Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 22.11.2006, Az.: 6 A 2089/06

Alimentationsprinzip; amtsangemessener Lebensunterhalt; angemessene Aufwendung; Anthroposophie; Ausnahmefall; Beamter; Beihilfe; beihilfefähig; Beihilfefähigkeit; Belastungsgrenze; Carcinom; Eigenanteil; Fürsorgepflicht; geringe Überlebenschance; Homöopathie; immunbiologische Therapie; Nachbehandlung; nicht verschreibungspflichtig; notwendige Arzneimittel; Ruhestand; schwerwiegende Erkrankung; Standardtherapeutikum; therapeutischer Nutzen; Therapiestandard; Therapievorschlag; Tumor; verschreibungspflichtig; Wesenskern

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
22.11.2006
Aktenzeichen
6 A 2089/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53337
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Gewährung von Beihilfeleistungen bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen der BhV kommt nur in seltenen - atypisch gelagerten - Einzelfällen in Betracht.
2. Die Gewährung einer Beihilfeleistung in unmittelbarer Anknüpfung an die Fürsorgepflicht setzt voraus, dass die Verweigerung der Leistung aufgrund ganz besonderer Fallumstände grob fürsorgepflichtwidrig wäre.

Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel Evina, Faktor AF 2, Polyerga, Multibionta, Colibiogen, Nervoregin, Alkala, Legalon, Oyo, Magnesiocard, Zinkorotat und Vit. C Injektopas anzuerkennen und entsprechend dem Antrag des Klägers vom 7. November 2005 Beihilfe nach einem Bemessungssatz von 70v.H. zu bewilligen. Der Bescheid des Beklagten vom 30.Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.März 2006 wird aufgehoben soweit, er dem entgegensteht.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt Beihilfe. Er ist Ruhestandsbeamter des Landes Niedersachsen. Er bezieht Versorgung aus der Besoldungsgruppe A 8 BBesO. Der Beihilfebemessungssatz beträgt 70 %.

2

Bei dem Kläger wurde ausweislich des Berichts des Klinikums B.... vom 10. Februar 2005 ein adenoidzystisches Carcinom der rechten Submandibularis, der rechten Gl. sublingualis und des rechten Mundbodens mit regionären LK-Metastasen T4a N2b MO diagnostiziert. Dieser Tumor wurde am 2. Februar 2005 exstirpiert. Dabei mussten die Submandibularis und die angrenzenden Gefäße und Nerven mit reseziert werden, einschließlich eines großen Teils des Mundbodens auf der rechten Seite und der anliegenden Zunge. Der Kläger wurde am 10. Februar 2005 in die ambulante Behandlung des Herrn Dr. H...., L..., entlassen. Aufgrund der Ausdehnung des Tumors und Lymphangiosis carcinomatosa und mehreren Metastasen am Hals wurde eine Nachbestrahlung für unbedingt erforderlich gehalten. Diese Nachbestrahlung ließ der Kläger wegen der von ihm befürchteten Nebenwirkungen nicht durchführen.

3

Der Kläger unterzog sich vom 18. Mai 2005 bis zum 14. Juli 2005 einer stationären Behandlung in der H..... Klinik für ganzheitliche immunbiologische Therapie in Bad M..... Die Kosten für diese Behandlung erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 25. April 2005 als beihilfefähig an. Die Behandlung des Klägers erfolgte seitdem nach u.a. dem Therapievorschlag der H.... Klinik (Blatt 34 der Gerichtsakte).

4

In der Zeit vom 14. November bis 17. November 2005 befand sich der Kläger erneut in stationärer Behandlung im Klinikum B.....(vgl. Bericht des Klinikums B....vom 17. November 2005). Bei der Aufnahme fand sich nach dem Bericht kein Anhalt für ein lokales Tumorrezidiv. Ein Teil der Gl. sublingualis auf der linken Seite habe entfernt werden müssen. Histologisch hätten sich ganz vereinzelte Tumorzelleninfiltrate in dieser Drüse befunden. Es habe sich um Zellen des bekannten adenoid-zystischen Carcinoms gehandelt. Dem Kläger sei eine Nachbestrahlung nahe gelegt worden. Er habe sich dazu aber in Anbetracht der möglichen Nebenwirkungen noch nicht entschließen können.

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Am 7. November 2005 stellte der Kläger einen Beihilfeantrag. Dem Antrag beigefügt waren elf Bescheinigungen über das Vorliegen eines Ausnahmefalls für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. In den Bescheinigungen wurden jeweils mehrere Medikamente aufgeführt.

