Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.07.2001, Az.: 4 L 1030/00

Angemessenheit; Barleistung; Beihilfe; Besonderheit; Betreuer; Betreuung; Betreuungsverhältnis; einmalige Leistung; Einzelfall; Ermessen; Ermessensentscheidung; Gasherd; Gebrauchsgut; gebundene Entscheidung; Gebundenheit; Geldleistung; Gleichrang; Gleichrangigkeit; Hilfeempfänger; Leistung; Mehrkosten; Rangverhältnis; Sachleistung; Sozialhilfe; Sozialhilfeträger; Träger; unverhältnismäßige Mehrkosten; Unverhältnismäßigkeit; Verpflichtungsschein; Vorrang; Vorrangigkeit; Wahl; Wahlrecht; Wunsch; Wunschrecht; Zumutbarkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.07.2001
Aktenzeichen
4 L 1030/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40432
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 25.05.1999 - AZ: 3 A 3971/97

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Bei der Bewilligung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt gibt es einen Vorrang der Geldleistung nicht. Der Träger der Sozialhilfe kann dem Hilfeempfänger die Hilfe (hier für die Anschaffung eines Herdes) auch ohne das Vorliegen besonderer Umstände durch Ausgabe eines Verpflichtungsscheins gewähren (im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 14.3.1991 - BVerwG 5 C 70.86 -, Buchholz 436.0 § 4 BSHG Nr. 4 = NJW 1991, 2305 = FEVS Bd. 41, 397).

2. Etwas anderes gilt, wenn für den Hilfeempfänger ein gerichtlich bestellter Betreuer (§ 1896 BGB) handelt. Einem Wunsch des Betreuers, die einmalige Leistung in Form einer Geldleistung zu erhalten, hat der Sozialhilfeträger in der Regel zu entsprechen.

3. Zum Schutz der Sozialdaten bei Ausgabe eines Verpflichtungsscheins.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin eine einmalige Leistung (Beihilfe) für die Beschaffung eines Gasherds statt in Form eines Verpflichtungsscheines durch eine Geldleistung in bar hätte gewähren müssen.

2

Die im Jahre 1927 geborene Klägerin ist aus gesundheitlichen Gründen sowie wegen ihrer seelischen Verfassung schwerstpflegebedürftig. Sie erhält von der Beklagten seit längerer Zeit Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Hilfe zur Pflege.

3

Mit Bescheid vom 26. Februar 1997 gewährte ihr die Beklagte auf einen durch ihren Betreuer gestellten Antrag eine Beihilfe für einen Gasherd. Ihr wurde ein Verpflichtungsschein über 650,-- DM zur Verfügung gestellt. Dieser Verpflichtungsschein enthielt unter dem Briefkopf der Beklagten die Angabe des sachbearbeitenden Sozialamts, das Aktenzeichen sowie die Nummer der Haushaltsstelle. Im Adressfeld sind Name und Anschrift der Hilfeempfängerin genannt. Unter der Überschrift "Verpflichtungsschein - nicht übertragbar -" heißt es weiter (handschriftlicher Text kursiv):

4

"Wir verpflichten uns, gegen Rückgabe dieses Verpflichtungsscheines bis zum einem Betrag von 650,- DM (in Worten: sechshundertfünfzig 0/00) die Kosten für 1 Gasherd - neuwertig mit Garantie zu übernehmen.

5

Es darf nur die auf dem Verpflichtungsschein angegebene Ware ausgehändigt/Leistung ausgeführt werden. Sofern die abzugebende Ware/ausgeführte Leistung einzeln den genannten Betrag nicht erreicht, darf der Differenzbetrag dem Leistungsempfänger nicht ausgezahlt oder auf andere Waren/Leistungen angerechnet werden.

6

Eine Zuzahlung durch die oben genannte Person ist nur bis zu einem Betrag von 65 DM/10 % möglich. Sollte die Eigenleistung diesen Betrag überschreiten, verliert der Verpflichtungsschein seine Gültigkeit.

