Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.06.2023, Az.: L 12 R 89/20

Erstattung von Kosten für das während einer stationären Rehabilitation von einer von Geburt an an Akromegalie leidenden Person eingenommene Medikament Sandostatin

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
22.06.2023
Aktenzeichen
L 12 R 89/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 42017
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2023:0622.12R89.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 04.06.2020 - AZ: S 31 R 88/18

In dem Rechtsstreit
B.
- Klägerin und Berufungsklägerin -
gegen
Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen,
vertreten durch die Geschäftsführung,
Huntestraße 11, 26135 Oldenburg
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
hat der 12. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 22.6.2023 in Bremen durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht C., die Richter am Landessozialgericht D. und E. sowie die ehrenamtlichen Richter F. und G. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 4.6.2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für beide Instanzen endgültig auf 2.104,83 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten für das Medikament Sandostatin, das die bei ihr kranken- und bei der Beklagten rentenversicherte H. (Versicherte) während einer stationären Rehabilitation eingenommen hat.

Die 1957 geborene Versicherte leidet seit ihrer Jugend an Akromegalie (einer Erkrankung, bei der der Körper zu viel Wachstumshormone produziert). Sie bezog im streitgegenständlichen Zeitraum eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bei einem angenommenen Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich. Jedenfalls seit 2015 nahm sie das die Wirkung von Wachstumshormonen hemmende Medikament Sandostatin ein. Am 14.6.2016 verordnete ihr der behandelnde, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Internist und Endokrinologe Dr. D. erneut dieses Medikament. Für das am 17.6.2016 bezogene Medikament berechnete die herausgebende Apotheke 4.519,68 €.

Am 21.6.2016 wurde der Versicherten eine Hüfttotalendoprothese rechts implantiert. Am 30.6.2016 beantragte sie bei der Beklagten eine Anschlussheilbehandlung (AHB). Letztere leitete den Antrag unter dem 1.7.2016 nach § 14 Abs. 1 SGB IX an die Klägerin weiter. Dabei erklärte sie, für die Entscheidung über den Antrag nicht zuständig zu sein, weil die Erwerbsfähigkeit der Versicherten durch medizinische Rehabilitationsleistungen nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne. Die Klägerin bewilligte der Versicherten daraufhin eine AHB in der I., an der sie vom 2.7.2016 bis zum 22.7.2016 teilnahm.

Unter dem 1.8.2016 meldete die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch gemäß § 14 Abs. 4 SGB IX an. Sie erklärte, durch die AHB habe eine wesentliche Verschlechterung des Leistungsvermögens der Versicherten auf unter drei Stunden abgewendet werden können, so dass die Beklagte hierfür zuständig gewesen sei. Mit Schreiben vom 25.8.2016 akzeptierte Letztere den Erstattungsanspruch und bat um Bezifferung. Unter dem 31.8.2016 bezifferte die Klägerin diesen auf 1.980,00 € (Fallpauschale inkl. Fahrtkosten).

Mit Schreiben vom 24.11.2016 machte die Klägerin darüber hinaus einen Anspruch auf Erstattung der Kosten von 2.104,83 € für 80 ml Sandostatin geltend, die die Versicherte während der AHB verbraucht habe. Diese Forderung lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 2.12.2016 ab. Sie trug vor, zu vergüten seien die Rehabilitationsleistungen, die die medikamentöse Versorgung des zur Rehabilitation führenden Leidens einschlössen, nach dem mit der Rehabilitationseinrichtung geschlossenen Versorgungsvertrag in Verbindung mit der Vergütungsvereinbarung. Den danach von der Klägerin an die J. zu zahlenden Betrag habe sie, die Beklagte, der Klägerin erstattet. Die Kosten für das bereits am 14.6.2016 verordnete und am "16.06.2016" bezogene Medikament könne sie dagegen nicht erstatten.

