Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.03.2002, Az.: L 7 AL 214/98

Anrechnung; Arbeitslosenhilfe; Bedürftigkeit; Bedürftigkeitsprüfung; Berücksichtigung; Deckungsgleichheit; Dritter; Ehegatte; Ehegatteneinkommen; Einkommen; Einkommensanrechnung; Erhöhung; Freibetrag; Freibetragserhöhung; Kongruenz; rechtliche Pflicht; Rückstand; rückständige Unterhaltsleistung; spezielle Bedürftigkeitsprüfung; Tilgung; Unterhalt; Unterhaltsleistung; Unterhaltspflicht; Unterhaltsrückstand; Unterhaltszahlung; zeitliche Deckungsgleichheit; zeitliche Kongruenz; Zeitpunkt; Zeitraum

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
26.03.2002
Aktenzeichen
L 7 AL 214/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43757
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 13.05.1998 - AZ: S 16 AL 290/97

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 13. Mai 1998 wird geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 20. September bis zum 30. November 1997 Arbeitslosenhilfe in Höhe von nur 4,64 DM wöchentlich zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Klägerin beansprucht Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 20. September 1997 bis zum 3. Februar 1998.

2

Sie ist im Jahre 1949 geboren und lebte vor der hier streitigen Zeit mit ihrem heutigen Ehemann, mit dem sie am 23. Dezember 1997 die Ehe schloss, in eheähnlicher Gemeinschaft (1997 Lohnsteuerklasse I, 1998 Lohnsteuerklasse III; keine Kinder im Sinne des Einkommensteuerrechts).

3

Nach einer beitragspflichtigen Beschäftigung als Raumpflegerin vom 20. Oktober 1992 bis zum 29. März 1996 und einer zwölfwöchigen Sperrzeit bezog sie ab 22. Juni 1996 Arbeitslosengeld (Alg) nach einem ab 1. Oktober 1995 erzielten und bei ihrem Ausscheiden abgerechneten Arbeitsentgelt von wöchentlich (gerundet) 270,00 DM bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 19. September 1997. Danach war sie ohne Einkommen oder Vermögen. Für ihre Lebensversicherung bei der I. hatte sie in der streitigen Zeit einen Monatsbeitrag von 20,00 DM zu zahlen. In der Zeit vom 1. Februar bis 31. August 1998 bezog sie vom Sozialamt der Stadt J. Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von insgesamt 1.020,50 DM.

4

Ihr im Jahre 1935 geborener Ehemann (kein Kind im Sinne des Einkommensteuerrechts) erhält seit dem 1. Februar 1990 von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hannover Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Seit Juli 1991 ist er Schwerbehinderter, ab 17. Juli 1998 betrug der Grad der Behinderung (GdB) 70. Er litt u.a. an Diabetes. Seine EU-Rente betrug nach dem Stande vom 1. Februar 1997 1.793,15 DM, nach Abzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung 1.657,77 DM. Ab 1. Juli 1997 erhöhte die LVA ihre Leistung auf 1.822,73 DM (1.678,74 DM). In der Zeit vom 1. Februar bis zum 30. November 1997 behielt sie 165,73 DM monatlich von der EU-Rente ein und führte diesen Betrag an das Sozialamt der Stadt K. zur Tilgung von Unterhaltsrückständen des Partners/Ehemannes der Klägerin gegenüber seiner ersten Ehefrau ab. Nach dem Stande vom 21. Mai 1997 war noch ein Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 18. November 1974 bis zum 30. November 1982 in Höhe von 5.906,15 DM offen gewesen. Den restlichen Unterhaltsrückstand beglich der Partner/Ehemann der Klägerin im November 1997 in einer Summe, weil er einen kleinen Gewinn erzielt hatte (Schriftsatz vom 24. März 2002).

