Landgericht Lüneburg
Urt. v. 19.09.2001, Az.: 6 S 78/01

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
19.09.2001
Aktenzeichen
6 S 78/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 34143
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2001:0919.6S78.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Soltau - AZ: 4 C 663/00

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Soltau vom 26.04.2001 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 8.711,02 DM nebst 3 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.01.2001 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

    Die Kosten erster Instanz tragen die Klägerin zu 61 % und die Beklagten zu 39 %; die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin zu 26 % und die Beklagten zu 74 %.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung der Beklagten bleibt in der Hauptsache im Wesentlichen ohne Erfolg. Dies ergibt sich aus Folgendem:

2

Die Beklagten können wegen der im Folgenden im Einzelnen dargestellten Mängel die Grundmiete um monatlich 15 % mindern. Für die Zeit von Juni 1996 bis März 1997 kommt allerdings nur eine 8 %-ige Minderung in Betracht, weil die Beklagten selbst in diesem Zeitraum die Miete nur um 8 % gemindert haben; im Übrigen haben sie während dieser Zeit die Miete vorbehaltlos gezahlt, so dass eine weitergehende Minderung, die zu einem entsprechenden Bereicherungsanspruch führen würde, ausgeschlossen ist.

3

Nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme kann festgestellt werden, dass in der von den Beklagten gemieteten Wohnung eine Reihe von Mängeln enthalten sind. Als für eine Minderung in erster Linie wesentlich ist die unstreitig vorhandene Abwasserproblematik zu nennen. Wie die Kläger selbst einräumt, musste in regelmäßigen Abständen ein Spülwagen kommen, um die Abwasserleitung zu reinigen. Darüber hinaus ist durch die in erster Instanz durchgeführte Zeugenvernehmung nachgewiesen, dass es fast ständig nach Abwasser gerochen hat, dass die Beklagten häufig selbst mit einer Spirale die Abwasserleitung reinigen mussten und dass die Toilette im Erdgeschoss nur eingeschränkt nutzbar war, weil es anderenfalls zu Verstopfungen kommen konnte.

4

Wie in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt ist, war das Parkett an zwei Stellen lose. Darüber hinaus war es teilweise unansehnlich geworden. Auch waren die einzelnen Teile des Parketts geschrumpft, so dass sich Risse gebildet hatten. Daraus ergibt sich für die Benutzung des Fußbodens zwar eine Beeinträchtigung. Diese ist jedoch nicht besonders groß. Die von den Beklagten dargestellte Gefahr, dass die Kinder sich Splitter in die Füße hätten treten können, haben die Beklagten selbst dadurch beseitigt, dass sie die entsprechenden Stellen mit Teppich belegt haben. Die Nutzung der Wohnung war folglich insoweit nicht weiter eingeschränkt, unabhängig davon, dass es sich bei den losen Parkettstellen um einen von der Klägerin zu beseitigenden Mangel handelte. Die abgetretenen Stellen beeinträchtigen die Nutzbarkeit nicht, stellen aber eine optische Beeinträchtigung dar, die sich auf die Höhe des Mietzinses auswirkt.

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Soweit die Beklagten in der Berufungsbegründung behaupten, es seien weitere Stellen lose gewesen, die sich unter Teppichen und Möbeln befunden hätten, kommt es hierauf nicht entscheidend an, da lose Stellen unter Teppichen und Möbeln die Nutzbarkeit nicht beeinträchtigen. Jedenfalls haben die Beklagten nicht dargelegt, dass durch derartige lose Stellen eine Beeinträchtigung der Nutzbarkeit eingetreten ist.

6

Im Badezimmer ist an der Decke eine geringe Schimmelbildung festgestellt worden. Die Beklagten machen darüber hinaus geltend, dass im Bereich des Duschkopfes und auf der Fliesenkante sich Schimmel gebildet habe. Wieso dadurch die Nutzbarkeit eingeschränkt worden sein soll, ist nicht dargelegt. Normalerweise können derartige Schimmelstellen ohne größeren Aufwand mit einem entsprechenden Reinigungsmittel beseitigt werden. Auch gehört es zu den Aufgaben eines Mieters, dass im Badezimmer in regelmäßigen Abständen die Fugen der Fliesen und sonstige feuchtigkeitsanfällige Stellen gewischt und trocken gehalten werden.

