Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.07.2001, Az.: 4 L 2755/99

Edelmetalllegierung; Eigenanteil; Einsetzen der Sozialhilfe; funtionstherapeutische Maßnahme; Heil- und Kostenplan; Härtefall; Kenntnisgrundsatz; Krankenhilfe; Teleskopkronen; vergangener Bedarf; Zahnersatz

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.07.2001
Aktenzeichen
4 L 2755/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40186
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 16.10.1997 - AZ: 9 A 1294/96

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I gilt - unbeschadet der Einfügung des § 5 Abs. 2 in das BSHG - auch im Recht der Sozialhilfe.


2. Die Anwendung der Härtefallregelung des § 61 SGB V durch die Krankenkasse bei Festsetzung des Kassenzuschusses deutet darauf hin, dass der Krankenkasse der sozialhilferechtliche Bedarf des Versicherten bekannt war.


3. Aus § 37 Abs. 2 Satz 2 BSHG ergibt sich nicht, dass Sozialhilfe nur in der Höhe gewährt werden kann, in der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht kommen.


4. Zur Notwendigkeit einer Zahnersatzbehandlung.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Gewährung von Krankenhilfe durch Übernahme der Kosten für eine Zahnbehandlung, die sie im Jahre 1994 durchführen ließ.

2

Mit Schreiben vom  22. März 1993 übersandte der Zahnarzt der Klägerin,  E. O. M. aus N., der Klägerin eine Kostenzusammenstellung für die beabsichtigte Zahnersatzbehandlung.  Die Klägerin legte diese Kostenzusammenstellung ihrer Krankenkasse, der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK), vor. Diese setzte am 24. März 1993 einen Zuschuss fest. Die Zahnbehandlung wurde zunächst nicht durchgeführt.

3

Am 2. Juni 1994 erstellte der Zahnarzt der Klägerin einen Heil- und Kostenplan. In einem Anhang zu dem Heil- und Kostenplan führte er auf, welche der zu erbringenden zahnärztlichen Leistungen nicht von der Krankenkasse bezuschusst werden und daher von dem Versicherten gesondert zu vergüten sind. Hierzu führte er die im Zuge der Behandlung durchzuführenden funktionsdiagnostischen Maßnahmen und die Versorgung mit vier Teleskopkronen auf. Außerdem übersandte der Zahnarzt der Klägerin erneut eine Kostenzusammenstellung, aus der sich ergibt, welche Kosten die Zahnbehandlung voraussichtlich mit sich bringen wird und in welcher Höhe Erstattungen von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erwarten sind.

4

Am 14. Juni 1994 setzte die DAK den von ihr getragenen Zuschuss der Zahnbehandlung fest und teilte der Klägerin dann mit, eine Übernahme der Kosten in voller Höhe könne nicht erfolgen.

5

Nach Abschluss der Zahnbehandlung (als "Eingliederungsdatum"  war im Heil- und Kostenplan der 1. Juli 1994 vorgesehen) stellte der Zahnarzt der Klägerin am 22. Juli 1994 eine Rechnung für die Zahnbehandlung über 7.729,73 DM aus. Der Rechnungsbetrag setzte sich im einzelnen aus folgenden Positionen zusammen:

6
Zahnärztl . Honorar    1950, 59 DM
Mat.- und Laborkosten (Eigenlabor)    2868, 34 DM
Außervertr . Mat.- und Laborkosten (Eigenlabor)   1220,74 DM
Außervertr . Zusatzleistungen        1690,11 DM
Gesamtbetrag     7729,73 DM
7

Abzüglich des Krankenkassenanteils in Höhe von 4.483,47 DM belief sich der von der Klägerin zu tragende Rechnungsbetrag auf 3.246,31 DM.

8

Am 9. Dezember 1994 wandte sich die Klägerin an den Beklagten mit dem Antrag, die von der DAK nicht getragenen Kosten der Zahnbehandlung aus Sozialhilfemitteln zu übernehmen.

9

Am 6. Juli 1995 entschied die DAK abschließend über den Umfang des von ihr getragenen Krankenkassenanteils der Zahnbehandlung. Danach übernahm sie einen Betrag in Höhe von 4.552,69 DM für das zahnärztliche Honorar sowie die notwendigen Material- und Laborkosten. Darüber hinaus übernahm sie einen Betrag in Höhe von 738,22 DM für außervertragliche Zusatzleistungen (funktionsanalytische Behandlung). Es blieb also bei einem von der DAK nicht gedeckten Restbetrag in Höhe von 2438,87 DM.

10

Am 12. Juli 1995 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Übernahme von Zahnersatzkosten aus Sozialhilfemitteln ab. Zur Begründung führte er aus: Nach Auskunft der DAK seien für die Klägerin die Zahnersatzkosten gemäß § 61 SGB V zu 100 % als Härtefall übernommen worden. Bei den weitergehenden, vom behandelnden Zahnarzt abgerechneten Kosten handele es sich um außervertragliche Leistungen, die vom Sozialhilfeträger gemäß § 37 Abs. 3 BSHG nicht übernommen werden könnten. Aber auch nach § 5 BSHG müsse der Antrag abgelehnt werden, weil es sich um Schulden handele, die vom Sozialhilfeträger nicht getragen würden. Der Antrag auf Bewilligung von Sozialhilfe sei von der Klägerin erst nach Eingliederung des Zahnersatzes gestellt worden.

