Landgericht Lüneburg
Urt. v. 18.07.2001, Az.: 2 S 24/01
AGB-Kontrolle bei einem Betreuungsvertrag; Kriterien für das Vorliegen eines Heimes i.S.d. Heimgesetzes
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 18.07.2001
- Aktenzeichen
- 2 S 24/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 32748
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2001:0718.2S24.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Lüneburg - 14.02.2001 - AZ: 11 C 349/00
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs. 2 AGBG
- § 11 Nr. 12a AGBG
- § 620 Abs. 2 BGB
- § 621 Nr. 3 BGB
Fundstellen
- DWW 2002, 264
- NJW-RR 2001, 1637-1638 (Volltext mit red. LS)
- NZM 2001, 871-872
- ZMR 2001, 805-806
In dem Rechtsstreit
...
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 20.06.2001
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
den Richter am Landgericht ... und
die Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 14.02.2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lüneburg wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung eines zwischen ihnen geschlossenen Betreuungsvertrages.
Die Beklagten sind Bewohner der Seniorenwohnanlage ... in .... Nachdem sie am 09.09.1997 einen Mietvertrag mit dem Wohnungseigentümer abgeschlossen hatten, schlossen sie am 02.11.1997 mit dem Kläger den streitgegenständlichen Betreuungsvertrag.
Zum Abschluß dieses Vertrages waren die Beklagten laut Mietvertrag verpflichtet. Die jeweiligen Eigentümer der Wohnungen der Wohnanlage ... hatten sich dem Kläger gegenüber verpflichtet, nur solche Mieter zuzulassen, die mit dem Kläger einen Betreuungsvertrag abschließen. Diesbezüglich war zugunsten des Klägers eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen worden.
Für den Abschluß von Betreuungsverträgen benutzte der Kläger vorformulierte Vetragsformulare. Diese sehen die Unkündbarkeit der Betreuungsverträge vor, solange der Vertragspartner Mieter der Wohnanlage ... ist. Ein Kündigungsrecht ist nur für den Fall vorgesehen, in dem auch der Mietvertrag gekündigt wird. Die fristlose Kündigung ist nicht ausgeschlossen.
Mit Abschluß des Betreuungsvertrages verpflichteten sich die Kläger zur Zahlung eines monatlichen Entgelts in Höhe von 150,00 DM. Als Gegenleistung verpflichtete sich der Kläger zu der Erbringung gewisser Grundleistungen, und zwar zu der Einbeziehung der Wohnung in ein Haus-Notrufsystem, zu Hilfestellungen bei kurzer Krankheit, zur Beratung in sozialen Angelegenheiten sowie zu der Vermittlung von weitergehenden Dienstleistungen. Die Leistungen mußten im Falle der Inanspruchnahme nochmals gesondert vergütet werden.
Die Beklagten waren mit den Betreuungsleistungen nicht zufrieden. Daraufhin kündigten sie den Betreuungsvertrag mit Schreiben vom 01.10.1999 zum 30.10.1999. Zum 01.01.2000 stellten sie die Zahlung des monatlichen Grundbetrages in Höhe von 150,00 DM ein. Den Mietvertrag kündigten die Beklagten nicht.
Der Kläger ist der Ansicht gewesen, die Kündigung nur des Betreuungsvertrages sei unzulässig. Sie habe gegen die vertraglichen Vereinbarungen verstoßen. Eine Koppelung des Mietvertrages mit dem Betreuungsvertrag sei rechtlich unbedenklich. Da ausschließlich das Wohnungsmietrecht Anwendung finde, sei zudem § 11 Nr. 12a AGBG nicht anwendbar.
