Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 03.11.2022, Az.: 5 U 31/22
Schadensersatzanspruch wegen Nichtlöschens von persönlichen Daten unverzüglich nach Erlass eines Anerkenntnisurteils durch das Landgericht Hannover bezogen auf den zu löschenden Datensatz
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 03.11.2022
- Aktenzeichen
- 5 U 31/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 69784
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 14.02.2022 - AZ: 13 O 129/21
Rechtsgrundlage
- Art. 82 DS-GVO
Redaktioneller Leitsatz
1. Urteile sind der Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO nur insoweit fähig, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Die Urteilselemente, die bedingenden Rechte und Gegenrechte sollen nicht von der Rechtskraft erfasst werden. Sie wird vielmehr auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, d. h. auf diejenige Rechtsfolge, die aufgrund einer Klage oder Widerklage beim Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet, beschränkt. Die tatsächlichen Feststellungen als solche erwachsen nicht in Rechtskraft.
2. Ein immaterieller Schaden in Form eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen kann auch darin liegen, dass für die Kreditwürdigkeit relevante Daten Dritten zur Verfügung gestellt und auf Anfrage potentiellen Kreditgebern übermittelt werden.
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterinnen am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2022 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 13. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Hannover vom 14. Februar 2022 wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das vorgenannte Urteil abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 17.500,00 € festgesetzt.
Gründe
A.
Von einer Darstellung des Sach- und Streitstands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
B.
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Auf die zulässige Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil des Landgerichts Hannover abzuändern. Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte bestehen nicht. Ein Zahlungsanspruch des Klägers ist nach Maßgabe der prozessual zu berücksichtigenden Umstände des vorliegenden Falles nicht gegeben.
I.
Der Senat hat mit Beschluss vom 5. Juli 2022 auszugsweise Folgendes ausgeführt:
"1. Die Beklagte hat in dem vorletzten Absatz auf S. 2 ihrer Berufungsbegründung (Bl. 173 d. A.) zutreffend die einzelnen Umstände dargestellt, nach deren Maßgabe die Voraussetzungen des § 28 a Abs. 1 Nr. 4 BDSG a. F., bzw. § 31 Abs. 2 Nr. 4 BDSG n. F. erfüllt sind. Diese Umstände sind als solche auch nicht streitig.
2. Im Ergebnis steht der beabsichtigten Klageabweisung auch nicht entgegen, dass die beiden Mahnschreiben den Kläger nicht "persönlich" erreicht haben.
a) Die Anschrift "K. 7, ... H." ist die Adresse, die der Kläger im Rahmen der Anbahnung des Vertragsverhältnisses seinem Vertragspartner angegeben hatte (vgl. Rn. 19 des Schriftsatzes der Beklagten vom 15. Oktober 2021, Bl. 29 R d. A.; nicht bestritten § 138 Abs. 3 ZPO).
Demgemäß hat auch das Landgericht - zutreffend - in diesem Sinne mit Beschluss vom 8. März 2022 (Bl. 109 d. A.) den ursprünglich anderslautenden Tatbestand des angefochtenen Urteils berichtigt.
b) Der Senat hat seiner Entscheidung prozessual zugrunde zu legen, dass die beiden Mahnschreiben der Vertragspartnerin des Klägers an eben diese vom Kläger angegebene Vertragsanschrift zugegangen sind.
aa) Das hat die Beklagte so in Rn. 19 bis 20 ihres Schriftsatzes vom 15. Oktober 2021 (Bl. 29 R d. A.) sowie in Rn. 3 seines Schriftsatzes vom 15. Dezember 2021 (Bl. 46 d. A.) vorgetragen. Der Kläger hat dies erstinstanzlich nicht bestritten, § 138 Abs. 3 ZPO. Entgegen der Auffassung des Klägers in der Berufungserwiderung vom 19. Mai 2022 (Seiten 7 unten / 8 oben, Bl. 190 f. d. A.) ergibt sich ein solches Bestreiten auch nicht aus den dort zitierten Schriftsätzen des Klägers in erster Instanz:
- Soweit der Kläger auf den fünften Absatz auf Seite 2 seines Schriftsatzes vom 19. Oktober 2021 (Bl. 34 R d. A.) abstellt, ergibt sich daraus kein Bestreiten, vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Denn der Kläger behauptet an dieser Stelle gar nicht, dass die Schreiben nicht an die genannte Adresse zugegangen sind, vielmehr weicht er einer diesbezüglichen Aussage gerade aus.