11

Hiergegen legte die Klägerin am 4. August 1995 Widerspruch ein. Am 31. Oktober 1995 beantragte sie zudem bei der DAK die vollständige Kostenübernahme. Die DAK lehnte dies am 13. November 1995 ab und führte zur Begründung aus: Aufgrund der geringen Einkünfte der Klägerin sei im Rahmen der Härtefallregelung nach § 61 SGB V die Zuschussfestsetzung in Höhe von 100 Prozent für das zahnärztliche Honorar sowie die notwendigen Material- und Laborkosten erfolgt. Ausgenommen davon seien lediglich die Metallkosten, für die die Kasse je Krone bzw. Brückenglied bis zu 32,- DM zugesagt habe. Soweit die Klägerin einen aufwendigeren Zahnersatz als notwendig gewählt habe, habe sie gemäß § 30 Abs. 4 SGB V die Mehrkosten zu tragen. Dies gelte u.a. für die von dem Zahnarzt M. erbrachten funktionsanalytischen und -therapeutischen Maßnahmen - vom Grundsatz her außervertragliche Maßnahmen -, an deren Kosten sich die Kasse lediglich mit einem Betrag in Höhe von 738,22 DM im Hinblick auf die Erkrankung des Kiefergelenks der Klägerin beteiligt habe. Auch die mit der Eingliederung von vier Teleskopkronen verbundenen Kosten, die über die Kosten einer Grundversorgung mit Guss- oder Verblendkronen hinausgingen, gingen zu Lasten der Klägerin.

12

Durch Bescheid vom 21. Februar 1996 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen seinen Bescheid vom 12. Juli 1995 zurück. Zur Begründung führte er aus: Die Klägerin habe gemäß § 2 BSHG keinen Anspruch auf Sozialhilfe, weil sie Rente erhalte und Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung sei, von der sie die erforderliche Hilfe erhalte. Die DAK habe bestätigt, dass im Falle der Klägerin die Kosten der Behandlung nach § 61 SGB V als Härtefall zu 100 % übernommen worden seien. Hilfe nach § 37 BSHG komme deshalb nicht in Betracht. Außerdem stehe der Hilfe § 5 BSHG entgegen.

13

Am 5. März 1996 hat die Klägerin Klage erhoben mit  dem Begehren, den Beklagten zu verpflichten, ihr Sozialhilfe in Form von  Krankenhilfe durch Übernahme der Restkosten ihres Zahnersatzes in Höhe von 2.438,87 DM zu gewähren Zur Begründung hat sie vorgetragen: Sie habe die Materialien für den Zahnersatz aus gesundheitlichen Gründen verwenden müssen. Nach der Erklärung ihres Zahnarztes vom 20. Juni 1995 wurde in seiner Praxis aus medizinischen und rechtlichen Gründen nur hochgoldkarätige Edelmetalllegierungen verwendet und in ihrem Falle sei wegen ihrer Krankengeschichte ebenso verfahren worden.

14

Der Beklagte hat sich demgegenüber auf seinen Bescheid vom 12. Juli 1995 sowie den Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1996 bezogen.

15

Mit Urteil vom 16. Oktober 1997 hat das Verwaltungsgericht  die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Bescheide des Beklagten seien rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übernahme der Restkosten für ihren Zahnersatz aus Sozialhilfemitteln. Sie sei gesetzlich krankenversichert, so dass sie vom Grundsatz her keinen Anspruch auf Leistungen der Krankenhilfe durch den Sozialhilfeträger habe. Sie habe aber auch keinen Anspruch auf aufstockende Krankenhilfe, denn nach § 37 Abs. 2 Satz 3 BSHG sollten die Leistungen der Krankenhilfe in der Regel den Leistungen entsprechen, die nach den Vorschriften über die gesetzliche Krankenversicherung gewährt würden. Ein Sozialhilfeempfänger solle nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden als ein Arbeitnehmer, der in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sei. Die von der Krankenkasse gewährten Leistungen für den Zahnersatz seien vom Grundsatz her auch ausreichend. Einem Krankenversicherten werde zugemutet, mit dem Zahnersatz, der von der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werde, zurecht zu kommen oder besseren Zahnersatz aus eigenen Mitteln zu beschaffen. Deshalb könne auch ein Sozialhilfeempfänger die Kosten für einen teureren Zahnersatz nicht aus Mitteln der Krankenhilfe erhalten. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn ein derartiger Zahnersatz tatsächlich aus medizinischen Gründen erforderlich sei und medizinische Gründe einer Versorgung mit dem preisgünstigeren Zahnersatz entgegenstünden. Dies hätte die Klägerin zunächst bei ihrer Krankenkasse geltend machen müssen. Erst nach einer Ablehnung durch die Krankenkasse könne eventuell eine Kostenübernahme aus Sozialhilfemitteln in Betracht kommen, wenn tatsächlich die Notwendigkeit für den teureren Zahnersatz durch einen Amtsarzt festgestellt würde.