Mit Schreiben vom 10.1.2017 hielt die Klägerin ihren Erstattungsanspruch aufrecht und äußerte, die Beklagte sei gemäß § 4 Abs. 2 SGB IX i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX auch für die Medikamente während der AHB zuständiger Kostenträger gewesen. Der Umfang des Erstattungsanspruchs gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX richte sich nach den für sie, die Klägerin, geltenden Rechtsvorschriften. Dadurch werde sichergestellt, dass sie einen vollständigen Ersatz der ihr zu Unrecht entstandenen Kosten erhalte. Mit Schreiben vom 18.1.2017 hielt die Beklagte an ihrer ablehnenden Haltung fest. Sie äußerte, die Verordnung sei bereits im Vorfeld ausgestellt worden und die Gabe nicht zwingend an den Zeitraum der AHB gebunden gewesen.

Am 23.3.2018 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Bremen Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, wenn die Beklagte von Anfang an die Kosten für die AHB übernommen hätte, wäre sie auch für die Versorgung mit dem Medikament zuständig gewesen. Denn nach § 4 Abs. 2 SGB IX i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX (Grundsatz der einheitlichen Leistungserbringung anlässlich einer medizinischen Rehabilitation) habe der Rentenversicherungsträger während einer stationären Rehabilitation die vollständige medizinische Versorgung des Rehabilitanden sicherzustellen. Er habe auch die Arzneimittel zu erbringen, die bereits zuvor im Rahmen eines Behandlungsplans verabreicht worden seien und während der Rehabilitation weiter eingenommen werden müssten. Es sei unerheblich, dass das Sandostatin nicht im Zusammenhang mit dem zur Rehabilitation führenden Behandlungsleiden (Zustand nach Hüftoperation) gestanden habe. Insbesondere habe es sich bei der Akromegalie nicht um eine interkurrente Erkrankung gehandelt, für deren Behandlung der Rentenversicherungsträger nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI nicht zuständig sei. So habe das Pius-Hospital Oldenburg die Erkrankung bereits im Befundbericht zum AHB-Antrag vom 23.6.2016 genannt. Die Rehabilitationsklinik habe diese als Fachklinik für Orthopädie, Innere Krankheiten und Rheumatologie mitbehandeln können. Dagegen wäre bei einer Rehabilitation auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eine Mitnahme des Medikaments in die Rehabilitationseinrichtung und sogar eine Verordnung während der Maßnahme möglich gewesen. Denn zur ärztlichen Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung gehörten auch ambulant durchgeführte Leistungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte - BMV-Ä), sofern sie nicht mit dem Behandlungsleiden im Zusammenhang stünden.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, auch als erstangegangener Träger hätte sie die Kosten für das Sandostatin nicht übernommen. Die von ihr erbrachten Rehabilitationsleistungen umfassten zwar auch die Versorgung mit Arzneimitteln. Kosten würden jedoch nur dann übernommen, wenn diese von der Rehabilitationseinrichtung verordnet bzw. bereitgestellt würden. Arzneimittel, die außerhalb des Rehabilitationsgeschehens zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet würden, seien von dieser zu tragen. Denn dann erfolge die Verordnung durch den behandelnden niedergelassenen Arzt, ohne dass die Rehabilitationseinrichtung hierauf Einfluss nehmen könne. Die Einrichtung habe die Akromegalie auch nicht mitbehandeln können.

Mit Gerichtsbescheid vom 4.6.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Gleichzeitig hat es die Berufung - wegen grundsätzlicher Bedeutung - zugelassen. Es hat ausgeführt, maßgeblich sei das Leistungsrecht der Klägerin, nicht das der Beklagten. Bei einer auf Kosten der GKV durchgeführten medizinischen Rehabilitation habe die Rehabilitationsklinik ausschließlich die Kosten der medikamentösen Versorgung für das zur Rehabilitation führende Leiden zu übernehmen. Darüber hinaus benötigte Medikamente, die nicht im Zusammenhang mit der Rehabilitation stünden, verordne nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 BMV-Ä ein ambulant tätiger Arzt. Das Sandostatin sei gerade nicht für die Behandlung des die Rehabilitation begründenden Zustands der Versicherten nach der Hüftoperation notwendig gewesen. Die Kosten hierfür seien daher nicht in der Rehabilitationsklinik angefallen. Letztere könne diese daher nicht nach dem Recht der Klägerin ihr gegenüber geltend machen.