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Mit Bescheid vom 30. Januar 2006 erkannte der Beklagte aufgrund der Bescheinigung über das Vorliegen eines Ausnahmefalls verschiedene Medikamente als beihilfefähig an (vgl. Blatt 198 der Beiakte B).

7

Mit einem weiteren Bescheid vom 30. Januar 2006 lehnte der Beklagte die Anerkennung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für bestimmte weitere Medikamente ab, weil keine schwerwiegende Erkrankung nach der Nummer 16.4 der Arzneimittel-Richtlinien der gesetzlichen Krankenversicherung (AMR) vorliege oder es sich nicht um ein Standardtherapeutikum nach Nr. 16.4 der AMR handele. Die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen als Standardtherapeutikum für Evina, Faktor AF, Polyerga, Multibionta, Colibiogen, Nervoregin, Alkala, Legalon, Phoenix Juv 110, Oyo, Sanguisol, Splenetik sei nicht möglich. Die Anerkennung von Magnesiocard, Zinkorotat, Vit. C Injektopas sei nicht möglich, weil keine schwerwiegende Erkrankung nach der Nr. 16.4 der AMR vorliege.

8

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 21. Februar 2006 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er darauf, dass entgegen der Auffassung des Beklagten das bei ihm festgestellte Carcinom bösartig sei und damit eine schwerwiegende Erkrankung vorliege. Die weitere Ablehnung von Medikamenten als beihilfefähig, weil es sich nicht um Standardtherapeutika handele, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Bei seiner Erkrankung handele es sich um eine seltene Krebsart mit einer relativ geringen Überlebensrate. Er verwies darauf, dass er ohne diese Medikamente eine Überlebenschance nicht habe und sein Anspruch auf Beihilfe unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folge.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2006 hob der Beklagte seinen Bescheid vom 30. Januar 2006 insoweit auf, als die Aufwendungen für die Arzneimittel JUV 110, Sanguisol und Splenetik als beihilfefähig anerkannt wurden. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass seit dem 1. September 2004 Aufwendungen für Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig seien gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b BhV nicht mehr beihilfefähig seien. Diese Regelung beziehe sich auf alle nach dem 31. August 2004 gekauften Arzneimittel. Ausgenommen seien lediglich solche Arzneimittel, die nach den Richtlinien des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V aufgrund von § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V ausnahmsweise verordnet werden dürften. Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Arzneimittel richte sich insoweit abschließend nach den Arzneimittel-Richtlinien der gesetzlichen Krankenversicherung (AMR). Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel seien ausnahmsweise beihilfefähig, wenn sie bei der Behandlung bestimmter schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten würden. Eine Krankheit sei nach Nr. 16 der AMR schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich sei oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtige. Ein Arzneimittel gelte als Therapiestandard, wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Die abschließende Liste der als schwerwiegend anerkannten Erkrankungen und der verordnungsfähigen Wirkstoffe enthalte Nr. 16.4 der AMR. Nach Prüfung der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen vom 24. August 2005, 24. Oktober 2005 und 31. Oktober 2005 habe die Berücksichtigungsfähigkeit der Aufwendungen für die Arzneimittel Evina, Faktor AF, Polyerga, Multibionta, Colibiogen, Nervoregin, Alkala, Legalon, Oyo, Magnesiocard, Zinkorotat und Vit. C Injektopas abgelehnt werden müssen, weil keine schwerwiegende Erkrankung (Diagnose) nach Nr. 16.4 der AMR vorliege bzw. es sich bei den Präparaten Evina, Faktor AF, Polyerga, Multibionta, Colibiogen, Nervoregin, Alkala, Legalon und Oyo nicht um Standardtherapeutika nach Nr. 16.4 der AMR handele. Unter die von den Ärzten des Klägers für die Medikamente Evina, Faktor AF, Polyerga, Multibionta, Colibiogen, Nervoregin, Alkala, Legalon, Oyo, Magnesocard, Zinkorotat und Vit. C Injektopas bescheinigte Nr. 16.4.27 der AMR fielen Mistelpräparate, parenteral, auf Mistellektin normiert, nur in der palliativen Therapie von malignen Tumoren zur Verbesserung der Lebensqualität. Bei den genannten Medikamenten handele es sich jedoch nicht um Mistelpräparate. Bei den Präparaten Evina, Faktor AF, Polyerga, Multibionta, Colibiogen, Magnesiocard, Zinkorotat und Vit. C Injektopas handele es sich entgegen der von der H.... Klinik ausgestellten Bescheinigung weder um Arzneimittel der Anthroposophie noch der Homöopathie, so dass eine Anerkennung der Präparate nach Nr. 16.5 der AMR nicht erfolgen könne. Dabei werde nicht angezweifelt, dass es sich in Anbetracht der Erkrankung des Klägers um notwendige Arzneimittel handele. Bei Nr. 16.4 der AMR handele es sich jedoch um eine abschließende Auflistung, so dass eine beihilferechtliche Berücksichtigung ausgeschlossen sei. Ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht liege nicht vor. Sinn und Zweck der Fürsorgepflicht sei es nicht, den Beamten bzw. den Versorgungsempfängern jede Daseinsvorsorge abzunehmen und in allen Fällen einzugreifen, in denen dem Beihilfeberechtigten Kosten entstünden. Die Beihilfe sei dem Wesen nach eine Hilfeleistung, die neben der zumutbaren Eigenbelastung eines Beamten ergänzend und im angemessenen Umfang einzugreifen habe, um in einem durch die Fürsorgepflicht gebotenen Maß die wirtschaftliche Lage des Beamten durch Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern. Da nur angemessene Aufwendungen beihilfefähig seien und die Beihilfe ergänzenden Charakter habe, müsse der Beamte bzw. Versorgungsempfänger auch gewisse Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergäben.

