Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 15.01.2013, Az.: 13 UF 135/12

Anforderungen an die Billigkeit einer Beteiligung des Kindes an den gerichtlichen Kosten des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens; Grundsätze zur Verteilung der gerichtlichen Kosten zwischen der Kindesmutter und dem Erzeuger des Kindes

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
15.01.2013
Aktenzeichen
13 UF 135/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 31654
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2013:0115.13UF135.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Nordhorn - 19.10.2012

Fundstellen

  • FamFR 2013, 232
  • FamRB 2013, 247-248
  • FamRZ 2013, 971
  • JAmt 2013, 211-212
  • MDR 2013, 601-602

Amtlicher Leitsatz

Die Beteiligung des Kindes an den gerichtlichen Kosten im Vaterschaftsfeststellungsverfahren entspricht regelmäßig nicht der Billigkeit.

Zur Verteilung der gerichtlichen Kosten zwischen Kindesmutter und dem Mann, der der Kindesmutter beigewohnt hat, sich aber nicht als Erzeuger des Kindes herausstellt.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nordhorn vom 19. Oktober 2012 geändert und wie folgt neu gefasst:

Die gerichtlichen Kosten erster Instanz tragen der Beteiligte zu 2 und die Beteiligte zu 3 je zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 900 €.

Gründe

1

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Kostenentscheidung des Amtsgerichts im Vaterschaftsfeststellungsverfahren.

2

Der Antragsteller ist das Kind der Beteiligten zu 3. Die Beteiligte zu 3 hat in der gesetzlichen Empfängniszeit vom 9. September 2011 bis 6. Januar 2012 außer mit dem Antragsgegner mit einem weiteren Mann geschlechtlich verkehrt. Diesen Umstand hat die Beteiligte zu 3 im Zusammenhang mit der Frage, wer der Vater des Kindes ist, offen gelegt. In ihrer persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht hat sie ergänzend angegeben, dass die Vaterschaft des Antragsgegners nach den Berechnungen ihres Frauenarztes wahrscheinlicher sei als die Vaterschaft des anderen Mannes. Das daraufhin vom Amtsgericht eingeholte DNA-Gutachten kam zu dem Schluss, dass die Vaterschaft des Antragsgegners als ausgeschlossen angesehen werden könne; es seien dreizehn Ausschlusskonstellationen festgestellt worden. Der Antragsteller hat daraufhin seinen Antrag auf Feststellung der Vaterschaft des Antragsgegners zurückgenommen.

3

Das Amtsgericht hat über die Kosten nach Antragsrücknahme entschieden und dabei die Kosten gegeneinander aufgehoben. Die Kostenaufhebung entspreche der Billigkeit, da der Ausgang des Verfahrens auch unter Berücksichtigung des erledigenden Ereignisses ungewiss gewesen sei. Dementsprechend hätten der Antragsteller und der Antragsgegner die Gerichtskosten je zur Hälfte zu tragen; ihre eigenen notwendigen Aufwendungen trügen sie selbst.

4

Hiergegen hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt, mit der er sich gegen die Auferlegung von Kosten zur Wehr setzt. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens sei der voraussichtliche Ausgang des Verfahrens nicht mehr ungewiss gewesen. Es entspreche der Billigkeit, die Kindesmutter an den Kosten zu beteiligen, da sie die Unklarheit hinsichtlich der Abstammung durch den Mehrverkehr ausgelöst habe.

5

Den weiteren Beteiligten ist Gelegenheit gegeben worden, zu der Beschwerde Stellung zu nehmen. Da die Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine weiteren Erkenntnisse versprach, entscheidet der Senat entsprechend seiner vorherigen Mitteilung an die Beteiligten im schriftlichen Verfahren.

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II. Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig. Sie ist zum Teil begründet.

7

Die Kostenentscheidung richtet sich im Abstammungsverfahren nach § 81 FamFG, und zwar auch dann, wenn der verfahrenseinleitende Antrag zurückgenommen wurde (§ 83 Abs. 2 FamFG).

8

a) Eine Beteiligung des Antragstellers an den gerichtlichen Kosten des Feststellungsverfahrens entspricht nicht der Billigkeit.

9

Die in der Rechtsprechung bisher streitige Frage, ob einer Kostenbeteiligung minderjähriger Kinder die Regelung des § 81 Abs. 3 FamFG entgegensteht, wonach einem Kind in Verfahren, die seine Person betreffen, keine Kosten auferlegt werden können, ist durch den Gesetzgeber mittlerweile entschieden worden. Streitig war, ob das Abstammungsverfahren ein "die Person des Kindes betreffendes Verfahren" in diesem Sinne ist (dafür OLG Celle, Beschluss v. 26.04.2010 - 15 UF 40/10; Münchener Kommentar ZPO/Coester-Waltjen/Hilbig, § 183 FamFG Rn. 3; OLG Stuttgart FamRZ 2011, 1751 f.; OLG Schleswig, Beschluss v. 27.01.2012 - 10 WF 237/11; Senat, Beschluss vom 18.11.2011, FamRZ 2012, 733 f.) Durch Gesetz vom 5. Dezember 2012 (BGBl I 2012, S. 2418 ff.) hat der Gesetzgeber das FamFG geändert und den Begriff des "Verfahrens" in § 81 Abs. 3 FamFG präzisiert. Danach betrifft die Regelung des § 81 Abs. 3 FamFG nur noch Kindschaftssachen. Zu den in § 151 FamFG im Einzelnen aufgeführten Kindschaftssachen zählt das Vaterschaftsfeststellungsverfahren nicht. Infolgedessen richtet sich die Kostenverteilung nach den allgemeinen Kostenvorschriften. Nach § 81 Abs. 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach Billigkeit den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Im vorliegenden Fall wäre es nicht billig, das Kind an den Verfahrenskosten zu beteiligen. Das Kind hat einen Anspruch auf Klärung seiner Abstammung. Bestehen - wie hier - aufgrund des Verhaltens anderer Beteiligter Unklarheiten darüber, wer der Vater des Kindes ist, und ergreift kein anderer Beteiligter die Initiative, die Vaterschaft außergerichtlich zu klären, ist das Kind gezwungen, ein Verfahren zur Klärung der Abstammung einzuleiten. Es entspräche nicht der Billigkeit, das Kind mit den dadurch entstehenden Kosten zu belasten.

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b) Da es keinen Anlass dafür gibt, von der Erhebung von Kosten abzusehen (§ 81 Abs. 1 s. 2 FamFG), entscheidet sich die Verteilung der gerichtlichen Kosten zwischen den übrigen Beteiligten.

11

Es entspricht der Billigkeit, die Gerichtskosten, bei denen es sich hauptsächlich um die Kosten des Sachverständigengutachtens handelt, zwischen den Beteiligten zu 2 und 3 hälftig zu teilen.

12

Zwar weist der Antragsgegner in seiner Beschwerde zu Recht darauf hin, dass der Verfahrensausgang im Zeitpunkt der Rücknahme des Antrags nicht mehr ungewiss war. Nach Einholung des Sachverständigengutachtens konnte davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner nicht der Erzeuger des Kindes ist und der Feststellungsantrag zurückzuweisen gewesen wäre, wäre das Verfahren nicht zuvor durch Antragsrücknahme beendet worden. Bis das Ergebnis der Begutachtung vorlag, bestand jedoch Ungewissheit darüber, ob der Antragsgegner oder der andere Mann der Vater des Kindes ist. Diese Ungewissheit hat der Antragsgegner teilweise mitverursacht, indem er im Zeitraum der gesetzlichen Empfängnis mehrfachen - anscheinend ungeschützten - Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter hatte. Es bestand dadurch eine Wahrscheinlichkeit, dass das Kind von ihm abstammt. Von ihm konnte daher verlangt werden, sich an der Aufklärung der Abstammung zu beteiligen. Die Klärung der statusrechtlichen Verhältnisse lag auch in seinem Interesse. Eine Möglichkeit, die Begutachtung abzuwenden, hatten weder die Kindesmutter noch der Antragsgegner, da nur dadurch die erforderliche Sicherheit hinsichtlich der Frage der Vaterschaft herbeigeführt werden konnte. In dieser Situation entspricht es der Billigkeit, die Kosten der Begutachtung zwischen Kindesmutter und Antragsgegner zu teilen.

13

Die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten sind jeweils von ihnen selbst zu tragen. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit haben die Beteiligten grundsätzlich ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen. Gründe dafür, die Kosten der anderen Beteiligten einem Beteiligten zu überbürden, liegen nicht vor.

14

Die Entscheidung über die Kosten für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 84, 81 Abs. 1 S. 2 FamFG. Die Festsetzung des Werts folgt aus § 37 Abs. 3 FamGKG.