Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 22.08.1995, Az.: 5 U 32/95

Anspruch auf Übertragung einer Nutzungsberechtigung an einer Grabstelle; Nutzungsbefugnis an Erbbegräbnissen; Übertragbarkeit und Vererbbarkeit einer Grabstelle; Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
22.08.1995
Aktenzeichen
5 U 32/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 29102
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1995:0822.5U32.95.0A

Fundstellen

  • FamRZ 1996, 377-378 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1996, 136-138 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Vererbbarkeit von Nutzungsrechten an Erbbegräbnissen Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft an Grabrechten

Gründe

1

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übertragung der begehrten Nutzungsberechtigung an der Grabstelle "S.". An dieser Grabstelle ist weiterhin berechtigt die ungeteilte Erbengemeinschaft nach dem Vater der Parteien. Eine Auseinandersetzung ist darüber bisher nicht erfolgt. Die nunmehr gemäß § 2042 BGB erstrebte Aufhebung der Gemeinschaft kann auch unter Einbeziehung der weiteren Grabstelle "C." mangels Teilbarkeit in Natur nicht durch Teilungsvertrag erfolgen und auch nicht gemäß § 242 BGB durch das Gericht vorgenommen werden.

2

Zu Recht hat das Landgericht entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung die Auseinandersetzungsklage als zulässig angesehen. Das Verfahren 7 0 161/90 LG Osnabrück - 5 U 142/90 - OLG Oldenburg betraf lediglich die im Feststellungsantrag aufgeführten Gegenstände (Briefmarkensammlung, Goldbarren, Silber- oder Goldmünzen). Nur über diese"Antragsgegenstände" ist, wie den Entscheidungsgründen des Senatsurteils vom 9.4.1991 klar zu entnehmen ist, rechtskräftig entschieden worden, nicht aber über den gesamten auseinander zusetzenden Nachlass. Das Verfahren betrifft daher, wie auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 23.8.1991 ausgeführt hat, nicht die Frage der Berechtigungen an den Grabstellen und hat keinen Einfluss auf die jetzt darüber anhängige Auseinandersetzungsklage. Auch die von der Berufungserwiderung dazu angesprochene Grabpflegevereinbarung zwischen dem vorletzten Nutzungsberechtigten Dr. S und der Kirchengemeinde berührt die Zulässigkeitsfrage nicht.

3

Die Nutzungsbefugnis an Erbbegräbnissen der zu beurteilenden Art ist eine Rechtsposition, die trotz der Zugehörigkeit der Sonderrechte an Grabstellen zumöffentlichen Recht im Hinblick auf die Rechtsnachfolge und Übertragbarkeit dem Bürgerlichen Recht unterworfen werden kann (vgl. BVerwGE 68, 108 [BVerwG 18.10.1983 - BVerwG 9 C 158.80]). Das ist für die in Rede stehenden Grabstellen durch die Friedhofssatzungen durchgängig der Fall gewesen, wie in dem o.a. Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, auf das der Senat insoweit Bezug nimmt, ausführlich und überzeugend begründet ist, und hat dazu geführt, dass mit dem Tode des Vaters der Parteien seine von dem Vorgänger Dr. S testamentarisch erhaltene Berechtigung an der Grabstätte auf seine Erben übergegangen ist, § 1922 Abs. 1 BGB. Die Prozeßparteien und die verstorbene von den Beklagten zu 2) und 3) beerbte Mutter der Parteien gehören auch zu den Familienangehörigen, auf denen die Übertragbarkeit und Vererbbarkeit gemäß § 11 Abs. 6 u. 7 FrO 1965 beschränkt ist. Diese Nutzungsberechtigung ist nicht dadurch erloschen, dass sich die Rechtsnachfolger nicht, wie von § 11 Abs. 7 Satz 2 FrO 1965 vorgesehen, innerhalb eines Monats nach dem Erbfall auf einen einzigen Berechtigten geeinigt haben. Folge der ausstehenden Einigung ist lediglich, dass es derzeit keinen Verfügungsberechtigten gibt, § 11 Abs. 7 S. 3 FrO 1965, nicht aber ein Erlöschen der Rechte, wie es § 13 Abs. 4 FrO 1965 für Fälle des Todes eines Berechtigten ohne Angehörige oder bei nicht rechtzeitiger Verlängerung eines Nutzungsrechts vorsieht mit dem anschließenden Heimfall der Verfügungsberechtigung an die Kirchengemeinde, § 11 Abs. 8 FrO 1965.

4

Damit hat jeder von den Prozeßparteien im Wege des Erbganges eine im Ansatz gleichermaßen anerkennenswerte Berechtigung an der Grabstelle "S." - wie auch an der Grabstelle "C." - jeweils beschränkt durch die Berechtigung der anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft erhalten, ohne dass der Senat gehalten war, über die Beteiligungsquote nach dem Tod der Mutter der Parteien und dem dazu erfolgten streitigen Parteivorbringen zu befinden.