7

Wir bitten, den Empfang der gelieferten Ware/die ausgeführten Leistungen auf diesem Verpflichtungsschein durch Unterschrift bestätigen zu lassen und ihn dann der an uns zu adressierenden Rechnung beizufügen, da nur so sichergestellt ist, dass der Rechnungsbetrag unverzüglich überwiesen wird.

8

Im Auftrag

9

(Unterschrift, Siegel)."

10

Gegen die Form der Hilfegewährung legte die Klägerin noch am 26. Februar 1997 Widerspruch ein mit der Begründung, sie habe Anspruch auf die Gewährung von Barleistungen. Einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. Februar 1997 (3 B 1085/97) ab; der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Beschwerde gegen diesen Beschluss blieb erfolglos (Senatsbeschl. v. 22.4.1997 - 4 M 1686/97 -, FEVS 48, 121).

11

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 1997 zurück und führte zur Begründung aus: Nach § 4 Abs. 2 BSHG stehe es im pflichtgemäßen Ermessen des Sozialhilfeträgers, in welcher Form er Sozialhilfeleistungen erbringe. Soweit es zweckmäßig und angemessen erscheine, könne eine Beihilfe durch einen Kostenverpflichtungsschein erbracht werden. Beihilfen für Elektrogroßgeräte gewähre sie regelmäßig per Kostenverpflichtungsschein, um sicherzustellen, dass zum einen die Beihilfe zweckentsprechend verwendet und zum anderen ein Neugerät mit Herstellergarantie beschafft werde. Letzteres sei im Hinblick auf etwaige Folgekosten wichtig. Gründe, die ein Abweichen von dieser Verfahrensweise erforderten, seien nicht ersichtlich.

12

Am 4. Juli 1997 hat die Klägerin, nachdem sie den Gasherd bereits mit Hilfe des Verpflichtungsscheines gekauft hatte, Klage erhoben. Sie hat vorgetragen: Es stehe grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Sozialhilfeträgers, ob er Hilfe zum Lebensunterhalt in Form von Barleistungen, als Gutschein oder durch Sachleistungen erbringe. Der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt habe aber grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass ihm Hilfe in Form von Geld gewährt werde. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände sei im Einzelfall eine Abweichung gerechtfertigt. Solche besonderen Umstände seien von der Beklagten weder vorgetragen worden noch in irgendeiner Weise erkennbar. Eine Gefährdung des Zwecks der Sozialhilfe oder eine Fehlleitung von für einen bestimmten Zweck bewilligter Sozialhilfe sei schon deshalb ausgeschlossen, weil ihr Betreuer ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten regele. Es sei auch menschenunwürdig, sie auf einen Verpflichtungsschein zu verweisen, denn sie müsse sich, um den Gasherd zu kaufen, als Sozialhilfeempfängerin zu erkennen geben. Da sie den Verpflichtungsschein nicht selbst einlösen könne, müsse sie darüber hinaus offen legen, dass sie unter Betreuung stehe. Dadurch seien ihre persönlichen und menschlichen Interessen in höchstem Maße verletzt.

13

Die Klägerin hat beantragt,

14

festzustellen, dass die Gewährung einer einmaligen Leistung für einen Gasherd per Verpflichtungsschein durch den Bescheid der Beklagten vom 26.2.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.6.1997 rechtswidrig gewesen ist und die Gewährung der Beihilfe in ihrem Fall durch Barleistung hätte erfolgen müssen.