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Der Kläger hat am 18. April 2006 Klage erhoben. Er trägt vor: Für die Durchführung der von der H.... Klinik für ganzheitliche immunbiologische Therapie in Bad M.... empfohlenen Therapie entstünden ihm erhebliche Kosten, die von der Beklagten nicht als beihilfefähige Aufwendungen anerkannt würden. Dabei werde die 1%-Grenze für chronisch Kranke, die wegen der selben Krankheit in Dauerbehandlung seien, erheblich überschritten. Die Summe der hier im Streit stehenden Beihilfefähigkeit der nicht anerkannten Medikamente betrage für das Jahr 2005 1.662,16 Euro, unter Zugrundelegung eines Beihilfebemessungssatzes in Höhe von 70 % mithin 1.163,51 Euro. Er habe einen Anspruch auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit der von ihm geltend gemachten Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Die Verordnung dieser Arzneimittel, die gemäß Nr. 16.1 AMR von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen seien, sei gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V ausnahmsweise zulässig, wenn die Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als sogenannter Therapiestandard gelten. In Nr. 16.2 der AMR sei geregelt, dass eine Krankheit schwerwiegend sei, wenn sie lebensbedrohlich sei oder sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtige. Diese Voraussetzungen lägen hier vor, weil er an einer lebensbedrohlichen bösartigen Krebserkrankung leide. Davon zu sprechen, dass diese Erkrankung nicht schwerwiegend sei, sei beinahe ein wenig zynisch. Sein Anspruch könne auch auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gestützt werden. Im Einzelfall könne durchaus die Verpflichtung des Dienstherrn bestehen, zu krankheitsbedingten Aufwendungen auch dann Beihilfe aufgrund der Fürsorgepflicht zu gewähren, wenn die Beihilfevorschriften selbst eine derartige Verpflichtung so nicht vorsähen. -Die Verschreibung der Medikamente sei unstreitig medizinisch indiziert, erforderlich und angemessen für die Behandlung. Er habe für die Behandlung seiner Krebserkrankung sowie sonstige Eigenanteile im Jahr 2005 ca. 2.800,-- Euro aufwenden müssen, die nicht als beihilfefähig anerkannt worden seien. Der für die Belastungsgrenze maßgebliche Eigenanteil sei damit bei weitem überschritten. Die Belastungsgrenze beziehe sich zwar ausweislich ihres Wortlautes allein auf die von dem Beamten zu leistenden Eigenanteil/Praxisgebühr. Nach Sinn und Zweck der Regelung sei es jedoch geboten, eine derartige Grenze auch bei den Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die als nicht beihilfefähig anerkannt würden, entsprechend anzuwenden. Die Grenze der dem Beamten zumutbaren Belastungen im Hinblick auf die Eigenvorsorge sei erreicht, wenn der amtsangemessene Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet sei. Das Alimentationsprinzip verbiete es, dem Beamten Risiken aufzubürden, deren wirtschaftliche Auswirkungen unüberschaubar seien. Angesichts der Höhe der Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Präparate, die zu seiner Behandlung erforderlich seien, werde sein amtsangemessener Lebensunterhalt erheblich beeinträchtigt. Er sei dadurch, dass er, die Aufwendungen für diese Präparate insgesamt selbst tragen müsse, gezwungen, einen Großteil seiner Besoldung bzw. Versorgung einzusetzen. Der Alimentationsgrundsatz werde hierdurch verletzt. Deshalb müsse auch hier eine Belastungsgrenze im Sinne des § 12 Abs. 2 BhV zugrunde gelegt werden. Die 1%ige Belastungsgrenze für ihn habe im Jahr 2005 248,63 Euro betragen. Durch die Ablehnung der beantragten Beihilfe zu den nicht verschreibungsfähigen Arzneimitteln werde diese eklatant überschritten. Im Übrigen habe das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 6. Dezember 2005 festgestellt, dass es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar sei, einen gesetzlich Krankenversicherten für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn - wie hier - eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare, positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Von Bedeutung sei auch, dass bis zur Änderung des Beihilferechts alle ärztlich verordneten Medikamente von der Beihilfe erstattet worden seien. Dieser Bereich könne auch nicht durch eine zusätzliche private Versicherung abgedeckt werden, so dass die Krankheitskosten durch seine normalen Bezüge gedeckt werden müssten. Eine amtsangemessene Lebensführung sei dann aber nicht mehr möglich.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten zu verpflichten, die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel Evina, Faktor AF 2, Polyerga, Multibionta, Colibiogen, Nervoregin, Alkala, Legalon, Oyo, Magnesiocard, Zinkorotat und Vit. C Injektopas anzuerkennen und entsprechend seinem Antrag vom 7. November 2005 Beihilfe zu bewilligen und den Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2006 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er entgegnet, nach Nr. 16.9 der AMR regelten die Vorschriften in Nr. 16.1 bis 8 abschließend, unter welchen Voraussetzungen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnungsfähig seien. Es handele sich um eine abschließende Nennung von schwerwiegenden Erkrankungen und der Standardtherapeutika zu deren Behandlung. Die in Rede stehenden verschreibungspflichtigen Präparate dienten nach den AMR nicht zur Behandlung der Erkrankung des Klägers. Die Einschränkung beihilferechtlicher Ansprüche auf grundsätzlich nur verschreibungspflichtige Arzneimittel sei mit den im Beamten- und Versorgungsrecht bestehenden Prinzipien der Alimentation und Fürsorge vereinbar. Allenfalls dann, wenn der Wesenskern der Fürsorgepflicht verletzt wäre, könnte von dem Beamten aus der allgemeinen Vorschrift über die Fürsorgepflicht ein konkreter Leistungsanspruch gegen den Dienstherrn hergeleitet werden. Dies könne aber nur dann angenommen werden, wenn durch die Nichtgewährung der Leistung für den Beamten und seine Familie eine unerträgliche Belastung der amtsangemessenen Lebensführung eintreten würde. Hierfür seien keine Anhaltspunkte erkennbar. Auch sonst liege kein atypischer Ausnahmefall vor, der Leistungen unmittelbar aus der Fürsorgepflicht gebiete.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid vom 30. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Bewilligung einer weiteren Beihilfe abgelehnt worden ist. Er hat einen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe für die in seinem Klageantrag genannten ärztlich verordneten nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel entsprechend seinem Antrag vom 7. November 2005.

