Landgericht Lüneburg
Urt. v. 07.11.2001, Az.: 6 S 142/01
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 07.11.2001
- Aktenzeichen
- 6 S 142/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 34140
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2001:1107.6S142.01.0A
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz:
Verlagert der Vermieter die ihn treffende Streupflicht auf den Mieter und kommt der Mieter seiner Verpflichtung nicht nach, sodass ein anderer Mieter Schaden erleidet, kann dem Vermieter nicht ein Organisationsverschulden vorgeworfen werden. Der Mieter ist kein weisungsabhängiger Verrichtungsgehilfe des Vermieters.
Tatbestand:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Uelzen vom 12.07.2001 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Uelzen vom 21.12.2000 wird aufrechterhalten, soweit die Beklagten verurteilt worden sind, als Gesamtschuldner an die Klägerin und die übrigen Miterben in ungeteilter Erbengemeinschaft nach dem am 22.08.1939 verstorbenen Paul Moldenhauer 6.671,31 DM entspricht 3.410,99 € nebst 5% über Basiszinssatz auf 5.799,94 DM seit dem 01.10.2000 sowie auf 871,37 DM seit dem 29.11.2000 zu zahlen.
Im Übrigen wird das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Uelzen vom 21.12.2000 aufgehoben.
Die Beklagten werden weiter verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin und die übrigen Miterben in ungeteilter Erbengemeinschaft nach dem am 22.08.1939 verstorbenen Paul Moldenhauer weitere 5.558,77 DM entspricht 2.842,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 794,11 DM seit dem 04.12.2000, 05.01.2001, 05.02.2001, 05.03.2001, 04.04.2001, 05.05.2001 und 06.06.2001 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 7% und die Beklagten zu 93%.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Im Übrigen bleibt sie erfolglos.
Die Beklagten können mit dem ihnen abgetretenen Anspruch des Herrn Wengenroth aus dem Jahre 1996 - die Klägerin behauptet aus dem Jahre 1995 - nicht aufrechnen, weil der Anspruch des Herrn Wengenroth gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB zum 31.12.1998 verjährt war. Aus der Tatsache, dass Herr Wengenroth Mehrwertsteuer berechnet hat, ergibt sich, dass er die Arbeiten gewerblich verrichtet hat. Dementsprechend verjährt sein Anspruch innerhalb von 2 Jahren ab Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 201 BGB). Eine Aufrechnung mit verjährten Ansprüchen ist nur zulässig, wenn die gegenseitigen Ansprüche sich in nicht verjährter Zeit aufrechenbar gegenübergestanden haben. Das ist hier nicht der Fall. Die Klägerin macht für die Erbengemeinschaft Mietzinsansprüche aus dem Jahre 2000 geltend, während die Ansprüche des Herrn Wengenroth bereits mit dem 31.12.1998 verjährt waren.
Die Beklagten haben gegen die Erbengemeinschaft auch keinen Anspruch auf Zahlung oder Rückzahlung von Wasserkosten. Die Beklagten haben selbst am 30.01.2000 über die Wasserkosten abgerechnet. Sie haben in dieser Abrechnung nicht angegeben, dass die Klägerin und deren Ehemann die jetzt zur Aufrechnung gestellten 1.466,97 DM zu zahlen hätten. Das aber wäre erforderlich gewesen. Die Abrechnung hat alle Positionen zu enthalten. Nach der Abrechnung können anschließend weitere Positionen nicht geltend gemacht werden.
Soweit die Beklagten diesen Anspruch gegenüber der Klägerin zu haben behaupten, kommt eine Aufrechnung im Übrigen sowieso nicht in Betracht, da es an dem Erfordernis der Gegenseitigkeit fehlt. Die Klägerin und die Erbengemeinschaft sind nicht dieselbe Person. Mit Ansprüchen gegen die Klägerin können die Beklagten nicht gegenüber dem Anspruch der Erbengemeinschaft aufrechnen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Anspruch der Erbengemeinschaft von der Klägerin geltend gemacht wird. Damit wird dieser Anspruch nicht zu einem Anspruch der Klägerin.
Die Beklagten können auch nicht mit einem angeblichen Anspruch wegen eines Wasserschadens aufrechnen. Einen solchen Anspruch könnten die Beklagten allenfalls nach § 538 BGB gegen die Erbengemeinschaft als Vermieterin haben. Das würde jedoch voraussetzen, dass, da der Schaden während der Mietzeit entstanden ist, er schuldhaft von der Vermieterin - der Erbengemeinschaft - verursacht worden ist. Dazu haben die Beklagten nichts weiter vorgetragen. Sie haben keinerlei Umstände dargestellt, aus denen sich ein Verschulden der Erbengemeinschaft oder der für sie handelnden Personen ergeben könnte.
