme einer Einfirmenvertretung im Sinne des § 92a HGB gerechtfertigt (OLG Köln OLGR 2005, 309).
2.
Die selbständige und freie Handelsvertretertätigkeit als Finanz- und Versicherungsvermittler im Rahmen eines Handelsvertretervertrages, der gemäß § 92a Abs. 1 HGB Mindestarbeitsbedingungen festsetzt, ist kein Arbeitsverhältnis, wenn die auferlegten Pflichten die Ausübung einer freien Tätigkeit nicht verhindern und nicht einschränken. Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gem. § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG scheidet aus, da kein Arbeitnehmerstatus vorliegt (Senat, Beschl. v. 4. Juni 2007,11 U 293/06, OLGR Celle 2008,177). Wenn die Gesamtschau der tatsächlichen Handhabung nicht zu einer klaren statusrechtlichen Einordnung führt, ist von einem selbstständigen Arbeitsverhältnis auszugehen. Die vom Beklagten im Einzelnen vorgetragenen Umstände reichen nicht aus, den Beklagten als Arbeitnehmer einzuordnen.
a)
Die Pflicht zur Fort- und Weiterbildung spricht nicht gegen die Selbstständigkeit des Beklagten. Die eigenständige Weiterbildung des Handelsvertreters ist gerade in dem einem ständigen Wandel unterworfenen Versicherungs- und Kapitalmarktbereich eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Vermittlungstätigkeit. Entgegen der Auffassung des Beklagten bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass er zur Inanspruchnahme gerade der von der Klägerin angebotenen Fortbildungsveranstaltungen verpflichtet gewesen wäre.
b)
Insbesondere eine Eingliederung in die Bürostruktur der Klägerin fand nicht statt. Die Klägerin war dem Beklagten gegenüber im Hinblick auf Zeit, Ort und Umfang seiner Tätigkeit nicht weisungsbefugt. So zitiert der Beklagte die AV unrichtig, wenn er meint, gemäß der Nr. 1.8 in den Räumen der Klägerin arbeiten zu müssen. Dort heißt es lediglich, dass der FB den vertragsgegenständlichen Geschäftsverkehr über das benannte Büro abzuwickeln habe.
c)
Dass die Klägerin dem Beklagten tatsächlich Weisungen erteilt hat, die einen Umfang eingenommen haben, ihn seiner Selbständigkeit zu berauben, trägt er nicht vor. Die bloße Möglichkeit, "fachliche Weisungen" zu erteilen, spricht nicht für ein Arbeitsverhältnis. Auch Handelsvertreter haben Weisungen zu befolgen; sie werden für den Handelsvertreter als normal und sogar essentiell bezeichnet (Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 84 Rn 38 sowie § 86 Rn 15). Auch die vom Beklagten angeführte "Berichtspflicht" ist dem Handelsvertreter nicht fremd, § 86 Abs. 2 HGB.
Nach alledem ist der Beklagte als selbständiger Handelsvertreter einzuordnen. Die Arbeitsgerichte sind nicht zuständig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Den Beschwerdewert hat der Senat gemäß §§ 1,3 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO entsprechend dem geschätzten Interesse des Beklagten an einer Entscheidung durch die Arbeitsgerichte festgesetzt (vgl. Gummer in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 17a GVG, Rn. 20). Dieses Interesse beschränkt sich nach Auffassung des Senats auf Grund der Bestimmung des § 12a Abs. 1 ArbGG auf die Kosten, die im Falle einer Verweisung - anders als bei einer Entscheidung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit - nicht mehr gegen den Beklagten festgesetzt werden könnten. Der Senat folgt insoweit der extensiven Auslegung des§ 12 Abs. 1 Satz 3 ArbGG und geht von einem Ausschluss der Kostenerstattung nur insoweit aus, als die Kosten nicht bereits außerhalb der Arbeitsgerichte angefallen sind (vgl. Germelmann, Arbeitsgerichtsgesetz, 5. Aufl., § 12a ArbGG, Rn. 18; Koch in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 7. Aufl., § 12a ArbGG, Rn. 7, jeweils m.w.N.). Im Falle einer Verweisung an das Arbeitsgericht wäre dementsprechend lediglich die Terminsgebühr von einer Kostenerstattung ausgeschlossen. Bei einem Streitwert von 23.967,90 EUR beläuft sich diese auf 1.082,42 EUR einschließlich Mehrwertsteuer.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die maßgeblichen Rechtsfragen in der obergerichtlichen Rechtsprechung einheitlich gesehen werden und der Senat auch nicht von einer Entscheidung anderer Oberlandesgerichte oder von Bundesgerichten abweicht.