Am 1.7.2020 hat die Klägerin vor dem Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Nach ihrer Auffassung ist es unerheblich, ob die Kosten eines Medikaments mit dem Pflegesatz abgegolten seien, zusätzlich an die Klinik zu zahlen seien oder auf andere Weise übernommen würden. Die Leistungsträger erbrächten die Leistungen nach § 4 Abs. 2 SGB IX so vollständig und umfassend, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich würden. Die Rentenversicherungsträger erbrächten gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 SGB VI im Rahmen einer medizinischen Rehabilitation Leistungen nach den §§ 42 bis 47a SGB IX, u.a. also Arzneimittel (§ 42 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX). Diese seien demzufolge nicht vom Krankenversicherungsträger zu leisten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 12.11.2013 - B 1 KR 22/12 R - juris Rn. 14) dürften Versicherte während einer stationären Behandlung daneben nicht zusätzlich vertragsärztlich mit Arzneimitteln versorgt werden. Das LSG Sachsen (Urteil vom 13.3.2019 - L 1 KA 3/16) habe festgestellt, dass zu den Rehabilitationsleistungen auch die Versorgung mit Arzneimitteln gehöre, die bereits vor der Rehabilitation eingenommen worden seien und während dieser weiter eingenommen werden müssten. Voraussetzung sei, dass durch das Arzneimittel der Körperzustand des Versicherten so weit unterstützt werden könne, dass das Rehabilitationsziel erreicht bzw. nicht gefährdet werde. Aus dem Leistungsausschluss nach § 13 Abs. 2 SGB VI bei interkurrenten Erkrankungen folge im Umkehrschluss die uneingeschränkte Einstandspflicht des Rehabilitationsträgers für alle anderen Fälle.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des SG Bremen vom 4.6.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr einen Betrag in Höhe von 2.104,83 € zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Kosten für ein Medikament seien vom Rentenversicherungsträger nur dann zu übernehmen, wenn dieses von der Rehabilitationseinrichtung verordnet bzw. bereitgestellt worden sei. Anders stelle es sich lediglich beim Auftreten von interkurrenten Krankheiten während einer Rehabilitation dar, die bei vorhandener Kompetenz mitbehandelt würden. Maßgeblich bleibe, dass die Verordnung des Sandostatins außerhalb der Rehabilitationsgeschehens von dem für die Planung und Steuerung des spezifischen Behandlungsprozesses verantwortlichen Facharzt erfolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf das Sitzungsprotokoll und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und der Entscheidungsfindung des Senats zugrunde gelegen haben.

Entscheidungsgründe

Die Berufung, die das SG ungeachtet seiner Entscheidung im Wege des Gerichtsbescheides wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16.3.2006 - B 4 RA 59/04 R - juris Rn. 18 f. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 105, Rn. 6b), ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für 80 ml Sandostatin.

Der geltend gemachte Erstattungsanspruch lässt sich insoweit nicht auf § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX in der vom 1.5.2004 bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (a.F.) stützen. Nach dieser Bestimmung sind einem Rehabilitationsträger, der eine Leistung erbracht hat, seine Aufwendungen nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften durch einen anderen Rehabilitationsträger zu erstatten, wenn nach Bewilligung der Leistung durch den leistenden Träger nach § 14 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 SGB IX a.F. festgestellt wird, dass der andere Träger für die Leistung zuständig war. Dieser spezielle Anspruch geht den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem SGB X vor (BSG, Urteil vom 6.3.2013 - B 11 AL 2/12 R - juris Rn. 11).