Dagegen kann der beklagte Ehemann mit einem Schadensersatzanspruch aus dem Unfall vom 23.12.1999 aufrechnen. Durch die Vernehmung des Zeugen Röhl ist nachgewiesen, dass der Ehemann auf der infolge Glatteises nicht trittsicheren Treppe des Miethauses ausgerutscht ist. Dies geschah morgens zu einer Zeit, in der bereits hätte gestreut werden müssen. Wie der Zeuge glaubhaft im Einzelnen geschildert hat, sah er, als er Brötchen holen wollte, wie der Beklagte zu 2 dabei war, die Treppe des Hauses zu streuen, dabei ausrutschte und sich verletzte, sodass er ihn später ins Krankenhaus bringen musste. Wie der Beklagte unwidersprochen in der Verhandlung vorgetragen hat, hatte sich "Blitzeis" gebildet; da die Klägerin oder deren Ehemann nicht streuten, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wären; in dieser Woche hatte die Klägerin und deren Ehemann Streudienst.
Aus dem Unfall ist dem beklagten Ehemann ein Anspruch gegen die Erbengemeinschaft aus schuldhafter Vertragsverletzung erwachsen. Die Erbengemeinschaft war gegenüber dem Beklagten verpflichtet, bei Schnee und Eis zu streuen. Die Erbengemeinschaft hat diese Pflicht auf die Mieter verlagert, und zwar für die hier entscheidende Woche auf die Klägerin und deren Ehemann. Die Erbengemeinschaft muss sich im Rahmen von § 278 BGB zurechnen lassen, dass die Klägerin und deren Ehemann nicht gestreut haben. Die Klägerin und ihr Ehemann sind insoweit Erfüllungsgehilfen der Erbengemeinschaft, deren sich die Erbengemeinschaft bei der Erfüllung der eigenen Vertragspflichten gegenüber den Beklagten bedient.
Daraus erwächst den Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden gegen die Erbengemeinschaft. Der Schaden beläuft sich insoweit nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten auf 928,10 DM.
Einen Anspruch auf Schmerzensgeld hat der Beklagte dagegen nicht. Die Erbengemeinschaft selbst hat nicht gehandelt. Ihr kann auch ein Organisationsverschulden nicht über § 823 BGB angelastet werden. Denn sie hat dafür gesorgt, dass die Streupflicht auf die Mieter verlagert worden war. Das ist zulässig. Insoweit trifft die Erbengemeinschaft auch nicht ein Schadensersatzanspruch aus § 831 BGB. Die Mieter sind zwar Erfüllungsgehilfen im Rahmen des § 278 BGB, sie sind jedoch keine weisungsabhängigen Verrichtungsgehilfen im Sinne von § 831 BGB. Im Übrigen haben die Beklagten zu etwaigen Schmerzen oder einem Krankenhausaufenthalt des beklagten Ehemannes nichts vorgetragen.
Soweit ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Klägerin in Betracht kommen könnte, braucht darauf nicht weiter eingegangen zu werden, denn mit einem Anspruch gegen die Klägerin können die Beklagten nicht aufrechnen, weil es an der Gegenseitigkeit fehlt. Dies ist oben bereits dargelegt worden.
Der beklagte Ehemann hat keinen Anspruch für die Gartenpflegearbeiten, mit dem er gegen den Anspruch der Erbengemeinschaft aufrechnen könnte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit feststellen, dass es eine Vereinbarung zwischen dem Vertreter der Erbengemeinschaft und dem beklagten Ehemann darüber gegeben hat, dass der beklagte Ehemann den Garten gegen ein Entgelt pflegt. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Beklagten den Garten deswegen gepflegt haben, weil sie ihn tatsächlich genutzt haben. Zwar kann die Kammer andererseits auch nicht ausschließen, dass es möglicherweise eine entsprechende Vereinbarung gegeben hat. Allein diese Möglichkeit reicht jedoch nicht aus, um einen Anspruch zu bejahen. Ein Anspruch gegen die Erbengemeinschaft kann nur dann bejaht werden, wenn sich dies sicher feststellen lässt. Das aber ist hier nicht der Fall. Der Zeuge Zeuge Friedrich Wengenroth konnte nur angeben, dass der Ehemann der Klägerin für die Erbengemeinschaft dem Beklagten gegenüber zugesagt hat, die Aufwendungen des Beklagten für den Garten daurch zu ersetzen, dass sie auf einen späteren Kaufpreis für das Haus angerechnet werden; er selbst hat das - aus seiner Situation heraus nachvollziehbar - dahin verstanden, dass seine Kosten, die von dem Beklagten bezahlt wurden, dem Beklagten später durch die Verrechnung gutgebracht würden. Dagegen hat der Zeuge nichts dazu sagen können, ob zwischen den Parteien vereinbart worden ist, dass die eigenen Arbeiten des Beklagten vergütet werden sollen. Nach allgemeinem Verständnis konnte der Ehemann der Klägerin davon ausgehen, dass der Beklagte mit Aufwendungen die Ausgaben meinte, die er im Interesse und für Rechnung der Erbengemeinschaft tätigte. Er konnte nicht annehmen, dass der Beklagte damit möglicherweise seine eigenen Arbeiten meinte, zumal dann auch über einen Stundensatz gesprochen worden wäre und über die Anzahl der monatlich zu vergütenden Stunden.
Die Kostenentscheidung entspricht dem teilweisen Obsiegen und Unterliegen und beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.