15

Die Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Sie hat im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid wiederholt und ergänzend geltend gemacht: Die regelmäßige Gewährung von Beihilfen für Elektrogroßgeräte per Verpflichtungsschein sei auch deshalb angemessen, weil ein besonderes öffentliches Interesse an der sparsamen Bewirtschaftung von Sozialhilfemitteln bestehe. Das Privatinteresse der Klägerin, ihre Sozialhilfebedürftigkeit und das Betreuungsverhältnis nicht offen zu legen, müssten hinter dem öffentlichen Interesse zurückstehen, zumal eine unzumutbare Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts nicht zu befürchten sei. Es sei nicht zu erwarten, dass die Klägerin oder ihr Betreuer beim Kauf eines derartigen Geräts in einem Fachgeschäft oder der Fachabteilung eines Kaufhauses den Verpflichtungsschein vor den Augen einer Vielzahl anderer Kunden an der Kasse vorlegen müsse.

18

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25. Mai 1999 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

19

Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Auch wenn die Klägerin das Gerät bereits beschafft habe, habe sie ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Die Beklagte gewähre Beihilfen für Elektrogroßgeräte regelmäßig in Form eines Verpflichtungsscheines. Da nicht auszuschließen sei, dass bei ihr, der Klägerin, erneut ein Bedarf für den Erwerb eines Elektrogroßgerätes entstehe, müsse von einer Wiederholungsmöglichkeit ausgegangen werden.

20

Die Klage sei aber nicht begründet. Die Klägerin habe nicht Anspruch darauf, die beantragte einmalige Leistung gerade in Form einer Geldleistung zu erhalten. Nach § 4 Abs. 2 BSHG entscheide der Träger der Sozialhilfe über Form (d.h. gemäß § 8 Abs. 1 BSHG: persönliche Hilfe, Geldleistung oder Sachleistung) und Maß der Sozialhilfe nach pflichtgemäßem Ermessen, soweit - was hier nicht der Fall sei - das Gesetz das Ermessen nicht ausschließe. Einen Vorrang der Geldleistung gebe es nicht. Die Entscheidung der Beklagten, der Klägerin die Beihilfe in Form eines Verpflichtungsscheins zu gewähren, sei nicht ermessensfehlerhaft gewesen. Die Verweisung der Klägerin auf die Verwendung eines Verpflichtungsscheins für den Kauf eines Gasherdes verstoße nicht gegen die Menschenwürde und sei auch sonst zumutbar. Barzahlungen seien beim Kauf derartiger Geräte ohnehin weitgehend unmöglich geworden. Deshalb sei nicht zu befürchten, dass jemand, der nicht bar bezahle, sich beim Kauf eines solchen Gerätes zwingend als Sozialhilfeempfänger zu erkennen gebe. Ohnehin könne die schwerstpflegebedürftige Klägerin einen Verpflichtungsschein nicht selbst einlösen, sondern müsse den Kauf durch andere Personen tätigen lassen, so dass für sie persönlich eine diskriminierende Situation ohnehin nicht eintreten könne. Wer einen Kauf nicht selbst tätigen könne, könne auch durch die äußeren Umstände des Kaufs nicht in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt werden. Auch dass die Beklagte dem ausdrücklich formulierten Wunsch der Klägerin nach einer Barleistung nicht nachgekommen und damit vom Regelfall des § 3 Abs. 2 BSHG abgewichen sei, mache ihre Entscheidung nicht fehlerhaft. Die Erwägung der Beklagten, Folgekosten zu vermeiden und damit einen sparsamen Umfang mit öffentlichen Mitteln zu gewährleisten, trügen die Abweichung vom Regelfall des § 3 Abs. 2 BSHG.

21

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, die der Senat mit Beschluss vom 17. März 2000 (4 L 3018/99) zugelassen hat wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob der Träger der Sozialhilfe dem Hilfesuchenden eine einmalige Leistung für die Beschaffung eines Gebrauchsguts im Sinne des § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG auch dann gegen dessen Willen durch Aushändigung eines Verpflichtungsscheins anstelle von Geld gewähren könne, wenn Anhaltspunkte für eine zweckwidrige Verwendung einer Barleistung nicht vorlägen.

