Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 26.10.2022, Az.: 14 U 102/21

Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall; Anscheinsbeweis für eine Vorfahrtverletzung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.10.2022
Aktenzeichen
14 U 102/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 70780
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 02.06.2021 - AZ: 11 O 315/17

In dem Rechtsstreit
1. S.-B. S., ...,
2. ... Versicherung, ...,
Beklagte und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Anwaltsbüro ...
gegen
S. A., ...,
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 02. Juni 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover - 11 O 315/17 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.765,38 € festgesetzt.

[Gründe]

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 27. September 2017 auf der G.straße in H. ereignete.

Der Kläger rechnet fiktiv ab, eine vollständige und fachgerechte Reparatur hat er nicht behauptet und war der Meinung, dass dies auch nicht erforderlich sei. Die Durchführung einer Reparatur ist unstreitig. Die Beklagten behaupten insbesondere einen manipulierten Unfall.

Mit am 02. Juni 2021 verkündeten Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und der erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht nach Anhörung der Parteien und Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten zur Höhe der Reparaturkosten die Beklagten zur Zahlung in Höhe von 20.866,19 €, Freistellung von vorgerichtlichen Sachverständigenkosten in Höhe vom 1.899,12 € sowie Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,84 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen (restliche Reparaturkosten in Höhe von 614,04 €) abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, nach der persönlichen Anhörung der Parteien sei die Kammer überzeugt, dass sich der Unfall wie vom Kläger vorgetragen ereignet habe. Die Beklagte zu 1. habe aus Unachtsamkeit den vorfahrtsberechtigten Kläger übersehen. Hinreichende Anzeichen für eine Unfallmanipulation lägen nicht vor. Die Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens sei nicht geboten, da das Unfallgeschehen bereits mit der Anhörung aufgeklärt sei (Seite 5 f. LGU). Die Höhe des Schadens ergebe sich aus dem eingeholten Sachverständigengutachten. Hinsichtlich der außergerichtlichen Sachverständigenkosten könne lediglich Freistellung verlangt werden.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Begehren, die Klage insgesamt abzuweisen, weiterverfolgen. Sie führen insbesondere aus, das Landgericht habe sich nicht hinreichend mit dem Einwand eines manipulierten Verkehrsunfalls auseinandergesetzt, wonach der Kläger die Verkehrssituation zur Verursachung eines hohen Schadens ausgenutzt habe. Hierfür sprächen die fiktive Abrechnung und das Fehlen einer Reparaturkostenrechnung. Der Kläger hätte den Unfall abwenden können. Für eine Manipulation spreche auch, dass Schäden geltend gemacht würden, die nicht unfallursächlich seien. Schäden am hinteren rechten Seitenteil seien nicht zu berücksichtigen gewesen. Insoweit habe das Gericht den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Der Unfallablauf sei nicht plausibel, weil das Beklagtenfahrzeug deutlich erkennbar gewesen sei. Die Beklagte habe das Fahrzeug des Klägers hingegen nicht sehen können. Für manipulierte Unfälle sei es typisch, dass die ausgenutzten Unfallopfer ihre Schuld einräumen würden. Die polizeiliche Unfallaufnahme spreche nicht gegen einen manipulierten Unfall, ebenso wenig die Anwesenheit der 3-jährigen Tochter im Auto des Klägers, da die Schäden nur auf der Seite des Fahrzeugs seien. Im Übrigen belege der vom Sachverständigen bestätigte Nettoschaden von 17.706,94 Euro den Manipulationsvorwurf, weil dieser um 1.616,28 € geringer sei als die Klageforderung. In solchen Konstellationen hätten die Oberlandesgerichte Frankfurt und Göttingen Klagen wegen gezielter Herbeiführung des Unfalls abgewiesen. Zudem habe das Landgericht fälschlicherweise Reparaturkosten von 18.709,18 € angenommen. Rechnungen habe der Kläger nicht vorgelegt, sodass davon auszugehen sei, dass er an dem Streifschaden exorbitanten Gewinn erzielt habe. Dass der Sachverständige noch nicht bezahlt sei, sei ebenso ein typisches Manipulationsindiz, wie die Rechtsschutzversicherung des Klägers. Eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis sei nicht zulässig gewesen, weil nach dem Privatgutachten der Beklagten ein Totalschaden vorläge und die vom Landgericht herangezogene Weiternutzung nicht nachgewiesen sei. Scheckheftpflege und Nutzungsausfall seien nicht belegt worden. Die Wertminderung sei bestritten worden. Eine Freistellung von Sachverständigenkosten sei nicht beantragt gewesen.

Die Beklagten beantragen,

dass das Urteil des Landgerichts Hannover vom 02.06.2021, Aktenzeichen: 11 O 315/17, zugestellt am 04.06.2021 abgeändert und die Klage abgewiesen wird.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil gegen die Angriffe der Berufung. Das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten zeige, dass die Vorwürfe haltlos seien.

