Landgericht Lüneburg
Urt. v. 10.10.2001, Az.: 6 S 91/01

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
10.10.2001
Aktenzeichen
6 S 91/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 34142
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2001:1010.6S91.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lüneburg - AZ: 10 C 134/01

Amtlicher Leitsatz

Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist unzulässig, wenn die Partei durch eine einfache Nachfrage den Sachverhalt selbst aufklären kann.

Die Prozessförderungspflicht gem. § 282 ZPO zwingt dazu, im Rahmen des Zumutbaren Informationen einzuholen, bevor man einfach mit Nichtwissen bestreiten darf.

Tenor:

  1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25.05.2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lüneburg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.544,48 DM nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1

Das Amtsgericht hat den Beklagten aus § 426 BGB unter Anrechnung unstreitig erbrachter Zahlungen von 300,00 DM zur Zahlung von insgesamt 2.773,39 DM verurteilt. Als Gesamtschuldner im Hinblick auf die Ansprüche der Vermieterin habe er der Beklagten den hälftigen Anteil an den Mieten für November 1999 bis April 2000 (2.460,00 DM), an der Forderung sowie den Gerichtskosten aus dem Mietrechtsstreit mit der Vermieterin (165,03 DM + 105,00 DM) und an der Rechnung über Schönheitsreparaturen an der Mietwohnung (343,36 DM) zu erstatten.

2

Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

3

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Zahlungsanspruch aus § 426 Abs. 1, Satz 1 BGB in Höhe von insgesamt 2.544,48 DM zu.

4

Die Ausgleichspflicht nach der genannten Regelung entsteht als selbstständige Verpflichtung bereits mit der Begründung der Gesamtschuld, nicht erst mit der Befriedigung des Gläubigers. Bevor der ausgleichsberechtigte Gesamtschuldner seinerseits geleistet hat, kann dieser Anspruch aber nur als Befreiungsanspruch auf Leistung an den Gläubiger geltend gemacht werden (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Auflage, § 426 Rn. 3). So liegt es hier nicht. Denn es ist davon auszugehen, dass die Klägerin die oben genannten Ansprüche der Vermieterin allein in voller Höhe befriedigt hat.

5

Dies hat die Klägerin schlüssig so vorgetragen. Sie hat dargelegt, dass sie die Mieten für November 1999 bis April 2000 ( 6 x 820,00 DM), die zu Gunsten der Vermieterin in dem Rechtsstreit AG Lüneburg 11 C 149/00 ausgeurteilte Forderung gegen die Parteien in Höhe von 330,06 DM zuzüglich Gerichtskosten von 210,00 DM und schließlich die Kosten für Malerarbeiter in Höhe von 686,72 DM allein verauslagt habe. Dass der Beklagte dies schlicht mit Nichtwissen bestreitet, ist unerheblich. Denn ein Bestreiten mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO ist nicht zulässig, wenn die bestreitende Partei bei der ihr zuzumutenden Sorgfalt hätte wissen können und müssen, ob sich der fragliche Vorgang ereignet hat oder nicht (Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Auflage, § 138 Rn. 55). So liegt es hier.

6

Der Beklagte selbst hätte ohne weiteres durch Nachfrage bei seinem Vermieter klären können, ob die hier streitbefangenen Beträge gezahlt worden sind. Der Vermieter wäre mit Rücksicht auf den damaligen Mietvertrag mit dem Beklagten zur Erteilung einer solchen Auskunft nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet gewesen. Mit einem großen Aufwand ist diese Nachfrage für den Beklagten nicht verbunden, ein Telefonanruf bzw. Anschreiben an den Vermieter dürfte genügt haben. Eine solche Nachfrage überschreitet auch keineswegs den Rahmen der Zumutbarkeit für den Beklagten. Zumal es doch um eigene vertragliche Verpflichtungen des Beklagten geht, um die sich eine sorgfältig handelnde Vertragspartei ohnehin selbst gekümmert hätte. Demnach reicht es nicht aus, dass der Beklagte sich hier "zurücklehnt" und zunächst ein weiteres Tätigwerden der Gegenseite fordert. Auch die Prozessförderungspflicht gemäß § 282 ZPO zwingt dazu, im Rahmen des Zumutbaren Informationen einzuholen, bevor man einfach mit Nichtwissen bestreiten darf (Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Auflage, § 138Rn. 156). Das hat der Beklagte hier nicht getan.