5

Der Anspruch auf Aufhebung dieser Erbengemeinschaft richtet sich ebenfalls nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts. Gemäß § 11 Abs. 7 S. 4 FrO 1965 haben die Verfügungsberechtigten insoweit Streitigkeiten unter sich selbst zu erledigen. Eine öffentlichrechtliche Überlagerung des Auseinandersetzungsrechts ist darin nicht vorgesehen. Das gemäß §§ 2042, 753 BGB bestehende jederzeitige Auseinandersetzungsrecht eines Miterben wird durch den auf Grabpflege ausgerichteten Vertrag 1928/1949 mit der Kirchengemeinde nicht berührt. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, folgt daraus keine Beschränkung der Auseinandersetzung.

6

In Ermangelung einer realen Teilbarkeit und einer Teilungsversteigerung gemäß § 753 Abs. 1 S. 1 BGB (da eine Veräußerung an Dritte gemäß § 11 FrO 1965 nicht statthaft ist) verbleibt die Möglichkeit einer Versteigerung unter den Teilhabern, § 753 Abs. 1 S. 2 BGB.

7

Diese Bestimmung ist nicht nur bei Unstatthaftigkeit einer Veräußerung aufgrund Vereinbarung oder letzwilliger Verfügung anwendbar (Palandt/Thomas, BGB, 54. Aufl., § 753 RdNr. 4), sondern auch bei einer aufgrund gesetzlicher bzw. unter gesetzlicher Normen verbotenen Veräußerung an Dritte (vgl. Erman/Aderhold, BGB, 9. Aufl., § 753 RdNr. 5; Münch. Kommentar - K. Schmidt, BGB, 2. Aufl., § 753 RdNr. 10). Der Erwägung der Berufung, aus der Unveräußerlichkeit von subjektiv -öffentlichen Grabrechten folge ein Ausschluss von § 753 Abs. 1 S. 2 BGB, vermag der Senat nicht zu folgen. Das Friedhofsrecht enthält - wie ausgeführt - insoweit gerade keine öffentlich-rechtliche Veränderung der erbrechtlichen Auseinandersetzungsregelungen. Im Gegenteil verlangt es gerade die Festlegung mehrerer Benutzungsberechtigter auf eine Person und erklärt dieÜbertragbarkeit und damit auch die Veräußerungsmöglichkeit innerhalb dieses Personenkreises ausdrücklich für zulässig. Die gesetzliche Auseinandersetzungsregelung in § 753 Abs. 1 S. 2 BGB setzt damit gerade voraus, was die Berufung für ihren Ausschluss heranziehen möchte: Das Veräußerungsverbot betr. Dritte bei Veräußerbarkeit unter den Teilhabern.

8

Abgesehen von diesem zivilrechtlich für Fallgestaltungen dieser Art vorgesehenen Weg zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft kann dem Teilungsbegehren des Klägers auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB, stattgegeben werden.

9

Die Regelungen über die Aufhebung von Gemeinschaften sehen aufgrund einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers gerade keine Möglichkeit einer richterlichen Teilung vor. Dadurch sollten die bei einer Realteilung von nicht gleichartig teilbaren Gegenständen durch Gestaltungsakt für den Richter kaum zu lösenden Schwierigkeiten vermieden und dem auch im Gemeinschaftsrecht geltenden Grundsatz gleichmäßiger Behandlung von Teilhabern Rechnung getragen werden, der regelmäßig nur durch eine Umsetzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes in Geld und dessen Verteilung zuverlässig zu erreichen sein wird (BGHZ 58, 146, 147 unter ausdrücklichem Hinweis auf Motive II S. 883). Eine Abweichung von diesen Grundsätzen und der darauf beruhenden gesetzlichen Regelung im Einzelfall aufgrund der in jedem Rechtsbereich geltenden Grundsätze von Treu und Glauben ist zwar nie grundsätzlich auszuschließen. Sie muss aber auf wirkliche Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Es sind hohe Anforderungen daran zu stellen, um ein von der Entscheidung des Gesetzgebers abweichendes Ergebnis rechtfertigen zu können. So reichen die mit Versteigerungen mehr oder weniger stets verbundenen, fast immer unvermeidbaren Härten und Unbilligkeiten nicht aus für die Anwendung einer im Gesetz nicht vorgesehenen Teilungsart.

10

Vielmehr muss jedes andere Ergebnis für die eine bestimmte Aufteilung beanspruchende Partei schlechthin unzumutbar sein (BGHZ 68, 299, 304; LG Essen FamRZ 1981, 457 f.). Dabei ist nicht einmal zwingend, dass nur eine bestimmte Realverteilung in Betracht zu ziehen ist, um der Sache unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten gerecht zu werden; auch der Verzicht auf eine Aufhebung kann, wenn sich die Teilhaber nicht gütlich einigen, als gerechte Lösung in Betracht zu ziehen sein (BGHZ 58, 146, 148). Die Unveräußerlichkeit oder auch nur Unverkäuflichkeit allein genügen keinesfalls zur Begründung, einen Gegenstand einem Teilhaber unter Hintansetzung der anderen zuzuweisen (vgl. Staudinger/Huber, BGB; 12.

