Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 21.11.2006, Az.: 11 B 4846/06
Bearbeitung von Schusswaffen als missbräuchliche Verwendung von Waffen; Bearbeitung von Waffen ohne Erlaubnis als Regelunzuverlässigkeitsgrund
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 21.11.2006
- Aktenzeichen
- 11 B 4846/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 38637
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2006:1121.11B4846.06.0A
Rechtsgrundlagen
- § 5 I Nr. 2 WaffG
- § 5 II Nr. 5 WaffG
- § 26 Abs. 1 S.1 WaffG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Bearbeitung von Schusswaffen stellt keine mißbräuchliche Verwendung von Waffen i.S.d. § 5 I Nr. 2 a) WaffG dar.
- 2.
Erfolgt die Bearbeitung ohne die nach § 26 I 1 WaffG erforderliche Erlaubnis, liegt darin ein nicht sachgemäßer Umgang mit den Waffen i.S.d. § 5 I Nr. 2 b) WaffG, der regelmäßig auch zum Vorliegen des Regelunzuverlässigkeitsgrundes des § 5 II Nr. 5 WaffG führt.
Aus dem Entscheidungstext
Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige Antrag ist unbegründet.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides vom 27. September 2006, mit welchem die dem Antragsteller erteilten Waffenbesitzkarten widerrufen worden sind und dieser zur Abgabe oder Unbrauchbarmachung der in seinem Besitz befindlichen Schusswaffen bis zum 27. Oktober 2006 aufgefordert worden ist, überwiegt das Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Besitz der genannten Gegenstände zu bleiben. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung hat die Klage in der Hauptsache (11 A 4844/06) wahrscheinlich keinen Erfolg.
Der Widerruf der Waffenbesitzkarten erweist sich im Ergebnis als offensichtlich rechtmäßig.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine Erlaubnis nach diesem Gesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis, zu der gem.§ 10 Abs. 1 WaffG auch die Waffenbesitzkarte gehört, sind in § 4 Abs. 1 WaffG geregelt. Gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG muss der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) und persönliche Eignung (§ 6 WaffG) besitzen. Der Antragsgegner hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.
Allerdings ergibt sich die Annahme der Unzuverlässigkeit des Antragstellers - anders als der Antragsgegner angenommen hat - nicht gem.§ 5 Abs. 1 Nr. 2 a) WaffG daraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen missbräuchlich verwenden wird, weil er zwei seiner Schusswaffen ohne Erlaubnis bearbeitet hat. Denn eine missbräuchliche Verwendung von Waffen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 a) WaffG liegt - anders als bei der weitergehenden Bedeutung in § 41 Abs. 1 WaffG - vor, wenn schuldhaft von der Schusswaffe ein Gebrauch gemacht wird, der vom Recht nicht gedeckt wird (vgl. Apel/ Bushart, Waffenrecht, 3. Auflage, Band 2, § 5, Rdnr. 12; Steindorf, Waffenrecht, 7. Auf-lage, § 5, Rdnr. 7; jeweils m.w.N.). Das Bearbeiten einer Waffe stellt zwar einen Umgang mit dieser (vgl. § 1 Abs. 3 WaffG), jedoch keinen Gebrauch derselben dar, weil es insoweit an der erforderlichen waffenspezifischen Verwendung fehlt. Der Antragsteller hat die Waffen hierbei nicht zum Schießen oder Drohen benutzt, sondern sie zum Objekt seiner handwerklichen Tätigkeiten gemacht.