Diese - dem jetzigen § 16 Abs. 1 SGB IX n.F. weitgehend entsprechende - Regelung schafft einen Ausgleich dafür, dass der zweitangegangene Rehabilitationsträger die erforderlichen Rehabilitationsleistungen aufgrund einer "aufgedrängten Zuständigkeit" nach § 14 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB IX a.F. auch dann erbringen muss, wenn er sich selbst für nicht zuständig hält. Die Zuständigkeitszuweisung an den zweitangegangenen Träger erstreckt sich dabei im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die in dieser Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Im Verhältnis zum Rehabilitanden wird dadurch eine eigene gesetzliche Verpflichtung des zweitangegangenen Trägers begründet. Im Verhältnis der Rehabilitationsträger untereinander ist hingegen keine Lastenverschiebung bezweckt. § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX a.F. bezweckt einen vollständigen Ersatz aller Aufwendungen, soweit ein Rehabilitationsträger allein aufgrund der "aufgedrängten Zuständigkeit" Rehabilitationsleistungen erbringen musste, für die er originär nicht zuständig war. Sie statuiert insofern einen umfassenden Ausgleichsmechanismus (BSG, Urteil vom 8.9.2009 - B 1 KR 9/09 R - juris Rn. 11, 17).

Ein auf § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX a.F. gestützter, dem Grunde nach bestehender Erstattungsanspruch setzt voraus, dass der erstangegangene Rehabilitationsträger (hier: die Beklagte) für die erbrachten Rehabilitationsleistungen originär zuständig war, dass also der Versicherte die begehrten Leistungen von diesem Träger nach dem für ihn geltenden materiellen Recht ursprünglich beanspruchen konnte (BSG, Urteil vom 6.3.2013, a.a.O., Rn. 13; 16; Hessisches LSG, Urteil vom 7.5.2015 - L 8 KR 145/12 - juris Rn. 17 ff.). Diese Voraussetzungen sind hier unstrittig erfüllt. Insbesondere erscheint die ursprüngliche Begründung der Beklagten, eine medizinische Rehabilitation könne die Erwerbsfähigkeit der Versicherten nicht wesentlich bessern oder wiederherstellen bzw. eine wesentliche Verschlechterung nicht abwenden, nicht tragfähig. Dementsprechend hat die Beklagte den Erstattungsanspruch - richtigerweise - dem Grunde nach anerkannt und der Klägerin Kosten i.H.v. 1.980,00 € (Fallpauschale inkl. Fahrtkosten) erstattet.

Strittig ist lediglich der Umfang des Erstattungsanspruchs, nämlich ob er auch die Kosten für das während der Rehabilitation von der Versicherten eingenommene Sandostatin umfasst. Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX a.F. bemisst sich die Höhe des Anspruchs nach dem Leistungsrecht des erstattungsberechtigten Rehabilitationsträgers (hier: der Klägerin), nicht nach dem des erstattungspflichtigen Trägers. Denn die Norm bestimmt ausdrücklich, dass der originär zuständige Träger dem tatsächlich leistenden Träger dessen Aufwendungen "nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften" erstattet (Hessisches LSG, a.a.O., Rn. 19 f.; Jabben, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 1.12.2017, § 14 SGB IX, Rn. 10; Joussen, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 4. Aufl. 2014, Rn. 23).

Allerdings bezieht sich die Regelung des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX a.F. nach ihrem Zweck und dem Regelungssystem lediglich auf die Erstattung von Aufwendungen für Leistungen zur Rehabilitation. Sie scheidet daher als Anspruchsgrundlage aus, soweit der die Erstattung begehrende Träger weder nach eigenem Recht eine Rehabilitationsleistung erbracht noch einen Rehabilitationsanspruch erfüllt hat, der an sich gegen den als erstattungspflichtig in Anspruch genommenen Träger bestanden hat (BSG, Urteil vom 17.12.2023 - B 1 KR 50/12 R - juris Rn. 9 f.; zu § 16 SGB IX n.F.: Joussen, in: Dau/Düwell/Joussen/Luik, SGB IX, 6. Aufl. 2022, § 16 Rn. 4).