5

Ab 1. Dezember 1997 und erneut ab 1. Januar 1998 bewilligte das Sozialamt L. dem Partner/Ehemann der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 127,05 DM monatlich (Bescheide vom 17. November und 17. Dezember 1997). Dabei hatte es einen Mehrbedarf für eine kostenaufwendige Ernährung wegen Diabetes nach § 23 Abs. 4 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in Höhe von 120,00 DM sowie einen Mehrbedarf wegen EU nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BSHG in Höhe von 107,80 DM monatlich berücksichtigt. Im Übrigen gewährte es dem Partner/Ehemann ab 1. Dezember 1997 Wohngeld in Höhe von 249,00 DM monatlich. Weiteres Einkommen oder Vermögen hatte dieser nicht. Für seine Lebensversicherung bei der I. hatte er in der streitigen Zeit einen Monatsbeitrag von 32,10 DM zu entrichten.

6

Zum 20. September 1997 erneuerte die zu jener Zeit in M. wohnhafte Klägerin beim Arbeitsamt Goslar ihre Arbeitslosmeldung und beantragte Anschluss-Alhi. Diesen Antrag lehnte das Arbeitsamt Goslar mit Bescheid vom 1. September 1997/Widerspruchsbescheid vom 30. September 1997 ab: Das anzurechnende Partner/Ehegatteneinkommen übersteige den maßgeblichen Leistungssatz von 112,80 DM wöchentlich. Es berücksichtigte ein Einkommen des Partners/Ehemannes in Höhe von 499,85 DM monatlich (115,35 DM wöchentlich); von einer Netto-EU-Rente in Höhe von 1.657,77 DM zog es Ernährungsmehraufwendungen wegen Diabetes in Höhe von 150,00 DM und einen Freibetrag in Höhe von 1.007,92 DM ab.

7

Dagegen hat die Klägerin am 13. Oktober 1997 beim Sozialgericht (SG) Hildesheim Klage erhoben und unter Hinweis auf diverse Zahlungsverpflichtungen ihres Partners/Ehemannes geltend gemacht, ihr Partner/Ehemann sei nicht leistungsfähig. Von seiner EU-Rente müssten u.a. seine Unterhaltsleistungen an seine frühere Ehefrau in Höhe von 165,73 DM monatlich abgesetzt werden.

8

Während des Klageverfahrens hat sich die nach J. verzogene Klägerin am 4. Februar 1998 beim Arbeitsamt H arbeitslos gemeldet und Alhi beantragt. Diesen Antrag hat das Arbeitsamt H während des Berufungsverfahrens für die Zeit vom 4. Februar bis zum 31. August 1998 abgelehnt, weil der sich nach Anrechnung von Ehegatteneinkommen ergebende Anspruch gemäß § 107 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) erfüllt sei. Für die Zeit ab 1. September 1998 hat es der Klägerin Alhi in Höhe von 10,53 DM wöchentlich gewährt (Bescheid vom 24. August 1998, zwei Bescheide vom 25. August 1998 in der Fassung von drei weiteren Bescheiden vom 30. September 1998/Widerspruchsbescheide vom 8. und 15. Oktober 1998). Hiergegen hat die Klägerin beim SG Hannover Klage erhoben. Die Beklagte hat sich durch angenommenes Teil-Anerkenntnis vom 5. Juni 2000 verpflichtet, der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli bis zum 18. Oktober 1998 ungekürzte Alhi zu gewähren (Ausführungsbescheid vom 5. September 2000; Alhi in Höhe von 112,91 DM wöchentlich). Durch Urteil vom 5. Juni 2000 -- S 8 AL 899/98 -- hat das SG Hannover die weitergehende Klage abgewiesen. Es hat den Änderungsbescheid der Beklagten vom 12. Januar 1999 für die Zeit vom 1. Januar bis zum 3. Februar 1999 (Ende des Bewilligungsabschnitts; wöchentliche Alhi in Höhe von 10,57 DM) mit in seine Entscheidung einbezogen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin kein Rechtsmittel eingelegt.

