Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 10.12.2021, Az.: 5 B 4151/21
Antrag unstatthaft; Ersatzzustellung; Feststellung der aufschiebenden Wirkung; Klagefrist versäumt; Niederlegung; Versäumte Klagefrist; Vorrang des § 80 Abs. 5 VwGO; Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist; Wiedereinsetzung in versäumte Klagefrist
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 10.12.2021
- Aktenzeichen
- 5 B 4151/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 70983
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 123 Abs 1 VwGO
- § 123 Abs 5 VwGO
- § 60 VwGO
- § 74 VwGO
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 181 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Unstatthafter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen verfristeter Klageerhebung; Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung - Vorrang vor einstweiliger Anordnung gem. § 123 VwGO
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen den Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem diese die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerin zu 1. verkürzt und die Verlängerung aus anderen Gründen abgelehnt hat.
Die Antragsteller sind georgische Staatsangehörige und reisten erstmals 2012 mit dem damaligen Ehemann der Antragstellerin zu 1., H. I., geboren am J. 1987, und dem weiteren Sohn, K. I., ins Bundesgebiet ein. Alle Familienmitglieder haben mehrere Asylverfahren erfolglos durchlaufen. Laut Scheidungsurkunde vom L. und Heiratsurkunde vom M. 2019, beide ausgestellt in Tiflis, Georgien, ist die Antragstellerin zu 1., geboren am N. 1991, nunmehr mit dem deutschen Staatsangehörigen, O. P., geboren am Q. 1997, verheiratet.
Nachdem die Eheleute erklärt hatten, in ehelicher Lebensgemeinschaft zu leben, wurde der Antragstellerin zu 1. trotz noch nicht vorhandener gemeinsamer Wohnung eine bis zum 22. September 2022 befristete Aufenthaltserlaubnis gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erteilt. Trotz mehrmaliger Aufforderung zum Nachweis einer gemeinsamen Unterkunft antwortete die Antragstellerin zu 1. gar nicht und der Ehemann nur mit Vorlage zahlreicher Interessenbekundungen für verschiedene Wohnungen. Der Ehemann ist nicht mehr bei der Schwiegermutter der Antragstellerin zu 1. gemeldet, da er nach eigener Aussage im Schreiben vom 16. September 2020 (Bl. 291 d. VV) persönliche Probleme mit seiner Mutter, R. P., geboren am S. 1980, habe. Er sei derzeit bei Freunden untergebracht. Die Antragsteller, wie auch der Ex-Mann und das dritte Kind, sind weiter in der Gemeinschaftsunterkunft T. gemeldet. Der Aufenthalt der Antragstellerinnen zu 2., geboren am U. 2012, und 3., geboren am V. 2018, wird aus rechtlichen Gründen geduldet.
Mit Bescheid vom 5. Februar 2021 verkürzte die Antragsgegnerin die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerin zu 1. gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auf den Tag der Zustellung der Verfügung. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte für das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft. Mit Wegfall des Aufenthaltszwecks überwiege das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung. Gleichzeitig lehnte die Antragsgegnerin die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 31 AufenthG oder § 25 Abs. 5 AufenthG ab. Art. 6 GG und Art. 8 EMRK stünden der Abschiebung nicht entgegen. Die Antragsgegnerin drohte die Abschiebung nach Georgien 30 Tage nach Zustellung bzw. Vollziehbarkeit der Verfügung an.
Laut Vermerk auf dem Bescheid im Verwaltungsvorgang (Bl. 317 d. VV) wurde der Bescheid am 8. Februar 2021 abgesandt. Laut Postzustellungsurkunde (Bl. 326 d. VV) wurde er am 10. Februar 2021 um 10.55 Uhr bei der Citipost GmbH, Lilienthalstr. 19, 30179 A-Stadt, niedergelegt und im Sozialbüro der Gemeinschaftsunterkunft die schriftliche Mitteilung über die Niederlegung abgegeben. Zeit, Ort und Unterschrift des Mitarbeiters der Citipost sind auch auf dem am 18. Mai 2021 zur Antragsgegnerin zurückgesandten Umschlag zu erkennen (Bl. 329 d. VV). Mit Schreiben vom 20. Mai 2021 versendete die Antragsgegnerin den Originalbescheid noch einmal per einfachem Brief zur Kenntnis an die Antragstellerin zu 1.
Die Antragsteller haben am 14. Juni 2021 Klage erhoben (W.) und um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht.
Die Entscheidung sei ermessensfehlerhaft. Beide Eheleute suchten nach einer angemessenen Wohnung, wofür sie erneut Interessenbekundungen für verschiedene Wohnungen von Ende November 2020 vorlegen. Es handele sich nicht um eine Scheinehe. Die Antragstellerin zu 1. sei oft bei ihrem Mann, der sich wiederum überwiegend bei seiner Mutter aufhalte. Die Schwiegermutter komme auch oft zu Besuch in die Unterkunft. Dafür legen die Antragsteller eine Bestätigung der Einrichtungsleitung vom 4. Juni 2021 vor. Außerdem legen sie Fotos vor, auf denen u. a. die Eheleute zu sehen sind. Die Umstände der familiären Lebensgemeinschaft hat die Antragstellerin zu 1. am 14. Juni 2021 in Kenntnis der Strafbarkeit eidesstattlich versichert. Sie legen außerdem eine Stellungnahme der Schwiegermutter vom 15. Juli 2021 vor, die die familiäre Lebensgemeinschaft und die schwierige Wohnungssuche bestätigt.