Der Senat hat mit Beschluss vom 28. Juli 2021 Beweis durch die Einholung eines schriftlichen unfallanalytischen Sachverständigengutachtens gemäß § 358a ZPO erhoben (Bl. 397 f. d. A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Dipl.-Ing. K.-H. M. vom 10. Mai 2022 (in der Aktenlasche Bd. III) sowie dessen mündliche Erläuterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. September 2022 Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Dem Kläger steht gegenüber den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 27. September 2017 aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG i. V. m. § 3 PflichtVersG in Höhe des erstinstanzlich dem Kläger zugesprochenen Betrages von 20.866,18 € nebst Freistellung von Sachverständigenkosten in Höhe von 1.899,12 € zu.

Auch nach Auffassung des Senats haben die Beklagten wegen des schwerwiegenden Vorfahrtsverstoßes der Beklagten zu 1. gemäß §§ 8 Abs. 2, 41 Abs. 1 StVO für die Unfallfolgen allein einzustehen.

Der Verkehrsunfall hat sich bei dem Betrieb des Pkw des Klägers und des durch die Beklagte zu 1. gefahrenen Pkw ereignet. Die tatsächlichen Voraussetzungen eines Ausschlusses der Haftung aufgrund höherer Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) oder eines unabwendbaren Ereignisses (§ 17 Abs. 3 StVG) sind nicht erwiesen. Damit sind die beiderseitigen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG unter Berücksichtigung der Betriebsgefahren gegeneinander abzuwägen. In dieser Abwägung sind ausschließlich unstreitige oder erwiesene Tatsachen zu berücksichtigen.

a) Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung ist zulasten der Beklagten ein Verstoß gegen §§ 8 Abs. 2, 41 Abs. 1 StVO als Verursachungsbeitrag zu berücksichtigen.

Für die von rechts auf die G.straße einfahrenden Fahrzeuge war mittels des dort aufgestellten Verkehrszeichens Nr. 205 (Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) das Gebot angeordnet, Vorfahrt zu gewähren.

Der Wartepflichtige, der in eine Vorfahrtstraße einbiegen will, unterliegt einer gesteigerten Sorgfaltspflicht. Von ihm wird verlangt, dass er mit Misstrauen in die Vorfahrtstraße einfährt und im Zweifel wartet (BGH, Urteil vom 26. September 1995 - VI ZR 151/94, r + s 1995, 452, 453; KG Urt. v. 15. Januar 1996 - 12 U 304/95, BeckRS 2013, 21871, jeweils beck-online). Der Vorfahrtsberechtigte verliert sein Vorfahrtsrecht nicht, selbst wenn er verkehrswidrig zu schnell fährt (BGH, Urteil vom 14.02.1984 - VI ZR 229/82, Rn. 13, juris). Er darf auch darauf vertrauen, dass sein Vorrecht auf ungehinderte Vorbeifahrt beachtet wird (st. Rspr. BGH, Urteil vom 04.02.1953 - VI ZR 70/52, Rn. 9 mwN, juris). Bei einem Zusammenstoß zwischen zwei Kraftfahrzeugen auf einer vorfahrtgeregelten Kreuzung oder Einmündung spricht der Anscheinsbeweis für eine Vorfahrtverletzung des Wartepflichtigen (BGH, Urteil vom 15. Juni 1982 - VI ZR 119/81, Rn. 11, juris; BGH, Urteil vom 18. November 1975 - VI ZR 172/74 Rn. 22, juris; KG, aaO).

Diesen Anscheinsbeweis haben die Beklagten auch mit dem durch den Senat eingeholten Unfallrekonstruktionsgutachten des Dipl.-Ing. K.-H. M. vom 10. Mai 2022 nicht erschüttern können. Daraus ist vielmehr der Vorfahrtsverstoß der Beklagten zu 1. bewiesen.

Insbesondere haben die Beklagten eine überhöhte Geschwindigkeit des Klägers, insbesondere ein Beschleunigen vor dem Unfall auf ca. 80 km/h, als Unfallursache nicht bewiesen

Der Sachverständige hat den vom Kläger in der Klageschrift vorgetragenen Unfallhergang, dass die Beklagte zu 1. auf die G.straße gefahren sei, ohne den Kläger zu beachten, bestätigt. Der Sachverständige hat festgestellt, dass die Kollision auf der Fahrspur des Klägers stattgefunden hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger stark beschleunigt hätte, ergeben sich aus dem Gutachten nicht. Vielmehr sei dieser lediglich mit einer Geschwindigkeit von ca. 55 km/h gefahren. Der Sachverständige hat unter Darstellung der Brems- und Reaktionszeiten auch überzeugend dargestellt, dass der Unfall bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ebenso geschehen wäre (Seite 16 f. das Gutachten). Auf die Einwendungen der Beklagten im Schriftsatz vom 04. Juli 2022 hat der Sachverständige sein Gutachten im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2022 anhand von Lichtbildern der unfallbeschädigten Pkw und der Unfallstelle, die an der Wand des Gerichtssaals für alle sichtbar gezeigt wurden, erläutert. Außerdem wurde eine Präsentation des Unfallverlaufes vorgeführt. Der Sachverständige hat unter Bezugnahme auf die mit den Lichtbildern dokumentierten Beschädigungen der Fahrzeuge erklärt, dass sich nach dem Unfallverlauf eine Kollisionsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs von 25 km/h feststellen lasse, beim Klägerfahrzeug von 55 km/h. Es habe EES Werte von 10 bis 15 km/h bei der Kollision gegeben sowie mehrfacher Anstöße zwischen den Fahrzeugen.

Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen nach eigener kritischer Würdigung uneingeschränkt an. An der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen bestehen keine Zweifel. Dieser hat unter Mitteilung der von ihm verwendeten Unterlagen, Beschreibung der Unfallspuren und Fahrzeugbeschädigungen den Unfall mithilfe des Computerprogramms "Carat" (unter Mitteilung der hierbei angesetzten Daten) detailliert analysiert. Die Ergebnisse sind dabei grafisch gut veranschaulicht. Insbesondere nach den dargestellten Schadensbildern und Auslaufbewegungen der Fahrzeuge sowie den Ergebnissen des Radkontaktspurenmodells des Computerprogramms "PC-Crash" sind die Ausführungen zu einer Kollisionsgeschwindigkeit des Klägerfahrzeugs von 55 km/h nicht in Zweifel ziehen. Der Sachverständige M. ist dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren als besonders gewissenhaft und sorgfältig bekannt.

b) Danach ist auch die vom Landgericht angenommene Alleinhaftung der Beklagten nicht zu beanstanden. Schon bei einem "normalen" Vorfahrtsverstoß ist in der Regel von der Alleinhaftung des Wartepflichtigen auszugehen (Senat, Urteil vom 20. Oktober 2010 - 14 U 47/10, Rn. 43, juris; König, in: König/Hentschel/Dauer, 46. Aufl., § 8 StVO, Rn. 69; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 16. Aufl., Rn. 8 Vorbemerkung mwN). Vorliegend sind keine Umstände ersichtlich, die ein Mitverschulden oder eine erhöhte Betriebsgefahr auf Seiten des Klägers zur vollen gerichtlichen Überzeugung (§ 286 ZPO) erkennen ließen.

Macht der Wartepflichtige eine Mithaftung des bevorrechtigten Verkehrsteilnehmers geltend, so muss er darlegen und beweisen, dass der andere sich infolge überhöhter Geschwindigkeit außer Stande gesetzt hat, unfallverhütend zu reagieren oder genügend Zeit hatte, sich auf das Verhalten des Wartepflichtigen einzustellen (KG Berlin, Beschluss vom 27. März 2008 - 12 U 235/07, juris Rn. 25 mwN).

Auch eine geringe Geschwindigkeitsüberschreitung des Klägers führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Der Sachverständige M. hat zur Vermeidbarkeit des Unfalls ausgeführt, dass nicht nachweisbar sei, dass bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit der Unfall noch hätte vermieden werden können (s. o.). Soweit das OLG Stuttgart (Urteil vom 02. September 1981 - 1 U 26/81, VersR 1982, 782) bereits bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von [wenigstens] 5 km/h eine Mithaftung angenommen hat und auch das OLG Köln hierfür eine geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitung ausreichen ließ (Urteil vom 21. März 1991 - 1 U 55/90, Rn. 10 f, juris), kommt dem für den vorliegenden Fall keine Bedeutung zu. Der Sachverständige M. hat nämlich im vorliegenden Fall festgestellt, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht unfallursächlich gewesen sei und der Unfall sich bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ebenso ereignet hätte. Ist die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht unfallursächlich, entfällt auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein Verschulden (BGH, Urteil vom 16. Februar 1982 - VI ZR 292/80, Rn. 12, juris, dort Überschreitung um 10 km/h).

Dass der Kläger bei gehöriger Aufmerksamkeit, das Fahrzeug der Beklagten während des Herannahens durchaus hätte wahrnehmen können, führt in der vorliegenden Konstellation nicht zu einer Mithaftung. Dabei sei nach den Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten (S. 17 f) und den mündlichen Erläuterungen das von rechts heranfahrende Beklagtenfahrzeug vor dem Unfall für den Kläger sichtbar gewesen. Dieser habe aber zunächst auf seine Vorfahrt vertrauen dürfen. Der Moment, in dem der Kläger als Vorfahrtsberechtigter habe erkennen können, dass das Beklagtenfahrzeug nicht hält, sondern unmittelbar auf die Straße, auf der sich der Kläger befand, einzufahren gedenkt, liege nach seinen Berechnungen bei etwa 1 Sekunde vor der Kollision. Auch bei einer angenommenen Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h aus und einer sofortigen Reaktion des Klägers ergebe sich immer noch eine Kollision. Die Kollision wäre dann allerdings ein leichterer Streifschaden gewesen. Hätte das Klägerfahrzeug dazu noch nach links weggelenkt, wäre bei dieser Konstellation der Kontakt zwischen den Fahrzeugen sogar ganz vermeidbar gewesen. Feststellbar sei nur, dass der Kläger jedenfalls im Kollisionsmoment bzw. ganz kurz davor durchaus eine Bremsung eingeleitet habe. Diese sei bei der Kollision dann nicht mehr wirksam geworden, sondern eben erst danach, wie die Auslaufbewegungen zeigten.