- Soweit der Kläger auf den vorletzten Absatz auf Seite 4 seiner Klageschrift abstellt, gilt Entsprechendes. Ein eindeutiges Bestreiten ist diesem vagen Vorbringen nicht zu entnehmen, dies schon gar nicht, wenn man des Weiteren berücksichtigt, dass die Beklagte in ihren weiteren erstinstanzlichen Schriftsätzen ganz ausdrücklich die Behauptung aufgestellt hat, die beiden Schreiben seien an die Vertragsadresse zugegangen und dies im Übrigen auch noch als "unstreitig" dargestellt hat. Hätte der - anwaltlich vertretene - Kläger dies anders sehen wollen, wäre er prozessual gehalten gewesen, dies ausdrücklich klarzustellen. Das ist aber - wie ausgeführt - nicht erfolgt, im Gegenteil ist der Kläger in dem fünften Absatz auf Seite 2 seines Schriftsatzes vom 19. Oktober 2021 (Bl. 34 R d. A.) - wo er sich ausdrücklich mit dem diesbezüglichen Vorbringen der Beklagten in Rn. 19 bis 20 ihres Schriftsatzes vom 15. Oktober 2021 (Bl. 29 R d. A.) auseinandersetzt - dieser Frage "ausgewichen". Auf die erneute Behauptung der Beklagten in Rn. 3 ihres Schriftsatzes vom 15. Dezember 2021 (Bl. 46 d. A.) ist der Kläger dann gar nicht mehr eingegangen.
bb) Soweit der Kläger auf Seite 4 seiner Klageschrift pauschal auf Vorbringen in einem Verfahren LG Hannover - 13 O 133/20 verwiesen hat, greift das in gleich mehrfacher Hinsicht nicht durch:
- Selbst wenn der Kläger in jenem Verfahren Vortrag gehalten hätte, der für das vorliegende Verfahren von Relevanz hätte sein können, wäre die pauschale Bezugnahme hierauf in dem vorliegenden Verfahen prozessual unbeachtlich gewesen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Juli 2016 - IX ZR 291/14, juris Rn. 20).
- Ohnehin ist dem Vorbringen des Klägers in dem vorgenannten Verfahren aber auch nichts zu entnehmen, das in dem vorliegenden Prüfrahmen von Relevanz wäre. Der Senat hat jene Akte "interessehalber", also nicht einer rechtlichen Notwendigkeit folgend, durchgesehen. Auch in jenem Verfahren hat der Kläger nicht behauptet, dass die beiden streitgegenständlichen Mahnschreiben an die eingangs genannte Adresse nicht eingegangen sind.
cc) Soweit der Kläger mit der Berufungserwiderung vom 19. Mai 2022 (Seiten 7 unten / 8 oben, Bl. 190 f. d. A.) nunmehr offenbar die o. g. Behauptung der Beklagten in Abrede nehmen will (so jedenfalls das Verständnis des Senats, vgl. dazu allerdings die Ausführungen der Beklagten unter Randnummer 6 ihres Schriftsatzes vom 24. Juni 2022), ist das prozessualunbeachtlich, da Zulassungsgründe i. S. v. § 531 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich sind.
c) Mit Eingang an diese vom Kläger gegenüber seiner Vertragspartnerin angegebene Vertragsadresse dürften die Schreiben dem Kläger zwar nicht im Sinne von § 130 Abs. 1 BGB zugegangen sein, was allerdings im Ergebnis dahinstehen kann (vgl. dazu nachfolgend aa) und bb)). Denn jedenfalls ist es dem Kläger nach Treu und Glauben, § 242 BGB, verwehrt, sich in dem vorliegenden Rechtsstreit darauf zu berufen, dass ihm die streitgegenständlichen Schreiben nicht persönlich zugegangen sind (dazu nachfolgend cc).
aa) Es wird nicht davon ausgegangen werden können, dass dem Kläger die beiden Schreiben im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen sind.
(1) Zugegangen ist eine Willenserklärung, sobald sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen (z. B. BGH, Urteil vom 26. November 1997 - VIII ZR 22/97, juris Rn. 14).