22

Zur Begründung der Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen und erläutert zu dem Ablauf des Kaufs des Gerätes in dem technischen Kaufhaus B., dass ihr Betreuer seinen Betreuerausweis mit Personalausweis habe vorlegen müssen und der Verkäufer danach die Bestellung noch von seinem Abteilungsleiter habe abzeichnen lassen müssen, bevor der Kauf möglich gewesen sei.

23

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

24

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 25. Mai 1999 zu ändern und entsprechend ihrem in erster Instanz gestellten Antrag zu entscheiden.

25

Die Beklagte beantragt,

26

die Berufung zurückzuweisen.

27

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor: Es entspreche der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass aus Gründen der Sparsamkeit im Umgang mit öffentlichen Haushaltsmitteln von der Geldleistung Abstand genommen werden könne. Allein durch die Ausgabe der entsprechenden Wertgutscheine könne sie, die Beklagte, eine gewisse Kontrolle darüber ausüben, dass die jeweilige Leistung ausschließlich zur Deckung des konkreten Bedarfs eingesetzt werde. Mit diesem Verfahren werde nicht nur eine missbräuchliche Verwendung von Sozialhilfemitteln aus konkretem Anlass unterbunden, das Verfahren diene vielmehr allgemein dem Zweck, Missbrauchsmöglichkeiten bereits von vornherein weitestgehend auszuschließen. Insbesondere aber habe die Wertscheinausgabe den Zweck, auch die Geeignetheit und Leistungsfähigkeit des zu erwerbenden Großgegenstands sicherzustellen. Um etwaige Folgekosten möglichst auszuschalten bzw. auf das geringstmögliche Maß zu beschränken, sei die Anschaffung von Neugeräten erforderlich und könne wirksam nur über Wertgutscheine erreicht werden. Der Erwerb von Gebrauchtgeräten könne dagegen entgegen der haushaltsrechtlich geforderten sparsamen Mittelbewirtschaftung nicht unerhebliche Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungskosten hervorrufen und gegebenenfalls auch innerhalb eines unangemessen kurzen Zeitraums eine Wiederbeschaffung erforderlich machen. Datenschutzrechtliche Belange würden durch diese Verfahrensweise nicht berührt.

28

Der Senat hat bereits in dem Verfahren auf Zulassung der Berufung eine Stellungnahme des Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen zu der Gewährung einmaliger Leistungen durch Verpflichtungsschein eingeholt. Der Landesbeauftragte hat in seiner Stellungnahme vom 4. Oktober 1999 (GA Bl. 100 ff.) datenschutzrechtliche Bedenken gegen die Verfahrensweise der Beklagten nicht erhoben.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese sind, soweit erforderlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

30

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

31

Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Klägerin Anspruch auf die Gewährung einer einmaligen Leistung für die Beschaffung eines Gasherdes hatte (§ 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG). Streitig ist lediglich, ob die Gewährung der Leistung durch Ausgabe eines Verpflichtungsscheines erfolgen durfte. Das ist hier nicht der Fall.

32

Nach § 21 Abs. 1 BSHG kann Hilfe zum Lebensunterhalt durch laufende und einmalige Leistungen gewährt werden. § 21 Abs. 1 a BSHG bestimmt, für welche Bedürfnisse einmalige Leistungen "insbesondere" gewährt werden, darunter gemäß Nr. 6 für die Beschaffung von Gebrauchsgütern von längerer Lebensdauer und von höherem Anschaffungswert. Über die Art und Weise der Gewährung der einmaligen Leistungen enthält das BSHG ausdrückliche Regelungen nicht. Eine Verordnung nach § 21 Abs. 1 b BSHG zur Regelung der Einzelheiten über den Inhalt, den Umfang, die Pauschalierung und die Gewährung der einmaligen Leistungen ist bisher nicht ergangen.

