Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 07.11.2022, Az.: 7 U 951/21
Deliktischer Schadensersatzanspruch gegen den Fahrzeughersteller wegen behaupteter Abgasmanipulation; Zurückweisung der Berufung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.11.2022
- Aktenzeichen
- 7 U 951/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 66455
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 13.09.2021 - AZ: 19 O 71/21
Rechtsgrundlagen
- § 148 ZPO
- § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht .... am 7. November 2022 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Antrag des Klägers vom 14. September 2022 auf Aussetzung des Verfahrens wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 13. September 2021 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt von der beklagten Autoherstellerin deliktischen Schadensersatz wegen behaupteter Abgasmanipulation.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des erstinstanzlichen Parteivortrags, der getroffenen Feststellungen und der gestellten Anträge Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass keine deliktischen Schadensersatzansprüche gegeben seien. Unter II. 4. (Seite 9) heißt es:
"Darüber hinaus ist die Klage insgesamt unbegründet, da der Kläger den aktuellen Kilometerstand nicht mitgeteilt hat und damit eine Bemessung des Nutzungsersatzes nicht möglich ist Hierzu bedurfte es auch keines richterlichen Hinweises gem. § 139 ZPO, da dem Kläger - wie sich aus den Angaben seiner Prozessbevollmächtigten zum Protokoll vom 16. Juli 2021 (Bl. 182 d. A.) ergibt - bewusst war, dass der tagesaktuelle Kilometerstand in der mündlichen Verhandlung vorzulegen gewesen wäre Er hat ihn auch auf den Beschluss vom 6. August 2021 (Bl. 199 d. A.) nicht vorgelegt."
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungsschrift (Bl. 244 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 22.083,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssalz seit 27.01. 2021 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des PKW Typs BMW 530d, FIN: ....;
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 737,91 € Deliktszinsen zu zahlen Zug-um-Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des PKW Typs BMW 530d, FlN ....;
- 3.
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1 genannten Fahrzeuges seit dem 27.01.2021 in Verzug befindet;
- 4.
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.583,89 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 14. September 2022 (Bl. 546 ff. d. A.) hat der Kläger beantragt, das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-100/21 auszusetzen.
II.
Der Aussetzungsantrag des Klägers war zurückzuweisen.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit die Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus, also dass die Entscheidung in dem einen Rechtsstreit die Entscheidung des anderen rechtlich beeinflussen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - VIII ZB 54/11, juris Rn. 6).
Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Die Fragen in dem bei dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängigen Vorabentscheidungsverfahren sind für die hier zu treffende Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung nicht vorgreiflich (vgl. unten III.).
III.
Die Berufung des Klägers ist unzulässig. Sie genügt nicht den nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO an die Begründung zu stellenden Anforderungen.
1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Der Berufungskläger hat deshalb diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen er die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2019 - XI ZR 466/17, juris Rn. 13; Beschluss vom 7. Oktober 2021 - III ZB 50/20, juris Rn. 11; Beschluss vom 15. März 2022 - VIII ZB 43/21, juris Rn. 11). Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 2020 - IX ZB 62/18, juris Rn. 12 mwN; Beschluss vom 7. Oktober 2021 - III ZB 50/20, juris Rn. 20 mwN).
2. So liegt es hier. Das Landgericht hat die Klageabweisung darauf gestützt, dass die Klage, unabhängig davon, dass deliktische Anspruchsgrundlagen nicht erfüllt seien, bereits deshalb insgesamt unbegründet sei, weil der Kläger den aktuellen Kilometerstand nicht mitgeteilt habe, so dass die Bemessung des Nutzungsersatzes nicht möglich sei. Diesen, die Klageabweisung selbständig tragenden Gesichtspunkt, greift der Kläger in der Berufungsbegründung nicht auf, sondern befasst sich allein mit den vom Landgericht verneinten deliktischen Anspruchsgrundlagen.
3. Der Kläger ist mit Beschluss vom 21. September 2022 (Bl. 584 ff. d. A.) auf die Absicht des Senates, seine Berufung als unzulässig zu verwerfen, hingewiesen worden. Von der ihm eröffneten Gelegenheit zur Stellungnahme hat er keinen Gebrauch gemacht. Der Schriftsatz vom 2. November 2022 (Bl. 596 ff. d. A.) beschäftigt sich inhaltlich nicht mit den erteilten Hinweisen. Nach nochmaliger Überprüfung in der geänderten Besetzung hält der Senat an seiner im Beschluss vom 21. September 2022 dargelegten Rechtsauffassung fest.