Landgericht Lüneburg
Urt. v. 05.07.2001, Az.: 1 S 3/01
Schadensersatz aufgrund des Rücktritts vom Kaufvertrag über einen Wohnwagen; Zustandekommen eines Kaufvertrages mit einer Bindungsfrist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 05.07.2001
- Aktenzeichen
- 1 S 3/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 32599
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2001:0705.1S3.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Dannenberg - 01.12.2000 - AZ: 31 C 708/99
Rechtsgrundlagen
- § 147 Abs. 2 BGB
- § 6 Abs. 2 AGBG
Fundstellen
- DAR 2002, 418-419 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-RR 2002, 564 (Volltext mit red. LS)
- VRA 2001, 182
In dem Rechtsstreit
...
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 14.06.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... und
die Richter am Landgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 01.12.2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dannenberg geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat Erfolg.
Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 4.924,80 DM nebst Zinsen (pauschalierter Schadensersatz aufgrund Rücktritts vom Kaufvertrag über einen Wohnwagen) zu zahlen. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, daß zwischen den Parteien ein Kaufvertrag geschlossen worden ist, indem der Kläger als Verkäufer das Angebot des Beklagten vom 30.10.1998 auf Abschluss eines Kaufvertrages mit Telefax vom 10.11.1998 angenommen hat.
Gegen die Annahme des Zustandekommens eines Kaufvertrages wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Die Berufung hat Erfolg, da nicht feststeht, dass die Parteien einen Kaufvertrag über einen Wohnwagen geschlossen haben.
Der Beklagte hat am 30.10.1998 eine sogenannte "verbindliche Bestellung eines neuen Kraftfahrzeuges/Anhängers" gegenüber dem Kläger abgegeben. Ausweislich der AGB des Klägers (Neuwagenverkaufsbedingungen I 1.) ist der Käufer an die Bestellung höchstens bis vier Wochen gebunden. Weiter heißt es darin: "Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung des näher bezeichneten Kaufgegenstandes innerhalb dieser Frist schriftlich bestätigt hat oder die Lieferung ausgeführt ist".
Eine Annahme dieses Angebotes ist nicht am 5.11.1998 erfolgt. Das Amtsgericht hat zu Recht angenommen, daß der Beweis nicht geführt ist, daß das Schreiben des Klägers vom 05.11.1998 beim Beklagten eingegangen ist. Dem insoweit beweispflichtigen Kläger ist der Beweis nicht gelungen, daß dieses Schreiben dem Beklagten zugegangen ist.
Das Angebot des Beklagten auf Abschluss eines Kaufvertrages vom 30.10.1998 konnte der Kläger entgegen der Ansicht des Amtsgerichtes mit Fax-Schreiben vom 10.11.1998 nicht (mehr) annehmen. Am selben Tage, jedoch zeitlich davor liegend, hat der Beklagte ein Fax an den Kläger gesandt, darin sein Angebot vom 30.10.1998 widerrufen und ein neues Angebot hinsichtlich des Kaufes eines identisch ausgestatteten Wohnwagens zu einem geringeren Preis abgegeben - dieses (neue) Angebot des Beklagten vom 10.11.1998 hat der Kläger nicht angenommen -.
Anders würde es sich nur verhalten, wenn der Beklagte sein Angebot vom 30.10.1998 am 10.11.1998 nicht hätte widerrufen können, wenn er also an dieses Angebot (noch) gebunden gewesen wäre. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 13.12.1989 (NJW 1990, 1784 [BGH 13.12.1989 - VIII ZR 94/89] f) ausgeführt, daß die Vereinbarung einer Annahmefrist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann wirksam ist, wenn der Verwender daran ein schutzwürdiges Interesse hat, hinter dem das Interesse des Kunden am baldigen Wegfall seiner Bindung zurückstehen muß. Er hat zu der hier in Rede stehenden Klausel ausgeführt, die 4-Wochen-Frist sei durch eine Reihe organisatorischer Maßnahmen gerechtfertigt, die die ordnungsgemäße Bearbeitung der Bestellung von neuen Kraftfahrzeugen erfahrungsgemäß mit sich bringe. Die bestellten Neuwagen seien im Regelfall nicht vorrätig, sondern würden im Zuge längerfristiger Planungen des Herstellers produziert, so daß der Kraftfahrzeughändler durch Rückfrage beim Hersteller feststellen müßte, ob das Fahrzeug in der gewünschten Ausstattung und vor allem in der gewünschten Zeit geliefert werden könne. Darüber könnten durchaus zwei Wochen vergehen. Hinzu komme die Zeit zur abschließenden Klärung der Finanzierung des Kaufpreises, die der Kraftfahrzeughändler regelmäßig "mitliefern" müsse, sowie der Frage der Verwertbarkeit eines in Zahlung gegebenen Gebrauchtfahrzeuges, und bei Abzahlungsgeschäften die Prüfung der Kreditwürdigkeit des Käufers. Um eine sorgfältige, ohne Zeitdruck erfolgende Bearbeitung des Antrags des Kraftfahrzeugkäufers sicherzustellen, sei daher grundsätzlich ein berechtigtes Interesse des Verkäufers an einer vierwöchigen Bindungsfrist des Käufers anzuerkennen. Das schutzwürdige Interesse des Käufers würde dadurch nicht unangemessen beeinträchtigt.
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist im Hinblick auf den vorliegenden Fall eine Bindungsfrist von vier Wochen nicht gerechtfertigt. Aufgrund der neueren, gerichtsbekannten Kommunikationsmöglichkeiten, die eine schnelle Rückfrage des Händlers bei dem Produzenten (und auch Finanzierungsinstituten, Schufa u.ä.) zuläßt und auch dem Produzenten (Finanzierungsinstituten, Schufa u.ä.) einen schnellen Rückgriff auf seinen Datenbestand ermöglicht, ist es einem Händler innerhalb kürzester Zeit möglich festzustellen, ob das Fahrzeug (oder wie hier der Wohnanhänger) in der gewünschten Ausstattung und in der gewünschten Zeit geliefert und eine Finanzierung u.ä. durchgeführt werden kann (ebenso Reinking/Eggert, 7. Aufl. 2000, Rn. 20; Ulmer/Brandner/Hensen, 8. Aufl. 1997, Anh. § 9-11 Rn. 438). Insoweit sind insbesondere die technischen Entwicklungen im Bereich der Kommunikation, Datenspeicherung und Datenweitergabe in den vergangenen Jahren zu berücksichtigen, die eine andere Beurteilung der Bindungsfrist rechtfertigen.
Die Bindungsfrist in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers verstößt damit gegen das AGB-Gesetz. Nach § 6 Abs. 2 AGBG gilt damit die gesetzliche Bestimmung des § 147 Abs. 2 BGB. Da die in dieser Vorschrift enthaltene (Bindungs-)Frist am 10.11.1998 überschritten war, konnte der Beklagte mit seinem Faxschreiben vom 10.11.1998 sein Angebot vom 30.10.1998 widerrufen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.