33

Allgemein bestimmt § 8 Abs. 1 BSHG, dass Formen der Sozialhilfe die "persönliche Hilfe, Geldleistung oder Sachleistung" sind (s. auch § 11 Satz 1 SGB I). Ein Rangverhältnis dieser Leistungsformen zueinander, insbesondere zwischen der Geld- und der Sachleistung, ergibt sich daraus alleine nicht (BVerwG, Urt. v. 16.1.1986 - BVerwG 5 C 72.84 -, BVerwGE 72, 354 = Buchholz 436.0 § 4 BSHG Nr. 2 = NVwZ 1986, 380 = FEVS Bd. 35, 271).

34

§ 4 Abs. 2 BSHG ermächtigt dagegen den Träger der Sozialhilfe, auch über die Form der Sozialhilfe nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, soweit nicht im Bundessozialhilfegesetz die Ermessensbetätigung ausgeschlossen - oder eingeschränkt - ist. Bei dieser Entscheidung hat der Sozialhilfeträger die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 1 BSHG). Wünschen des Hilfeempfängers, die sich auf die Gestaltung der Hilfe richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BSHG). Wünschen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre, braucht der Träger der Sozialhilfe dagegen nicht zu entsprechen. Da § 3 Abs. 2 BSHG als "Soll"-Vorschrift gestaltet ist, ist der Träger der Sozialhilfe verpflichtet, grundsätzlich so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Liegen Umstände, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, nicht vor, so bedeutet das "Soll" ein "Muss". Ob der Wunsch "angemessen" ist und ob er "unvertretbare Mehrkosten erfordert", sind nicht Fragen, hinsichtlich derer der Träger der Sozialhilfe in Ausübung von Ermessen zu befinden hat. Die Auslegung dieser unbestimmten Begriffe unterliegt vielmehr in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der gerichtlichen Prüfung (BVerwG, Urt. v. 14.1.1982 - BVerwG 5 C 70.80 -, BVerwGE 64, 318 = Buchholz 436.0 § 92 a BSHG Nr. 4 = FEVS Bd. 31, 265). Dabei ist im Einzelfall festzustellen, ob und gegebenenfalls welche Mehrkosten entstehen (BVerwG, Urt. v. 11.2.1982 - BVerwG 5 C 85.80 -, BVerwGE 65, 52 = Buchholz 436.0 § 3 BSHG Nr. 5 = NJW 1983, 2586 = FEVS Bd. 31, 221).

35

Für die - hier nicht in Rede stehende - laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 16.1.1986 - BVerwG 5 C 72.84 -, a.a.O.), der der Senat folgt, zu beachten, dass dem erwachsenen Menschen die Möglichkeit gelassen wird, im Rahmen der ihm nach dem Gesetz zustehenden Mittel seine Bedarfsdeckung frei zu gestalten. Diese Freiheit ist ein wesentlicher Aspekt eines Lebens, das der Würde des Menschen entspricht, und das zu gewährleisten Aufgabe der Sozialhilfe ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG). Diesem Erfordernis wird der Sozialhilfeträger nur gerecht, wenn er die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt grundsätzlich in Geld gewährt. Will der Sozialhilfeträger die Hilfegewährung abweichend von diesem Grundsatz regeln, müssen besondere Umstände vorliegen, die geeignet sind, zum Zweck der Erfüllung der Aufgabe der Sozialhilfe im Einzelfall Abweichungen zu rechtfertigen.

36

Anders verhält es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber bei der Gewährung einmaliger Leistungen:

37

Die Achtung der Menschenwürde gebietet es nicht, es dem Hilfeempfänger im Rahmen der Gewährung von einmaligen Leistungen  zum Lebensunterhalt (Beihilfen) durch Geldleistung für einen bestimmten Bedarf freizustellen, auf welche Weise er diesen Bedarf decken will (BVerwG, Urt. v. 14.3.1991 - BVerwG 5 C 70.86 -, Buchholz 436.0 § 4 BSHG Nr. 4 = NJW 1991, 2305 = FEVS Bd. 41, 397). Insoweit gibt es einen Vorrang der Geldleistung nicht, vielmehr darf der Hilfeempfänger auch auf die grundsätzlich gleichrangige Sachleistung verwiesen werden. Dem Träger der Sozialhilfe steht es bei der Gewährung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt damit grundsätzlich frei, zwischen Geldleistung und Sachleistungen oder anderen angemessenen Leistungsformen (wie z.B. Wertgutscheinen oder Verpflichtungserklärungen) zu wählen. Es bedarf deshalb auch nicht einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Sozialhilfeträger von einer Geldleistung absieht und andere Leistungsformen wählt. In der Person des Hilfeempfängers liegende Umstände wie etwa die zweckwidrige Verwendung gewährter Sozialhilfeleistungen müssen nicht notwendig vorliegen. Solche Umstände können Anlass für die Versagung einer Geldleistung sein, der Sozialhilfeträger kann sich aber bei seiner Entscheidung auch auf andere sachgerechte Gesichtspunkte stützen. So kann, insbesondere in Zeiten anhaltender Belastungen der kommunalen Haushalte, der sparsame Umgang mit Haushaltsmitteln für die Wahl der Leistungsform ausschlaggebend sein. Führt eine bestimmte Ausgestaltung der Hilfegewährung zu einem geringeren Einsatz von Mitteln, kann allein dieser Umstand die getroffene Entscheidung rechtfertigen. Das Wunsch- und Wahlrecht des Hilfeempfängers gemäß § 3 Abs. 2 BSHG steht dem regelmäßig nicht entgegen, weil nur Wünschen entsprochen werden soll, die angemessen sind und außerdem nicht zu unverhältnismäßigen Mehrkosten führen. Ausschlaggebend ist deshalb mit Blick auf § 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG, ob dem Hilfeempfänger die gewählte Form der Hilfe zugemutet werden kann. Unzumutbar ist eine Ausgestaltung der Hilfe aber nur dann, wenn dem Hilfeempfänger etwas zugemutet wird, was allgemein als unzumutbar angesehen wird. Was nämlich allgemein als unzumutbar erscheint und was nach den allgemeinen Lebensgewohnheiten und Lebensumständen deshalb gemieden zu werden pflegt, darf auch einem Sozialhilfeempfänger nicht zugemutet werden (BVerwG, Urt. v. 14.3.1991 - BVerwG 5 C 70.86 -, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.6.1998 - 7 S 2308/97 -, FEVS Bd. 49, 168 = NDV-RD 1998, 111 [OVG Niedersachsen 25.02.1998 - 4 L 5734/96] = ZfSH/SGB 1998, 730).

38

Die ständige Praxis der Beklagten, für den Erwerb von Großgeräten wie Herden, Kühlschränken und dergleichen Verpflichtungsscheine auszugeben, in denen das zu beschaffende Gerät genau bezeichnet sowie auf die erforderliche Neuwertigkeit und die Garantiegewährung hingewiesen wird, ist ein im Sinne dieser Rechtsprechung sachgerechtes Mittel, im Regelfall eine sparsame Verwendung der zu Zwecken der Sozialhilfe bereitstehenden öffentlichen Mittel zu gewährleisten. Eine Gewährung von Barleistungen bringt insbesondere bei wirtschaftlich ungewandten oder bei uninteressierten Hilfeempfängern die Gefahr mit sich, dass der Qualität des Geräts und der Möglichkeit von Garantieleistungen nicht Aufmerksamkeit geschenkt wird und dann alsbald neue Kosten auf den Sozialhilfeträger zukommen. Eine Differenzierung danach, welchem Hilfeempfänger das Geld für die Beschaffung des Gegenstandes ohne Weiteres ausgehändigt werden kann, bei wem dies nach einer ausgiebigen Belehrung über die zu berücksichtigenden Anforderungen möglich sein mag und bei wem die Aushändigung von Geld unzweckmäßig ist, würde die praktische Verwaltungsarbeit des Sozialhilfeträgers erheblich und unnötig belasten, zumal dann auch wieder eine nachgehende Kontrolle der Verwendung der Mittel durch den Sozialhilfeempfänger in erheblichem Umfang erforderlich würde. Auf der anderen Seite wird ein Sozialhilfeempfänger durch einen Einkauf unter Vorlage eines Verpflichtungsscheins jedenfalls dann nicht unzumutbar belastet, wenn es sich um nicht alltägliche Einkäufe handelt. Der Kauf von Großgeräten oder sonstigen größeren Einrichtungsgegenständen in Fachgeschäften oder Fachabteilungen von Kaufhäusern ist auch regelmäßig nicht ein Vorgang, der inmitten eines Ansturms anderer Kunden abgewickelt werden müsste. Dass schließlich einzelne Personen des Verkaufs- oder Kassenpersonals durch die Vorlage des Verpflichtungsscheins Kenntnis davon erhalten, dass ein Kunde Sozialhilfeempfänger ist, ist regelmäßig nicht geeignet, das Selbstwertgefühl des Kunden so stark zu beeinträchtigen, dass dies als eine Verletzung der Menschenwürde (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG) angesehen werden könnte.