Die Versorgung der Versicherten mit dem Sandostatin stellte hier keine Leistung zur Rehabilitation dar. Das von ihr während der AHB eingenommene Medikament war ihr vom niedergelassenen Arzt unabhängig von der Maßnahme verordnet und von der Apotheke herausgegeben worden, und zwar schon vor deren Beginn und sogar vor deren Beantragung. Wie die Klägerin selbst erklärt hat, wäre der Versicherten das Medikament auch während der AHB bei Bedarf durch einen niedergelassenen Arzt - auf ihre Kosten (denen der Klägerin) - verordnet worden. Dazu hat sie auf § 2 Abs. 2 Nr. 3 BMV-Ä verwiesen, dem zufolge zur ärztlichen Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auch ambulant ausgeführte Leistungen gehören, die während einer stationären Rehabilitation erforderlich werden, sofern sie nicht mit dem Heilbehandlungsleiden im Zusammenhang stehen. Die vertragsärztliche Versorgung umfasst dabei auch die Verordnung von Arzneimitteln (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 BMV-Ä). Die Versorgung mit dem Sandostatin stand - unstreitig - nicht im Zusammenhang mit dem Heilbehandlungsleiden, das den Anlass für die Rehabilitation in Gestalt einer AHB darstellte, nämlich dem Zustand nach Implantation einer Hüftendoprothese. Das Medikament war der Versicherten unabhängig von der Operation verordnet worden. Ein ausreichender, eine Zuständigkeit der Beklagten für die Versorgung mit dem Medikament begründender Zusammenhang wird auch nicht dadurch hergestellt, dass im Befundbericht zum AHB-Antrag des K. vom 23.6.2016 unter Punkt 3. "Weitere behandlungsrelevante Krankheiten, Behinderungen, Funktionseinschränkungen, Schweregrade" als "Nebendiagnosen und Funktionsstörungen" neben anderen Erkrankungen auch die Akromegalie genannt wird. Ebenso wenig lässt sich dem Entlassungsbericht der J. vom 25.7.2017 ein solcher Zusammenhang entnehmen. Zwar findet dort ein "Zustand nach 2-maliger Hypophysen-Operation wegen Akromegalie ... vor ca. 30 Jahren und vor 20 Jahren" Erwähnung. Zur Situation bei Antritt der Rehabilitation beschränkt sich der Bericht jedoch auf die Feststellung, aktuell bestünden weiterhin regelmäßige endokrinologische Kontrollen. Dass die Akromegalie im Verlauf der Rehabilitation eine Rolle spielte, dass sie etwa durch die Klinik mitbehandelt wurde, ist nicht erkennbar.

Nicht zu überzeugen vermag auch die Argumentation der Klägerin, bei einer von der Beklagten bewilligten AHB hätte diese die Versicherte medikamentös versorgen müssen. Denn abgesehen davon, dass sich der Umfang des Erstattungsanspruchs - wie die Klägerin an anderer Stelle selbst betont - nach deren Recht richtet, wäre die Beklagte auch nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht für die Versorgung der Versicherten mit dem Sandostatin zuständig gewesen.