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Der Kläger kann indes seinen Anspruch nicht mit Erfolg unmittelbar auf § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) vom 1. November 2001 (GMBl. S. 919) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblichen Fassung der 27. und 28. Änderungs-VwV vom 17. Dezember 2003 (GMBl. 2004, S. 227) beziehungsweise 30. Januar 2004 (GMBl. S. 379, 974), die in Niedersachsen aus Gründen des Vertrauensschutzes bei ab dem 1. September 2004 entstehenden Aufwendungen anzuwenden ist (Runderlass des Nds. MF vom 19. Dezember 2003 [Nds. MBl. 2004, S. 240] und Runderlass des Nds. MF vom 21. Juli 2004 [Nds. MBl. S. 523]), i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV und § 87 c Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Beamtengesetzes - NBG - stützen. Anders als das VG Göttingen (Urteile vom 4. Oktober 2006 - 3 A 526 und 608/05 - juris), hält die Kammer die Modifikation des vor dem 1. September 2004 geltenden § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV a.F. (GMBl. S. 919) durch die 27. Änderungs-VwV in formeller Hinsicht für uneingeschränkt anwendbar und nicht nur, soweit sich keine Abkehr von dem bis dahin geltenden Beihilfeprogramm für Arznei-, Verbandmittel und dergleichen feststellen lässt.