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Die Salpeter-Ausblühungen in der Küche haben es erforderlich gemacht, dass die Beklagten wiederholt die entsprechenden Teile strichen. Der dadurch bedingte Aufwand ist, für sich isoliert betrachtet, nicht so erheblich, dass dafür eine Minderung in Betracht kommt. Allerdings ist dieser zusätzliche Aufwand bei dem Gesamtzustand der Wohnung und der Frage zu berücksichtigen, inwieweit der gesamte Zustand eine Minderung rechtfertigt.

8

Die Feuchtigkeitserscheinungen im Schlafzimmer waren nach den Feststellungen des Sachverständigen bereits abgetrocknet. Anhaltspunkte dafür, dass ein anderer Sachverständiger bessere Erkenntnismöglichkeiten hätte, sind nicht vorgetragen.

9

Die Klopfgeräusche in der Heizungsanlage können als nachgewiesen angesehen werden. Zwar hat der Sachverständige sich dazu nicht äußern können, da er nicht zu einem Zeitpunkt in der Wohnung war, zu dem üblicherweise diese Klopfgeräusche auftraten. Dieses soll nämlich morgens ca. gegen 5.00 Uhr beim Anspringen der Heizung der Fall gewesen sein. Dass solche Klopfgeräusche aufgetreten sind, ist durch die in erster Instanz vernommenen Zeugen bewiesen worden. Derartige Klopfgeräusche treten aber nur in der Heizperiode auf. Sie sind ärgerlich und rechtfertigen im Zusammenhang mit anderen Mängeln in der Wohnung eine Minderung.

10

Das selbe gilt für die braune Färbung des warmen Wassers. Infolge der veralteten Heizungsanlage zeigte sich beim ersten Anlaufen des warmen Wassers eine braune Färbung, die nach kurzer Zeit aber abgelaufen war. Dies stellt sich als ein geringfügiger Mangel dar. Der erste Benutzer des Badezimmers muss kurze Zeit warten, bis das braun gefärbte Wasser abgelaufen ist. Dadurch kommt es zu einem geringfügig erhöhten Wasserverbrauch, der im Rahmen einer Minderung berücksichtigt werden kann. Auch dies ist aber nur ein geringfügiger Mangel, der nicht für sich isoliert eine Minderung rechtfertigen würde, wohl aber im Zusammenhang mit anderen Mängeln. Die nicht funktionierenden Lüftungsschlitze sind ebenfalls ein Mangel. Dabei kommt es nicht darauf an, ob heutzutage derartige Lüftungsschlitze eingebaut werden. Entscheidend ist, dass die Wohnung mit derartigen Schlitzen versehen ist, diese aber nicht funktionsfähig waren. Bei einer Zusammenschau aller Mängel ist auch dieser Umstand zu berücksichtigen. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Zustand den Beklagten bereits bei Beginn des Mietverhältnisses bekannt und von ihnen kommentarlos hingenommen worden ist, bestehen nicht.

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Wie die Klägerin selbst anerkennt, stellt sich auch das Nichtfunktionieren des Handtuchtrockenhalters als ein Mangel dar.

12

Für eine Minderung nach § 537 BGB kann nicht jeder Mangel für sich isoliert bewertet werden. Insbesondere ist eine Addition verschiedener Prozentsätze für einzelne Mängel nicht möglich. Entscheidend ist vielmehr, in welchem Umfang der Gebrauchswert der Wohnung insgesamt durch die Mängel beeinträchtigt ist. Dabei können auch Mängel berücksichtigt werden, die für sich isoliert betrachtet unerheblich sind, in ihrer Gesamtzahl und in der Gesamtschau aber eine Beeinträchtigung der Wohnung darstellen. So ist es hier. Der wesentliche und gravierende Mangel ist das Nichtfunktionieren der Abwasserleitung. Die übrigen geschilderten Mängel treten hinzu und beeinträchtigen die Nutzbarkeit der Wohnung in einem Umfange von 15 %.