Auch insoweit schließt sich der Senat den einleuchtenden Ausführungen des Sachverständigen nach eigener kritischer Prüfung vollumfänglich an. Danach wäre es auch bei sofortiger Reaktion des Klägers zu einer Kollision gekommen, wobei die Aufforderung zur Reaktion hier mit 1 Sekunde vor der Kollision - auch bei aufmerksamer Fahrweise - sehr spät erfolgt ist. Ein Ausweichen des Klägers zur Vermeidung der Kollision wäre vorliegend, soweit in der kurzen Reaktionszeit überhaupt möglich, jedenfalls im Hinblick auf die Verkehrssituation nicht zumutbar gewesen. Denn es hätte für den Kläger die Gefahr bestanden, mit seinem Fahrzeug in die Gegenfahrbahn, eine Abbiegerspur, zu geraten, wie aus den Lichtbildern ersichtlich ist. Dabei ist nach dem Sachverständigengutachten zwar bewiesen, dass der Kläger das Beklagtenfahrzeug vor der Kollision hätte wahrnehmen können, nicht jedoch, dass dieser es tatsächlich frühzeitig wahrgenommen hat. Dabei konnte der Kläger jedenfalls erst 1 Sekunde vor der Kollision erkennen, dass das Beklagtenfahrzeug ihm die Vorfahrt nehmen werde. Nach den Darstellungen im Gutachten steht weiter fest, dass die Beklagte zu 1. das Klägerfahrzeug vor der Kollision ebenfalls hätte wahrnehmen und zwanglos die Vorfahrt hätte gewähren können. Diese hat insofern im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Landgericht auch eingeräumt, vor dem Einfahren in die Fahrspur des Klägers nicht nach links geschaut zu haben, sondern nur während sie an der Ampel vor der Auffahrt gewartet habe.

Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 StVO hätte die Beklagte zu 1. nur weiterfahren dürfen, als sie übersehen konnte, dass ein Vorfahrtberechtigter weder gefährdet noch wesentlich behindert wird. Diesen Anforderungen ist sie, wie bereits der Umstand der Kollision der Fahrzeuge zeigt, nicht gerecht geworden. Dabei ist der Vorfahrtsverstoß der Beklagten zu 1. nach dem eingeholten Gutachten bewiesen (s.o.). Dem Kläger ist dagegen lediglich vorzuwerfen, dass er nicht ganz mit der gebotenen Aufmerksamkeit gefahren und nicht sofort reagiert hat, was, wie ausgeführt, die Kollision auch nicht vermieden hätte. Die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs tritt hier deshalb hinter dem erheblichen Verschulden der Beklagten zu 1. vollständig zurück.

c) Die Beklagten haben einen manipulierten bzw. ausgenutzten Verkehrsunfall nicht bewiesen.

Die Einwendung der Beklagten, der Kläger sei mit der Verletzung seines Rechtsguts einverstanden gewesen, ist vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer darzutun und - nach § 286 ZPO - zu beweisen (BGH, Urteil vom 01. Oktober 2019 - VI ZR 164/18, Rn. 7, juris mwN).

Zunächst kann auf die zutreffende Würdigung des Landgerichtes verwiesen werden. Entgegen der Behauptung der Berufungsbegründung hat das Landgericht auf Seite 5 und 6 des Urteils eine ausführliche und im Ergebnis auch zutreffende Würdigung der vorliegenden Indizien vorgenommen. Im Folgenden beschränkt sich die Berufungsbegründung lediglich in nicht erheblicher Weise darauf, ihre eigene Würdigung an die Stelle der Würdigung des Landgerichts zu setzen. Diese Würdigung vermag auch der erkennende Senat nicht zu teilen.

Der Senat ist unter Würdigung sämtlicher Umstände vorliegend überzeugt, dass kein manipulierter bzw. ausgenutzter Unfall durch den Kläger vorliegt. Der Unfall hat von vorneherein das Gepräge einer normalen Vorfahrtsverletzung der Beklagten zu 1 Die von den Beklagten vorgetragenen Indizien betreffen - soweit sie anerkannt werden können - lediglich allgemeine und unspezifische Umstände, die regelmäßig - auch in ihrer Kombination - bei "echten" Unfällen vorkommen. Schwerwiegende Indizien, die eindeutig auf eine Manipulation hindeuten, liegen nicht vor, wohl aber schwerwiegende Indizien, die dagegensprechen.

aa) Zutreffend ist lediglich der Einwand der Beklagten, dass der Kläger die Beklagte zu 1 hätte sehen müssen, was der Sachverständige M. in seinem Gutachten auch überzeugend bestätigt hat (Seite 17). Dies gibt jedoch noch keinen Anlass, einen manipulierten Unfall anzunehmen, zumal der Kläger darauf vertrauen durfte, dass die Beklagte zu 1. sein Vorfahrtsrecht wahren würde. Dass er in dem Moment, als er erkannte, dass die Beklagte zu 1 seine Vorfahrt verletzen könnte, nicht umgehend reagiert hat, kann ohne weiteres auf Unaufmerksamkeit zurückzuführen sein, wobei die Reaktionsaufforderung erst sehr spät, nämlich erst 1 Sekunde vor dem Unfall erfolgte. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. Das Übersehen des Unfallgegners ist dabei ein typischer Hergang für einen normalen Unfall und kein gewichtiges Indiz, wie die Beklagte meint.

