Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.11.2022, Az.: 9 U 70/22

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
28.11.2022
Aktenzeichen
9 U 70/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 62641
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 12.07.2022 - AZ: 9 O 142/21

In dem Rechtsstreit
S. S., ...,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt J., ...,
gegen
Rechtsanwalt F. S. als Insolvenzverwalter ..., ...,
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro B., ...,
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 28. November 2022 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. Juli 2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird einstimmig zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

  3. 3.

    Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... Wohnbaugenossenschaft eG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) die Beklagte auf Einzahlung auf von dieser übernommene Genossenschaftsanteile in Anspruch.

Die Beklagte übernahm mit Beitrittserklärung vom 16. Dezember 2011 (Anlage K 2, wie alle nicht anders gekennzeichneten, vom Kläger vorgelegten Anlagen im "Anlagenband Kläger") einen Pflichtanteil und 99 weitere Geschäftsanteile zu jeweils € 100,- an der Insolvenzschuldnerin. Der sich daraus ergebende Gesamtbetrag in Höhe von € 10.000,- zzgl. einer sogenannten Abschlussgebühr in Höhe von € 1.142,86 (in der Beitrittserklärung gerundet auf € 1.143,-) sollte der Beklagten bei monatlichen Zahlungen in Höhe von € 40,- auf 250 Monate gestundet werden.

Die Beklagte leistete Zahlungen in Höhe von insgesamt € 4.060,-, die zunächst auf die Abschlussgebühr verrechnet wurden.

Am 1. August 2018 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet; der Kläger wurde im Oktober 2018 zum Insolvenzverwalter bestellt. Er nimmt die Beklagte nunmehr auf Zahlung wegen sämtlicher von dieser übernommener Genossenschaftsanteile in Anspruch. Unter Berücksichtigung der bereits geleisteten, in Höhe von € 1.142,86 jedoch zunächst mit der Abschlussgebühr verrechneten Zahlungen der Beklagten auf die Genossenschaftsanteile in Höhe von (€ 4.060,00 - € 1.142,86 =) € 2.917,14 macht er mit seiner Klage die Differenz zum Gesamtbetrag der von der Beklagten übernommenen Anteile (€ 10.000,-) in Höhe von € 7.082,86 geltend.

Das Landgericht, auf dessen Urteil (Bl. 89 ff. d.A.) wegen der näheren Einzelheiten der tatbestandlichen Feststellungen, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat die Beklagte in voller Höhe zur Zahlung verurteilt. Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, die Stundungsvereinbarung sei gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 15b Abs. 2 GenG nichtig. Zwar führe dies gemäß § 139 BGB zur Nichtigkeit des Genossenschaftsbeitritts der Beklagten insgesamt. Vor dem Hintergrund der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft sei die Beklagte aber gleichwohl wie ein Genosse zu behandeln, weshalb sie zur Zahlung auf ihre Anteile verpflichtet sei.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese ihr erstinstanzliches Ziel vollständiger Klagabweisung weiterverfolgt. Sie macht im Wesentlichen geltend, es könne schon kein wirksamer Beitritt durch sie zur Insolvenzschuldnerin festgestellt werden. Jedenfalls aber müsse ihre Beitrittserklärung dahin ausgelegt werden, dass nicht eine sofortige, sondern lediglich eine sukzessive Übernahme der darin bezeichneten 99 weiteren Anteile beabsichtigt gewesen sei. Schließlich werde ihre Einzahlung nicht für die Befriedigung von Gläubigern der Insolvenzschuldnerin benötigt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 6. Oktober 2022 (Bl. 134 ff. d.A.), auf den Bezug genommen wird, auf seine Absicht hingewiesen, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, und der Beklagten insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, von der diese mit Schriftsatz vom 18. November 2022 (Bl. 155 ff. d.A.) Gebrauch gemacht hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird neben der angefochtenen Entscheidung auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist jedoch gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert, eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist und das Rechtsmittel schließlich auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet.

Zur Begründung verweist der Senat zunächst gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO auf seinen Hinweisbeschluss vom 6. Oktober 2022, dessen Erwägungen durch die dazu abgegebene Stellungnahme vom 18. November 2022 nicht entkräftet werden. Die Stellungnahme befasst sich mit den meisten der mit der Berufungsbegründung zunächst erhobenen Rügen und den Gründen, aus denen der Senat diese in seinem Hinweisbeschluss vom 6. Oktober 2022 als nicht durchgreifend erachtet hat, nicht (mehr), sondern hält mit umfangreichen Ausführungen allein an dem Einwand fest, der Kläger sei deshalb nicht zur Geltendmachung des Anspruchs auf die rückständigen Pflichteinzahlungen befugt, weil diese Gelder nicht zur Befriedigung von Drittgläubigern benötigt würden. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten gehen indes fehl. Insoweit ist lediglich Folgendes noch zu bemerken:

Die Beklagte verschließt sich dem vom Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 6. Oktober 2022 unter Nr. II.4 (S. 5 f., Bl. 138 f. d.A.) betonten Umstand, dass die von ihr insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes deshalb nicht einschlägig ist, weil sie zur Außenhaftung des Kommanditisten ergangen ist. Darum geht es hier indes nicht. Gegenstand des Streitfalls ist vielmehr die von der Außenhaftung des Kommanditisten gänzlich verschiedene Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung auf von ihr übernommene Geschäftsanteile. Der entsprechende Anspruch ist - nachdem die getroffene Stundungsabrede aus den im Hinweisbeschluss genannten Gründen unwirksam ist - unmittelbar mit dem Beitritt der Beklagten zur Insolvenzschuldnerin (und damit lange vor Insolvenzeintritt) in voller Höhe fällig geworden. Dass der Insolvenzverwalter (hier mithin der Kläger) diesen Anspruch geltend machen kann, ist in Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2009 - II ZR 138/08 - juris Rn. 17; RG, Urteil vom 15. Januar 192 - II 245/31 -, RGZ 135, 55, hier 60/61; OLG Stuttgart, Urteil vom 12. Oktober 2022 - 20 U 25/22 -, juris Rn. 55) und Literatur (vgl. MünchKomm/Peters, InsO, 4. Aufl. 2019, § 35 Rn. 247; Uhlenbruck/Hirte/Praß, InsO, 15. Aufl. 2019, § 35 Rn. 348) anerkannt und damit entgegen der Auffassung der Beklagten hinlänglich geklärt. Die Beklagte ist daher zur Zahlung verpflichtet (im Ergebnis für offenbar dieselbe, jedenfalls aber eine vergleichbare Konstellation wie im Streitfall ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 12. Oktober 2022 - 20 U 25/22 -, juris).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.