Der Kläger verlangt von den Beklagten die Vergütung für das Vorhalten der Betreuungsleistungen für die Monate Januar 2000 bis einschließlich August 2000.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 1.200,00 DM nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz des § 1 DÜG seit dem 25.08.2000 zu zahlen.
festzustellen, dass der zwischen den Parteien am 09.12.1997 geschlossene Betreuungsvertrag fortbesteht.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten waren der Ansicht, die Koppelung der Verträge sei sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB; die Kündigungsklausel stelle zudem einen Verstoß gegen das AGBG dar. Sie haben behauptet, die versprochenen Betreuungsleistungen würden nicht ordnungsgemäß erbracht und stellten keine angemessene Gegenleistung für das monatliche Entgelt dar, insbesondere weil im Bedarfsfall die in Anspruch genommenen Betreuungsleistungen nochmals zu vergüten sind.
Durch Urteil vom 14.02.2001 hat das Amtsgericht Lüneburg die Klage abgeweisen.
Gegen das Urteil hat der Kläger frist- und formgerecht Berufung eingelegt.
Der Kläger nimmt auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Darüber hinaus ist er der Ansicht, bei dem Mietvertrag und dem Betreuungsvertrag handele es sich um ein einheitliches Vertragsverhältnis, nämlich um einen Heimvertrag im Sinne des Heimgesetzes. Das AGBG sei aufgrund der spezielleren Vorschriften des Heimgesetzes nicht anwendbar. Da die Beklagten nur den Betreuungsvertrag gekündigt haben, liege eine unzulässige Teilkündigung dieses einheitlichen Vertragsverhältnisses vor.
Zudem liege kein Verstoß gegen § 138 BGB vor, weil die Koppelung der Laufzeit des Mietvertrages mit der des Betreuungsvertrages in der "Vereinbarung über die Förderung von Altenwohnungen - Betreutes Wohnen - mit Baudarlehn" (Nds MBl. Nr. 11/1994 S. 357) vorgesehen sei und folglich einem öffentlichen Interesse diene.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 14.02.2001 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Lüneburg die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 1.200,00 DM nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 25.08.2000 zu zahlen und festzustellen, dass der zwischen den Parteien am 29.12.1997 geschlossenen Betreuungsvertrag fortbesteht.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten nehmen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Darüber hinaus sind sie der Ansicht, das Heimgesetz sei nicht anwendbar. Es handele sich bei dem Mietvertrag und dem Betreuungsvertrag um eigenständige Verträge. Die Seniorenwohnanlage erfülle auch nicht die Voraussetzungen, die an ein "Heim" im Sinne des Heimgesetzes gestellt werden. Außerdem handele es sich bei der Wohnanlage nicht um geförderte Altenwohnungen im Sinne des § 88d Abs. 2 WoBauG. Daher habe die vom Gesetzgeber in der Vereinbarung über die Förderung von Altenwohnungen vorgesehene Vertragsbindung für den streitgegenständlichen Vertrag keine Bedeutung.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger hat keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagten.
Die Beklagten haben den zwischen den Parteien am 09.12.1997 geschlossenen Betreuungsvertrag wirksam gekündigt.
Die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, nach der der Betreuungsvertrag mit dem Mietvertrag gekoppelt und und nur zusammmen mit dem Mietvertrag kündbar ist, ist wegen Verstosses gegen § 11 Nr. 12a AGBG nichtig, § 6 Abs. 1 AGBG. Die Kündigungsmöglichkeit des Betreuungsvertrages richtet sich somit gemäß § 6 Abs. 2 AGBG nach den gesetzlichen Vorschriften, mithin nach § 620 Abs. 2 i.V.m. § 621 Nr. 3 BGB.
Der Anwendungsbereich des AGBG wird vorliegend nicht durch das Heimgesetz verdrängt.