bb) Dass der Kläger wenige Tage vor dem Unfall einen Vorschaden erlitten hat, mag ungewöhnlich sein und daher auch als mögliches Indiz für eine Unfallmanipulation berücksichtigt werden, genügt aber vorliegend nicht. So hat der Kläger diesen leichten unreparierten Schaden bei der Begutachtung offen eingeräumt. In der mündlichen persönlichen Anhörung vor dem Landgericht hat der Kläger auch plausibel und unbestritten mitgeteilt, dass es sich um einen Kratzer an der Stoßstange gehandelt habe, den ein Nachbar am abgestellten Fahrzeug verursacht habe. Hieraus ergibt sich nach Art und Umfang des Vorschadens kein typischer manipulierter Unfall.

cc) Nicht überzeugend ist es, die geringe Reparaturkostendifferenz von weniger als 10 % der hohen Gesamtsumme als Indiz für eine Unfallmanipulation zu sehen. Die Ersatzfähigkeit der betroffenen Positionen war u. a. von der technischen Frage abhängig, bei welchen Profiltiefenunterschieden Reifen gewechselt werden müssen und inwieweit Kleinteile bereits lackiert geliefert werden. Zu keiner Zeit ging es darum, nicht vorhandene oder nicht unfallursächliche Schäden geltend zu machen.

Auch die weiteren Behauptungen der Beklagten, es seien Schäden geltend gemacht worden, die nicht unfallkausal seien, sind haltlos. Denn jedenfalls ergibt sich aus dem gerichtlichen Unfallrekonstruktionsgutachten vom 10. Mai 2022, dass es sich um unfallkausale Schäden handelt. Danach seien die Anstoßspuren an der rechten hinteren Flanke des Klägerfahrzeuges im Bereich des Radausschnitts und am Beklagtenfahrzeug hinter dem linken Hinterrad einer Sekundärberührung zuzuordnen: Durch den Erstkontakt sei das Beklagtenfahrzeug um die Hochachse im Uhrzeigersinn versetzt und das Heck des Fahrzeuges dann nach links zum Pkw des Klägers geschwenkt worden (Seite 10 des Gutachtens). Die Anstoßkonstellation wird auf Seite 11 des Gutachtens veranschaulicht, und die technischen Ausführungen, die der Sachverständige im Termin nochmal dargestellt und erläutert hat, sind ohne weiteres nachvollziehbar und überzeugend. Einwände von den Parteien werden hiergegen nicht erhoben.

dd) Für einen manipulierten Unfall können das Schadensbild eines ausgedehnten Streifschadens sowie dass es sich um ein Luxusfahrzeug handelt, bei dem in Fachwerkstätten hohe Reparaturkosten anfallen, sprechen. Dies gilt jedoch nicht pauschal. Im vorliegenden Fall kommt diesen Umständen keine entscheidende Bedeutung zu. Für Manipulationen sind insbesondere ältere Luxusfahrzeuge mit hohem Laufleistungen attraktiv, bei denen im Verhältnis zum Wert hohe Reparaturkosten generiert werden können, gerade bei ausgedehnten oberflächlichen Schäden, die in günstigen Werkstätten optisch zu geringen Kosten ausgeglichen werden können. Das Fahrzeug des Klägers hatte jedoch unstreitig einen erheblichen Wiederbeschaffungswert von 31.000 € und war zum Unfallzeitpunkt erst 4 Jahre zugelassen mit einer überschaubaren Laufleistung von 48.921 km. Dies ist gerade nicht typisch für manipulierte Unfälle. Der ausgedehnte Streifschaden nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen M. durch einen Sekundäranstoß infolge des Primäranstoßes verursacht, wie bereits dargelegt. Es erscheint ausgeschlossen, dass der Kläger ein Zurückschlagen des Beklagtenfahrzeuges aufgrund der durch den Primäranstoß verursachten Rotationsbewegung voraussehen konnte. Noch unwahrscheinlicher ist, dass solche Kräfte so präzise ausgenutzt werden, dass das bis dato unbeschädigte hintere Seitenteil getroffen wird.

ee) Ebenso wenig genügt die fiktive Abrechnung ohne Vorlage einer Rechnung. Zwar ist die fiktive Abrechnung bei manipulierten Unfällen durchaus typisch, es liegt aber im Wesen der fiktiven Abrechnung, dass nicht repariert werden und auch keine Rechnung vorgelegt werden muss. Insoweit handelt es sich nur um ein schwaches Indiz.

ff) Für einen manipulierten Unfall spricht auch nicht, dass der Kläger seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht offengelegt hat, was die Beklagten wiederholt geltend machen. Hierzu besteht weder eine Verpflichtung, was die Beklagten selbst einräumen, noch ein nachvollziehbarer Anlass. Ebenso wenig bildet der Umstand, dass der Kläger rechtsschutzversichert ist, ein Indiz für einen manipulierten Unfall. Gleiches gilt für den Umstand, dass er die Rechnung des Sachverständigen noch nicht bezahlt hat.

gg) Nicht für, sondern gegen eine Manipulation spricht, dass der Kläger der Beklagten die Begutachtung durch einen vereidigten Sachverständigen angeboten hat. Dass er sich auf einen Sachverständigen aus dem Lager der Beklagten nicht einlassen wollte, ist nachvollziehbar.