9

Für die neuen Bewilligungsabschnitte ab 4. Februar 1999 (Bewilligungsbescheid vom 8. Februar 1999/Änderungsbescheid vom 20. Januar 2000) und ab 4. Februar 2000 (Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 2000) hat das Arbeitsamt H der Klägerin wegen Anrechnung von Ehegatteneinkommen gekürzte Alhi in Höhe von 34,51 DM wöchentlich, ab 1. Januar 2000 in Höhe von 35,21 DM wöchentlich und ab 4. Februar 2000 in Höhe von 27,16 DM wöchentlich gewährt, später die Bewilligungen aber für die Zeit vom 1. Februar 1999 bis 31. Januar 2000 teilweise sowie für die Zeit ab 1. Februar 2000 in vollem Umfang wegen zusätzlichen Nebeneinkommens der Klägerin aufgehoben und die Überzahlungen erstattet verlangt. Am 1. Mai 2000 hat die Klägerin wieder eine Beschäftigung aufgenommen.

10

Nachdem der Senat der Klägerin für ihre gegen den Bescheid des Arbeitsamts G vom 1. September 1997/Widerspruchsbescheid vom 30. September 1997 beim SG Hildesheim erhobene Klage im Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt hatte (Beschluss vom 9. Februar 1998 -- L 7 B 301/97 --), weil er eine Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen des Ehemannes gemäß § 138 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in Betracht gezogen hatte, hat das SG Hildesheim den Bescheid der Beklagten vom 1. September 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 1997 (richtig: 30. September 1997) aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 20. September 1997 Alhi unter Berücksichtigung eines Anrechnungsbetrages in Höhe von (nur) 77,10 DM zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. Mai 1998): Die Zahlungen auf die Unterhaltsrückstände erhöhten den Freibetrag des Ehemannes nach § 138 Abs. 1 Satz 3 AFG. An der Rechtsnatur der Unterhaltsansprüche habe sich durch deren Übergang auf den Sozialhilfeträger nichts geändert. Aus dem Wortlaut des § 138 Abs. 1 Satz 3 AFG ergebe sich kein Hinweis darauf, dass nur diejenigen Unterhaltsleistungen den Freibetrag erhöhten, die im Zeitpunkt der Alhi-Zahlungen auch fällig seien. Mithin ergebe sich ein Anrechnungsbetrag von nur 334,12 DM monatlich (77,10 DM wöchentlich).

11

Gegen dieses ihr am 25. Mai 1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16. Juni 1998 beim erkennenden Gericht Berufung eingelegt: Die Auslegung des § 138 Abs. 1 Satz 3 AFG dürfe nicht nur den Gesetzeswortlaut berücksichtigen. Maßgebend seien Sinn und Zweck der Erhöhung des Freibetrages wegen Unterhaltsleistungen gegenüber Dritter aufgrund einer Rechtspflicht. § 138 Abs. 1 Satz 3 AFG verfolge das Ziel, es dem Partner/Ehegatten des Arbeitslosen wegen der existenzsichernden und damit in besonderem Maße schützenswerten Funktion laufender Unterhaltsleistungen zu ermöglichen, diese Leistungen durch die Erhöhung des Freibetrages auch weiterhin zu erbringen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -- BSG -- (SozR 4100 § 138 Nr. 15) setze die Unterhaltsgewährung aufgrund einer rechtlichen Pflicht voraus, dass die Leistung ihren Grund gerade in der (Mit-)Verantwortung für den Lebensbedarf des Dritten habe. Diese Verantwortung müsse zum Zeitpunkt der Leistungserbringung noch aktuell bestehen und die Leistung dann tatsächlich auch zur aktuellen Sicherung des Lebensbedarfs des unterhaltsberechtigten Dritten dienen. Handele es sich hingegen um rückständige Unterhaltsleistungen, die -- wie hier -- für lange zurückliegende Zeiträume erbracht würden und nicht dem laufenden Lebensbedarf unterhaltsberechtigter Dritter dienten, so könnten diese Leistungen nur wie jede andere Schuldtilgung behandelt werden und berechtigten nicht zur Inanspruchnahme des Erhöhungsbetrages nach § 138 Abs. 1 Satz 3 AFG. Das gelte für die Zeit ab 1. Januar 1998 auch für die Auslegung der inhaltsgleichen Vorschrift des § 194 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III).