16

Der Anspruch der Klägerin sei auch aus dem Gesichtspunkt des vergangenen Bedarfs ausgeschlossen. Gemäß § 5 BSHG werde Sozialhilfe nämlich nur für eine gegenwärtige Notlage gewährt. Habe ein Hilfeempfänger seiner Notlage in der Vergangenheit abgeholfen und sei er eine Schuldverbindlichkeit eingegangen, so komme Sozialhilfe in der Regel nicht mehr in Betracht. Etwas anderes gelte nur, wenn es dem Hilfeempfänger aufgrund eines besonderen Eilfalles nicht möglich und zumutbar gewesen sei, den Sozialhilfeträger rechtzeitig zu informieren. Dies sei aber bei der Klägerin nicht der Fall, denn sie habe, nachdem sie von der Krankenkasse erfahren habe, dass der Zahnersatz nicht in vollem Umfang übernommen würde, genügend Zeit gehabt, um den Sozialhilfeträger von ihrem Bedarf zu informieren.

17

Auf den Antrag der Klägerin hat der Senat durch Beschluss vom 2. Juli 1999 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, da ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

18

Der Senat hat im Berufungsverfahren den Zahnarzt der Klägerin, M., zur Notwendigkeit der Zahnersatzbehandlung befragt. Der Zahnarzt hat sich hierzu mit Schreiben vom 22. Februar 2000, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, geäußert.

19

Am 8. Juni 2000 hat der Senat beschlossen, Sachverständigenbeweis zu den Fragen zu erheben, ob die von der Klägerin im Jahre 1994 in Anspruch genommene zahnärztliche Behandlung (Zahnersatz) durch den Zahnarzt E. O. M. in N. notwendig gewesen sei und ob die dafür in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von insgesamt 7.729,73 DM dem Behandlungsbedarf entsprechend notwendig gewesen seien. Auf das Gutachten des Zahnarztes Dr. Ulrich M. aus V. vom 15. Dezember 2000 wird Bezug genommen.

20

Zur Begründung der Berufung und zu den Feststellungen des Gutachters äußert sich die Klägerin wie folgt:

21

Die Zahnersatzbehandlung sei notwendig gewesen. Dies habe der Zahnarzt E. O. M. mit seinem Schreiben vom 20. Juni 1995 bestätigt. Der Arzt Dr. Dr. Heinz W. sei dieser Einschätzung in einer ärztlichen Bescheinigung vom 11. Juli 1995 beigetreten und habe bestätigt, dass in ihrem, der Klägerin, Falle keinesfalls ein Zahnersatz mit allergener Potenz hätte verwendet werden dürfen und deshalb hochgoldkarätige Edelmetalllegierungen indiziert gewesen seien.

22

Dies habe auch der Sachverständige Dr. Ulrich M. in seinem Gutachten bestätigt. Zur Beweisfrage habe der Zahnarzt ausgeführt, dass die gewählte Versorgung als zahnmedizinisch indiziert bezeichnet werden könne. Auch das Zurückgreifen auf hochwertige Edelmetalllegierungen sei insbesondere bei Patienten mit angegriffenem Gesundheitszustand - wie in ihrem Falle - zahnmedizinisch indiziert. Nach dem Gutachten seien auch die funktionsdiagnostischen und -therapeutischen Maßnahmen notwendig gewesen. Damit sei der erste Teil der Beweisfrage vom Gutachter dahingehend beantwortet worden, dass die von ihr, der Klägerin, in Anspruch genommene zahnärztliche Behandlung notwendig gewesen sei.

23

Hinsichtlich des zweiten Teils der Beweisfrage, ob die dafür in Rechnung gestellten Kosten dem Behandlungsbedarf entsprechend notwendig gewesen seien, habe der Gutachter ausgeführt, dass die Abrechnung nicht zu beanstanden sei und die berechneten Kosten der Größenordnung nach plausibel erschienen. Auch hinsichtlich der Mehrkosten sei der Gutachter somit zum Ergebnis gelangt, dass diese der Höhe und dem Umfang nach angemessen seien.

24

Soweit der Gutachter die Notwendigkeit des Zeitpunkts der zahnärztlichen Behandlung in Zweifel ziehe, habe der Gutachter zu einer Frage Stellung genommen, die nicht Gegenstand der Beweisfrage gewesen sei. Es werde deshalb lediglich vorsorglich ergänzend vorgetragen, dass sie, die Klägerin, sich im streitigen Zeitraum zwischen 1991 und 1994 insgesamt 14 stationären Behandlungen in verschiedenen Krankenhäusern habe unterziehen müssen. Diese Krankenhausaufenthalte seien ein Grund dafür, dass die anerkannten notwendigen Behandlungsmaßnahmen nicht bereits früher durchgeführt worden seien.

