Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 14.11.2006, Az.: 12 A 3845/05
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 14.11.2006
- Aktenzeichen
- 12 A 3845/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 44739
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2006:1114.12A3845.05.0A
Amtlicher Leitsatz
Eine schwere Straftat gegen die Kindesmutter und andere nahe Verwandte mit der Folge der Traumatisierung der Kinder und die anschließende Verbüßung einer langjährigen Strafhaft des Täters kann eine Namensänderung der Kinder erforderlich machen und damit einen wichtigen Grund für die Änderung des Familiennamens darstellen.
Die Belange des nicht sorgeberechtigten Kindesvaters haben im Rahmen der Abwägung ein geringes Gewicht, wenn er keinen Kontakt zu den Kindern hat, wegen der Verbüßung der Strafhaft auch auf absehbare Zeit nicht haben wird und die Kinder eine Kontaktaufnahme ablehnen.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Änderung des Nachnamens der Beigeladenen durch den Beklagten.
Der Kläger ist der Vater der am 26. August 1999 bzw. am 9. Oktober 2001 geborenen Beigeladenen. Der Kläger und die Mutter der Beigeladenen schlossen am 2. Dezember 1998 die Ehe. Sie trugen als Ehenamen den Nachnamen des Klägers. Auch die Beigeladenen erhielten diesen Nachnamen.
Der Kläger wurde vom Landgericht Oldenburg durch Urteil vom 3. März 2005 (Landgericht Oldenburg - 5 Ks 26/04 -; Tattag: 10. März 2004) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren wegen Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt. Die Verurteilung wegen Totschlags erfolgte, weil der Kläger Herrn W. M., den Stiefvater der Mutter der Beigeladenen, tötete. Die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung erfolgte, weil der Kläger Frau J. M., die Großmutter der Beigeladenen, durch Messerstiche lebensgefährlich verletzte. Die Verurteilung wegen Körperverletzung erfolgte unter anderem wegen Faustschlägen und Fußtritten gegen die Mutter der Beigeladenen.
Die Ehe zwischen dem Kläger und der Mutter der Beigeladenen wurde mit Urteil des Amtsgerichts Vechta vom 30. Juni 2004 (Amtsgericht Vechta - Familiengericht -, - 12 F 210/04 S -) geschieden. Die elterliche Sorge wurde der Mutter der Beigeladenen übertragen.
Am 25. November 2004 beantragte die Mutter der Beigeladenen für diese und für sich selbst die Änderung des Nachnamens. Zur Begründung erklärte sie, dass sie und die Beigeladenen unter dem bisherigen Nachnamen litten. Sie würden täglich an das schreckliche Ereignis erinnert werden. Die Beigeladenen trügen den Nachnamen des Mörders ihres Vaters. Es bestehe auch die Gefahr, dass die Beigeladenen ins Ausland gebracht würden, weil ihr Vater - der Kläger - viele Bekannte habe, die in seinem Interesse handeln könnten. Der Nachname des Klägers sei wegen des Ereignisses durch Radio und Presse bekannt geworden, was bis zum heutigen Tage noch nicht vergessen sei. Die Menschen würden diesen Nachnamen hören und bekämen Angst.
Das Jugendamt der Beklagten erklärte in seiner Stellungnahme vom 22. April 2005, dass dem Antrag auf Abänderung des Familiennamens der Beigeladenen entsprochen werden solle. Die traumatische Erfahrung im Jahre 2004 und die negative Besetzung des Namens des Klägers seien dem Kindeswohl abträglich. Mit der Änderung des Familiennamens sei die für die Familie notwendige Distanzierung möglich. Diese Einschätzung bestätigte das Jugendamt in seiner Stellungnahme vom 14. Juni 2005.
Der Kläger verweigerte im Rahmen der Anhörung seine Zustimmung zur beantragten Namensänderung der Beigeladenen. Er erklärte, dass seine Kinder auch weiterhin seinen Namen führen würden. Dies gelte jedenfalls solange, bis sie heirateten und den Namen ihres Partners annähmen.