Eine Zuständigkeit der Beklagten hierfür lässt sich zunächst nicht aus § 13 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI ableiten. Nach dieser Bestimmung erbringt der Rentenversicherungsträger in der Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit keine Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, es sei denn, die Behandlungsbedürftigkeit tritt während der Ausführung der Rehabilitationsleistungen ein. Diese Regelung dient vor allem der Abgrenzung zur Akutbehandlung im Krankenhaus, für die die GKV zuständig ist (Zabre, in: Kreikebohm/Roßbach, SGB VI, 6. Aufl. 2021, § 13, Rn. 11). Sie enthält eine Ausschlussklausel für die Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit mit einer Rückausnahme für sog. interkurrente Erkrankungen, d.h. für akute Erkrankungen, die während einer stationären medizinischen Rehabilitation auftreten und einer sofortigen ärztlichen Behandlung bedürfen (so die zutreffende Definition in § 2 Abs. 1 der Vereinbarung zur Leistungsabgrenzung nach § 13 Abs. 4 SGB VI zwischen dem Verband der Deutschen Rentenversicherungsträger sowie dem Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen auf der einen Seite und den Spitzenverbänden der Krankenversicherung auf der anderen Seite - Ersk. 1993, S. 172). Allerdings erfassen sowohl der im ersten Halbsatz des § 13 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI normierte Ausschluss von Rehabilitationsleistungen während akuter Behandlungsbedürftigkeit als auch die im zweiten Halbsatz geregelte Rückausnahme für interkurrente Erkrankungen nur Krankheiten, die der Rehabilitationsmaßnahme zugrunde liegen (BSG, Urteil vom 21.6.2011 - B 13 RJ 47/00 R - juris Rn. 23 ff.). Die Akromegalie, an der die Versicherte seit Langem leidet, lag der Rehabilitationsmaßnahme aber gerade nicht zugrunde. Aus diesem Grunde ist hier § 13 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI von vornherein nicht einschlägig. Zudem trat die Erkrankung nicht erst während der AHB auf. Das Sandostatin diente mithin - wie die Klägerin selbst vorträgt - nicht der Behandlung einer interkurrenten Erkrankung. Auf die weiteren Voraussetzungen der Rückausnahme kommt es damit nicht mehr an.

Im Übrigen hat selbst ein Rentenversicherungsträger, der während einer vom ihm bewilligten Rehabilitation eine Krankenbehandlung nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI erbringt, nicht in jedem Falle deren Kosten endgültig zu tragen. Vielmehr kann er nach § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB VI vom Krankenversicherungsträger die Erstattung der Aufwendungen hierfür verlangen. Näheres zur Durchführung von § 13 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI regelt die Vereinbarung zur Leistungsabgrenzung nach § 13 Abs. 4 SGB VI. Danach erbringt der Rentenversicherungsträger im Falle einer interkurrenten Erkrankung zwar eine Krankenbehandlung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 der Vereinbarung). Ohne Weiteres hat er die Kosten hierfür aber nur dann zu tragen, wenn die Erkrankung mit dem Mitteln der Rehabilitationseinrichtung mitbehandelt werden kann und keine Krankenhauspflegebedürftigkeit vorliegt (§ 2 Abs. 2 der Vereinbarung). Ist eine Krankenhausbehandlung erforderlich, trägt in jedem Falle der Krankenversicherungsträger die Kosten (§ 2 Abs. 3 der Vereinbarung). Bei interkurrenten Erkrankungen, die eine ambulante Krankenbehandlung außerhalb der Rehabilitationseinrichtung erforderlich machen, ist zu differenzieren: Steht die Behandlung mit dem Heilbehandlungsleiden im Zusammenhang, sind die Kosten vom Rentenversicherungsträger zu tragen, anderenfalls vom Krankenversicherungsträger (§ 2 Abs. 4 der Vereinbarung). Ein solcher Zusammenhang mit dem Heilbehandlungsleiden ist erst recht zu verlangen, wenn es um die Behandlung einer - in der Vereinbarung nicht geregelten - chronischen, schon vor Rehabilitationsbeginn bestehenden Erkrankung geht. Dementsprechend hat der Rentenversicherungsträger nicht für die Kosten eines Medikaments aufzukommen, das der Dauermedikation einer chronischen Erkrankung dient, die nicht Anlass für oder Gegenstand der Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation gewesen ist (offengelassen: LSG Sachsen, Urteil vom 13.3.2019 - L 1 KA 3/16 - juris Rn. 31).