hh) Die Einräumung der Schuld der Beklagten zu 1 am Unfallort dürfte in diesem Fall eher gegen als für eine Manipulation sprechen, da sich die Unfallbeteiligten nicht kannten und die Beklagte zu 1. tatsächlich die Schuld an dem Unfall trug (s.o.). Gleiches gilt für den ambivalenten Umstand, dass der Unfall polizeilich aufgenommen wurde. Auch dies dürfte eher gegen eine Manipulation sprechen. Anders als beim abgesprochenen Unfall müsste der Schädiger in der vorliegenden Situation eines ausgenutzten Unfalls damit rechnen, dass der Unfallgegner ihm doch die Schuld gibt und die Polizei zu entsprechender Spurensicherung und Protokollierung veranlasst.

ii) Nicht zielführend ist der Verweis der Beklagten auf die Entscheidung des OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Juni 2004 - 16 U 195/03, Rn. 23, juris, da hier keine falschen Angaben zum Unfallverlauf und zu den Unfallfolgen vorliegen, sondern die Angaben des Klägers insgesamt plausibel und überwiegend sachverständig bestätigt worden sind. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. Der Verweis auf eine Entscheidung des "OLG Göttingen" ohne Aktenzeichen, Datum oder Fundstelle ist demgegenüber ein offenkundiges Versehen.

ii) Letztlich spricht die Unfallkonstellation vorliegend stark gegen einen absichtlich herbeigeführten Unfall. Der Sachverständige hat entgegen der von der Beklagten zunächst aufgestellten Behauptung, der Kläger habe auf 80 km/h beschleunigt, um das Beklagtenfahrzeug zu rammen, eine Kollisionsgeschwindigkeit von 55 km/h für das Klägerfahrzeug festgestellt und dieses Ergebnis überzeugend begründet (s.o.). Die geringe Steuerbarkeit der Schäden und die erhebliche eigene Verletzungsgefahr bei einer Kollisionsgeschwindigkeit von 55 km/h (oder gar wie zunächst von den Beklagten behauptet von 80 km/h), sprechen gerade gegen eine absichtliche Herbeiführung eines Unfalls. Unbeherrschbarkeit und besondere Gefahrenträchtigkeit eines Unfallhergangs können anerkanntermaßen gewichtige Umstände sein, die gegen einen gestellten Unfall sprechen (OLG Köln, Urteil vom 22. April 2015 - I-11 U 154/14, Rn. 10, juris; Jahnke, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, 27. Aufl., VVG § 103 Rn. 35a). Dies gilt im vorliegenden Fall ganz besonders, da der Kläger zusätzlich seine auf dem Beifahrersitz befindliche dreijährige Tochter erheblich gefährdet hätte. Hier kam es nach den bereits dargestellten Ausführungen des Sachverständigen zu insgesamt sogar drei Anstößen, die so nicht vorhersehbar und kontrollierbar waren.

d) Auch zur Schadenshöhe hat die Berufung keinen Erfolg.

aa) Das Landgericht hat die ersatzfähigen Nettoreparaturkosten zutreffend ermittelt. Es liegt hinsichtlich der vom Landgericht auf Basis des eingeholten Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. M. K. vom 10. Oktober 2019 ermittelten unfallbedingten Reparaturkosten in Höhe von 18.709,18 € kein Übertragungsfehler vor. Denn insofern übersieht die Berufung, dass der Sachverständige K. bei seiner Kalkulation der Reparaturkosten in Höhe von 17.706,94 € netto die niedrigeren Stundenverrechnungssätze einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt zu Grunde gelegt und dies im Weiteren der juristischen Würdigung überlassen hat (S. 10 des Gutachten K.). Hier waren aber die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt in Ansatz zu bringen, so dass das Landgericht in seiner Berechnung zutreffend die Verrechnungssätze der Fachwertstatt und im Übrigen für die Stunden und Teile die Berechnung des Sachverständigen K. angesetzt und so die ausgeurteilten Nettoreparaturkosten in Höhe von 18.798,18 € ausgeurteilt hat. Dieser Rechenweg ergibt sich aus dem landgerichtlichen Urteil, dort S. 7. Die Verrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt waren nach den vorgelegten Privatgutachten der Parteien nicht streitig.

Dabei war der Ansatz der Verrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt vorliegend auch zutreffend. Der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, darf der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 juris, Rn. 7; Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl., § 249, Rn.24). Der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region repräsentiert als statistisch ermittelte Rechengröße nicht den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag (BGH, Urteil vom 29. April 2003, juris, Rn. 13): Abgesehen von einem unzumutbaren Aufwand für den Geschädigten folgt dies bereits daraus, dass zum einen der Schädiger zur vollständigen Behebung des Schadens unabhängig von den wirtschaftlichen Dispositionen des Geschädigten verpflichtet ist, zum anderen würde bei anderer Sicht die dem Geschädigten in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eröffnete Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eingeschränkt.