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Nach § 537 Abs.1 bestimmt sich der Umfang der Minderung nach §§ 472, 473 BGB. Danach sind der Mietwert einer vergleichbaren einwandfreien Wohnung und der Mietwert einer mit den festgestellten Mängel behafteten Wohnung ins Verhältnis zu setzen. Bei der Festlegung von 15 % hat die Kammer berücksichtigt, dass einige der Mängel nicht stets vorhanden waren, sondern sporadisch auftraten bzw. von Zeit zu Zeit oder nur in bestimmten Jahresperioden. Da es hier um einen längeren Zeitraum geht, konnte ein Durchschnittswert pro Monat festgesetzt werden.

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Die Kammer hat darüber hinaus nicht festzustellen vermocht, dass die Nutzbarkeit der Wohnung in den Monaten Juli und August 2000 durch die Freisetzung von gesundheitsschädlichen Gasen im Wohnzimmer beeinträchtigt worden ist.

15

Nach dem von der Klägerin eingeholten Privatgutachten liegt eine Beeinträchtigung nicht vor. Soweit die Beklagten sich zum Beweis der Freisetzung gesundheitsschädlicher Gase auf Sachverständigengutachten berufen, kann dieser Beweis nicht erhoben werden, weil unstreitig das Parkett nicht mehr vorhanden ist. Damit ist den Beklagten der ihnen obliegende Beweis un-möglich geworden. Das führt im vorliegenden Fall jedoch nicht dazu, dass die Klägerin nun beweisen müsste, dass der Parkettkleber einwandfrei war. Die Klägerin hat das Parkett erst beseitigt, nachdem sie zuvor ein Gutachten zu der von den Beklagten behaupteten Mangelhaftigkeit eingeholt hatte. Auch hat sie den Beklagten genügend Zeit gelassen, um die Mangelhaftigkeit in einem selbstständigen Beweisverfahren durch das Gericht feststellen zu lassen. Von dieser Möglichkeit haben die Beklagten keinen Gebrauch gemacht.

16

Unter Zugrundelegung einer Minderung von 15 %, der Grundmieten, die zeitlich unterschiedlich waren sowie der Nebenkostenvorauszahlungen, die auch unterschiedlich hoch waren in den einzelnen Zeiträumen, ergibt sich folgende Übersicht:

17

...

18

Damit hatten die Beklagten 18.812,25 DM zu wenig gezahlt. Sie haben am 14.09.2000 10.101,23 DM gezahlt, die nicht anteilig auf Zinsen zu verrechnen sind, da bis dahin keine Zinsen angefallen waren, wie noch auszuführen ist. Damit verbleibt ein zu zahlender Betrag von 8.711,02 DM.

19

Diesen Betrag haben die Beklagten mit dem vereinbarten Zinssatz von 3 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab 01.01.2001 zu verzinsen. Soweit die Klägerin für eine Zeit vor dem 01.01.2001 Zinsen verlangt, ist die Klage unbegründet. Für die Zeit vor dem 01.01.2001 ist kein Anspruch aus Verzug gegeben, aber auch Rechtshängigkeitszinsen sind erst ab dem 01.01.2001 zu zahlen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

20

Die Beklagten sind mit der Zahlung der Miete nicht in Verzug geraten, weil ihnen ein Zurückbehaltungsrecht zustand, auf das sie sich auch berufen haben. Die Beklagten hatten gegen die Klägerin einen Anspruch auf Beseitigung der vorhandenen Mängel. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 536 BGB, wonach der Vermieter verpflichtet ist, die Sache in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten. Die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, die Abwasserrohre so herzurichten, dass eine Verstopfung nicht eintreten konnte und der Fäkaliengeruch nicht entstehen konnte. Außerdem hätte die Klägerin das Parkett an den schadhaften Stellen befestigen und die abgeschabten Stellen in einen ordnungsgemäßen Zustand versetzen müssen. Die Warmwasseranlage hätte re-pariert werden müssen, so dass kein braunes Wasser kam; die Klopfgeräusche der Heizung hätten, soweit dies möglich ist, beseitigt werden müssen. Der Handtuchtrockner hätte repariert werden oder erneuert werden müssen. Die Klägerin ist ihrer Pflicht zur Beseitigung der Mängel trotz wiederholter Aufforderung der Beklagten nicht nachgekommen. Deswegen waren die Beklagten berechtigt, die Miete zurückzuhalten. Dabei waren die Beklagten auch berechtigt, den zurückbehaltenen Betrag sukzessive zu erhöhen, um den notwendigen Druck auf die Klägerin auszuüben, damit diese ihrer Pflicht zur Beseitigung der Mängel nachkommt. Dass diese Druckausübung bis zur voll-ständigen Zurückbehaltung der gesamten Miete gehen durfte, ergibt sich schon daraus, dass die Klägerin sich auch dadurch nicht bewegen ließ, die erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen.

21

Da die Beklagten zur Zurückhaltung des Mietzinses berechtigt waren, kamen sie folglich mit der Zahlung nicht in Verzug. Auch nachdem sie am 14.09.2000 10.101,23 DM gezahlt hatten, konnten sie bis zum Jahresende - sie hatten zum 31.12.2000 gekündigt - ihr Zurückbehaltungsrecht weiter ausüben. Erst nach Beendigung des Mietverhältnisses hatten sie keinen Anspruch auf Beseitigung der Mängel mehr, so dass ihr Zurückbehaltungsrecht damit erlosch. Dementsprechend befinden sie sich seit dem 01.01.2001 mit der Zahlung in Verzug und müssen die vereinbarten Zinsen zahlen.

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Zinsen ab Rechtshängigkeit können sie aus dem gleichen Grunde nicht ab Klagzustellung, sondern erst ab dem 01.01.2001 verlangen.

23

Dagegen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten i.H.v. 1.544,11 DM, die sie an die Fa. S... für die vergebliche Anfahrt am 22.02.1999 gezahlt hat. Die Beklagten waren zwar verpflichtet, die von der Klägerin geplanten Arbeiten an der Auffahrt zu dulden - die Beklagten selbst hatten diese Arbeiten wiederholt gefordert - , die Klägerin hätte den Termin für die Arbeiten jedoch zuvor mit den Beklagten abstimmen müssen. Das hat sie unterlassen. Sie hat den Beklagten zwar den von der Fa. S... in Aussicht genommenen Beginn der Arbeiten für den 22.02. am 19.02.99, einem Freitag mitgeteilt; als aber der beklagte Ehemann nach Rücksprache mit seiner Frau der Klägerin gegen 13.30 Uhr telefonisch mitteilte, dass ihnen der Termin wegen der Sensibilität seiner Ehefrau kurz vor deren Niederkunft nicht passen würde, hat die Klägerin nicht die Fa. S... entsprechend unterrichtet. Der Klägerin war bekannt, dass sie die Arbeiten auf dem von den Beklagten gemieteten Grundstück nicht gegen deren Willen durchführen lassen konnte. Wenn die Klägerin in Kenntnis der Ablehnung der Beklagten, einerlei ob diese berechtigt war oder nicht, die Mitarbeiter der Fa. S... vergeblich anfahren lässt und dadurch hohe Kosten verursacht, so muss sie diese Kosten selber tragen und kann sie nicht von den Beklagten erstattet verlangen. Der Klägerin ist bekannt, dass, wenn es nicht zu einer Vereinbarung über den Beginn der Arbeiten kommt, sie notfalls klagen muss. Wenn sie statt dessen versucht, ihre Ansicht unter dem Druck von drohenden Kosten durchzusetzen und damit keinen Erfolg hat, so kann sie die Kosten nicht von den Beklagten erstattet verlangen.

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Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass die Klage in erster Instanz i.H.v. 10.101,23 DM von den Beklagten Zug um Zug sofort anerkannt worden ist und sie nach der Kündigung noch vor Wegfall des Zurückbehaltungsrechts diesen Betrag gezahlt haben. Da den Beklagten - wie oben dargelegt - ein Zurückbehaltungsrecht zustand, hat die Klägerin die auf den gezahlten Teil entfallenden Kosten zu tragen, was sich in einer entsprechenden Kostenquote auswirkt.