Ebenso wenig lässt sich eine Zuständigkeit der Beklagten für die Versorgung mit dem Sandostatin mit der Bestimmung des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB VI i.V.m. § 26 Abs. 2 SGB IX in der jeweils bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (a.F.; entspricht § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB VI i.V.m. § 42 Abs. 2 SGB IX in der jeweils ab dem 1.1.2018 geltenden Fassung - n.F.) begründen. Denn die dortige Aufzählung von Leistungen - u.a. Arzneimitteln (§ 26 Abs. 2 SGB IX a.F. bzw. § 42 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX n.F.) - benennt nur solche, die "insbesondere" im Rahmen einer Rehabilitation im Einzelfall (Nellissen, in: jurisPK-SGB IX, Stand: 18.9.2021, § 42, Rn. 18, 55, 66) erbracht werden können, nicht aber in jedem Falle vom Rentenversicherungsträger erbracht werden müssen. Zwar regelt § 4 Abs. 2 SGB IX darüber hinaus, dass die Leistungsträger die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität erbringen, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden (Grundsatz der einheitlichen Leistungserbringung). Insbesondere soll der Leistungsberechtigte vor einem unnötigen Zuständigkeitswechsel während einer als einheitlich anzusehenden Rehabilitationsmaßnahme bewahrt werden (BSG, Beschluss vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 26/07 R - juris Rn. 26). Danach zu erbringen sind allerdings nur die Leistungen, die das Rehabilitationsziel fördern (Zabre, a.a.O., § 15, Rn. 3). Eine Krankenbehandlung einschließlich der Versorgung mit Arzneimitteln, die einem anderen Zweck dient, wird nicht vom Grundsatz der einheitlichen Leistungserbringung erfasst. Dementsprechend fällt die Erbringung medizinischer Leistungen, die bei isolierter Betrachtung in die Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers fallen würden, nur dann in den Zuständigkeitsbereich des Rentenversicherungsträgers, wenn diese Leistungen mit einer von ihm gewährten Rehabilitation zumindest eng verbunden sind (BSG, Urteil vom 21.6.2001, a.a.O, Rn. 28), etwa weil sie sich auf das eigentliche Rehabilitationsleiden beziehen oder Bestandteil eines einheitlichen Rehabilitationskonzepts sind (LSG Sachsen, a.a.O., Rn. 30). Dem entsprechen die bereits zitierten Abgrenzungen in § 2 Abs. 2 Nr. 3 BMV-Ä und § 2 Abs. 4 der Vereinbarung zur Leistungsabgrenzung, die jeweils auf den Zusammenhang mit dem Heilbehandlungsleiden abstellen.

Nicht übertragen lässt sich die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12.11.2013 - B 1 KR 22/12 R) zur nicht zulässigen vertragsärztlichen Arzneimittelversorgung während eines stationären Krankenhausaufenthalts. Diese Entscheidung hat das BSG insbesondere darauf gestützt, dass die Bundespflegesatzverordnung (BPflV) für die allgemeinen Krankenhausleistungen, zu denen die Arzneimittelversorgung gehöre, eine abschließende Vergütungsregelung treffe (BSG, a.a.O., juris Rn. 15). Insofern kann eine Krankenhausbehandlung nach dem SGB V nicht mit einer medizinischen Rehabilitation gleichgesetzt werden.

Schließlich kommt kein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Aufwendungen für das Sandostatin nach den §§ 102 ff. SGB X in Betracht. Zwar werden diese Bestimmungen insoweit nicht durch § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX a.F. verdrängt, da die Versorgung mit dem Medikament - wie oben dargestellt - gerade keine Leistung zur Rehabilitation dargestellt hat. Erstattungspflichtig nach den §§ 102 ff. SGB X kann jedoch nur ein an sich zuständiger Leistungsträger sein. Es existieren aber keine Bestimmungen, die einen Rentenversicherungsträger - außer im Rahmen einer Rehabilitation - zur Versorgung eines Versicherten mit einem Medikament verpflichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Senat hat die Revision zugelassen. Denn er misst der Frage grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) bei, inwieweit die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auch die Versorgung mit Arzneimitteln umfassen, die der Behandlung einer chronischen, nicht mit dem Heilbehandlungsleiden im Zusammengang stehenden Erkrankung dienen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4 GKG.

Hagedorn
Marschang
Dr. May