7

Im Ergebnis ist deshalb auf der Grundlage des Tatsachenvortrages der Klägerin anzunehmen, dass die von dem Beklagten geforderten Beträge auch an die Vermieterin gezahlt worden sind. Demnach besteht dem Grunde nach eine Ausgleichspflicht für Zahlungen auf berechtigte Ansprüche, die aus dem Mietverhältnis der Parteien herrühren. Dabei ist der Beklagte gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB im Innenverhältnis zur Klägerin zu gleichen Anteilen verpflichtet. Dass die Parteien eine davon abweichende Regelung getroffen haben, wonach nach dem Auszug des Beklagten allein die Klägerin die mit der Mietwohnung verbundenen Kosten tragen sollte, hat der Beklagte nicht schlüssig dargetan. Allein aus dem Schreiben der Hausverwaltung der Vermieterin vom 10.11.1999 kann dies nicht hergeleitet werden. Dies zeigt lediglich, dass zwischen ihr und der Klägerin erörtert worden ist, ob die Klägerin wirtschaftlich in der Lage gewesen wäre, die Wohnung allein anzumieten, mehr nicht. Ob die Parteien darüber bereits miteinander gesprochen und im Innenverhältnis eine Vereinbarung dazu getroffen haben, ist daraus nicht ersichtlich. Dazu, was wann mit welchem konkreten Inhalt zwischen den Parteien vereinbart worden sein soll, trägt der Beklagte nichts vor, auch nicht in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 02.10.2001. Dieser gibt der Kammer keine Veranlassung dazu, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).

8

Der Beklagte hat also der Klägerin zunächst die hälftigen Mieten für die Monate November 1999 bis April 2000 (2.460,00 DM) sowie die Hälfte der bezahlten Forderung gegen die Parteien aus dem Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 04.05.2000 (165,03 DM) zu zahlen. Eine Ausgleichspflicht besteht auch für die Hälfte der von der Klägerin verauslagten Gerichtskosten für dieses Verfahren (105,00 DM). Zwar sind diese Kosten nicht Gegenstand der für den Hauptanspruch geltend gemachten gesamtschuldnerischen Haftung. Eine Verpflichtung zum Ausgleich ergibt sich aber aus dem prozessualen Gesamtschuldverhältnis des § 100 Abs. 4 ZPO (vgl. BGH NJW 1974, 693, 694 [BGH 18.12.1973 - VI ZR 158/72]).

9

Hinsichtlich der verauslagten Kosten für die Schönheitsreparaturen in Höhe von insgesamt 686,72 DM war das amtsgerichtliche Urteil abzuändern. Denn ein berechtigter Anspruch der Vermieterin aus § 326 BGB auf Erstattung der Renovierungskosten aus der Rechnung des Malereibetriebes M...vom 20.05.2000 besteht nur in Höhe von einem Drittel der abgerechneten Kosten (228,90 DM). Denn hier ist zu berücksichtigen, dass bei der Beendigung des Mietverhältnisses nach den in § 17 vereinbarten Regelfristen lediglich die Schönheitsreparaturen für Küche, Bäder und Dusche fällig gewesen sind. Dass weitere Schönheitsreparaturen auch an anderen Räumen erforderlich waren, hat die Klägerin nicht mit hinreichender Substanz dargetan. Der schlichte Hinweis darauf, dass der Beklagte Raucher gewesen sei, reicht allein nicht aus, um annehmen zu können, dass ein Anstrich aller Räume der Mietwohnung erforderlich gewesen ist. Die Klägerin hätte schon im Einzelnen den Zustand der verschiedenen Mieträume beschreiben müssen.

10

Deshalb kann sie nicht den Ersatz der Kosten für die Renovierung der gesamten Wohnung ansetzen, sondern nur den Betrag für die fälligen Schönheitsreparaturen in den Nassräumen. Diesen schätzt die Kammer gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung der Anzahl der Räume der Mietwohnung auf 228,90 DM, dies entspricht einem Drittel der geltend gemachten Renovierungskosten für die gesamte Wohnung. Auch von diesem Betrag kann die Klägerin die Hälfte, d.h. 114,45 DM, von dem Beklagten ersetzt verlangen.

11

Hinsichtlich des in der Berufungsbegründung erwähnten Kautionsbetrages in Höhe von 2.160,00 DM, über den offensichtlich noch nicht abgerechnet worden ist, hat der Beklagte konkrete aufrechenbare Gegenansprüche gegen die Klägerin nicht dargetan. Zudem hat die Klägerin substantiiert vorgetragen, dass die Mietkaution zum Großteil, nämlich in Höhe von 1.730,00 DM, von ihr und nicht dem Beklagten gezahlt worden sei. Hierauf hat dieser, obwohl dies gemäß § 138 Abs. 2 ZPO erforderlich gewesen wäre, nicht erwidert.

12

Eine Schadensersatzpflicht der Klägerin wegen der behaupteten fehlenden Mitwirkung an der Kündigung des Mietverhältnisses wird ohne Bezifferung eines Ersatzbetrages lediglich in den Raum gestellt. Eine Grundlage hierfür ist nicht ersichtlich. Die Klägerin hat unter anderem mit Schreiben der Hausverwaltung vom 04.01.2000 belegt, dass sie sich um eine Kündigung des Mietverhältnisses bemüht hat. Dass die Beendigung des Mietverhältnisses dann erst später möglich gewesen ist, soll im Gegenteil an dem Verhalten des Beklagten gelegen haben, der sich um seine Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis nicht weiter gekümmert hat.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.