Landessozialgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.03.2002, Az.: L 8 AL 40/01.NZB

Erstattung von Sozialleistungen zwischen zwei Behörden; Beschwerdewert von weniger als 10.000,00 DM; Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG); Grundsätzliche Bedeutung; Wertigkeit ärztlicher Gutachten; Rüge unterbliebener Beiladung der Versicherten

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
04.03.2002
Aktenzeichen
L 8 AL 40/01.NZB
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 41579
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 17.10.2001 - AZ: S 18 AL 170/00

Prozessführer

A.

Prozessgegner

Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg

der Präsident des Landesarbeitsamtes Niedersachsen-Bremen, Altenbekener Damm 82, 30173 Hannover

hat der 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen

am 4. März 2002

durch

den Richter B. - Vorsitzender -,

den Richter C. und

den Richter D.

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 17. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

1

Die Klägerin hat vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg von der Beklagten die Erstattung von 6.837,40 DM geltend gemacht, die sie als Krankengeld der Versicherten F. G. für die Zeit vom 12. März bis zum 31. Juli 1999 gezahlt hat. Sie ist der Auffassung, dass die Beklagte für diesen Zeitraum Arbeitslosengeld (Alg) im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung gemäß § 125 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) hätte zahlen müssen. Seit dem 1. Januar 1999 bezog die Versicherte Alg, ab dem 29. Januar 1999 bis zum 11. März 1999 als Leistungsfortzahlung im Krankheitsfalle gemäß § 126 SGB III. Die Versicherte stellte am 17. Februar 1999 bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) H. einen Antrag auf Versichertenrente. Mit Bescheid vom 26. April 1999 gewährte ihr die LVA H. Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ab 1. August 1999 bis zum 31. Juli 2000 aufgrund eines Versicherungsfalles vom 29. Januar 1999.

2

Das SG Lüneburg hat mit Urteil vom 17. Oktober 2001 die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, der Stellungnahme des Arbeitsamtsarztes Dr. I. sei zu folgen, dass im Falle der Versicherten nicht von einer Leistungsunfähigkeit für mehr als 6 Monate auszugehen sei. Dagegen sei das von der Beklagten vorgelegte Gutachten des MDKN nicht überzeugend. Allein die Tatsache, dass die Wiedereingliederung der Versicherten in ihre früher ausgeübte Tätigkeit als Wäschereiarbeiterin gescheitert sei, rechtfertige nicht die Schlussfolgerung einer länger als 6 Monate dauernden Leistungsunfähigkeit. An der Richtigkeit dieser sozialmedizinischen Beurteilung aus damaliger Sicht könne die spätere Anerkennung einer Zeitrente durch den Rentenversicherungsträger nichts ändern.

3

Gegen das am 2. November 2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landessozialgericht (LSG) zur Entscheidung vorgelegt.

4

Die Klägerin trägt vor, das SG habe bei seiner Urteilsfindung offensichtlich der lediglich aktenmäßigen Beurteilung des medizinischen Sachverständigen der Beklagten mehr Bedeutung beigemessen, als der körperlichen Begutachtung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung. Von daher bedürfe es einer grundsätzlichen Klärung der Wertigkeit der vorliegenden Bewertungen zur Leistungsfähigkeit der Versicherten und zwar auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Rentenversicherungsträger den Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 29. Januar 1999 als Zeitpunkt des Leistungsfalles festgesetzt und insofern eine zumindest längere als 6 Monate dauernde Leistungsfähigkeit anerkannt habe.

5

Die Beklagte erwidert, die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung.

6

Wegen des umfassenden Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Vorgelegen hat ferner die Leistungsakte des Arbeitsamtes J. über die Versicherte (Stamm-Nr: K. ).

Entscheidungsgründe

7

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig, jedoch unbegründet.

8

Nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000,00 DM nicht übersteigt. Ein derartiger Fall liegt hier vor, wie das SG in seiner Rechtsmittelbelehrung zutreffend festgestellt hat. Streitig ist eine Erstattung von Sozialleistungen zwischen zwei Behörden mit einem Beschwerdewert von weniger als 10.000,00 DM.

9

Die Nichtzulassung der Berufung durch das SG ist nicht zu beanstanden, weil keiner der Fälle des § 144 Abs 2 SGG vorliegt. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs 2 Nr 1 SGG). Eine grundsätzliche Bedeutung liegt nur vor, wenn die Rechtssache Rechtsfragen grundsätzlicher Art aufwirft, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt sind und über den Einzelfall hinaus für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen allgemeine Bedeutung erlangen können (BSGE 2, 129, 132; 40, 14, 42). Derartige Umstände und Besonderheiten, die für eine einheitliche Auslegung und Anwendung oder für die Fortbildung des Rechts von Bedeutung sein könnten, sind nicht feststellbar. Das SG hat eine Einzelfallentscheidung getroffen, nämlich ob im Falle der Versicherten F. G. ab 29. Januar 1999 eine Leistungsunfähigkeit von mehr als 6 Monaten iS des § 125 SGB III vorliegt. Es hat diese Frage unter Auseinandersetzung mit den vorliegenden ärztlichen Gutachten aufgrund eigener Überzeugungsbildung verneint und deshalb die Klage abgewiesen. Die Überprüfung dieser Entscheidung ist im Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung nicht möglich.

10

Die Beklagte sieht die grundsätzliche Bedeutung in der Wertigkeit der vorliegenden ärztlichen Gutachten. Das ist keine Frage grundsätzlicher Art, die einer abstrakten Rechtsüberprüfung zugänglich ist. Das SG ist nicht einem Gutachten gefolgt, weil dieses von einer bestimmten (wertvolleren) Stelle stammte, sondern aus inhaltlichen Gründen. Auch zweitinstanzlich müsste das Berufungsgericht in dieser Weise vorgehen, ohne nach formellen Gesichtspunkten oder nach abstrakten Kriterien einer bestimmten ärztlichen Stellungnahme eine größere Richtigkeitsgewähr beizumessen.

11

Das Urteil des SG weicht nicht von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab (§ 144 Abs 2 Nr 2 SGG).

12

Schließlich hat die Klägerin auch keinen tatsächlich vorliegenden Verfahrensmangel geltend gemacht, auf dem die Entscheidung des SG beruhen könnte (§ 144 Abs 2 Nr 3 SGG). Obwohl die Klägerin mit der Sachaufklärung des SG nicht einverstanden war, hat sie ausweislich des Sitzungsprotokolls des SG Lüneburg vom 17. Oktober 2001 keine entsprechenden Ermittlungsanregungen vorgebracht bzw Beweisanträge gestellt. Ob ein Verfahrensmangel in der unterbliebenen Beiladung der Versicherten liegt, braucht der Senat nicht abschließend zu klären. Denn dieser Umstand würde nur dann einen Berufungszulassungsgrund darstellen, wenn die Beklagte die unterlassene Beiladung gerügt hätte. Geltend zu machen sind auch solche Verfahrensmängel der Vorinstanz, die bei einer zulassungsfreien oder zugelassenen Berufung von Amts wegen zu beachten wären (BSG SozR 1500 § 150 Nr 11). Die Rüge muss spätestens vor Entscheidung des LSG über die Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden und den behaupteten Verfahrensmangel möglichst genau und bestimmt angeben. Das ist vorliegend nicht erfolgt.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung des § 193 SGG.

14

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

15

Das Urteil des Sozialgerichts ist rechtskräftig (§ 145 Abs 4 Satz 4 SGG).

B. C. D.