Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 15.12.2021, Az.: 4 A 1173/20

Fensterloses Hotel; gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse; isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
15.12.2021
Aktenzeichen
4 A 1173/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70975
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse sind in fensterlosen Beherbergungsbetrieben nur dann gewährleistet, wenn die zulässige Aufenthaltsdauer auf drei Übernachtungen begrenzt wird.

2. Der Nachweis über die Einhaltung einer Nebenbestimmung kann in einer Baugenehmigung nicht verlangt werden.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 18.04.2019 und der Widerspruchsbescheid vom 14.01.2020 werden aufgehoben, soweit in Satz 4 der Nebenbestimmung Nr. 1 der Nachweis über die Einhaltung der Unteren Bauaufsichtsbehörde auf Verlangen vorzulegen ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt 1/5 der Kosten des Verfahrens, die Klägerin trägt 4/5 der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Nebenbestimmung, mit der ihr in einer von der Beklagten erteilten Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines medizinischen Labors in eine Beherbergungsstätte („D.“) aufgegeben wurde die unterbrechungsfreie Übernachtungsdauer pro Gast auf maximal drei aufeinanderfolgende Nächte zu begrenzen.

Die Klägerin bietet Übernachtungsmöglichkeiten unter effizienter Raumnutzung. Das Konzept ist darauf ausgerichtet, dass die Übernachtungsgäste in sogenannten Schlafboxen nächtigen. Diese Schlafboxen bietet die Klägerin in zwei Ausführungsvarianten an: Zum einen eine sogenannte Standardbox, in der im „Erdgeschoss“ ein Bett und ein Waschbecken existieren und im „Obergeschoss“, erreichbar über eine Treppe im Zimmer, ein weiteres Bett sowie eine Dusche vorhanden sind. Zum anderen eine so genannte Comfortbox, die neben den Bestandteilen einer Standardbox über ein 40 cm breiteres Bett im „Obergeschoss“ verfügt. Die Boxen können von bis zu zwei Personen genutzt werden.

Am 08.12.2017 beantragte die Klägerin die Genehmigung der Nutzungsänderung eines medizinischen Labors in einen Beherbergungsbetrieb mit dem oben beschriebenen Konzept ohne gastronomisches Angebot in dem Gebäude E.. Auf der dortigen Erdgeschossfläche soll das D. 104 jeweils 3,58 m hohe Schlafboxen mit 208 Betten umfassen, wobei die Grundflächen der Standardbox 4,2 m² und der Comfortbox bis zu 5,3 m² groß sein sollen. Die Schlafboxen haben Lichtöffnungen nur zu den nicht durchgängig von Tageslicht beleuchteten Fluren und werden durch ein Lüftungssystem mit Luft versorgt. Auf den Fluren des geplanten Objektes gibt es eine automatische Tageslichtsimulation. In den Schlafboxen ist eine oberhalb des Waschtisches angeordnete Leuchte vorgesehen, die durch den Gast manuell bedient werden kann und Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich der Farbtemperatur und Lichtintensität bietet. Ein 2,6 m² großes Lichtbild dient ferner ebenfalls der Beleuchtung und simuliert eine Aussicht. Eine Hotelrezeption ist nicht vorgesehen, stattdessen soll der Check-in über eine App auf dem mobilen Endgerät des Gastes erfolgen. Lediglich am Wochenende und zu Messezeiten sind rund um die Uhr Ansprechpartner vor Ort. Das D. verfügt über keine Küche, auch nicht zur Selbstversorgung. Angeboten werden sollen lediglich Kaffee, Tee und Wasser.

Die Klägerin legte ein von der Beklagten geprüftes Brandschutzkonzept vor, das Rettungswege ohne Inanspruchnahme von Fenstern und eine Abweichung von bauordnungsrechtlichen Anforderungen vorsieht. Nach der Betriebsbeschreibung sollen Zielkunden des F. sein:

-Traveller, die das günstige Reisen mit Fernbussen nutzen und die die zu ihrem Anreisepreis verhältnismäßig hohen Kosten einer gewöhnlichen Hotelübernachtung scheuen,
-Kurzaufenthalte bei Fortbildungen, von Studenten und Lehrenden (WG-Suche, Vorträge, Präsenztage etc.)
-Fernpendler, die aus wirtschaftlichen Gründen bis zu 3 regelmäßige Übernachtungen in der Woche im D. einem angemieteten Appartement vorziehen,
-Fahrrad-und Motorradtouristen, die das D. als innerstädtische Alternative zu Pensionen sehen,
-übermüdete Reisende, die eine regenerative Schlafpause machen, zum Beispiel auf einer Skandinavien- oder Polen-Route,
-überregional beheimatete Gäste von Spätevents wie Stadtfeste, Konzerte…
-Geschäftsreisende, Kongressteilnehmer und Freiberufler, die als Selbstzahler günstige Übernachtung bevorzugen
-Messebesucher für ein bis zwei Übernachtungen, für die ein Hostel mit Mehrbettzimmern nicht infrage kommt,
-Messeaussteller und deren Montageteams.

Nachdem die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Baugenehmigung für das beschriebene Vorhaben abgelehnt und auch den hiergegen eingelegten Widerspruch zurückgewiesen hatte, war der Bauantrag Gegenstand eines Klageverfahrens vor dem erkennenden Verwaltungsgericht (Az. 4 A 6166/18). Mit Urteil vom 24.01.2019 wurde die Beklagte unter Aufhebung ihrer entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung über die Nutzungsänderung eines medizinischen Labors in eine Beherbergungsstätte zu erteilen.

Der Verpflichtung kam die Beklagte nach und erteilte der Klägerin die entsprechende Baugenehmigung, wobei sie diese unter Ziffer 1. mit folgender Nebenbestimmung versah:

„Die unterbrechungsfreie Übernachtungsdauer pro Gast ist auf maximal 3 aufeinanderfolgende Nächte begrenzt. Sie darf nicht überschritten werden. Dies ist organisatorisch sicher zu stellen. Der Nachweis über die Einhaltung dieser Nebenbestimmung ist der Unteren Bauaufsichtsbehörde auf Verlangen vorzulegen.“

Zudem erließ die Beklagte unter Ziffer 8. eine Nebenbestimmung zur Einhaltung der Schallschutzvorschriften. Die Klägerin legte gegen diese Nebenbestimmungen unter dem 27.05.2019 Widerspruch ein. Die Nebenbestimmung zu Ziffer 1. sei rechtswidrig, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für ihren Erlass nicht vorlägen. Die Beschränkung der Übernachtungsdauer sei nicht zur Herstellung der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens erforderlich. Bei der Nebenbestimmung zu Ziffer 8. handele es sich um einen Auflagenvorbehalt, der nicht auf einer gesetzlichen Grundlage fuße.

Mit Bescheid vom 14.01.2020 half die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin hinsichtlich der Nebenbestimmung zu Ziffer 8. ab und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

Die Klägerin hat am 14.02.2020 Klage erhoben. Sie habe einen Anspruch auf Erlass einer Baugenehmigung ohne die Nebenbestimmung zu Ziffer 1.. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Nebenbestimmung lägen nicht vor. Die Baugenehmigung könne auch ohne die Nebenbestimmung zu Ziffer 1. rechtmäßig bestehen. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus den Urteilsgründen des Verwaltungsgerichts Hannover in dem vorangegangen Verfahren. Das Urteil verhalte sich zur Frage der Möglichkeit oder Notwendigkeit einer Nebenbestimmung nicht. Sofern die Beklagte auf Urteile in einem ähnlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Hannover (v. 24.01.2019, Az. 4 A 6675/18) und in zweiter Instanz vor dem OVG Lüneburg (v. 12.05.2021, Az. 1 LB 29/20) verweise, könnten diese nicht herangezogen werden. In den dortigen Verfahren sei die begrenzte Übernachtungsdauer bereits in der Betriebsbeschreibung fest angelegt gewesen, wohingegen die Klägerin in ihrer Betriebsbeschreibung lediglich einen Durchschnittswert angegeben habe. Zudem sehe die Betriebsbeschreibung in dem Parallelverfahren eine Nutzung als Hostel mit recht kleinen, spartanisch eingerichteten Mehrbettzimmern vor. Die Schlafboxen der Klägerin hingegen seien hochgradig modern und mit einem ausgeklügelten Belichtungs- und Belüftungssystem ausgestattet. Vordergründig gehe es um den Erlebnischarakter der Übernachtung in einer fensterlosen Box (wie in einem Weinfass oder Iglu). Eine Gesundheitsgefährdung der Gäste bei einer Dauer von mehr als drei Übernachtungen sei nicht zu befürchten. Der gravierende Wettbewerbsnachteil für die Klägerin könne unter diesem Gesichtspunkt nicht gerechtfertigt werden. Schließlich würden sich viele Gäste von der beschränkten Übernachtungsdauer abgeschreckt fühlen, weil sie nicht die Möglichkeit hätten, den Aufenthalt aus spontan auftretenden Gründen zu verlängern. Davon abgesehen stelle die in der Nebenbestimmung aufgegebene Sicherstellung der Einhaltung der maximalen Übernachtungsdauer einen Eingriff in die Organisationsfreiheit der Klägerin dar, der mit erheblichem Aufwand verbunden sei. Dem auf Verlangen vorzulegenden Nachweis hierüber fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage sowie an zeitlicher und inhaltlicher Bestimmtheit.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18.04.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2020 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den angefochtenen Bescheid. Die vor dem Verwaltungsgericht Hannover (Az. 4 A 6675/18) und Oberverwaltungsgericht Lüneburg (1 LB 29/20) geführten Parallelverfahren seien unter dem Gesichtspunkt dernur ausnahmsweise zulässigen Fensterlosigkeit in Hotelbetrieben mit dem vorliegenden Verfahren vergleichbar. Davon abgesehen sei das auch das Verwaltungsgericht Hannover in dem vorangegangenen Verfahren der Klägerin (Az. 6166/18) von einer nur kurzzeitigen Aufenthaltsdauer in den Schlafboxen ausgegangen. Die Klägerin sei dazu verpflichtet, einen geeigneten Nachweis über die Übernachtungsdauer zu führen, wobei ihr die Art und Weise des Nachweises selbst obliege. Dieser werde nicht für einen unbegrenzten Zeitraum verlangt, vielmehr unterliege der Nachweis naturgemäß einer Begrenzung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat teilweise Erfolg. Sie ist zulässig (hierzu unter 1.) aber unbegründet, soweit mit ihr die Begrenzung von drei Übernachtungen pro Gast angegriffen wird (hierzu unter 2.). Die Klage ist hingegen begründet, soweit die Klägerin in Satz 4 der Nebenbestimmung verpflichtet wird, einen Nachweis über die Einhaltung der Nebenbestimmung zu führen und der Unteren Bauaufsichtsbehörde auf Verlangen vorzulegen (hierzu unter 3.).

1. Die isolierte Anfechtung der Nebenbestimmung in Ziffer 1. der Baugenehmigung vom 18.04.2019 ist zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der das Gericht folgt, sind gegen belastende Nebenbestimmungen eines begünstigenden Verwaltungsakts grundsätzlich die Rechtsmittel des Widerspruchs und der Anfechtungsklage gegeben. Ob diese Rechtsmittel zur Aufhebung der Nebenbestimmung führen, hängt davon ab, ob der begünstigende Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoll und rechtmäßig bestehen bleiben kann. Das ist, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit von vornherein ausscheidet, eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Rechtsmittels (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.2018 - BVerwG 8 C 6.17 -,Rn. 9, juris, und v. 22.11.2000 - BVerwG 11 C 2.00 -, Rn. 25, juris; OVG Lüneburg, Urt. v. 14.03.2013 - 12 LC 153/11 -, Rn. 51, juris; OVG Berlin, Beschl. v. 11.12.2020 - OVG 2 S 47/20 -, Rn. 11, juris).

2. Der Bescheid der Beklagten vom 18.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit er in der Nebenbestimmung zu Ziffer 1. die unterbrechungsfreie Übernachtungsdauer pro Gast auf maximal drei aufeinanderfolgende Nächte begrenzt.

Rechtsgrundlage für den Erlass der Nebenbestimmung ist § 36 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Danach darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist, oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Letztes ist hier der Fall. Das Bauvorhaben der Klägerin, welches fensterlose Schlafboxen vorsieht, ist nur dann genehmigungsfähig, wenn die ununterbrochene Dauer eines Aufenthalts auf maximal drei Übernachtungen begrenzt wird.

Wie die Kammer bereits mit Urteil vom 24.01.2019 in dem vorangegangenen Verfahren rechtskräftig festgestellt hat, kann die Klägerin gem. § 43 Abs. 5 Niedersächsische Bauordnung (NBauO) nur dann auf die grundsätzlich nach § 43 Abs. 3 NBauO erforderlichen notwendigen Fenster verzichten, wenn den Anforderungen des § 3 NBauO entsprochen wird (vgl. VG Hannover, Urt. v. 24.01.2019 - 4 A 6166/18 -, Rn. 42 ff., juris). § 3 NBauO regelt unter anderem in Absatz 2 Satz 2, dass bauliche Anlagen den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse entsprechen müssen. Die Anforderung unmittelbar ins Freie führender Fenster, die eine ausreichende Tageslichtbeleuchtung und Lüftung der Aufenthaltsräume sicherstellen sollen, dient sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Gewährleistung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse (Große-Suchsdorf, NBauO, 6. Auflage, § 43 Rn. 1). Diese Anforderungen hat das OVG Lüneburg mit Urteil vom 12.05.2021 (- 1 LB 29/20 -, Rn. 30 ff., juris) in dem Parallelverfahren fensterloser Mehrbettzimmer eines Hostels dahingehend konkretisiert, dass es die maximal zulässige ununterbrochene Aufenthaltsdauer auf drei Übernachtungen begrenzt hat. In den Urteilsgründen wird ausgeführt:

„Diese Begrenzung trägt der Tatsache Rechnung, dass fensterlose Schlafräume mit Blick auf die Anforderungen des § 3 NBauO nur für kurzfristige Aufenthalte geeignet sind. Je länger ein Aufenthalt andauert, umso eher wird das Bedürfnis entstehen, Räume auch tagsüber zum Rückzug zu nutzen und dort auch zu anderen Zwecken als dem bloßen Schlafen länger zu verweilen. Damit gewinnt das Fehlen der natürlichen Belichtung, auf deren Bedeutung die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, an Gewicht; eine Kompensation durch Kunstlicht scheidet bei längeren Aufenthalten aus. Vor diesem Hintergrund bedarf es der klarstellenden Begrenzung der Aufenthaltsdauer, die nach den Ausführungen der Klägerin in erster Instanz in ihrem Betriebskonzept ohnehin angelegt ist. Diese Begrenzung veranschlagt der Senat auf den Zeitraum eines verlängerten Wochenendes mit drei Übernachtungen als maximal zulässiger Aufenthaltsdauer.“

Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen an. Soweit die Klägerin meint, das Urteil könne aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit eines Hostels mit dem Hotel der Klägerin nicht herangezogen werden, dringt sie damit nicht durch. Das OVG Lüneburg hat in dem oben genannten Urteil grundsätzliche Anforderungen an die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit fensterloser Zimmer in Beherbergungsbetrieben formuliert (vgl. a.a.O., Rn. 31, juris). Insofern kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin in der Betriebsbeschreibung eine feste Grenze der Anzahl an Übernachtungen oder bloß einen Durchschnittswert angegeben hat.

Soweit die Klägerin meint, das Urteil des OVG Lüneburg könne auf ihren Fall nicht angewendet werden, weil dieser sich durch das Erlebnis des besonders geruhsamen Schlafens in einer fensterlosen Box von einem Hostel oder gewöhnlichen Beherbergungsbetrieb unterscheide, dringt sie damit nicht durch. Weder das genehmigte Betriebskonzept der Klägerin noch der Internetauftritt geben einen solchen besonderen Eventcharakter her. Bei einem Aufruf der Internetseite der Klägerin wird zunächst das „attraktive Preis-Leistungsverhältnis“ angepriesen, wobei die Übernachtung auf „der besten jemals von Stiftung Warentest getesteten Matratze“ erfolgen soll. Daneben wird die einmalige Bauweise der Schlafboxen und schließlich die Innenstadtlage sowie der Aspekt der Nachhaltigkeit betont (vgl. https://www. D..de/, zuletzt aufgerufen am 21.12.2021).

Das Argument der Klägerin, sie unterscheide sich deshalb von gewöhnlichen Hotels, weil es bei ihr eine strikte Trennung zwischen „Schlafen“ und „Aufenthalt in der Lobby“ gebe, überzeugt die Kammer nicht. Sie schließt sich vielmehr der Auffassung des OVG Lüneburg (a.a.O.) an, nach der umso eher das Bedürfnis entsteht, Räume tagsüber zum Rückzug zu nutzen und dort auch zu anderen Zwecken als dem bloßen Schlafen länger zu verweilen, je länger ein Aufenthalt andauert. Dieses Bedürfnis nach Rückzug und Privatsphäre kann in einer Lobby mit anderen sich dort aufhaltenden Gästen nicht gestillt werden.

Das Argument der gravierenden Wettbewerbsnachteile, die der Klägerin durch die mangelnde Möglichkeit der Gäste zur spontanen Verlängerung ihres Aufenthalts und der Einquartierung durch Messeaufsteller und Handwerker für eine Woche entstünden, verfängt rechtlich nicht. Das OVG Lüneburg hat in seinem Urteil vom 12.05.2021 (a.a.O.) klare Voraussetzungen für die ausnahmsweise Zulässigkeit von fensterlosen Beherbergungsbetrieben formuliert. Die Kammer hält die Gewährleistung gesunder Wohnverhältnisse für die genannten Berufsgruppen, die als Arbeitnehmer häufig keinen Einfluss auf die Buchung der Unterkünfte durch ihre Arbeitgeber haben, für besonders schützenswert.

3. Der Bescheid der Beklagten vom 18.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2020 ist hinsichtlich der isoliert angegriffenen Nebenbestimmung zu Ziffer 1. materiell teilbar (hierzu unter a.) und insoweit rechtswidrig, wie die Klägerin verpflichtet wird, einen Nachweis über die Einhaltung der Nebenbestimmung der Unteren Bauaufsichtsbehörde auf Verlangen vorzulegen. Dies verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; hierzu unter b.).

a. Die Baugenehmigung vom 18.04.2019 kann ohne die Nebenbestimmung rechtmäßigerweise bestehen. Die Beklagte wurde mit rechtskräftigem Urteil der Kammer vom 24.01.2019 verpflichtet, der Klägerin diese zu erteilen (vgl. VG Hannover, Urt. v. 24.01.2019 - 4 A 6166/18 -, juris).

b. Ein Nachweis über die Einhaltung der Nebenbestimmung, der der Unteren Bauaufsichtsbehörde auf Verlangen vorzulegen ist (Satz 4 der Nebenbestimmung zu Ziffer 1.) kann in einer Baugenehmigung nicht gefordert werden. Es mangelt an einer Rechtsgrundlage für eine solche Nachweispflicht. § 36 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), der die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen zu einem Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, normiert, sieht eine entsprechende Nachweispflicht über deren Einhaltung nicht vor. Weitere in Betracht kommende Vorschriften, aufgrund derer die Beklagte die Klägerin in der Baugenehmigung zu einem Nachweis der Einhaltung der entsprechenden Inhalte verpflichten könnte, sind nicht ersichtlich. Nach Auffassung der Kammer können solche Nachweise gegebenenfalls im bauaufsichtlichen Verfahren nach § 79 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) verlangt werden. Eine von der Beklagten in der Baugenehmigung geforderte Nachweispflicht wälzt die bauaufsichtlichen Pflichten der Beklagten ohne hinreichende Grundlage auf die Klägerin ab. Eine Baugenehmigung enthält im Wesentlichen die Feststellung, dass das Vorhaben mit dem öffentlichen Baurecht vereinbar ist (vgl. Burzynska/Mann in: Große-Suchdorf, NBauO,10. Auflage 2020, § 70 Rn. 5 ff.). Soweit Bestandteile der Baugenehmigung nicht eingehalten werden, setzt sich der Bauherr in Widerspruch zum öffentlichen Baurecht, dem die Baubehörde mit bauaufsichtlichem Einschreiten nach § 79 Abs. 1 Satz 1 NBauO begegnen kann. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen anordnen, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind, wenn bauliche Anlagen, Grundstücke, Bauprodukte oder Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht widersprechen oder dies zu besorgen ist. Im Rahmen der bestehenden Amtsermittlungspflicht sind die entsprechenden Nachweise von der Beklagten einzuholen, zumal § 79 Abs. 4 NBauO vor dem Erlass bauaufsichtlicher Anordnungen eine Erörterung mit dem Bauherrn vorsieht, die durch die Ausgestaltung als „Soll-Vorschrift“ nicht in das Belieben der Behörde gestellt ist.

Abgesehen davon ist die in Satz 4 der Nebenbestimmung zu Ziffer 1. formulierte Verpflichtung der Klägerin, der Unteren Bauaufsichtsbehörde auf Verlangen einen Nachweis über die Einhaltung der Nebenbestimmung vorzulegen, auch deswegen rechtswidrig, weil sie zu unbestimmt ist. Nach § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Der Entscheidungsinhalt eines Verwaltungsakts muss für den Adressaten nach Art und Umfang aus sich heraus verständlich sein und ihn in die Lage versetzen, zu erkennen, was genau von ihm gefordert wird (vgl. Ramsauer/Tegethoff in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Auflage 2021, § 37 Rn. 12.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Aus Satz 4 der Nebenbestimmung zu Ziffer 1. ist nicht zu erkennen, in welcher Form und über welchen Zeitraum die Klägerin einen Nachweis über die Einhaltung der Übernachtungsbegrenzung vorhalten muss. Auf konkrete Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, ob die Beklagte eine Vorlage alle Nutzerdaten verlange, blieb die Beklagte vage und verwies darauf, die Klägerin habe lediglich einen „geeigneten“ Nachweis, der „naturgemäß“ begrenzt sei, vorzulegen. Ihr Argument, sie wolle keine konkrete Art und Weise des Nachweises vorschreiben, um die Organisationsfreiheit der Klägerin nicht zu sehr einzuschränken, hält die Kammer zwar für nachvollziehbar. Allerdings spricht auch dies dafür, die entsprechenden Nachweise in Abstimmung mit der Klägerin im Rahmen des bauaufsichtlichen Verfahrens einzuholen (s.o.). Über die mangelnde Bestimmtheit der Regelung hilft die Argumentation nicht hinweg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Alt. 2 VwGO und berücksichtigt das anteilige Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.