25

Die Auffassung, der Anspruch auf Übernahme der Kosten des Zahnersatzes sei unter dem Gesichtspunkt des vergangenen Bedarfs ausgeschlossen, sei nicht tragfähig. Ihr Bedarf gelte spätestens zu dem Zeitpunkt als dem Beklagten bekannt geworden, als sie, die Klägerin, ihrer Krankenkasse die Kostenzusammenstellung ihres Zahnarztes für Zahnersatz übersandt habe.

26

Die Klägerin beantragt,

27

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihr Sozialhilfe, Krankenhilfe in Form der Übernahme der Restkosten des Zahnersatzes in Höhe von 2.438,87 DM, zu gewähren, und den Bescheid des Beklagten vom 12. Juli 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 1996 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

28

Der Beklagte beantragt,

29

die Berufung zurückzuweisen.

30

Er hält das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts für richtig. Zu dem Gutachten führt er aus:

31

Er stimme mit der Gegenseite dahingehend überein, dass hinsichtlich des zweiten Teils der Beweisfrage ausgeführt werde, dass die berechneten Kosten der Größenordnung nach als plausibel erschienen. Das heiße jedoch keineswegs, dass er bereit sei, die nicht von der Krankenkasse übernommenen Kosten zu tragen. Insoweit seien die Ausführungen des Gutachters zu der Frage des Zeitpunktes der Notwendigkeit der durch die Klägerin in Anspruch genommenen Zahnersatzbehandlung zu beachten. Den entsprechenden Ausführungen sei nämlich zu entnehmen, dass nicht zu erkennen sei, warum zu dem Zeitpunkt der Durchführung der Zahnersatzbehandlung dies notwendig gewesen sei. Der Gutachter habe darauf hingewiesen, dass die Funktionsstörungen bereits im März 1991 durch Entfernung des Zahnes 47 entstanden seien und dass auch bereits im März 1993 - also über ein Jahr vor der jetzt zur Diskussion stehenden Behandlung - ein nahezu gleichlautender Heil- und Kostenplan durch den behandelnden Zahnarzt M. erstellt worden sei. Zu der Frage, warum es nicht schon damals zur Durchführung der Behandlungsmaßnahmen gekommen sei, seien keine Angaben verfügbar. Ebenfalls nicht klar sei nach den Ausführungen des Gutachters, warum nach längerer Behandlungspause von nahezu einem halben Jahr am 1. Juni 1994 sofort ohne vorherige Abklärung mit der Krankenkasse mit der Behandlung begonnen worden sei. Nach alledem verneine der Gutachter eindeutig den Zeitpunkt der Notwendigkeit der durch die Klägerin in Anspruch genommenen Zahnersatzbehandlung. Er, der Beklagte, sei deshalb nach wie vor davon überzeugt, dass der Anspruch der Klägerin zu Recht abgelehnt worden sei.

32

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 

Entscheidungsgründe

33

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Übernahme der Restkosten ihres Zahnersatzes in Höhe von 2.438,87 DM.

34

Die Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 37 Abs. 1 BSHG in der hier anzuwendenden, bis zum 30. Juni 2001 gültig gewesenen Fassung. Nach dieser Vorschrift ist Kranken Krankenhilfe zu gewähren. Dem Begehren der Klägerin nach Krankenhilfe steht weder § 5 BSHG (1.) noch § 37 Abs. 2 Satz 2 BSHG (2.) entgegen. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Krankenhilfe vor. Die Zahnersatzbehandlung der Klägerin war nämlich dem Grunde und dem Umfang nach notwendig (3.). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Zahnersatzbehandlung preisgünstiger hätte durchgeführt werden können (4.).

35

1. Dem Klageanspruch steht der sozialhilferechtliche Kenntnisgrundsatz (§ 5 BSHG) nicht entgegen. Gemäß § 5 BSHG in der hier anzuwendenden, bis zum 31. Juli 1996 gültig gewesenen Fassung (= § 5 Abs. 1 BSHG n. F.) setzt die Sozialhilfe (erst) ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen. Die Klägerin hat hier zwar den Antrag auf Übernahme der Zahnbehandlungskosten aus Sozialhilfemitteln erst am 9. Dezember 1994, also nach Abschluss der Zahnbehandlung, bei dem Beklagten gestellt. Hier sind jedoch die Voraussetzungen für das Einsetzen der Sozialhilfe nach § 5 BSHG erfüllt, weil zugunsten der Klägerin § 16 Abs. 2 SGB I eingreift. Zu dieser Frage hat sich der Senat bereits in seinem Beschluss vom 29. April 1999, mit dem der Klägerin Prozesskostenhilfe für den beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts bewilligt worden ist, geäußert. Der Senat ergänzt seine Ausführungen wie folgt:

36

In § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I ist bestimmt, dass Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten sind. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist. Dass § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I auch im Recht der Sozialhilfe gilt - unbeschadet der Einfügung des § 5 Abs. 2 in das BSHG ab 1. August 1996 -, ist in der Rechtsprechung des Senats hinreichend geklärt (Urt. d. Sen. v. 19. Jan. 1999 - 4 L 2970/98 -; zuletzt Beschl. v. 16. Mai 2001 - 4 PA 1168/01 -; ebenso OVG Lüneburg, Beschl. v. 21. Okt. 1999 - 12 L 3780/99 ).