Auf eine nicht markengebundene Werkstatt musste sich der Kläger nicht verweisen lassen. Auch bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen, wenn das Fahrzeug regelmäßig in solchen gewartet, "scheckheftgepflegt" oder ggf. repariert worden ist (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09, juris Rn. 15; Grüneberg, aaO.). Hiervon ist auch vorliegend auszugehen, weil es sich um ein hochwertiges Markenfahrzeug handelt, bei dem gerade dem Hersteller und seinen Werkstätten eine besondere Qualität von den beteiligten Verkehrskreisen zugeschrieben wird. Nicht nachvollziehbar ist der Einwand der Berufungsbegründung, der Kläger habe eine Scheckheftpflege nicht dargelegt, sondern diese lediglich behauptet aber nicht belegt. Die Behauptung des Klägers auf Seite 3 der Replik ist unstreitig geblieben, sodass es keiner weiteren Belege bedurft hätte. Im Übrigen hat das Landgericht bereits mit Beschluss vom 23. Februar 2018 darauf hingewiesen, dass ausweislich des Schadensgutachtens der klägerische Pkw bei einer Mercedes-Niederlassung scheckheftgepflegt war. Auch dem sind die Beklagten nicht entgegengetreten.

Der Verweis des Klägers durch die Beklagten auf eine Alternativwerkstatt greift vorliegend nicht durch, denn die Beklagten sind der Behauptung des Klägers, die benannten Konditionen würden nur bei Beteiligung der Beklagten zu 2 eingeräumt werden, nicht entgegengetreten. Dabei muss sich der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nicht auf Sonderkonditionen von Vertragswerkstätten des Haftpflichtversicherers des Schädigers verweisen lassen. Andernfalls würde die ihm nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffnet (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09, juris, Rn. 13).

bb) Der Kläger kann vorliegend auch eine fiktive Abrechnung auf Netto-Reparaturkostenbasis vornehmen, da er insbesondere eine Weiternutzung des Fahrzeugs von 6 Monaten nachgewiesen hat.

Vorliegend liegt der Reparaturaufwand in Höhe von 20.209,18 € (Reparaturkosten zuzüglich Minderwert) zwischen Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 17.000,00 € (Wiederbeschaffungswert 31.000,00 € - Restwert 14.000,00 €) und Wiederbeschaffungswert in Höhe von 31.000,00 Euro. In dieser Konstellation setzt eine fiktive Abrechnung auf Netto-Reparaturkostenbasis voraus, dass der Geschädigte das Fahrzeug 6 Monate (repariert oder unrepariert) weiterbenutzt; eine weitere Benutzung setzt lediglich voraus, dass das Kfz verkehrssicher ist (BGH, Urteil vom 23. November 2010 - VI ZR 35/10, Rn. 7, juris; BGH, Urteil vom 23. Mai 2006 - VI ZR 192/05, juris, Rn. 8).

Soweit die Beklagten mit der Berufung angreifen, dass der Kläger nicht nachgewiesen habe, das Fahrzeug mindestens 6 Monate behalten zu haben, trifft dies nicht zu. Der Unfall ereignete sich am 27.September 2017. Der Kläger hat als Anlage K5 eine Reparaturbestätigung des Sachverständigen P. vom 03. November 2017 vorgelegt. Darin wird bestätigt, dass das Fahrzeug am 14. Oktober 2017 in repariertem, fahrbereitem und verkehrssicherem Zustand vorgestellt worden sei. Zum Beleg sind Lichtbilder des Fahrzeuges beigefügt, die dieses - äußerlich betrachtet - in einem instandgesetzten Zustand zeigen. Als Anlage K 11 hat der Kläger zudem einen Kaufvertrag vom 16. Juli 2018 vorgelegt.

Danach hat er das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 64.229 verkauft. Laut Schadensgutachten betrug die Laufleistung zum Unfallzeitpunkt 48.921 km. Damit ist hinreichend nachgewiesen, dass der Kläger das Fahrzeug über mehr als 6 Monate weiter genutzt hat. Die Beklagten haben dies auch nicht substantiiert in Abrede genommen. Dass insoweit eine vollständige und fachgerechte Reparatur nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade nicht erforderlich ist, dürfte der Beklagten zu 2. und ihrem Prozessbevollmächtigten aus zahlreichen anderen Verfahren auch hinreichend bekannt sein. Soweit sie sich auf die Entscheidung des OLG Frankfurt, NZV 2010, 525 berufen, betrifft die nicht die Ersatzfähigkeit von Reparaturkosten, sondern von Nutzungsausfall (OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Februar 2010 - 10 U 60/09, Rn. 4, juris).

cc) Auch den Minderwert in Höhe von 1.500,00 € hat das Landgericht zu Recht zugesprochen. Denn nach dem vom Kläger als Anlage K2 vorgelegten Schadensgutachten des Sachverständigen P. vom 29. September 2017 und den beiden von den Beklagten als Anlagen B2 und B3 vorgelegten Prüfgutachten der c. Kfz-Sachverständigen GmbH vom 09. Oktober 2017 und 19. Juni 2018 stimmen die Parteien hinsichtlich des Minderwertes, des Wiederbeschaffungswertes und des Restwertes überein. Ein Bestreiten des Minderwerts ist erstinstanzlich nicht erfolgt und wird mit der Berufungsbegründung auch nicht konkret aufgezeigt. Insoweit ist nicht nachvollziehbar, dass der Vertreter der Beklagten in der Berufungsschrift die Wertminderung nunmehr als bestritten bezeichnet. Ein erstmaliges Bestreiten in der Berufungsinstanz ist vorliegend nach § 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen.

dd) Dem Kläger steht auch der vom Landgericht zugesprochene Nutzungsausfall in Höhe von 632 € für 8 Tage Reparaturdauer zu. Denn der Kläger hat nachgewiesen, dass er aufgrund einer Reparatur tatsächlich an der Nutzung seines Fahrzeugs gehindert war.