(2) Nach dem Vortrag des Klägers hatte dieser zu den Zeitpunkten, in denen die beiden streitgegenständlichen Schreiben in der Wohnung seiner Eltern eingingen, dort nicht mehr seinen Wohnsitz. Für Gegenteiliges hat die - in diesem Rahmen beweispflichtige (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., § 130 Rn. 21) - Beklagte keinen Beweis angeboten. Hatte der Kläger unter der angegebenen Adresse zum Zeitpunkt der Eingang der Schreiben aber nicht mehr seinen allgemeinen Wohnsitz, sind diese an seiner ursprünglich angegebenen Vertragsadresse eingegangenen Schreiben nicht in seinen "Machtbereich" im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB gelangt.
bb) Es dürfte auch nicht davon auszugehen sein, dass die Eltern des Klägers, denen nach Maßgabe der vorstehend unter Gliederungspunkt b)gemachten Ausführungen die beiden streitgegenständlichen Schreiben zugegangen sind, Empfangsboten des Klägers gewesen sind.
(1) Eine Erklärung, die ein Empfangsbote entgegennimmt, geht dem Adressaten in dem Zeitpunkt zu, in dem nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge die Weiterleitung an den Adressaten zu erwarten war. Empfangsbote ist eine Person, die vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt worden ist oder nach der Verkehrsanschauung als bestellt anzusehen ist (BSG, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - B 3 KR 14/04 R, juris Rn. 9).
(2) Zu den Personen im Sinne der letztgenannten Alternative zählen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung vom Grundsatz her die Angehörigen des Erklärungsempfängers (vgl. z. B. BSG, a. a. O., Rn. 9; BAG, Urteil vom 11. November 1992 - 2 AZR 328/92, juris Rn. 34 f; im Überblick: Erman/Arnold, BGB, 16. Aufl., § 130 Rn. 17). Indes ist insoweit nach dem Verständnis des Senats von diesen Entscheidungen zusätzlich erforderlich, dass die Angehörigen auch mit dem Erklärungsempfänger in der gemeinsamen Wohnung, Haus o. ä. leben (vgl. jeweils a. a. O.). Das ist vorliegend nach Maßgabe der vorstehend unter Gliederungspunkt aa) gemachten Ausführungen aber gerade nicht der Fall.
cc) Indes muss nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung derjenige, der aufgrund bestehender oder angebahnter vertraglicher Beziehungen mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, geeignete Vorkehrungen treffen, dass ihn derartige Erklärungen auch erreichen. Tut er dies nicht, so kann darin ein Verstoß gegen die durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder den Abschluss eines Vertrages begründeten Sorgfaltspflichten gegenüber seinem Partner liegen (BGH, Urteil vom 26. November 1997 - VIII ZR 22/97, juris Rn. 16). Allerdings besteht keine allgemeine Pflicht, Empfangsvorkehrungen für Erklärungen zu treffen. Für die Anwendung des § 242 BGB im Rahmen des § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB ist deshalb mehr erforderlich, als nur ein objektives Zugangshindernis im Bereich des Empfängers. Solche zusätzlichen Umstände sind gegeben, wenn der Empfänger den Zugang bewusst vereitelt oder verzögert oder wenn er mit dem Eingang rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechnen muss und nicht dafür sorgt, dass diese ihn erreichen (BGH, Urteil vom 17. April 1996 - IV ZR 202/95, juris Rn. 19).
Vorliegend sind nach den unstreitigen Umständen dieses Falles die Voraussetzungen der letztgenannten Alternative gegeben: Unstreitig hatte der Kläger im eigenen Namen einen Vertrag mit der T. D. GmbH geschlossen. Auf den von Seiten des Klägers in diesem Rahmen behaupteten - streitigen - Umstand, dass der Handyvertrag ein Geburtstagsgeschenk für seinen Bruder gewesen sei, kommt es in diesem Rahmen rechtlich nicht an. Vertragspartner der T. D. GmbH war auch nach dieser Maßgabe der Kläger. Nach dieser Maßgabe musste der Kläger damit rechnen, dass sein Vertragspartner ihm aus diesem Vertragsverhältnis heraus rechtsgeschäftliche Erklärungen zukommen lässt. Dass er eine Vorsorge dafür getroffen hat, dass ihn an seine frühere Wohnanschrift gerichtete Schreiben erreichen, wie etwa, dass er einen Nachsendeauftrag eingerichtet hat oder ähnliches, macht der Kläger nicht geltend.
Voraussetzung für eine Anwendung von Treu und Glauben in diesem Rahmen ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allerdings des Weiteren, dass der Erklärende seinerseits alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan hat, damit seine Erklärung den Adressaten erreichen konnte (BGH, Urteil vom 26. November 1997 - VIII ZR 22/97, juris Rn. 17). Das indes ist vorliegend nicht zweifelhaft. Wie vorstehend unter Gliederungspunkt a) ausgeführt, waren die streitgegenständlichen Schreiben an die Adresse adressiert, die der Kläger im Rahmen der Anbahnung des Vertragsverhältnisses mit der T. D. GmbH angegeben hatte. Dass diese Schreiben an die T. D. GmbH als "unzustellbar" oder ähnliches zurückgegangen sind, macht keine der Parteien geltend."
Hierauf nimmt der Senat zunächst Bezug.
II.
Die dagegen gerichteten schriftsätzlichen Einwendungen des Klägers und die weiteren Erörterungen in der mündlichen Verhandlung greifen im Ergebnis nicht durch:
1. Der Kläger verweist auf ein Schreiben der Beklagten vom 12. April 2019 (Anlage K 2), in dem es u. a. heißt: "Unser Vertragspartner bestätigte uns die Angaben mit der Anschrift "A. 6, ... B.". Was mit dieser Formulierung konkret zum Ausdruck gebracht werden sollte, lässt sich dem Schreiben nicht entnehmen. Folglich kommt es auf das Vorbringen der Beklagten, wonach es sich insoweit um ein Versehen gehandelt habe, bereits nicht an. Denn jedenfalls lässt sich der vorgenannten Formulierung nicht entnehmen, dass der Vertragspartner des Klägers im Jahr 2017 davon ausgegangen ist, dass die Anschrift seines Vertragspartners "A. 6, ... B." lautet. Das ist auch zwangsläufig. Denn Vertragspartner des streitgegenständlichen Vertrages war der Kläger. Dieser hatte unstreitig gegenüber seinem Vertragspartner als Vertragsanschrift die Adresse "K. 7, ... H." genannt. Dass er zeitlich nach Vertragsschluss seiner Vertragspartnerin mitgeteilt hat, dass sich seine Vertragsanschrift geändert hat, macht der Kläger nicht geltend. Damit im Einklang steht schließlich, dass auch die beiden streitgegenständlichen Mahnungen vom 27. November und 13. Dezember 2017 an die vorgenannte Adresse in H. gerichtet gewesen sind. Umgekehrt hätte der Kläger zurecht einwenden können, dass ein an die Anschrift in B. gerichtetes Mahnschreiben für ihn als Vertragspartner keine Wirkung hätte entfalten können.
2. Auch die weiteren Ausführungen des Klägers, er habe zum (fehlenden) Zugang der Mahnschreiben an die Adresse K. 7 in ... H. bereits erstinstanzlich vorgetragen, greifen vor dem Hintergrund des Hinweisbeschlusses vom 5. Juli 2022 nicht durch. Daran hält der Senat weiterhin fest. Der Kläger benennt ungeachtet der unzulässigen pauschalen Bezugnahme auf sein Vorbringen in einem Parallelrechtsstreit auch weiterhin keinen konkreten eigenen Schriftsatz, in dem er bestritten hat, dass die beiden vorgenannten Schreiben an die vorgenannte Adresse zugegangen sind. Der Vortrag beschränkt sich weiterhin auf Rechtsansichten zur Beweislast.
3. Aus der von Seiten des Klägers zitierten Entscheidung des OLG Naumburg vom 10. März 2021 (5 U 182/20, juris Rn. 36) ergibt sich keine den Hinweisen des Senats entgegenstehende Rechtsansicht. So hat auch das OLG Naumburg ausgeführt, dass die Einhaltung der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BDSG als Indiz für die Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung gewertet werden kann. Das legt auch der Senat seiner vorliegenden Entscheidung zugrunde.
4. Entgegen der Ansicht des Klägers finden die Grundsätze, nach denen unter Heranziehung von Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB ein Schreiben als zugegangen gilt, auf den hier zu entscheidenden Fall Anwendung. Insbesondere steht dem nicht entgegen, dass sich der Zahlungsanspruch des Klägers auf die Bestimmung der DS-GVO, mithin unmittelbar geltendes europäisches Recht, stützt. Der Senat wendet die Vorschrift des § 242 BGB vielmehr lediglich im "rechtlichen Vorfeld" der DS-GVO an, nämlich im Rahmen der Prüfung, ob sich der Kläger vorliegend darauf berufen kann, dass ihm die beiden streitgegenständlichen Mahnschreiben nicht persönlich zugegangen sind. Ohnehin wäre der zeitliche Anwendungsbereich der DS-GVO nicht eröffnet, weil die Mahnschreiben vom 27. November bzw. 13. Dezember 2017 datieren, die DS-GVO hingegen erst seit dem 25. Mai 2018 anwendbar ist. Aus diesem Grund hat bereits das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Speicherung der Daten noch an § 28a Abs. 1 BDSG a.F., also nationalem Recht, orientiert.
III.
Ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus Art. 82 DS-GVO folgt schließlich nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte nach Erlass des Anerkenntnisurteils durch das Landgericht Hannover am 25. Januar 2021 (13 O 133/20) den Datensatz betreffend den Kläger nicht unverzüglich, sondern - auch unter Zubilligung einer Organisationsfrist - erst deutlich verspätet am 15. März 2021 gelöscht hat.
1. Das Anerkenntnisurteil entfaltet keine Rechtskraftwirkung hinsichtlich der (ursprünglichen) Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung durch die Beklagte.
a. Urteile sind der Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO nur insoweit fähig, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Damit sind der Rechtskraft bewusst enge Schranken gezogen. Die Urteilselemente, die bedingenden Rechte und Gegenrechte sollen nicht von der Rechtskraft erfasst werden. Sie wird vielmehr auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, d. h. auf diejenige Rechtsfolge, die aufgrund einer Klage oder Widerklage beim Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet, beschränkt. Die tatsächlichen Feststellungen als solche erwachsen nicht in Rechtskraft (z. B. BGH, Beschluss vom 22. September 2016 - V ZR 4/16, juris Rn. 13).
b. Gemessen daran ist in Rechtskraft erwachsen lediglich der Tenor, dass die Beklagte verpflichtet ist, einen bestimmten, in ihrer Datenbank enthaltenen Negativeintrag über den Kläger zur Löschung zu bringen. Nicht in Rechtskraft erwachsen sind die Gründe dafür, warum die Beklagte ein entsprechendes Anerkenntnis abgegeben hat, insbesondere ist nicht in Rechtskraft erwachsen, dass die streitgegenständliche Eintragung rechtswidrig gewesen sei.
2. Ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO ergibt sich insbesondere auch nicht für die verbleibende Zeit der Speicherung nach Erlass des Anerkenntnisurteils bis zur endgültigen Löschung.
a. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die für rund sieben Wochen fortlaufende Speicherung der Daten ab Erlass des vollstreckbaren Anerkenntnisurteils oder nach dessen Rechtskraft nunmehr eine rechtswidrige Datenverarbeitung i.S.d. Art 6 DS-GVO darstellte. Offenbleiben kann auch, ob in dem "bloßen Nichtstun" auf Seiten der Beklagten eine "Verarbeitung" der Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DS-GVO zu sehen ist, wofür sprechen könnte, dass jedenfalls nach der durch das Anerkenntnisurteil ausgesprochenen Verpflichtung, den Datensatz zur Löschung zu bringen, und der damit verbundenen Zäsurwirkung für die Speicherung das anschließende "Unterlassen" der Löschung einem aktiven Speichern entsprechen dürfte.
b. Denn es fehlt jedenfalls an dem für einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO vorausgesetzten materiellen oder immateriellen Schaden.
Zutreffend hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zwar herausgearbeitet, dass ein immaterieller Schaden in Form eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen auch darin liegen kann, dass für die Kreditwürdigkeit relevante Daten Dritten zur Verfügung gestellt und auf Anfrage potentiellen Kreditgebern übermittelt werden; insoweit kann auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden.
Der Senat hat jedoch seiner Entscheidung - wie ausgeführt -zugrunde zu legen, dass die ursprüngliche Speicherung der Daten durch die Beklagte rechtmäßig war. Ein kausaler immaterieller Schaden auf Seiten des Klägers wäre danach nur gegeben, wenn noch nach Erlass des Anerkenntnisurteils die für die Dauer von rund sieben Wochen weiterhin gespeicherten Daten in irgendeiner Form die Sphäre der Beklagten erneut verlassen und zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung geführt hätte, oder der Kläger andere Tatsachen vorgetragen hätte, die einen immateriellen Schaden gerade als Folge der unterlassenen Löschung der Daten nach Erlass des Anerkenntnisurteils begründen. Dies ist nicht der Fall.
Insoweit hat die Beklagte zwar erstinstanzlich eingeräumt, dass es nach Erlass des Anerkenntnisurteils vom 25. Januar 2021 noch zu einer Anfrage der C. AG am 5. Februar 2021 gekommen war. Die C. AG hatte jedoch bereits aufgrund einer vorherigen Abfrage Kenntnisse von der - damals - rechtmäßigen Eintragung betreffend den Kläger. Damit fehlt es jedenfalls an der Kausalität zwischen der fortlaufenden (nach vorstehenden Ausführungen erstmals rechtswidrigen) Speicherung der Daten für einen etwaigen materiellen oder immateriellen Schaden. Hinzu kommt, dass der Kläger selbst erstinstanzlich ausgeführt hat (Schriftsatz vom 19. Oktober 2021), dass er gerade wegen der Vorlage des Anerkenntnisurteils bei der C. im Februar 2021 - noch vor der endgültigen Löschung - eine Erweiterung der Betriebsmittelkreditlinie erreichen konnte. Die fortlaufende Speicherung hatte damit erkennbar keine Auswirkung für die Kreditwürdigkeit des Klägers. Dass die erneute Bekanntgabe des bei der C. AG bereits vorhandenen Wissens darüber hinaus eine immaterielle Beeinträchtigung ausgelöst hat, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Alleiniger Anknüpfungspunkt für einen immateriellen Schaden des Klägers könnte deswegen allein der Umstand sein, dass die Daten überhaupt bei der Beklagten weiterhin gespeichert waren. Eine solche Rechtsansicht würde aber dazu führen, dass die haftungsbegründenden Tatbestandsmerkmale des Art. 82 DS-GVO, nämlich zum einen der "Verstoß gegen diese Verordnung" und zum anderen die (darauf beruhende) Entstehung eines materiellen oder immateriellen Schadens, grundsätzlich zusammenfallen würden. Dies ist mit dem Wortlaut der DS-GVO nicht zu vereinbaren (zum Ganzen etwa Paal/Pauly/Frenzel, DS-GVO, 3. Aufl. 2021, Art. 82 Rn. 10ff).
C.
1. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
2. Es besteht weder Anlass dafür, die Revision zuzulassen noch, den Rechtsstreit dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen. Dass der Senat mit seinen Ausführungen zur Rechtskraftwirkung von Urteilen nicht von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweicht (und im Übrigen auch nicht - was allerdings rechtlich auch keine Rolle spielt - von der Einzelfallentscheidung des OLG München), hat der Senat bereits vorstehend ausgeführt. Es stellen sich entgegen der Auffassung des Klägers vorliegend auch keine rechtserheblichen europarechtlichen Fragen, die in der Instanzrechtsprechung und/oder Literatur unterschiedlich diskutiert werden.
Soweit der Beklagtenvertreter im - nach der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichten - Schriftsatz vom 7. Oktober 2022 darauf hingewiesen hat, dass in einer aktuellen Rechtssache vor dem Europäischen Gerichtshof (Aktenzeichen C-300/21) ausweislich der Schlussanträge des Generalsanwalts vom 6. Oktober 2022 zu entscheiden sei, ob allein der Verstoß gegen die Bestimmung der DS-GVO einen Schadensersatzanspruch begründet, zumindest aber zwangsläufig zu einem zumindest immateriellen Schaden führe, gibt auch dies dem Senat keinen Anlass, entweder die Revision zuzulassen oder aber die Sache dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung im Vorabentscheidungsverfahren vorzulegen. Denn eine Auslegung von Art. 82 DS-GVO dahingehend, dass ein Ersatzanspruch allein den Verstoß gegen die DS-GVO ohne Eintritt eines Schadens voraussetzt, ist mit dem Wortlaut nicht in Übereinstimmung zu bringen, weswegen eine Vorlage wegen Offenkundigkeit der richtigen Anwendung des Unionsrechts entbehrlich ist (vgl. BVerfGE 135, 155 [BVerfG 28.01.2014 - 2 BvR 1561/12], juris Rn. 178). Soweit in der vorgenannten Sache (EuGH C-300/21) daneben auch Fragen zur notwendigen Intensität eines immateriellen Schadens als Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch zu beantworten sind, unterscheidet sich der Sachverhalt vom hier zu entscheidenden Fall. Denn der Senat legt der Entscheidung zugrunde, dass der Kläger keinen (weiteren) immateriellen Schaden gerade durch die Fortdauer der Speicherung nach Erlass des Anerkenntnisurteils erlitten hat.