Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 16.08.1995, Az.: 2 U 102/95
Feststellungen zur groben Nachlässigkeit; Frist hinsichtlich des Vorbringens der Beweise; Darlegungslast und Beweislast beim Werkvertrag; Mangelerscheinungen bei der Ausführung; Vertretbarkeit der zu verantwortenden Umstände
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 16.08.1995
- Aktenzeichen
- 2 U 102/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 28969
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1995:0816.2U102.95.0A
Rechtsgrundlagen
- § 296 Abs. 2 ZPO
- § 539 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Umfang der Feststellungen zur groben Nachlässigkeit bei verspätetem Vorbringen. - Darlegungs- und Beweislast beim Werkvertrag, wenn Mangelerscheinungen nicht auf Ausführungsmangel zurückgehen muss.
Gründe
1.
Die Berufung beanstandet mit Recht, dass das Landgericht den Zeugen nicht gehört hat, der von den Beklagten in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 14.3.1995 dazu benannt worden ist, dass ein Probelauf der Kühlanlage bereits am 23. oder 24.7.1991 stattgefunden habe. Das Landgericht hat sich hierbei zu Unrecht auf § 296 Abs. 2 ZPO gestützt. Denn die Beklagte hat den Zeugen nicht aus grober Nachlässigkeit erstmals in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 14.3.1995 benannt.
Grob nachlässig i.S.v. § 296 Abs. 2 ZPO handelt eine Prozesspartei nur, wenn sie ihre Prozessförderungspflicht in besonders hohem Maße vernachlässigt, wenn sie also dasjenige unterlässt, was nach dem Stand des Verfahrens jeder Partei als notwendig hätte einleuchten müssen (vgl. BGH NJW 1987, 501, 502 [BGH 24.09.1986 - VIII ZR 255/85]; Zöller/Greger, ZPO, 19. Aufl., § 296 Rdn. 27). Diese Feststellung erfordert eine Würdigung aller Umstände, die nötigenfalls gemäß § 139 ZPO festzustellen und von der betroffenen Partei darzulegen sind (Zöller/Greger, a.a.O., Rdn. 34). Dem wird die Entscheidung des Landgerichts nicht gerecht.
Der Hinweis des Landgerichts darauf, dass der Rechtsstreit bereits seit dem 28.10.1993 anhängig ist, ist für sich gesehen nicht geeignet, eine Verletzung der Prozessförderungspflicht durch die Beklagten in Bezug auf die Benennung des Zeugen zu begründen. Dies gilt umso mehr, weil der Rechtsstreit mit Rücksicht auf außergerichtliche Vergleichsverhandlungen unter Einbeziehung des Haftpflichtversicherers des Architekten nahezu ein Jahr geruht hat. Auch die übrigen Ausführungen des Landgerichts zu § 296 Abs. 2 ZPO lassen die gebotene Würdigung aller relevanten Umstände vermissen. Vor allem hätte sich das Landgericht auch, ausgehend von seiner - im Rahmen von § 539 ZPO maßgeblichen - Rechtsauffassung, die Beklagten seien beweispflichtig dafür, dass die Kühlmaschinen schon während der Abbindezeit des Betons betrieben worden seien, damit auseinander setzen müssen, dass die Klägerin erstmals in dem Schriftsatz vom 22.2.1995 vorgetragen hat, die Leitungen der Kühlmaschinen seien von der Firma in der Zeit vom 22.7.1991 bis 26.7.1991 eingebaut worden, und zwar u.a. von dem Zeugen.
Erst auf Grund dieses neuen Vorbringens, zu dem der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 2.3.1995 Schriftsatznachlass gewährt worden ist, bestanden für diese konkrete Anhaltspunkte für Nachforschungen bei der Firma, insbesondere bei dem dort beschäftigten Zeugen.
2.
Für die erneute Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass Bedenken gegen die Auffassung des Landgerichts zur Verteilung der Beweislast bestehen. Die angefochtene Entscheidung geht ohne Begründung und abweichend von der Fassung des Beweisbeschlusses vom 22.11.1994 davon aus, dass die Beklagte beweispflichtig dafür sei, dass der Beton vor Ablauf der Abbindezeit gekühlt worden sei. Nach der - ausgehend von dem bisherigen Sach- und Streitstand zu bejahenden Abnahme - sind jedoch die Kläger darlegungs- und beweispflichtig für die mangelhafte Werkausführung. Zur Schlüssigkeit genügt es nach der sog. Symptomtheorie zwar zunächst, dass die Mangelerscheinung vorgetragen wird (vgl. Siegburg, Gewährleistung beim Bauvertrag, 3. Aufl., Rdn. 745 ff). Wenn die Mangelerscheinung sowohl auf mangelhafter Werkausführung als auch auf anderen, nicht in den Verantwortungsbereich des Werkunternehmers fallenden Umständen beruhen könnte, muss jedoch der Besteller im Regelfall beweisen, dass die Mangelerscheinung Folge mangelhafter Werkausführung ist (vgl. zur Unterscheidung zwischen Mangel und Mangelerscheinung: BGH BauR 1990, 356 [BGH 18.01.1990 - VII ZR 260/88] m.w.N. sowie Weise, BauR 1991, 19; zur Beweislast für die Schadensursache: Baumgärtel, Beweislast im Zivilprozess, 2. Aufl., § 635 Rdn. 7 ff m.w.N.).