12

Die Beklagte beantragt,

13

das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 13. Mai 1998 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

14

Die Klägerin beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

17

Die die Klägerin betreffenden Leistungsakten des Arbeitsamts G (StammNr: ...) und des Arbeitsamts H (StammNr: ...; Bände I bis III) sowie die Akten des SG Hannover S 8 AL 899/98 und 904/98 sind Gegenstand des Verfahrens gewesen. Auf die Prozess- und vorerwähnten Beiakten wird wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Sachvortrags der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die Geldleistungen von mehr als 1.000,00 DM betreffende Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und infolgedessen zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -- SGG --). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung des Beschwerdewerts ist der Zeitpunkt der Berufungseinlegung (16. Juni 1998). Zu diesem Zeitpunkt überstieg der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.000,00 DM (vgl. nur das auf einen Jahresbetrag des damals noch zeitlich uneingeschränkt geltend gemachten Alhi-Anspruchs der Klägerin abstellende Rechenwerk der Beklagten in ihrer Berufungsschrift vom 15. Juni 1998). Das spätere Sinken des Beschwerdewerts infolge der Beschränkung des Anspruchs bis zum 3. Februar 1998 berührt die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten nicht (§ 202 SGG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung -- ZPO --; Meyer-Ladewig, SGG, § 144 RdNr. 19).

19

Der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens wird durch den Bescheid vom 1. September 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1997 bestimmt (§ 95 SGG). Dieser Bescheid hat nur noch Bedeutung für den Alhi-Anspruch der Klägerin bis zum 3. Februar 1998. Über ihren Alhi-Anspruch für die Zeit ab 4. Februar 1998 bis zum 3. Februar 1999 hat das SG Hannover mit Urteil vom 5. Juni 2000 -- S 8 AL 899/98 -- rechtskräftig entschieden. An diese Entscheidung sind die Beteiligten ebenso wie der Senat gebunden (§ 141 Abs. 1 SGG). Mithin sind auch die Folgebescheide, über die das SG Hannover entschieden hat, nicht (mehr) Gegenstand des Verfahrens.

20

Die Folgebescheide, die die Bewilligungsabschnitte ab 4. Februar 1999 und 4. Februar 2000 betreffen, sind -- soweit sie nach ihrer teilweise oder gänzlichen Aufhebung noch existent sind -- in diesem Rechtsstreit ebenfalls nicht zu überprüfen. Diese Bewilligungsbescheide und die ihnen nachfolgenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide ändern oder ersetzen nicht den streitigen Bescheid vom 1. September 1997/Widerspruchsbescheid vom 30. September 1997 und erfüllen deshalb nicht die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 SGG (i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG). Sie betreffen spätere Bewilligungsabschnitte, stehen mit dem hier streitigen Bescheid vom 1. September 1997 in keinem zeitlichen Zusammenhang mehr und beruhen auf anderen Rechtsgrundlagen. Gründe der Prozessökonomie können deshalb eine analoge Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG auf diese Bescheide nicht mehr rechtfertigen. Sie sind vielmehr bindend geworden, nachdem die Klägerin gegen sie keinen oder erfolglos Widerspruch eingelegt hat (§ 77 SGG).

21

Das angefochtene sozialgerichtliche Urteil ist rechtskräftig, soweit es die Klage auf Alhi in Höhe von mehr als 35,70 DM wöchentlich (112,80 DM abzüglich 77,10 DM) abgewiesen hat (§ 141 Abs. 1 SGG). Die Klägerin hat keine Berufung eingelegt.

22

Die Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen begründet. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte (sinngemäß) verurteilt, der Klägerin ab 20. September 1997 Alhi in Höhe von 35,70 DM wöchentlich zu gewähren. Auch darauf hat die Klägerin keinen Anspruch, denn sie ist auch insoweit nicht bedürftig (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 137 Abse. 1 und 2a AFG; für die Zeit ab 1. Januar 1998 § 190 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 193 Abs. 1 SGB III), weil -- bis auf eine geringfügige, für die Zeit vom 20. September bis zum 30. November 1997 zu machende Einschränkung (siehe unten) -- zu berücksichtigendes Einkommen die Alhi erreicht.

23

Die Alhi, die der Klägerin ohne zu berücksichtigendes Einkommen zustehen würde, würde nach den für sie maßgebenden Bemessungsmerkmalen (Arbeitsentgelt 270,00 DM wöchentlich, Nettolohnersatzquote 53 %, Leistungsgruppe A) ab 20. September 1997 112,80 DM wöchentlich betragen (§ 136 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe a AFG; Anlage 3b der AFG-Leistungsverordnung 1997 vom 20.12.1996, BGBl I S. 2161). Mit 112,91 DM wäre die Alhi vom 1. Januar bis zum 3. Februar 1998 auch in der Leistungsgruppe C nur unwesentlich höher (§ 200 Abs. 1 Satz 1, § 195 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, §§ 136, 137 Abse. 1 und 2 Nr. 1, Nr. 3 Buchstabe a, § 198 Satz 2 Nr. 4, § 151 Abs. 2 Nr. 2 SGB III i.V.m. Anlage 3 (Alhi) der SGB III-Leistungsverordnung 1998 vom 22.12.1997 (BGBl I S. 3349)).

24

Bis auf die gemachte Einschränkung übersteigt das anzurechnende Partner/Ehegatten-Einkommen die Alhi in Höhe von 112,80 DM und 112,91 DM wöchentlich. Das Einkommen des Partners in eheähnlicher Gemeinschaft und des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten ist im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen, soweit es den Freibetrag übersteigt (§ 138 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 137 Abs. 2a AFG; für die Zeit ab 1. Januar 1998 § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III). Ab 20. September 1997 beträgt das EU-Renteneinkommen des Partners/Ehemanns der Klägerin 1.822,73 DM. Das niedrigere von der Beklagten zugrunde gelegte EU-Renteneinkommen ab 1. Februar 1997 in Höhe von 1.793,15 DM ist nicht maßgebend.

25

Der abzusetzende Freibetrag des Partners/Ehemanns der Klägerin richtet sich nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz -- EStG -- (Mindestfreibetrag; § 138 Abs. 1 Satz 2 AFG, § 194 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Die (hypothetische) Alhi des Partners/Ehemanns der Klägerin (zu deren Berechnung bei Renteneinkommen vgl. BSG SozR 3-4100 § 138 Nr. 14 S. 81 f.) ist bei der für diesen maßgebenden Nettolohnersatzquote von 53 % (§ 136 Abs. 1 Nr. 2 AFG, § 195 Satz 1 Nr. 2 SGB III) schon in Ansehung der Bruttorente niedriger. Die Mindestfreibetrag (Grundfreibetrag) nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11.10.1995 (BGBl I S. 1250) betrug für das Jahr 1996 12.095,00 DM jährlich (1.007,92 DM monatlich) und ist auch für das Jahr 1997 erhalten geblieben (Art. 8 Nr. 36 Buchstabe q des Jahressteuergesetzes 1997 vom 27.12.1996, BGBl I S. 2049). Erst für das Jahr 1998 ist der Grundfreibetrag auf 12.365,00 DM jährlich (1.030,42 DM monatlich) durch § 52 Abs. 22b Nr. 1 des Jahressteuergesetzes 1966 a.a.O. heraufgesetzt worden. Ab September 1997 ist demgemäss von der EU-Rente der Mindestfreibetrag in Höhe von 1.007,92 DM, ab 1. Januar 1998 in Höhe von 1.030,42 DM monatlich abzuziehen.

26

Dieser Freibetrag ist in der Zeit von September bis November 1997 (nur für diesen Zeitraum kommt die Erhöhung nach dem Sachverhalt in Betracht) nicht um die Zahlungen an das Sozialamt der Stadt K. zur Tilgung der Unterhaltsrückstände des Partners/Ehemanns der Klägerin in Höhe von 165,73 DM monatlich zu erhöhen. Eine solche Erhöhung hatte der Senat nach der im früheren PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage zwar erwogen. Nach eingehender Überprüfung hält er an der dort angedeuteten Rechtsauffassung jedoch nicht fest.