Mit Bescheid vom 25. August 2005 änderte der Beklagte den Familiennamen der Beigeladenen (und ihrer Mutter). Zur Begründung wurde ausgeführt: Es liege ein wichtiger Grund für die Namensänderungen vor. Die Beigeladenen würden immer noch mit dem Verbrechen in Verbindung gebracht, da in Funk und Presse ausführlich über die Tat berichtet worden sei. Der bisherige Familienname werde im persönlichen Umfeld noch immer im Zusammenhang mit der Tat gesehen und werde für die Beigeladenen eine bleibende, schwere psychische Belastung in Kindergarten und Schule darstellen. Normale nachbarschaftliche Kontakte seien nahezu unmöglich. Jeglicher Kontakt mit den Beigeladenen und ihrer Mutter werde möglichst vermieden, sodass ohne die Namensänderung nicht einmal ein Wegzug aus der gewohnten Umgebung zum Beginn eines Neuanfangs helfen könne. Auch das Jugendamt befürworte in seinem Stellungnahmen vom 22. April 2005 und vom 14. Juni 2005 die Namensänderung ausdrücklich und erachte die Namensänderung für das Kindeswohl als erforderlich. Die Beigeladenen würden in der Nachbarschaft ausgegrenzt, ihre Familie fühle sich insbesondere von der Verwandtschaft des Klägers weiterhin kontrolliert und beobachtet. Mit einem anderen Namen an einem anderen Wohnort hätten sie die Möglichkeit, ein neues Leben zu beginnen. Die Namensänderung werde daher zum Wohle der Beigeladenen als erforderlich angesehen. Gewichtige Interessen des Klägers stünden dem nicht entgegen. Der Kläger sei in Haft und werde anschließend nach Serbien, seinem Herkunftsstaat, abgeschoben werden. Ein Kontakt zu seinen Kindern könne daher auf absehbare Zeit ausgeschlossen werden. Der Kläger sei weder in der Lage, seinen eigenen Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu sichern noch die Beigeladenen angemessen zu erziehen und zu versorgen.
Der Kläger hat am 19. September 2005 Klage erhoben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 25. August 2005 aufzuheben, soweit darin der Nachname der Beigeladenen geändert wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf den Inhalt des angegriffenen Bescheides und macht ergänzend geltend, dass der Kläger seit seiner Festnahme im März 2004 keinen Kontakt zu den Beigeladenen habe, ein solcher auch nicht erwünscht sei und das alleinige Sorgerecht der Mutter der Beigeladenen übertragen worden sei.
Die Beigeladenen hatten Gelegenheit zur Stellungnahme, äußern sich zum Verfahren aber nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 25. August 2005 ist - soweit er Gegenstand des Verfahrens ist - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Entscheidung des Beklagten, den Nachnamen der Beigeladenen zu ändern, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NÄG) auch sein Interesse an der Übereinstimmung seines Familiennamens mit den Familiennamen der Beigeladenen schützt.
Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Beklagte zu Recht die Änderung des Familiennamens der Beigeladenen mit Bescheid vom 25. August 2005 verfügte. Rechtsgrundlage für die Änderung des Nachnamens der Beigeladenen ist § 3 Abs. 1 NÄG. Danach darf ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Diese Voraussetzungen liegen vor. Ein wichtiger Grund ist dann anzunehmen, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden Umstände ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2002 - 6 C 18.01 -, BVerwGE 116, 28). Zu berücksichtigen sind hier das schutzwürdige Interesse desjenigen, der die Namensänderung begehrt, die Belange der Allgemeinheit, die vor allem in der sozialen Ordnungsfunktion des Namens und in dem sicherheitspolitischen Interesse an der Beibehaltung des Namens zum Ausdruck kommen, sowie die Interessen Dritter (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 1985 - 7 C 2.84 -, Buchholz, 402.10 § 3 NÄG Nr. 53; OVG Lüneburg, Urteil vom 23. Mai 2000 - 10 L 3281/99 -, NJW 2000, 3151). In Fällen wie dem vorliegenden, in dem der allein sorgeberechtigte Elternteil nach der Scheidung von dem anderen Elternteil anstelle des Ehenamens seinen vor der Ehe geführten Familiennamen oder einen anderen Namen annimmt und nun die Angleichung des Familiennamens der Kinder, welche als Geburtsnamen den Ehenamen erhalten haben, erstrebt, setzt dies voraus, dass die Namensänderung für das Wohl der Kinder erforderlich ist (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2002, a.a.O.; OVG Lüneburg, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Februar 2001 - 1 S 929/00 -, FamRZ 2001, 1551). Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu in dem genannten Urteil weiter ausgeführt:
"Erforderlichkeit der Namensänderung liegt vor, wenn das Wohl des Kindes die Änderung des Familiennamens auch bei angemessener Berücksichtigung der für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Gründe gebietet. Welche Anforderungen insoweit zu stellen sind, bestimmt sich auch nach dem Gewicht der jeweils im Einzelfall entgegenstehenden Belange. Eine Namensänderung ist nicht schon dann gerechtfertigt, wenn sie nur dazu dienen soll, dem Kind mit der Namensverschiedenheit zum sorgeberechtigten Elternteil verbundene Unannehmlichkeiten zu ersparen, die ohnehin nur altersbedingt und damit vorübergehender Natur sind, die gedeihliche Entwicklung des Kindes aber nicht ernstlich beeinflussen. Kinder können nicht völlig konfliktfrei ins Leben treten; in gewissem Umfang müssen sie mit den mit einer Scheidung ihrer Eltern verbundenen Problemen - so auch mit einer etwaigen Namensverschiedenheit - zu leben lernen. Andererseits ist das Kriterium der Erforderlichkeit der Namensänderung im Hinblick auf das Kindeswohl nicht so zu verstehen, dass damit die Grenze markiert wird, jenseits derer das Wohl des Kindes ernsthaft und dauernd gefährdet erscheint; die Erforderlichkeit ist nicht daran zu messen, ob die Grenze der Belastbarkeit des Kindes erreicht ist oder nicht. Immerhin müssen jedoch schwerwiegende Nachteile zu gewärtigen sein oder die Namensänderung für das Kind solche erheblichen Vorteile mit sich bringen, dass verständlicherweise die Aufrechterhaltung des Namensbandes zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil nicht zumutbar erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - XII ZB 88/99 -, NJW 2002, 300 301)."