37

Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I liegen hier vor. Aus dem Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergibt sich nämlich, dass der Krankenkasse der Klägerin mit der Vorlage des vor Beginn der Zahnbehandlung erstellten Heil- und Kostenplans des Zahnarztes der Klägerin vom 2. Juni 1994 (der als Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten für ihre Zahnersatzbehandlung auszulegen ist) der sozialhilferechtliche Bedarf der Klägerin bekannt geworden ist. Aus einem in der Gerichtsakte befindlichen Schreiben der DAK an die Klägerin vom 13. November 1995 wird deutlich, dass bei der Festsetzung des Kassenzuschusses durch die DAK am 14. Juni 1994 von der Härtefallregelung des § 61 SGB V (vollständige Befreiung) Gebrauch gemacht worden ist. Dies geschah - wie in dem Schreiben vom 13. November 1995 ausgeführt ist - im Hinblick auf die geringen Einkünfte der Klägerin, denn die Anwendung der Härtefallregelung des § 61 SGB V setzt nach § 61 Abs. 2 SGB V das Vorliegen einer unzumutbaren Belastung voraus, die u. a. bei niedrigem Einkommen des Versicherten (§ 61 Abs. 2 Nr. 1 SGB V) und in Fällen, in denen der Versicherte Hilfe zum Lebensunterhalt, Arbeitslosenhilfe und andere Sozialleistungen erhält (§ 61 Abs. 2 Nr. 2 SGB V), angenommen wird. Bei Festsetzung des Kassenzuschusses war der Krankenkasse also offensichtlich bekannt, dass die Klägerin über ein niedriges Einkommen verfügt oder ihren Lebensunterhalt aus Mitteln der Sozialhilfe bestreitet. Dies lässt darauf schließen, dass mit dem Antrag der Klägerin auf Übernahme der Zahnbehandlungskosten aufgrund des bestehenden Versicherungsverhältnisses nicht nur dieses Begehren kundgetan worden ist, sondern die Klägerin auch deutlich gemacht hat, dass sie zur Tragung der Zahnbehandlungskosten, soweit diese nicht durch die Krankenkasse gedeckt sind, nicht in der Lage ist. Der Antrag ist damit als ein Begehren auf "Übernahme der Zahnbehandlungskosten - aus welchem Rechtsgrund auch immer, also gegebenenfalls auch aus Sozialhilfemitteln" - zu verstehen. Er ist deshalb gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I geeignet, auch einem Sozialhilfeträger die Kenntnis von einem Bedarf an Sozialhilfe zu vermitteln.

38

Aus den vorstehenden Erwägungen kann dem geltend gemachten Anspruch auch nicht entgegengehalten werden, dass im Zeitpunkt der beanspruchten Hilfe die Zahnbehandlung der Klägerin bereits abgeschlossen war und ein entsprechender Bedarf - die Grundvoraussetzung für die Hilfegewährung - gar nicht mehr vorlag. Zum hier maßgeblichen Zeitpunkt - dem (fingierten) Bekanntwerden des Bedarfs bei dem Beklagten zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin bei der DAK einen Antrag auf Übernahme der Zahnbehandlungskosten stellte - hatte die Zahnbehandlung nämlich noch nicht begonnen, sie war jedenfalls nicht abgeschlossen. Dem Anspruch steht deshalb der in ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 35, 287, 288; 40, 343, 346; 57, 237, 239; 60, 236, 237 ff.; 66, 335, 338; 90, 154, 156) entwickelte Grundsatz "Keine Sozialhilfe für die Vergangenheit" nicht entgegen. Die Frage, ob es der Klägerin nach den damals gegebenen Umständen des Einzelfalles zuzumuten war, die Entscheidung des Beklagten zur Übernahme der von der Krankenkasse nicht übernommenen Kosten abzuwarten, stellt sich - anders als der Senat noch in seinem Beschluss vom 29. April 1999 über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung (4 L 5474/99) angenommen hat - deshalb nicht. 

39

2. Anders als das Verwaltungsgericht meint, steht auch § 37 Abs. 2 Satz 2 BSHG der Übernahme der (restlichen) Kosten des Zahnersatzes durch den Träger der Sozialhilfe nicht entgegen. Wenn es in dieser Vorschrift heißt, dass Leistungen der Krankenhilfe in der Regel den Leistungen entsprechen sollen, die nach den Vorschriften über die gesetzliche Krankenversicherung gewährt werden, bedeutet dies nicht, dass Sozialhilfe nur in der Höhe gewährt werden kann, in der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht kommen. Während nämlich in der gesetzlichen Krankenversicherung Teilleistungen und damit ein dem Versicherten verbleibender Eigenanteil vorgesehen sind, ist im Sozialhilferecht die Hilfeleistung so zu bemessen, dass der Hilfebedürftige seinen notwendigen Bedarf tatsächlich in vollem Umfang befriedigen kann. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, durch die dieser Bedarf nicht in voller Höhe gedeckt wird, können deshalb zwar - im Hinblick auf den Vorrang dieser Leistungen (§ 2 Abs. 2 BSHG) - zur Kürzung, nicht aber zum gänzlichen Wegfall der Sozialhilfe führen (Senat, Beschl. v. 30. Nov. 1998 - 4 M 4495/98 -, FEVS 49, 405 unter Hinweis auf die Rspr. d. BVerwG; s. a. § 38 Abs. 2 BSHG in der ab 1. Juli 2001 gültigen Fassung des Art. 15 Nr. 6 des Sozialgesetzbuches - Neuntes Buch - (SGB IX) vom 19. Juni 2001, BGBl. I, 1046).

40

3. Im Übrigen liegen auch die Voraussetzungen für die Gewährung von Krankenhilfe vor. Die Zahnersatzbehandlung der Klägerin war nämlich dem Grunde und dem Umfang nach notwendig.

41

a)  Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Behandlung krank im Sinne des § 37 Abs. 1 BSHG. Besonders deutlich kommt dies in den Ausführungen des Gutachters Dr. Meyding vom 15. Dezember 2000 zum Ausdruck. Der Gutachter tritt unter Abschnitt I. seines Gutachtens der Diagnose des Zahnarztes der Klägerin "Ungesicherte Schlußbißstellung mit fehlenden Funktionsflächen (Abrasionen) und Hypomochlien mit dorso-lateralem Vektor rechts" bei. Er erkennt auch, dass " dieser Zustand der mangelhaften Abstützung bei bestehenden Funktionsstörungen nach vorherrschender Lehrmeinung eine ZE-Versorgung im Seitenzahnbereich des Unterkiefers erfordert, um eine bilaterale Abstützung wieder herzustellen und damit einer Überlastung der Mundschließer-Muskulatur sowie der Kiefergelenke entgegenzuwirken". Unter Abschnitt II. Buchst. a "Grundsätzliches zur Notwendigkeit einer Versorgung" führt der Gutachter aus:

42

"Die bestehende bilaterale Freiendsituation im Zusammenhang mit den erhobenen muskulären Befunden macht nach einhelliger Lehrmeinung eine prothetische Versorgung längerfristig gesehen notwendig. Hierfür stehen verschiedene Konstruktionsprinzipien zur Verfügung, die sich nach technischem Aufwand und funktioneller Dynamik während des Kaueinsatzes unterscheiden. Eine funktionell bewährte, allerdings technisch anspruchsvollere und kostenaufwendigere Versorgung stellt die mit Doppelkronen (Teleskopen) zur Verankerung des Ersatzes in dem Kiefer dar..."

43

An der Notwendigkeit der Zahnbehandlung als solcher hat auch der Beklagte Zweifel nicht geäußert.

44

b) Dass auch die zahnärztliche Behandlung der Klägerin von ihrem Umfange her medizinisch notwendig war, lässt sich ebenfalls den gutachterlichen Feststellungen entnehmen. Der Gutachter hat hervorgehoben, dass auch die über die Vertragsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehenden Maßnahmen medizinisch indiziert gewesen seien. So hat er dargelegt, warum er im Falle der Klägerin die Eingliederung von mehr als zwei sogenannten Teleskop-Kronen (anstelle der weniger aufwendigen und von den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckten Verblendkronen) für erforderlich gehalten hat. Unter Abschnitt II. Buchst. b.  "Notwendigkeit von mehr als zwei Teleskopen je Kiefer" hat der Gutachter im zweiten Absatz ausgeführt:

45

"Eine Versorgung mit zwei Teleskopen je Kiefer ist im Sinne des SGB V zunächst als medizinisch ausreichend zu bezeichnen. Sie stellt damit jedoch nur die zahnmedizinische Mindestanforderung an die Gestaltung eines teleskopierenden Ersatzes dar. Die mit Funktionsbefund vom 13.0 2.89 erhobenen Befunde, die auf einen massiven Hypertonus der Mundschließer-Muskulatur hinweisen, rechtfertigen .... den Einsatz von mehr als zwei Teleskopen, zumal Zahn 33 bereits überkront und Zahn 43 schon vorgeschädigt war. Ein weiteres Argument für den Einsatz von mehr als zwei Teleskopen ergibt sich aus der Wurzelform der Zähne 34, 44, die durch ihren Durchmesser und ihre Länge keine überragende Stabilität erwarten lassen mussten. Damit kann die gewählte Versorgung als zahnmedizinisch indiziert bezeichnet werden im Sinne einer zu erwartenden höheren Langlebigkeit."

46

Die Notwendigkeit dieser Maßnahme ergibt sich also aus den konkreten zahnmedizinischen Befunden.

47

Auch die Notwendigkeit der Verwendung hochedelmetallhaltiger Dentallegierungen wird von dem Gutachter bejaht. In seinem Gutachten hat er unter Abschnitt II. Buchst. c im zweiten Absatz ausgeführt:

48

"Es hat sich jedoch im Zuge gehäuft angewendeter sog. Spar-Legierungen gezeigt, dass wiederholt - z. T. auch erst nach längerer Tragezeit - Unverträglichkeitsreaktionen beobachtet werden konnten, die sich auf die Verwendung derartiger Legierungen zurückführen ließen. Dies bedeutete in nahezu allen Fällen dann die Notwendigkeit zur vollständigen Neuanfertigung der prothetischen Versorgung. Aufgrund dieser Erfahrungen ist der verantwortungsvolle Zahnarzt gut beraten, insbesondere bei Patienten mit angegriffenem Gesundheitszustand und mit Neigung zu Unverträglichkeitsreaktionen, auf hochwertige Edelmetall-Legierungen zurückzugreifen."

49

Der Gesundheitszustand der Klägerin war angegriffen, als sie sich der Zahnbehandlung unterzog. Sie musste sich seit Jahren wegen verschiedener Gesundheitsstörungen - u. a. wegen einer chronischen Erkrankung des Magen- und Darmtraktes (vgl. amtsärztliche Stellungnahme des Gesundheitsamts des Beklagten vom 4. 12. 1995, Beiakte J) - immer wieder stationären Krankenhausbehandlungen unterziehen (s. die Aufstellung der Klägerin vom 4. 2. 2001 - Anlage zum Schriftsatz vom 9. 2. 2001 - über ihre zahlreichen Krankenhausaufenthalte in den Jahren von 1991 bis 1994). Aus einem Bericht des Krankenhauses Bad Oeynhausen an den Senat vom 27. Januar 1986 in dem Verfahren 4 OVG A 173/83 (Beiakte J) zur Erforderlichkeit eines Mehrbedarfs wegen besonderer Krankenkost ergibt sich, unter welchen erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt gelitten hat. Schon in diesem Bericht ist von Unverträglichkeitsreaktionen und der Erforderlichkeit von Diätkost die Rede. Auch der behandelnde Zahnarzt ist offensichtlich davon ausgegangen, dass im Hinblick auf die Krankengeschichte der Klägerin aus medizinischen Gründen nur hochgoldkarätige Edelmetalllegierungen verwendet werden durften. Dies ergibt sich aus seiner Bescheinigung vom 20. Juni 1995. Der Internist Dr. Dr. Heinz W. hat den behandelnden Zahnarzt in dieser Einschätzung bestätigt, wie sich aus einer ärztlichen Bescheinigung vom 11. Juli 1995 ergibt: Aus internistischer Sicht könne er nur die Aussagen des Kollegen M. bestätigen, aufgrund der vorliegenden Immunschwäche (Leucopenie und Thrombopenie) dürfe keinesfalls ein Zahnersatz mit allergener Potenz verwendet werden, deshalb seien die hochgoldkarätigen Edelmetalllegierungen absolut indiziert.

50

Schließlich hat der Gutachter auch die Notwendigkeit der funktionsdiagnostischen und funktionstherapeutischen Maßnahmen, die der Zahnarzt ergriffen hat, bestätigt. Er hat hierzu unter Abschnitt II. Buchst. d im zweiten Absatz ausgeführt:

51

"Die bereits mit Funktionsbefund vom 13. 02.89 erhobenen und am 8. 02.91 erneut verifizierten Befunde erheblicher muskulärer Hypertension insbesondere rechtsseitig belegen sehr eindeutig die Notwendigkeit einer einschlägigen therapeutischen Berücksichtigung. ..."

52

c) Die Notwendigkeit der Behandlungsmaßnahmen wird auch nicht durch die Ausführungen des Gutachters unter Abschnitt I. seines Gutachtens "Zur Frage des Zeitpunktes der Notwendigkeit der durch die Klägerin in Anspruch genommenen ZE-Behandlung" in Frage gestellt.

53

Der Gutachter wirft zunächst in diesem Zusammenhang die Frage auf, warum die Zahnersatzbehandlung nicht bereits vor dem Juni 1994 durchgeführt worden ist. Bereits am 13.02.89 und am 8.02.91 habe der behandelnde Zahnarzt Befunde erhoben und dokumentiert, die auf den behandlungsbedürftigen Zahnstatus der Klägerin hingewiesen hätten. Die die Zahnbehandlung erforderlich machende Funktionsstörung sei ausweislich des Krankenblattes der Klägerin jedenfalls schon am 4. März 1991 durch die Entfernung eines Zahnes entstanden. Im übrigen sei bereits am 16. März 1993, also ein Jahr vor der Zahnbehandlung, ein nahezu gleichlautender Heil- und Kostenplan durch den behandelnden Zahnarzt gestellt worden. Es seien keine Angaben darüber verfügbar, warum es nicht bereits damals zur Durchführung der Behandlungsmaßnahme gekommen sei.

54

Diese Ausführungen lassen an der Notwendigkeit der durchgeführten Zahnbehandlungsmaßnahmen im Jahre 1994 nicht zweifeln. Selbst wenn es medizinisch angezeigt gewesen wäre, bereits früher, etwa im Jahr 1991 oder wenigstens ab März 1993 die Zahnbehandlung durchzuführen, besagt dies nicht, dass sich an der Notwendigkeit bis zum Juni 1994 irgendetwas geändert hätte. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Maßnahme im Laufe der Zeit eher noch dringlicher geworden ist und jedenfalls im Juni 1994 einen Aufschub nicht mehr duldete.

55

Soweit der Gutachter die Frage aufwirft, warum nach einer längeren Behandlungspause von nahezu einem halben Jahr am 1. Juni 1994 sofort mit der Ausführung der Behandlung begonnen worden sei, ohne dass eine funktionstherapeutische Vorbehandlung durchgeführt und eine erneute vorherige Abklärung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse abgewartet worden sei, begründet dies ebenfalls nicht durchgreifende Zweifel an der Notwendigkeit der schließlich ausgeführten Zahnersatzbehandlung. Die Frage, ob vor Beginn der Behandlung die Kostenübernahme durch die Krankenkasse hätte geklärt werden müssen, berührt nicht die medizinische Notwendigkeit der Behandlung. Darüber hinaus hat selbst die Krankenkasse nicht beanstandet, dass ihr der Heil- und Kostenplan etwa zu spät vorgelegt worden sei. Soweit der Gutachter die Frage stellt, warum nicht vor Beginn der Behandlung eine funktionstherapeutische Vorbehandlung durchgeführt worden sei, zieht er die Notwendigkeit der durchgeführten Zahnersatzbehandlung ebenfalls nicht in Zweifel. Hätte er nämlich zum Ausdruck bringen wollen, die Frage der Notwendigkeit der tatsächlich ausgeführten Zahnersatzbehandlung sei zu verneinen, stattdessen  sei eine funktionstherapeutische Vorbehandlung erforderlich gewesen, dann hätte er dies unter Abschnitt II. im Zusammenhang mit seinen grundsätzlichen Ausführungen zur Notwendigkeit einer prothetischen Versorgung - jedenfalls andeutungsweise - erwähnt. Dies hat er jedoch nicht getan. Die Ausführungen des Gutachters sind deshalb so zu verstehen, dass er neben der grundsätzlich erforderlichen medizinischen Zahnersatzbehandlung, die der Zahnarzt M. durchgeführt hat, eine weitere Behandlungsmaßnahme für geboten erachtet hätte, nämlich eine sogenannte funktionstherapeutische Vorbehandlung. Der Gutachter hätte also eher ein "Mehr" als ein "Weniger" an zahnmedizinischer Behandlung für erforderlich gehalten.

56

4. Die von dem Zahnarzt berechneten Kosten sind auch nicht unangemessen hoch.

57

Die von dem behandelnden Zahnarzt M. erstellte Rechnung vom 22. Juli 1994 beläuft sich auf insgesamt 7.729,78 DM. Davon entfallen 1.950,59 DM auf die Honorarkosten des Zahnarztes (vgl. HKP vom 2. Juni 1994, sowie Zahnarztrechnung vom 22. Juli 1994). Dass die Abrechnung des Zahnarztes insoweit nicht zu beanstanden ist, hat der Gutachter unter Abschnitt III. Buchst. A deutlich gemacht.

58

Auch die Material- und Laborkosten in Höhe von 2.868,34 DM (vgl. HKP vom 2. Juni 1994 und Zahnarztrechnung vom 22. Juli 1994) sind nach den Feststellungen des Gutachters nicht zu beanstanden.

59

Der Gutachter hat auch die Honorarmehrkosten für die Anfertigung und Eingliederung von zwei Teleskopkronen in Höhe von 396,08 DM (vgl. Anhang zum HKP vom 2. Juni 1994) für plausibel gehalten (vgl. Abschnitt III Buchst. B des Gutachtens). Der Umstand, dass er in diesem Zusammenhang einen geringfügigen Betrag von 33,11 DM für Material- und Labor-Mehrkosten anhand der vorliegenden Rechnungen und Kostenzusammenstellungen nicht genau hat nachvollziehen können, veranlasst den Senat nicht zu einer weiteren Aufklärung, zumal auch der Beklagte insoweit einen Klärungsbedarf nicht geltend macht.

60

Der Gutachter hat schließlich auch die Mehrkosten für Funktionsdiagnostik und -therapie für der Höhe und dem Umfang nach angemessen gehalten (Abschnitt III Buchst. C). Die Honorarkosten belaufen sich insoweit auf 1.294,03 DM, die Laborkosten auf 714,55 DM (vgl. hierzu auch Anhang zum HKP vom 2. Juni 1994).

61

5. Soweit die Klägerin fordert, ihr Krankenhilfe in Form der Restkosten des Zahnersatzes in Höhe von 2.438,87 DM zu gewähren, begegnet auch die Höhe der von ihr berechneten Restkosten keinen Bedenken. Die DAK hat von dem Rechnungsbetrag in Höhe von 7.729,78 DM aufgrund ihrer abschließenden Entscheidung vom 6. Juli 1995 einen Betrag in Höhe von 4.552,69 DM für die sogenannten Vertragsleistungen sowie darüber hinaus für die Zusatzleistungen einen Betrag in Höhe von 738,22 DM übernommen. Die von der Klägerin geltend gemachte Forderung entspricht dem Differenzbetrag zwischen der Zahnarztrechnung und dem von der DAK übernommenen Kostenanteil.