11

Aufl., § 753 RdNr. 47; Münch. Kommentar, K. Schmidt, a.a.O., § 753 RdNr. 32; Palandt/Thomas, BGB, 54. Aufl.,§ 753 RdNr. 8). Nach diesen Maßstäben kommt es nicht in Betracht, allein dem Kläger die Berechtigung an dem Erbbegräbnis "S." zuzusprechen.

12

Dass sich die Beklagten 1982 nicht gegen die Beerdigung des Sohnes des Klägers in dieser Grabstelle gewandt haben, vermag nunmehr einen Anspruch des Klägers auf alleinige Nutzungsberechtigung nicht entscheidend zu stützen. Das von ihm geltend gemachte hohe Affektionsinteresse über die Alleinberechtigung dafür sorgen zu können, dass er und seine Familie auch dort bestattet werden, ist dagegen nachvollziehbar und fällt bei der gebotenen Abwägung der Interessen durchaus ins Gewicht. Für die von ihm weiter hervorgehobenen Gründe gilt das allerdings nicht in gleichem Maße. Dieübernommene und von den Beklagten nicht behinderte Betreuung der Grabstätte war vor allem veranlasst durch die Pflege des Grabes seines Sohnes; die Grabstelle selbst wird vertragsgemäß von der Kirchengemeinde versorgt. Das Friedhofsrecht ist hinsichtlich der Parteiinteressen im wesentlichen neutral und hat beispielsweise mit seiner Regelung der Vergabe, Nutzung und Berechtigung hauptsächlich ordnenden Charakter.

13

Das von den Beklagten geltend gemachte Affektionsinteresse, die Grabstelle "S." als Familiengedenkstätte zu erhalten, kann demgegenüber entgegen der Auffassung des Klägers nicht vernachlässigt werden. In beiden Grabstellen ruhen direkte Vorfahren der Parteien. Es handelt sich um Familiengrabstellen,über deren Erhalt und Nutzung die Parteien unterschiedlicher Auffassung sind.

14

Grundsätzlich sind die "Pietätsvorstellungen und -gefühle" aller Beteiligten zu berücksichtigen. dass die Beklagten es für ihre Anstandspflicht halten, die Grabstelle "S." vor allem im Hinblick auf die für die Stadt und die Kirchengemeinde bedeutsamen Ahnen der Familie in ihrem Zustand zu erhalten, ist beachtlich, auch wenn die Beklagten zu 2) und 3) nicht vor Ort wohnen. Das Friedhofsrecht steht dem nicht entgegen. Es lässt die Grabnutzung auch ohne weitere Neubelegungen zu. Alle 12 Plätze der Grabstelle sind belegt. Nur die Ruhensfristen sind zumeist abgelaufen. So kann es gemäß § 13 FrO 1965 bei entsprechenden Verlängerungen auf Friedhofsdauer verbleiben.

15

Die Eintragung des Beklagten zu 1) bezüglich der Grabstelle "C." streitet unabhängig davon, ob sie inzwischen wieder gelöscht ist, auch nicht für eine Realteilung nach den Vorstellungen des Klägers. Solche Eintragungen haben, worauf bereits das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seiner vorgenannten Entscheidung zu Recht hingewiesen hat, keine konstitutive Bedeutung und sind bei der Begründung bzw.Übertragung von Nutzungsberechtigungen ohne Belang.

16

Schließlich trifft es zwar zu, dass der Kläger, sollte er die Nutzungsberechtigung allein bekommen, über seine Familie den Erhalt der Grabstelle "S." sicherstellen kann. Das gilt aber nicht nur für ihn. Auch die anderen Teilhaber können beispielsweise durch nach dem Friedhofsrecht zulässige lebzeitigeÜbertragungen das Erbbegräbnis für die Familie erhalten.

17

Wie sich die Teilhaber bei Fortbestehen der Erbengemeinschaft verhalten, ist offen. Ein zwangsläufiger Heimfall der Nutzungsberechtigung an die Kirchengemeinde ist damit nicht verbunden.

18

Unter der gebotenen Berücksichtigung der Gesamtumstände vermag der Senat jedenfalls nicht festzustellen, dass nur die vom Kläger begehrte Teilungsart für ihn zumutbar ist bzw. die Verweigerung der Alleinnutzungsberechtigten für ihn auf Schikane der Beklagten beruht. Hinreichende Gründe unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, dem Kläger unter Zurücksetzung der Berechtigungen und Interessen der Beklagten die alleinige Vorrangstellung an der Grabstelle "S." einzuräumen, bestehen auch unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus § 857 ZPO nicht. Die Berufung war daher insgesamt zurückzuweisen.