Wer seine Wiederherstellungskosten fiktiv abrechnet, kann nicht etwa für die gedachte Dauer der Reparatur Nutzungsentschädigung verlangen, sondern nur für tatsächlich angefallene Ausfallzeit. Allein der Nachweis, dass das Fahrzeug repariert worden ist, genügt dabei nicht für die Zuerkennung eines Anspruchs auf Nutzungsausfallersatz. Der Geschädigte hat für einen Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung substantiiert darzulegen und nachzuweisen, dass sein Fahrzeug an einer bestimmten Anzahl von Tagen bei bestehendem Nutzungswillen und Nutzungsmöglichkeit reparaturbedingt nicht nutzbar war (vgl. Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 249 BGB (Stand: 19.07.2022) Rn. 222 mwN; vgl. OLG München, Urteil vom 13. September 2013 - 10 U 859/13 -, juris). Hier hat der Kläger mit der Anlage K5 zunächst einen Reparaturnachweis mit entsprechenden Lichtbildern vorgelegt, der für sich genommen, mangels Vortrag zur konkreten Durchführung der Reparatur, insbesondere zur Reparaturdauer, nicht ausgereicht hätte, worauf das Landgericht hätte konkret hinweisen müssen. Der Klägervertreter hat aber im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgetragen, nach der Mitteilung des Klägers habe die Reparatur 10 Kalendertage betragen. Während dieser Zeit habe der Kläger das Fahrzeug trotz entsprechenden Willens nicht nutzen können. Dem sind die Beklagten nicht entgegengetreten. Ein Bestreiten ist nicht erfolgt. Die Durchführung der Reparatur als solche ist dabei unstreitig. Angesichts der auch beklagtenseits eingeräumten und mit dem Sachverständigengutachten dokumentierten umfassenden Schäden ist eine Reparaturdauer von mindestens 8 Arbeitstagen plausibel. Zu diesem Ergebnis einer Reparaturdauer von 7 - 8 Arbeitstagen kommt im Übrigen auch das Gutachten c. der Beklagten. Unter Berücksichtigung in diesem Zeitraum etwaig liegender Nichtarbeitstage ist damit eine Reparaturdauer von mindesten 8 Arbeitstagen nachgewiesen.

Aufgrund der gewählten fiktiven Abrechnung kann der Kläger den ex ante vom Sachverständigen prognostizierten, hypothetischen Wert als Obergrenze erhalten. Konkrete Verzögerungen blieben außer Betracht (Senat, Urt. v. 10.11.2021 - 14 U 136/20 r+s 2022, 111). Hier beträgt die Reparaturdauer nach dem Gutachten P. (wie auch c., B2) bei fachgerechter Reparatur 7 - 8 Arbeitstage. Es verbleibt danach bei den nachgewiesenen 8 Tagen Reparaturdauer. Unter Ansatz des nicht angegriffenen Tagessatzes in Höhe von 79,00 € ergibt sich der ausgeurteilte Nutzungsausfallschaden in Höhe von 632,00 €.

ee) Die Verurteilung zur Freistellung von Sachverständigenkosten in Höhe von 1.899,12 € begegnet keinen Bedenken. Ein Antrag war insoweit nicht nötig, ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO liegt nicht vor. Zulässig ist, ein in dem beantragten "Mehr" steckendes "Weniger" unter Klageabweisung zuzusprechen (Feskorn, in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 308, Rn. 4, vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2006 - X ZR 139/03, juris, Rn. 10). Zulässig ist danach auch eine auf Freistellung statt auf Zahlung gerichtete Verurteilung (OLG Schleswig Urteil vom 28. August 2014 - 5 U 4/14, BeckRS 2014, 22794, beck-online; Feskorn, aaO, mit Verweis auf OLG Frankfurt FamRZ 90, 49; vgl. BGH, NJW 1994, 944, 945, beck-online).

Die Höhe der Sachverständigenkosten wird mit der Berufung ebenso wenig angegriffen, wie die zuerkannte Kostenpauschale in Höhe von 25,00 €.

e) Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind grundsätzlich als Schaden im Sinne der §§ 249 ff BGB als Rechtsverfolgungskosten nach einem Verkehrsunfall zu erstatten. Der Gegenstandswert richtet sich nach dem begründeten Ersatzbetrag des Geschädigten. Die Geschäftsgebühr ist dabei bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall wie vorliegend mit 1,3 anzusetzen. Unter Ansatz eines Gegenstandswertes in Höhe der begründeten 22.765,30 € ergibt unter Hinzurechnung der Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer der ausgeurteilte Anspruch in Höhe von 1.242,84 €.

f) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 ZPO.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.

V.

Der Streitwert ergibt sich aus dem Interesse der Beklagten und Berufungskläger an der begehrten Abänderung, § 3 ZPO, § 47 Abs. 1 GKG.