Voraussetzung für das Vorliegen eines Heimes im Sinne des Heimgesetzes ist unter anderem, dass ein "Heimträger" im Sinne des § 4 Heimgesetz vorhanden ist. Vorliegend können weder der Kläger noch die einzelnen Wohnungseigentümer als "Träger" im Sinne des Heimgesetzes angesehen werden. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Anbietet der Betreuungsleistungen bzw. die Wohnungseigentümer eine Heimträgerschaf wahrnehmen wollen oder nicht. Zudem können der Vermieter der Wohnungen und der Erbringer der Betreuungsleistungen durchaus verschiedene Personen sein. So ist das Heimgesetz auch dann anwendbar, wenn der Vermieter die Betreuungsleistungen durch einen Dritten erbringen läßt, mit dem er oder der Bewohner selbst einen Betreuungsvertrag abschließt. Im vorliegenden Fall gibt es jedoch keinen einheitlichen Vermieter. Es finden sich keinerlei Anhaltspunkte für eine Organisationsstruktur, die auf eine Trägerschaft der Wohnanlage durch die Eigentümer und/oder Kläger schließen läßt. So könnten die Pflichten, die das Heimgesetz einem Heimträger auferlegt, weder von dem Kläger noch von den einzelnen Wohnungseigentümern erfüllt werden.
Die unter Ziffer 2 des Betreuungsvertrages getroffene Vereinbarung über die Unkündbarkeit des Betreuungsvertrages ist wegen Verstosses gegen § 11 Nr. 12a AGBG unwirksam.
Der Betreuungsvertrag stellt einen Vertrag dar, der eine regelmäßige Lieferung von Dienstleistungen im Sinne von § 11 Nr. 12a AGBG zum Gegenstand hat. Durch den Betreuungsvertrag verpflichtet sich der Kläger, gewisse Dienstleistungen vorzuhalten. Es handelt sich hierbei um das Bereitstellen von Notrufdiensten, Hilfestellungen bei kurzen Erkrankungen, Beratungen in sozialen Angelegenheiten sowie Unterstützungsleistungen und Handreichungen. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass die Leistungen nicht zu fes vereinbarten Zeitpunkten erbracht werden. Die "Regelmäßigkeit" ist bereits durch das dauernde Vorhalten der Leistungen erfüllt.
Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich nicht um ein einheitliches Vertragsverhältnis, das schwerpunktmäßig nach den Vorschriften über die Wohnraummiete zu behandeln ist und die Anwendbarkeit des § 11 Nr. 12a AGBG ausschließt. Die Verträge sind mit verschiedenen Vertragspartnern abgeschlossen worden, die auch in keiner näheren Beziehung zueinander oder in einem gemeinsamen Lager stehen.
Eine längere als zwei Jahre bindende Laufzeit, wie sie der Betreuungsvertrag durch seine Unkündbarkeit vorsieht, stellt einen Verstoß gegen § 11 Nr. 12a AGBG dar und hat die Unwirksamkeit dieser Klausel gemäß § 6 Abs. 1 AGBG zur Folge. Der Kläger kann sich diesbezüglich nicht auf die "Vereinbarung über die Förderung von Altenwohnungen Betreutes Wohnen - mit Baudarlehn" (Nds. MBI. Nr. 11/1994, S. 357) berufen, denn bei dem Seniorenwohnheim ... in ... handelt es sich nicht um geförderte Altenwohnungen im Sinne von § 88d WoBauG.
Die Kündigungsfrist ergibt sich daher gemäß § 6 Abs. 2 AGBG aus den gesetzlichen Vorschriften über den Dienstvertrag und damit aus §§ 620 Abs. 2,621 Nr. 3 BGB.
Den Beklagten war es somit gestattet, gemäß § 620 Abs. 2 i.V.m. § 621 Nr. 3 zum Ende des Monats Oktober 1999 ordentlich zu kündigen. Aufgrund der wirksamen Kündigung sind die Beklagten nicht mehr zur Zahlung der Vergütung verpflichtet.
Aufgrund der wirksamen Kündigung des Betreuungsvertrages ist die erhobene Feststellungsklage ebenfalls unbegründet.
Ob der zwischen den Parteien geschlossene Betreuungsvertrag darüber hinaus wegen Verstosses gegen § 138 BGB nichtig ist, kann dahin stehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
...
...