Die Würdigung der Gesamtumstände des vorliegenden Falles lässt eine Namensänderung der Beigeladenen als erforderlich im Sinne des § 3 Abs. 1 NÄG erscheinen.
Zur Begründung im Einzelnen nimmt die Kammer Bezug auf die Ausführungen im Bescheid des Beklagten vom 25. August 2005, denen sie folgt. Dort ist unter Zugrundelegung der zutreffenden rechtlichen Maßstäbe im Einzelnen überzeugend ausgeführt, dass ein wichtiger Grund für die Namensänderung der Beigeladenen im Sinne des § 3 Abs. 1 NÄG vorliegt und dass dieser Namensänderung insbesondere keine gewichtigen Belange des Klägers entgegen stehen. Die Änderung des Familiennamens der Beigeladenen ist aus sozialpädagogischer Sicht für ihr Wohl erforderlich. Das geht aus den Stellungnahmen des Jugendamtes vom 22. April 2005 und vom 14. Juni 2005 hervor. Die Kammer hat keinen Anlass, an diesen fachlichen Einschätzungen zu zweifeln. Nicht ersichtlich ist auch, dass sich die Situation seither grundlegend geändert hat. Die Beigeladenen waren bei der Tat des Klägers am 10. März 2004, bei der der Kläger seinen Stiefschwiegervater tötete, seine Schwiegermutter schwer verletzte und auch die Mutter der Beigeladenen körperlich misshandelte, zugegen und haben das Tatgeschehen zum Teil miterlebt. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des Jugendamtes verständlich, nachvollziehbar und naheliegend. Nur mit Hilfe der begehrten Namensänderung dürfte es den Beigeladenen auch nach Einschätzung der Kammer möglich sein, einen Neubeginn mit ihrer Mutter zu realisieren. Die Kammer hält es für ausgeschlossen, dass ein solcher Neubeginn, dessen Notwendigkeit angesichts der Schwere und der Umstände der Tat nur zu verständlich ist, bei Beibehaltung des bisherigen Namens möglich sein soll. Die Beeinträchtigungen der Beigeladenen gehen erheblich über das hinaus, was Kindern an Belastungen durch die Scheidung der Eltern üblicherweise zugemutet wird. Die Namensänderung ist erforderlich, um den Beigeladenen zu ermöglichen, sich ein soziales Umfeld ohne Furcht vor dem Kläger und einer erneuten Konfrontation mit der Tat zu schaffen.
Weder im Verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren macht der Kläger hinreichende Belange, die gegen die verfügte Namensänderung und für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechen könnten, geltend. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte vielmehr - unwidersprochen - darauf hin, dass der Kläger keinen Kontakt zu den Beigeladenen hat. Auch ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht behauptet, dass er sich zur Zeit in angemessener Weise um eine Pflege seiner Beziehung zu den Beigeladenen bemüht. Gewichtige Belange, die es für die Beigeladenen zumutbar erscheinen lassen würden, sie an ihrem bisherigen Familiennamen festzuhalten, trägt der Kläger nicht vor. Nach derzeitiger Sach- und Rechtslage erscheint es zudem ausgeschlossen, dass der Kläger auf absehbare Zeit wieder auf legalem Wege Kontakt zu seinen Kindern, den Beigeladenen, wird aufnehmen können. Vor diesem Hintergrund bleibt als einzige Verbindung zwischen dem Kläger und den Beigeladenen die biologische Vaterschaft. Ein inneres Band zwischen dem Kläger und den Beigeladenen besteht nach Einschätzung der Kammer nicht. Eine persönliche Verbundenheit zwischen dem Kläger und den Beigeladenen, die durch den gemeinsamen Namen erhalten und gestärkt werden könnte, ist nicht erkennbar.
Bei dieser Sachlage war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Antrag gestellt haben, sich auch sonst nicht am Verfahren beteiligt haben und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO.