Landessozialgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.03.2002, Az.: L 10 B 62/02.RI
Befangenheitsgesuch gegen Sachverständigen; Zweifel an der Unparteilichkeit; Zulassung des Ehegatten bei gutachterlicher Befragung und Untersuchung; Ablehnung weiterer Begutachtung; Beschäftigung mit Frage nach Vorliegen einer Simulation oder Aggravation; Rückschlüsse auf das Verhalten aus an Gutachtertätigkeit geübter Kritik; Negative Ergebnisse der Begutachtung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 06.03.2002
- Aktenzeichen
- L 10 B 62/02.RI
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 41578
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 22.01.2002 - AZ: S 6 RI 413/00
Rechtsgrundlagen
- § 406 Abs 2 S. 2 ZPO
- § 406 Abs 2 Satz 1 ZPO
- § 42 ZPO
- § 202 SGG
Prozessführer
A.
Rechtsanwälte B.
Prozessgegner
Landesversicherungsanstalt Hannover, vertreten durch den Geschäftsführer, Lange Weihe 2/4, 30880 Laatzen
hat der 10. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle am 6. März 2002
durch
den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht C.,
den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht D. und
den Richter am Landessozialgericht E.
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 22. Januar 2002 wird zurückgewiesen.
Gründe
Mit ihrer am 13. Februar 2002 eingegangenen Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat, wendet sich die Klägerin gegen den ihr am 28. Januar 2002 zugestellten Beschluss vom 22. Januar 2002, mit dem das SG Hannover ihr Gesuch auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. F. in ihrem auf Rente wegen Erwerbs- bzw Berufsunfähigkeit gerichteten Klageverfahren abgelehnt hat.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Das SG hat das Befangenheitsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen Dr. G. im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Der Senat geht allerdings davon aus, dass das Befangenheitsgesuch nicht verspätet gestellt worden ist iS von § 406 Abs 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Klägerin macht für ihre Ablehnung Gesichtspunkte geltend, die sich erst aus der Begutachtung selbst ergeben haben. Sie kann mit ihrem Gesuch deshalb nicht unter Hinweis auf § 406 Abs 2 Satz 1 ZPO ausgeschlossen werden, denn diese Vorschrift betrifft allein den Fall, dass sich Ablehnungsgründe unmittelbar aus der Ernennung eines bestimmten Sachverständigen ergeben.
Das Ablehnungsgesuch ist jedoch unbegründet. Nach Aktenlage sind für den Senat keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Sachverständige Dr. G. befangen iS von §§ 406, 42 ZPO iVm § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist. Weder aus den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen noch aus dem Vortrag der Klägerin sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Dr. G. in einer Weise tätig geworden ist, die aus Sicht der Klägerin bei objektiver Betrachtungsweise Zweifel an der für einen Sachverständigen unerlässlichen Unparteilichkeit wecken könnten. Im Einzelnen ist hierzu Folgendes auszuführen:
Dem Sachverständigen muss es unbenommen bleiben, allein zu entscheiden, ob er den Ehemann der Klägerin bei deren Befragung und Untersuchung zulassen wollte, ohne dass dies von der Klägerin beanstandet werden könnte. Vor diesem Hintergrund muss es dem Sachverständigen auch zugestanden werden, dass er für den Fall, dass die Klägerin hiermit nicht einverstanden war, eine Ablehnung der weiteren Begutachtung ankündigte.
Es ist weiterhin nicht zu beanstanden, dass sich der Sachverständige in seinem Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme im Einzelnen mit den Fragen der Simulation und Aggravation beschäftigt hat. Es gehört zu den wesentlichen Aufgaben eines medizinischen Sachverständigen, im Rahmen der ihm aufgetragenen Bewertung der Leistungsfähigkeit eines Versicherten die von diesem angegebenen Beschwerden und Schmerzen zu objektivieren. In diesem Zusammenhang stellt sich ohne Weiteres die Frage nach Vorliegen einer Simulation oder Aggravation. Würde sich ein Sachverständiger hiermit nicht auseinandersetzen, wären aus Sicht des Gerichts Zweifel an einer ordnungsgemäßen Begutachtung angezeigt.
Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen können bei verständiger Betrachtungsweise auch nicht daraus hergeleitet werden, dass Dr. G. nach Vorhalt der seitens der Klägerin geäußerten Kritik sein Gutachten und seine Vorgehensweise bei der Begutachtung gerechtfertigt und damit gegenüber den erhobenen Vorwürfen verteidigt hat. Dies steht ihm ohne Weiteres zu. Es muss dem Sachverständigen in diesem Zusammenhang auch unbenommen bleiben, aus der Art der gegenüber seiner Tätigkeit geäußerten Kritik Rückschlüsse auf das Verhalten der Klägerin zu ziehen und diese dem Gericht mitzuteilen.
Soweit schließlich die Klägerin ihre Kritik an Dr. G. auf die Ergebnisse des Gutachtens stützt, kann sie daraus keinesfalls eine Befangenheit des Sachverständigen herleiten. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine gerichtlich angeordnete Begutachtung zu aus der Sicht einer Klägerin negativen Ergebnissen führen kann. Dies allein kann indes keine ernsthaften Zweifel an der Unparteilichkeit des betreffenden Sachverständigen begründen. Hinzu kommen müssten vielmehr objektive Umstände, die den Schluss nahelegten, dass eine Voreingenommenheit des Sachverständigen gegenüber der Klägerin oder ihrem Klagebegehren besteht, die bei verständiger Betrachtungsweise Zweifel an einer unparteiischen Begutachtung wecken könnten. Umstände dieser Art sind im vorliegenden Fall jedoch unter keinem Gesichtspunkt zu erkennen.