39

Etwas anderes gilt allerdings hier im Fall der Klägerin. Denn sie handelt nicht selbst. Für sie wird ihr Betreuer tätig (§ 1896 BGB). Als Betreuer wird vom Vormundschaftsgericht nur eine Person ausgewählt und bestellt, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten u.a. rechtlich zu besorgen (§ 1897 Abs. 1 BGB). Ein Betreuer unterliegt der Aufsicht durch das Vormundschaftsgericht (§ 1908 i Abs. 1 i.V.m. § 1837 Abs. 2 BGB) und ist dem Vormundschaftsgericht berichts- und rechnungspflichtig (§ 1908 i Abs. 1 i.V.m. § 1840 BGB). Bei einem Betreuer kann deshalb davon ausgegangen werden, dass er die Angelegenheiten der zu betreuenden Person in deren Interesse sorgfältig und unter Berücksichtigung deren rechtlicher Verpflichtungen besorgt. Ein Betreuer wird deshalb regelmäßig, wenn die zu betreuende Person Sozialhilfeleistungen bezieht, auch deren Obliegenheiten gegenüber dem Sozialhilfeträger wahren. Dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Form der Gewährung einmaliger Leistungen mit Blick auf § 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG ausschlaggebend ist, ob dem Hilfeempfänger die gewählte Form der Hilfe zugemutet werden kann, folgt aus der vorangestellten Erwägung, dass das Wunsch- und Wahlrecht des Hilfeempfängers gemäß § 3 Abs. 2 BSHG der Hilfegewährung durch unbare Leistung regelmäßig nicht entgegenstehe, weil nur Wünschen entsprochen werden solle, die angemessen seien und außerdem nicht zu unverhältnismäßigen Mehrkosten führten (BVerwG, Urt. v. 14.3.1991 - BVerwG 5 C 70.86 -, a.a.O.). Diese Erwägung greift aber bei Vorliegen einer Betreuung nicht durch. Von einem Betreuer kann erwartet werden, dass er auch Barleistungen entsprechend in einem Bewilligungsbescheid genannter Vorgaben wie Art des zu beschaffenden Gegenstandes, Neugerät, Herstellergarantie u.ä. verwendet. Eine Kontrolle kann der Sozialhilfeträger durch Anforderung eines Verwendungsnachweises für die Barleistung sicherstellen. Auch eine Rückerstattung eventuell nicht verbrauchter Teile der Barleistung oder eine Verrechnung mit späteren Leistungen wird bei Tätigwerden eines Betreuers ohne Schwierigkeiten durchsetzbar sein. Schließlich erfordert die Berücksichtigung des Bestehens eines Betreuungsverhältnisses bei der Entscheidung über die Form der Gewährung einer ehemaligen Leistung durch den Sozialhilfeträger auch nicht einen besonderen Verwaltungsaufwand. Das Bestehen eines Betreuungsverhältnisses ist ein eindeutiges Kriterium und im Sozialamt bekannt. Ein zusätzlicher Aufwand durch eine Kontrolle der Verwendung einer Barleistung wird ausgeglichen durch den Wegfall der Abrechnung mit dritten Personen (Geschäft, Lieferant). Daraus folgt für Fälle des Tätigwerdens eines Betreuers, also hier auch den Fall der Klägerin, dass für die Form, in der eine einmalige Leistung nach § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG zu erbringen ist, das durch den Betreuer ausgeübte Wunsch- und Wahlrecht des Hilfeempfängers gemäß § 3 Abs. 2 BSHG maßgebliche Bedeutung hat. Verlangt der Betreuer eine Gewährung der Hilfe durch eine Geldleistung, hat der Sozialhilfeträger diesem Wunsch regelmäßig zu entsprechen.