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Zutreffend geht das VG Göttingen zwar davon aus, dass die Beihilfevorschriften - BhV - als Verwaltungsvorschriften nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehaltes genügen, da die wesentlichen Entscheidungen über die Leistungen an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit der Gesetzgeber zu treffen hat (BVerwG, Urteile vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 - DVBl. 2000, 1420 = ZBR 2005, 42, vom 25. November 2004 - 2 C 30.03 - NVwZ 2005, 712 für Niedersachsen und vom 15. Dezember 2005 - 2 C 35.04 - RiA 2006, 140). Daraus folgt aber nicht, dass die bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2004 formell nicht beanstandeten Beihilfevorschriften quasi auf den im Entscheidungszeitpunkt 17. Juni 2004 geltenden Bestand eingefroren wurden und weitere Veränderungen durch bloße Verwaltungsvorschriften unangewendet bleiben müssen, soweit sie nicht bereits im bis dahin geltenden Beihilfeprogramm angelegt waren. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht wiederholt betont, dass im Bereich der Massenverwaltung des Beihilferechts trotz Fehlens normativer Regelungen für eine Übergangszeit die Beihilfevorschriften noch anzuwenden sind. Weder in dem grundlegenden Urteil vom 17. Juni 2004 noch in späteren Entscheidungen hat es dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber eine konkrete Frist zur Schaffung der geforderten gesetzlichen Grundlage für das Beihilferecht gesetzt. Ebenso wenig finden sich Hinweise darauf, dass für die Übergangszeit nur eine bestimmte Fassung der Beihilfevorschriften angewendet muss und keine Veränderung - jedenfalls keine Verschlechterung - durch Verwaltungsvorschriften geregelt werden darf. Hätte das Bundesverwaltungsgericht durchgreifende Bedenken gegen Modifikationen des Beihilferechts durch Verwaltungsvorschriften während der eingeräumten Übergangszeit gehegt, hätte dies bereits im Urteil vom 17. Juni 2004 Niederschlag finden müssen, zumal sich bereits seinerzeit die deutlichen strukturellen Veränderungen durch die 27. Änderungs-VwV (GMBl. 2004, S. 227) und 28. Änderungs-VwV vom 30. Januar 2004 (GMBl. S. 379) mit Wirkung ab dem 1. August 2004 (für Bundesbeamte) abzeichneten und vom Gericht auch gesehen wurden. Jedenfalls hätte das Gericht bei den späteren Entscheidungen vom 25. November 2004 und 15. Dezember 2005 Anlass gehabt, auf derartige Einschränkungen hinzuweisen. Der vom Bundesverwaltungsgericht genannte Grund für die vorübergehend gebilligte Weitergeltung formell zu beanstandender Beihilfevorschriften, nämlich die Leistungsgewährung nach einem „einheitlichen Handlungsprogramm“ umfasst die Befugnis zur Veränderung dieses Handlungsprogramms durch Verwaltungsvorschriften. Für eine vom VG Göttingen geforderte Prüfung, ob künftige Veränderungen bereits im bisherigen Beihilfeprogramm angelegt waren, spricht im Bereich der Massenverwaltung des Beihilferechts wenig. Auch die Erwägung, dass das eingeforderte gesetzliche Beihilferecht voraussichtlich allein mit Wirkung für die Zukunft gefasst wird, demgemäß formell ordnungsgemäß gesetztes Recht für bereits vergangene Zeiten ab dem 17. Juli 2004 nicht zu erwarten sein dürfte und folglich streitige Aufwendung der Vergangenheit nur im Rahmen der „üblichen Verwaltungspraxis“ beansprucht werden könnten, spricht für die Anwendbarkeit der durch (bloße) Verwaltungsvorschriften bestimmten Änderungen des Beihilferechts während der gebilligten Übergangszeit. Hinzu kommt, dass die Beihilfeberechtigten jedenfalls durch eine materielle Kontrolle der verschärften Vorschriften am Maßstab des einschlägigen höherrangigen Rechts geschützt werden.