27

Gemäß § 138 Abs. 1 Satz 3 AFG und § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III erhöht sich der Freibetrag um Unterhaltsleistungen, die der Partner/Ehegatte Dritten aufgrund einer rechtlichen Pflicht zu erbringen hat. Die Erhöhung des Freibetrages bezweckt, dem Partner/Ehegatten des Arbeitslosen die Erfüllung rechtlicher Unterhaltspflichten zu ermöglichen (BSG SozR 4100 § 138 Nr. 15 S. 73). Die Freibetragserhöhung erleichtert es dem Unterhaltspflichtigen, seiner Verantwortung für den Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten zu genügen. Insoweit enthält § 138 Abs. 1 Satz 3 AFG/§ 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Schuldtilgungen das anzurechnende Einkommen nicht mindern, weil andernfalls die Alhi im Ergebnis zur Tilgung von Schulden diente, also zweckwidrig gewährt würde (vgl. BSG SozR 4100 § 138 Nrn. 7<S. 24f), 14 <S. 64 f> und 15 <S. 72>). Um den Leistungszweck der Alhi nicht zu verfehlen, wird die Erfüllung von Verbindlichkeiten grundsätzlich nur eng begrenzt im Rahmen des § 138 Abs. 2 Satz 2 AFG/§ 194 Abs. 2 Satz 2 SGB III berücksichtigt. Die Tilgung von Unterhaltsrückständen ist aber auch dort nicht vorgesehen.

28

Hiervon ausgehend folgt der Senat der Rechtsauffassung der Beklagten. Eine Freibetragserhöhung für die Zeit ab September 1997 wegen Tilgung von Unterhaltsrückständen, die aus den Jahren von 1974 bis 1982 stammen, würde dem vom Gesetzgeber mit der Freibetragserhöhung verfolgten Zweck zuwiderlaufen. Im Nachhinein kann der Partner/Ehegatte der Klägerin seiner Verantwortung für den laufenden Lebensbedarf, den seine erste Ehefrau in den Jahren 1974 bis 1982 hatte, nicht mehr genügen. Diese Verantwortung hatte das Sozialamt der Stadt K. übernommen.

29

Zur Erreichung des mit der Freibetragserhöhung verfolgten Ziels sind als aufgrund einer rechtlichen Pflicht zu erbringende Unterhaltsleistungen im Sinne des Gesetzes nur solche Leistungen anzusehen, die für Zeiten zu erbringen sind, für die Alhi beansprucht wird (Grundsatz der zeitlichen Deckungsgleichheit zwischen Alhi- und Unterhaltsleistungen). Ob von diesem Grundsatz bei geringfügigen Kongruenzverschiebungen Ausnahmen zu machen sind, kann im Falle der Klägerin dahinstehen, da die Unterhaltsverpflichtungen ihres Partners/Ehemannes aus einer lange zurückliegenden Zeit stammen.

30

Ferner hat die Beklagte ab 20. September 1997 krankenkostbedingte Mehraufwendungen in Höhe von 150,00 DM abgesetzt. Bei diesen Absetzungen handelt es sich nicht um notwendige Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen Erwerbstätiger (Werbungskosten; § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AFG/§ 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III; zum Begriff der Werbungskosten BSG SozR 4100 § 138 Nr. 26 und SozR 3-4100 § 138 Nr. 9). Mit dem Renteneinkommen stehen die Krankenkostaufwendungen in keinem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang. Diese Absetzungen finden ihre Rechtsgrundlage in § 11 Satz 1 Nr. 4 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 07.08.1974 (BGBl I S. 1929), geändert durch Gesetz vom 24.06.1996 (BGBl I S. 878). Danach gelten Einnahmen, soweit mit ihnen unabwendbare Aufwendungen für Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der Gesundheit bestritten werden und soweit hierfür keine Leistungen Dritter gewährt werden, nicht als Einkommen. Die Höhe der tatsächlichen Kosten für die krankheitsbedingte Ernährung ist nachzuweisen. Bei fehlendem Nachweis erkennt die Beklagte bei Diabetes krankheitsbedingte Mehraufwendungen in Höhe von 150,00 DM monatlich an. Diese auf Erfahrungswerten im Sozialhilferecht beruhende Verwaltungspraxis der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Darüber hinausgehende gesundheitsbedingte Aufwendungen hat die Klägerin trotz Aufforderung nicht nachgewiesen.