40

Da der Beklagte hier dem Wunsch des Betreuers der Klägerin, dass die Beihilfe für den Kauf des Gasherdes in bar geleistet werde, nicht nachgekommen ist, ist der Bescheid vom 26.2.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.6.1997 rechtswidrig.

41

Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob in ihrem Fall die Ausstellung eines Verpflichtungsscheins eine Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen bedeutete, kommt es nicht an. Deshalb merkt der Senat hierzu lediglich ergänzend an:

42

In der von der Beklagten verwendeten Form der Verpflichtungsscheine enthalten diese an personenbezogenen Daten lediglich den Namen und die Anschrift des Hilfeempfängers sowie das Aktenzeichen der Behörde. Zugleich ergibt sich daraus die Tatsache des Bezugs von Sozialhilfe. Diese personenbezogenen Angaben dürfen als Sozialdaten (§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I) vom Träger der Sozialhilfe nur unter den Voraussetzungen der §§ 67 ff. SGB X verarbeitet (d.h. gespeichert, verändert, übermittelt, gesperrt und gelöscht) werden (§ 35 Abs. 2 SGB I). Nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 ist die Bekanntgabe der im Verpflichtungsschein enthaltenen Sozialdaten zulässig, wenn die Aushändigung des Scheins an die Lieferfirma eine Datenübermittlung darstellt, die für die Erfüllung der Zwecke erforderlich ist, für die die Daten erhoben worden sind. Die Erforderlichkeit der Datenübermittlung ergibt sich hier aus dem Zweck des Verpflichtungsscheins. Dabei ist es unerheblich, dass der Hilfeempfänger selbst zwischengeschaltet ist und selbst den Verpflichtungsschein im Geschäft vorlegt, denn er ist insoweit nur notwendiger Mittler zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Geschäft. Denn durch die Ausstellung und Übergabe der Verpflichtungserklärung gegenüber dem Geschäft (Lieferanten) erfüllt der Sozialhilfeträger seine Verpflichtung zur Gewährung der einmaligen Leistung an den Hilfeempfänger. Die Datenweitergabe ist somit durch den Träger der Sozialhilfe nicht nur verursacht, sondern auch bezweckt. Dass schließlich die Datenübermittlung für die Erfüllung des Zwecks, für den die Daten erhoben worden sind, erforderlich ist, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen zur allgemeinen Rechtmäßigkeit der Gewährung einer einmaligen Leistung der Sozialhilfe durch Ausgabe eines Verpflichtungsscheins.

Sonstiger Langtext

43

Das Urteil des Senats vom 11. Juli 2001 wird gemäß § 118 Abs. 1 VwGO wegen offenbarer Unrichtigkeit nach Anhörung der Beklagten - von einer Anhörung der Klägerin wird abgesehen, da sie durch die Berichtigung nicht beschwert wird - wie folgt berichtigt:

44

In der Entscheidungsformel wird das Wort "Berufungsverfahrens" durch die Worte "gesamten Verfahrens" ersetzt. Denn der Senat hat eine Kostenentscheidung gem. § 154 Abs. 1 getroffen, die die Kosten des gesamten Verfahrens betrifft.