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Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 b Satz 1 BhV in der danach hier anzuwendenden Fassung ausdrücklich nicht beihilfefähig sind Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig sind. Eine in § 6 Abs. 1 Nr. 2 b Satz 2 BhV geregelte Ausnahme liegt nicht vor. Danach sind nämlich von der fehlenden Beihilfefähigkeit ausgenommen solche Arzneimitteln, die nach den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch aufgrund von § 34 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ausnahmsweise verordnet werden dürfen. Der Beklagte hat in seinem Bescheid vom 30. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2006 zutreffend darauf hingewiesen, dass hier eine derartige Ausnahme nicht vorliegt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid wird deshalb gemäß § 117 Abs. 5 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

21

Soweit der Kläger im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat, seine Erkrankung sei sehr wohl eine schwerwiegende Erkrankung, tritt dem die Kammer ebenso wenig entgegen, wie der Beklagte. Die dem Kläger ärztlich verordneten nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel sind aber keine Arzneimittel, die als Therapiestandard zur Behandlung seiner Krankheit gelten, denn sie sind nicht in der Aufstellung unter 16.4.1 bis 16.4.6 der Arzneimittelrichtlinien genannt und diese Aufstellung ist abschließend. Die Arzneimittelrichtlinie ist zuletzt mit Beschluss vom 18. Juli 2006 (BAnz. Nr. 198, Seite 6749) vom 20. Oktober 2006 geändert worden. In den unter 16.4 der Arzneimittelrichtlinien aufgeführten schwerwiegenden Erkrankungen, zu denen auch die Erkrankung des Klägers gehört, sind die ihm verordneten Arzneimittel zur Behandlung der Erkrankung nicht enthalten, so dass sein Anspruch hierauf nicht gestützt werden kann.

22

Damit ergibt sich aus den Bestimmungen der BhV nicht unmittelbar eine Grundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch, ihm steht dieser Anspruch gleichwohl zu. Entscheidend hierfür sind Besonderheiten gerade dieses Einzelfalles, die es ausnahmsweise gerechtfertigt erscheinen lassen, mit Blick auf ein ansonsten der Fürsorgepflicht grob widersprechendes Ergebnis den Anspruch unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach § 79 BBG bzw. hier § 87 NBG herzuleiten (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Mai 2006 - 1 A 3706/04 -, zitiert nach juris).

23

Die Kammer verkennt nicht, dass die Beihilfevorschriften des Dienstherrn eines Beamten im Grundsatz eine abschließende Konkretisierung dessen, was der Dienstherr für diesen Rechtsbereich aufgrund seiner Fürsorgepflicht an - den diesbezüglichen Anteil in der Besoldung ergänzenden - Leistungen unter anderem in Krankheitsfällen für geboten und angemessen ansieht. Sie sind eine den durchschnittlichen Verhältnissen angepasste Regelung, bei der in Kauf genommen werden muss, dass nicht in jedem Einzelfall eine volle Deckung der Aufwendungen erreicht wird. Auch verlangt die Fürsorgepflicht keine "lückenlose" Erstattung sämtlicher krankheitsbedingter Aufwendungen des Beamten und seiner berücksichtigungsfähigen Angehörigen. Unbeschadet dessen kann es jedoch in atypisch gelagerten Einzelfällen ausnahmsweise geboten sein, einen "Beihilfeanspruch" unmittelbar auf der Grundlage der Fürsorgepflicht zu gewähren, wenn nämlich diese ansonsten in ihrem Wesenskern verletzt würde (vgl. BVerwG, z.B. Urteile vom 10. Juni 1999 - 2 C 29.98 - ZBR 2000, 46 = DÖD 2000, 39 [OVG Nordrhein-Westfalen 10.03.1999 - 6d A 255/98 .O], vom 29. Juni 1995 - 2 C 15.94 - ZBR 1996, 48 = DÖD 1996, 90 und vom 31. Januar 2002 - 2 C 1.01 - ZBR 2002, 401 = DÖD 2002, 172; OVG NW, Urteil vom 24. Mai 2006 - 1 A 3706/04 - juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. September 2003 - 4 S 1869/02 - IÖD 2004, 22; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. Oktober 1998 - 10 A 10692/98 - IÖD 1999, 128; zu Durchbrechung des normativ vorgesehenen Rahmens der Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - NJW 2006, 891).

24

Einen solchen atypisch gelagerten Einzelfall, der es gebietet, einen „Beihilfeanspruch“ unmittelbar auf der Grundlage der Fürsorgepflicht zu gewähren, hält die Kammer hier für gegeben. Die Kammer geht im Einklang mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Mai 2006 (aaO.) davon aus, dass schon aus Gründen grundsätzlich gebotener Gleichbehandlung aller einem bestimmten Dienstherrn zugehöriger Beihilfeberechtigten die Abweichung von im Rahmen der Beihilfevorschriften typisierend vorgenommenen Leistungsausschlüssen bzw. -begrenzungen zu Gunsten einzelner Beihilfeberechtigter unter unmittelbarer Anknüpfung an den Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht höchstens in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen kann, in denen sich - atypischer Weise - die Verweigerung der Beihilfeleistung aufgrund ganz besonderer Fallumstände schlechterdings als grob fürsorgepflichtwidrig darstellen würde.