Wie sich aus den Angaben des Antragstellers vom 9. Januar 2006 gegenüber dem ihn vernehmenden Polizeibeamten im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (vgl. Bl. 43 f. der Beiakte A) ergibt, hat er zum einen bei der Selbstladeflinte Izhmash, Model Saiga, Nr.: H 03401290, die er zum Einzellader umgebaut erworben hatte, den Metallstift entfernt, der die Entnahme des Magazins dauerhaft verhinderte, und den Magazinhaltehebel mit einem Schweißpunkt blockiert. Zum anderen hat er bei der Selbstladebüchse Izhmash, Model Saiga, Nr.: H 04160885, die er zum Repetierer umgebaut erworben hatte, die geschlossene Gaszufuhr durch Entfernen eines Bolzens wieder geöffnet und die Stelle außen zugeschweißt. Dieses Verhalten stellt einen nicht sachgemäßen Umgang mit den Waffen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG dar, was ebenfalls zum Fehlen der erforderlichen Zuverlässigkeit führt. Zum nicht sachgemäßen Umgang sind nämlich auch Fälle zu rechnen, in denen die den Schutz vor den Gefahren von Gegenständen dienenden Vorschriften missachtet werden. Dazu zählen insbesondere auch Missachtungen von Regelungen, die staatliche Kontrolle gewährleisten oder erleichtern sollen (vgl. Apel/Bus-hart, a.a.O., Rdnr. 17). So liegt der Fall aller Voraussicht nach hier. Für die von ihm an den beiden Waffen vorgenommenen Arbeiten hätte der Antragsteller - wie er wusste - eine Erlaubnis gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 WaffG benötigt, die zur nichtgewerbsmäßigen Herstellung, Bearbeitung oder Instandsetzung von Schusswaffen durch einen Erlaubnisschein erteilt wird. Eine solche besaß er jedoch nicht. Die Vorschrift ist eingeführt worden, weil der frühere Rechtszustand dem Gesetzgeber mit den Interessen der öffentlichen Sicherheit nicht mehr vereinbar erschien; der Regelung kommt im Wesentlichen eine Verbotsfunktion zu (vgl. BT-Drucks. VI/2678, S. 34). Gem. § 1 Abs. 4 WaffG i.V.m. Anlage 1, Abschnitt 2, Nr. 8.2 wird eine Schusswaffe insbesondere bearbeitet oder instand gesetzt, wenn sie verkürzt, in der Schussfolge verändert oder so geändert wird, dass andere Munition oder Geschosse anderer Kaliber aus ihr verschossen werden können, oder wenn wesentliche Teile, zu deren Einpassung eine Nacharbeit erforderlich ist, ausgetauscht werden; eine Schusswaffe wird weder bearbeitet noch instand gesetzt, wenn lediglich geringfügige Änderungen, insbesondere am Schaft oder an der Zieleinrichtung, vorgenommen werden. Im Hinblick auf die an der Selbstladebüchse Izhmash, Model Saiga, Nr. H 04160885, vorgenommene Veränderung (Öffnung der verschlossenen Gaszufuhr) dürfte die Annahme einer die Erlaubnispflicht begründenden Bearbeitung im waffenrechtlichen Sinn auf der Hand liegen, weil hierdurch die Schussfolge der Waffe verändert worden ist. Eine Veränderung der Schussfolge liegt nämlich z.B. vor beim Umbau eines Einzelladers zu einer Repetierwaffe, durch Umstellung der Schusswaffe auf vollautomatische Patronennachführung und Ladung oder durch Steigerung der Schussleistung (vgl. Steindorf, a.a.O., § 7 Rdnr. 17). Durch Öffnung der Gaszufuhr war die Selbstladebüchse (wieder) als automatische Schusswaffe (vgl. § 1 Abs. 4 WaffG i.V.m. Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 1, Nr. 2.3) einsetzbar. Die Behauptung des Antragstellers, er habe auf den Magazinhebel einen Schweißpunkt aufgesetzt, rechtfertigt keine andere Beurteilung, zumal sich aus dem Gutachten über die waffentechnische Untersuchung vom 7. November 2005 (vgl. Bl. 40 ff. der Beiakte A) ergibt, dass der Hebel jedenfalls zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht blockiert gewesen ist; Schweißspuren ließen lediglich darauf schließen, dass dieser Hebel mit unzureichenden Mitteln festgelegt war. Auch die Entfernung des zum Zwecke der Blockierung des Magazinhaltehebels eingesetzten Metallstifts aus der anderen Waffe (Selbstladeflinte Izhmash, Model Saiga, Nr.: H 03401290) mit anschließender Aufbringung eines Schweißpunktes erfüllt das Merkmal des Bearbeitens im Sinne des Waffenrechts. Wie sich aus der Formulierung ("insbesondere") der Anlage 1, Abschnitt 2, Nr. 8.2 ergibt, ist die dortige Aufzählung nicht abschließend. Die Bearbeitung setzt einen fertigen oder zumindest vorgearbeiteten Gegenstand voraus und bezeichnet die Arbeitsvorgänge, die auf eine Veränderung des Gegenstandes gerichtet sind; lediglich die Verschönerung oder Verzierung der Waffe oder die Anbringung oder Veränderung von Teilen, die für die Funktionsfähigkeit, Funktionsweise oder Haltbarkeit der Waffe nicht wesentlich sind, unterliegen nicht der Erlaubnispflicht (vgl. Apel/Bushart, a.a.O., § 21, Rdnr. 26). Auch wenn der Antragsteller die Veränderung tatsächlich - wie er behauptet - aus optischen Gründen vorgenommen hat, wirkte sie sich dennoch auf die Funktionsweise der Waffe aus, zumal die vorgenommenen Veränderungen ausweislich des Gutachtens vom 7. November 2005 als nicht dauerhaft beurteilt worden sind.
Der Antragsgegner hat - wenn auch nur mit knapper Begründung im Rahmen der Anordnung der sofortigen Vollziehung - zu Recht das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr angenommen. Maßgeblich ist insoweit allein, dass das Verhalten des Antragstellers in der Vergangenheit die Befürchtung rechtfertigt, er biete nicht die Gewähr dafür, er werde mit Waffen und Munition jederzeit sachgemäß umgehen. Hierbei genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne einer begründeten Besorgnis für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen und Munition (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 17. Mai 2004 - 18 K 3225/03 - <[...]>; VG Aachen, Urteil vom 31. März 2004 - 6 K 1922/03 - <[...]>). Durch sein wiederholtes nicht rechtskonformes Verhalten hat der Antragsteller erhebliche Zweifel am Fortbestehen seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit geweckt.
Für eine Beseitigung dieser Zweifel im Sinne einer günstigen Prognose fehlt es an Anhaltspunkten. Seine im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren abgegebene Erklärung, er werde nicht wieder entgegen waffenrechtlichen Bestimmungen handeln, sowie der Umstand, dass das gegen ihn gerichtete Strafverfahren wegen geringer Schuld eingestellt worden ist, lässt nicht schon eine günstige Zukunftsprognose wahrscheinlich erscheinen. Dagegen spricht schon, dass der Antragsteller sein Verhalten verharmlosen will und behauptet, ein Umbau der Waffen habe überhaupt nicht stattgefunden, sondern es habe sich um geringfügige Ausbesserungen gehandelt, die die Funktion der Waffen nicht im geringsten beeinflusst und diese auch nicht verändert hätten. Dass dem insbesondere bei der Selbstladebüchse (Nr. H 04160885) nicht so ist, ist oben bereits dargestellt worden.
Darüber hinaus liegt auch der Regelunzuverlässigkeitsgrund des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG vor. Nach der Vorschrift besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in Nr. 1 Buchst. c) genannten Gesetze - hier also u.a. das WaffG - verstoßen haben. Dadurch, dass der Antragsteller in zwei Fällen Waffen ohne die nach § 26 Abs. 1 Satz 1 WaffG erforderliche Erlaubnis bearbeitet hat, hat er wiederholt gegen das Waffenrecht verstoßen. Insoweit reicht bereits eine Wiederholung aus und wird auch weder eine strafrechtliche Verurteilung noch überhaupt eine Sanktionierung vorausgesetzt (vgl. Apel/Bushart, a.a.O., § 5 Rdnr. 47). Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass die nichtgewerbsmäßige Bearbeitung von Schusswaffen ohne Erlaubnis gem.§ 52 Abs. 3 Nr. 3 WaffG strafbar ist. Die Verstöße des Antragstellers waren zudem gröblich, weil sie schwerwiegend waren und der Antragsteller in beiden Fällen vorsätzlich gehandelt hat. In seiner polizeilichen Vernehmung am 9. Januar 2006 hat er angegeben, gewusst zu haben, etwas Verbotenes zu tun (vgl. Bl. 43 f. der Beiakte A). Eine Ausnahme, die ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertigen würde, ist daher nicht ersichtlich.
Die vom Antragsgegner getroffenen Folgeanordnungen (Rückgabe der Waffenbesitzkarten; Aufforderung zur Abgabe der Waffen an eine berechtigte Person oder Unbrauchbarmachung; Androhung der Sicherstellung) beruhen auf § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WaffG und sind - ebenso wie die Kostenfestsetzung - voraussichtlich rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.