31

Für die Zeit ab 1. Dezember 1997 kommen krankenkostbedingte Mehraufwendungen allerdings nur noch in Höhe von 30,00 DM in Betracht. Seit dieser Zeit bezog der Partner/Ehemann der Klägerin vom Sozialamt L. Hilfe zum Lebensunterhalt, die u.a. einen Mehrbedarf für kostenaufwendigere Ernährung nach § 23 Abs. 4 BSHG in Höhe von 120,00 DM monatlich berücksichtigte. Eine doppelte Berücksichtigung dieser Mehraufwendungen schließt § 11 Satz 1 Nr. 4 Alhi-VO nach seinem eindeutigen Wortlaut aus.

32

Die Beitragsanteile des Partners/Ehemanns der Klägerin zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind nach § 138 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AFG/§ 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III abzusetzen. Mit Ausnahme der Lebensversicherungsbeiträge in Höhe von 52,10 DM monatlich (20,00 DM plus 32,10 DM) sind weiter absetzbare Beiträge nicht nachgewiesen.

33

Die im Übrigen geltend gemachten allgemeinen Verbindlichkeiten sind nicht abzugsfähig. Der Hinweis der Klägerin, ihr Partner/Ehemann benötige seine Rente für sich und sei nicht leistungsfähig, ist rechtlich ohne Belang. Es geht hier nicht um die Prüfung eines Unterhaltsanspruchs der Klägerin gegen ihren Partner/Ehemann und damit nicht um die Ermittlung eigenen Einkommens des Arbeitslosen nach § 138 Abs. 2 Satz 1 AFG/§ 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III. Die Berücksichtigung des Partner/Ehegatteneinkommens hat unabhängig davon zu erfolgen, ob der unterhaltsbedürftige Arbeitslose einen Unterhaltsanspruch gegen seinen Partner/Ehegatten hat. (Gegen den Partner des Arbeitslosen käme ein Unterhaltsanspruch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ohnehin nicht in Betracht.)

34

Hiervon ausgehend ergibt sich für die Zeit vom 20. September bis zum 30. November 1997 eine Bedürftigkeit der Klägerin in Höhe von 4,64 DM wöchentlich, die nach den getroffenen Feststellungen unstreitig auch alle übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt:

35

anzurechnendes Partner/Ehegatteneinkommen 1.822,73 DM

36

./. Freibetrag       1.007,92 DM

37

./. Krankenkostaufwendungen 150,00 DM

38

./. Sozialversicherungsbeiträge    143,99 DM

39

./. Lebensversicherungsbeiträge    52,10 DM

40

468,72 DM

41

= 108,16 DM

42

wöchentlich.

43

Die Differenz zu dem wöchentlichen Leistungssatz von 112,80 DM beträgt 4,64 DM.

44

Für die Zeit ab 1. Dezember 1997 scheitert die Bedürftigkeit der Klägerin daran, dass die Krankenkostaufwendungen ihres Partners/Ehemannes aus den dargelegten Gründen nur noch in Höhe von 30,00 DM monatlich zu berücksichtigen sind. Im Ergebnis ändert sich ab 1. Januar 1998 (Leistungssatz 112,91 DM wöchentlich) nichts dadurch, dass sich der Freibetrag auf 1.030,42 DM erhöht.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abse. 1 und 4 Satz 1 SGG.

46

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Frage, ob auch Leistungen auf Unterhaltsrückstände, die der Partner/Ehegatte des Arbeitslosen Dritten aufgrund einer rechtlichen Pflicht zu erbringen hat, freibetragserhöhend im Sinne des § 138 Abs. 1 Satz 3 AFG/§ 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III wirken, haben Rechtsprechung und Schrifttum -- soweit ersichtlich -- bislang nicht erörtert, geschweige denn geklärt.