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Dass die letztgenannten Voraussetzungen hier vorliegen, leitet die Kammer in einer Gesamtschau insbesondere aus folgenden Umständen ab:

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Der Kläger leidet unter einer seltenen und schwerwiegenden Krebserkrankung, bei der nach seinem unwidersprochenem Vorbringen die statistische Überlebensrate über fünf Jahre bei ca. 5 bis 8 % der Betroffenen liegt. Die Erkrankung hat für den Kläger bereits schwerwiegende Konsequenzen gehabt. Nach dem Bericht des Klinikums B...vom 10. Februar 2005 wurde das bei dem Kläger diagnostizierte adenoid-zystische Carcinom der rechten Submandibularis, der rechten Gl. Sublingualis und des rechten Mundbodens, das bereits Metastasen gebildet hatte, exstirpiert. Dabei mussten die Submandibularis und die angrenzenden Gefäße mit reseziert werden, einschließlich eines großen Teils des Mundbodens auf der rechten Seite und der anliegenden Zunge. Bei einem weiteren stationären Aufenthalt in der Zeit vom 14. bis 17. November 2005 musste ein Teil der Gl. Sublingualis auf der linken Seite entfernt werden. Histologisch hatten sich nach dem Bericht des Klinikums B....vom 17. November 2005 vereinzelte Tumorzelleninfiltrate in dieser Drüse befunden. Dem Kläger ist ausweislich der genannten Berichte des Klinikums B... nahe gelegt worden, eine Nachbestrahlung durchführen zu lassen. Der Kläger hat sich hierzu - wie er in der mündlichen Verhandlung nochmals ausführlich dargelegt hat - nicht entscheiden können, weil bei einer solchen Bestrahlung nur 30 %ige Erfolgsaussichten dahingehend bestehen, dass eine Hemmung des weiteren Wachstums des Tumors erreicht werden kann. Die möglichen Nebenwirkungen stünden hierzu nach seiner Auffassung in keinem Verhältnis. Er wolle sich diese angesichts des Stadiums der Erkrankung nicht zumuten. In dem im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Merkblatt zum Aufklärungsgespräch betreffend eine Strahlenbehandlung im Kopf-Hals-Bereich (Blatt 32 ff. der Gerichtsakte) sind als mögliche Nebenwirkungen u.a. aufgeführt: Müdigkeit und leichte Übelkeit, Trockenheit der Haut, Rötung und Entzündung der Haut, mitunter entstehen danach Risse und nässende Wunden; liege die Mundhöhle ganz oder teilweise im Bestrahlungsfeld, trete Geschmacksverlust, Mundtrockenheit und ein Gefühl der Rachenentzündung auf. Dadurch könne es zu stärkeren Schluckbeschwerden kommen. Als Dauerfolgen könnten Mundtrockenheit, Zähflüssigkeit des Speichels sowie fehlender Haar- und Bartwuchs nach hoher Strahlendosis sowie Hautverfärbungen verbleiben. Als mögliche Spätfolgen werden dort verstärkte Karies und Parodontose genannt, die in seltenen Fällen zum vollständigen Zahnverlust führen könnten, Verhärtung von Unterhaut und Muskeln, insbesondere, wenn in diesem Gebiet eine Operation vorausgegangen sei, selten könne es zum Absterben von Knochengewebe (Nekrose) im Bestrahlungsbereich kommen.

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Der Kammer ist bewusst, dass allein der Umstand, dass ein Beamter von einer ihm anempfohlenen Behandlung nicht Gebrauch machen will, sondern statt dessen auf eine von ihm als weniger eingreifend angesehene Behandlung zugreifen will, deshalb allein unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht keinen „Beihilfeanspruch“ begründet. Dies kann nur unter ganz besonders gelagerten Umständen in Betracht kommen. Nach Auffassung der Kammer ist dies hier der Fall, weil zu den oben dargestellten Umständen (seltene Krebserkrankung, bei der nur eine geringe Überlebenschance besteht, schwerwiegende Konsequenzen infolge bereits durchgeführter Operationen sowie gravierende Nebenwirkungen einer anempfohlenen Behandlung bei im Verhältnis dazu geringer Wahrscheinlichkeit eines durchgreifenden Nutzens) weitere Umstände hinzutreten. Die Entscheidung des Klägers, sich der anempfohlenen Nachbestrahlung nicht zu unterziehen und statt dessen auf eine andere Behandlungsweise zurück zu greifen, ist von dem Beklagten jedenfalls insoweit „mitgetragen“ worden, als der Kläger sich im Rahmen der Therapie, für die er sich entschieden hat, einer stationären Behandlung in der H... Klinik für ganzheitliche immunbiologische Therapie in Bad M..... seit dem 18. Mai 2005 unterzogen hat. Die Kosten für diese Behandlung erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 25. April 2005 als beihilfefähig an. Seitens der Hufeland Klinik wurde unter dem 1. Juni 2005 ein Verlängerungsantrag gestellt, in dem u.a. darauf hingewiesen wurde, dass vorrangiges Therapieziel in der Klinik die vollständige oder teilweise Wiederherstellung oder Verbesserung der körperlichen und geistig-seelischen Gesundheit sei. Dieses Ziel könne selbst bei fortgeschrittenen Erkrankungen von den umfassenden und mehrere Ebenen ansprechende medizinischen, psychologischen und naturheilkundlichen Maßnahmen erreicht werden, die zur Anwendung kämen. Entscheidend für den Erfolg der Therapie sei ihr konsequenter Einsatz über eine ausreichend lange Behandlungsdauer. Die Behandlung in der Klinik habe nichts mit einer Sanatoriums- oder Reha-Behandlung zu tun, sondern sei eine medizinisch notwendige stationäre Krankenhausbehandlung. Mit Bescheid vom 6. Juni 2005 verwies der Beklagte darauf, er erkenne die Verlängerung der Maßnahme in der H....Klinik Bad M.... für den Zeitraum vom 9. Juni 2005 bis 29. Juni 2005 dem Grunde nach als beihilfefähig an. Mit einem weiteren Bescheid vom 24. Juni 2005 erkannte der Beklagte die Verlängerung der Maßnahme in der H.... Klinik für den Zeitraum vom 13. Juni 2005 bis 13. Juli 2005 dem Grunde nach als beihilfefähig an. Die vom Kläger genanten Medikamente, zu denen er die Gewährung einer Beihilfe begehrt, sind Bestandteil der sich nach der Entlassung aus der H....Klinik empfohlenen Therapie. Dies ergibt sich aus dem Therapievorschlag der H.... Klinik vom 11. Juli 2005 (Blatt 34 der Gerichtsakte) sowie den vom Kläger mit seinem Antrag auf Bewilligung von Beihilfe vom 7. November 2005 eingereichten Unterlagen. Dies wird von dem Beklagten nicht in Abrede gestellt. In dem Widerspruchsbescheid des Beklagten wird insoweit vielmehr ausgeführt, dass eine beihilferechtliche Berücksichtigung der Präparate ausgeschlossen sei. Angezweifelt werde aber nicht, dass es sich für den Kläger in Anbetracht seiner Erkrankung um notwendige Arzneimittel handele.

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Hinzuweisen ist noch darauf, dass die vom Kläger in der Klageschrift angesprochene finanzielle Belastung für sich allein genommen zwar nicht geeignet sein dürfte, um allein unter diesem Aspekt eine Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht anzunehmen. Hierauf kommt es aber nach der gebotenen Gesamtschau der dargelegten Umstände nicht entscheidungserheblich an.

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Anhaltspunkte dafür, dass die Kosten der vom Kläger gewählten Behandlungsmethode die Kosten der ihm anempfohlenen Behandlung unverhältnismäßig übersteigen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Deshalb bedarf es auch keiner Entscheidung dazu, inwieweit dieser Gesichtspunkt der Gewährung eines „Beihilfeanspruchs“ in unmittelbarer Anknüpfung an den Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht entgegenstehen könnte.

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Die gebotene Gesamtschau der genannten Umstände führt deshalb hier dazu, dass dem Kläger unter unmittelbarer Anknüpfung an den Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht wegen des gegebenen seltenen Ausnahmefalls Beihilfe zu gewähren ist, weil ansonsten - atypischer Weise - die Verweigerung der Beihilfeleistung aufgrund der besonderen Fallumstände grob fürsorgepflichtwidrig wäre.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 ZPO.

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Die Berufung lässt das Gericht zu, weil die Sache wegen der Frage der Gewährung von Beihilfe in unmittelbarer Anknüpfung an den Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht grundsätzliche Bedeutung aufweist.