Die Antragstellerin zu 1. habe keine Kenntnis von der Zustellung des Bescheides vom 5. Februar 2021 gehabt. Sie habe keinen eigenen Briefkasten. Eine Zustellung sei nicht an sie direkt erfolgt. Auch habe sie keine Benachrichtigung an ihrer Zimmertür vorgefunden noch eine solche von der Sozialarbeiterin erhalten. Vom Bescheid habe sie erst durch das Schreiben vom 20. Mai 2021, das ihr am 29. Mai 2021 ausgehändigt worden sei, Kenntnis erlangt. Diese Umstände hat sie am 14. Juni 2021 in Kenntnis der Strafbarkeit eidesstattlich versichert. Anschließend habe sie sich um anwaltlichen Beistand bemüht. Im weiteren Verlauf des gerichtlichen Verfahrens führt die Antragstellerin aus, die Entgegennahme des Abholscheins sei ihr zumindest nicht erinnerlich.
Die Antragsteller beantragen im Klageverfahren Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dieser Antrag sei innerhalb der Frist gestellt worden, sowohl wenn man den Tag der Bevollmächtigung, 31. Mai 2021, als auch den Tag des Erhalts des Schreibens, 29. Mai 2021, zugrunde lege. Der Bescheid sei nur auf Deutsch verfasst und enthalte nur auf Seite 8 eine Passage auf Georgisch. Die Antragstellerin habe erst mit der Übersetzung durch einen Dolmetscher am 31. Mai 2021 vom Inhalt Kenntnis erlangt. Die Einrichtungsleiterin spreche kein Georgisch und habe ihr das Schreiben nicht vollumfänglich übersetzt.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 5. Februar 2021 anzuordnen, und
die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin weiterhin eine Fiktionsbescheinigung im Sinne des § 81 Abs. 5 i. V. m. § 5 AufenthG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Aufenthaltsstatus zu erteilen und den Aufenthalt der Kinder aus rechtlichen Gründen zu dulden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei bereits unzulässig. Den Antragstellern zu 2. und 3. fehle bereits das Rechtschutzbedürfnis, da der Bescheid diese nicht betreffe. Diese seien derzeit geduldet. Außerdem sei die zugrundeliegende Klage verfristet. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren. Die Postzustellungsurkunde erbringe den Beweis der darin beschriebenen Tatsachen. Die Antragsteller hätten einen anderen Geschehensablauf nicht substantiiert dargelegt. Die Darstellung sei hinsichtlich der Daten widersprüchlich. Außerdem habe die Antragstellerin zu 1. den Abholschein für die Niederlegung laut Auskunft der Einrichtungsleiterin der Unterkunft, Frau X., vom 20. Juli 2021 am 15. Februar 2021 abgeholt. Die Filiale der CitiPost sei ihr bekannt und sie wisse, dass sie den Brief dort hätte entgegennehmen müssen. Das Schreiben vom 20. Mai 2021 sei am 25. Mai 2021 eingegangen und am 27. Mai 2021 abgeholt worden. Die Einrichtungsleiterin habe der Antragstellerin zu 1. damals den Inhalt erklärt und die Situation in der Bewohnerakte dokumentiert. Nach Ansicht der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin zu 1. schuldhaft versäumt den Bescheid abzuholen. Zudem sei die Klage mehr als zwei Wochen nach Zugang des Schreibens vom 20. Mai 2021 erhoben worden und daher ebenfalls nach Ablauf der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Zudem habe die Antragsgegnerin nicht die sofortige Vollziehung angeordnet. Sofern die Klage zulässig wäre, käme ihr bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu. Eine Fiktionsbescheinigung könne nur eine gesetzlich bestehende Fiktionswirkung dokumentieren. Diese habe mit Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides geendet und könne auch durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht wiederaufleben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 6. Dezember 2021 übertragen hat (§ 6 Abs. 1 VwGO).
Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.
1. Den Antragstellerinnen zu 2. und 3. fehlt die Antragsbefugnis. Wegen der Akzessorietät des vorläufigen Rechtschutzes ist nur antragsbefugt, wer klagebefugt und damit gem. § 42 Abs. 2 VwGO möglicherweise in seinen Rechten verletzt ist (Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage, 2021, § 80 Rn. 134, § 42, Rn. 65 ff.). Die Antragstellerinnen zu 2. und 3. sind nicht Adressaten des belastenden Verwaltungsaktes und daher offensichtlich nicht in ihren Rechten verletzt. Aus welchem Grund sie eine Duldung bekommen sollten, haben sie nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
2. Der Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO ist außerdem unstatthaft. Die Klage hätte bei rechtzeitiger Klageerhebung bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO, da die Antragsgegnerin keine sofortige Vollziehung angeordnet hat. Ist die Anfechtungsklage in der Hauptsache jedoch wegen Fristversäumung unzulässig, tritt die aufschiebende Wirkung nicht ein. Die Anfechtungsklage kann nicht zum Erfolg führen. Ein offenes Hauptsacheverfahren ist nicht zu sichern (vgl. Schoch in: Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 80, Rn. 84). So ist es hier.
Die Klage, deren aufschiebende Wirkung anzuordnen die Antragsteller begehren, ist unzulässig, denn sie ist nach Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist von einem Monat seit Bekanntgabe des Bescheides (vgl. 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO) erhoben worden.
Der Bescheid vom 5. Februar 2021 war mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen und wurde ausweislich des Verwaltungsvorgangs am 10. Februar 2021 durch Niederlegung zugestellt; die schriftliche Mitteilung über die Niederlegung wurde in ortsüblicher Weise im Sozialbüro der Gemeinschaftsunterkunft der Antragsteller abgegeben. Der Bescheid ist damit bereits durch das Abgeben der Mitteilung wirksam bekannt gegeben worden (§ 3 Abs. 2 VwZG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwZG, § 181 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Durch die Postzustellungsurkunde – als öffentliche Urkunde – wird gem. § 418 I ZPO i. V. m. § 98 VwGO der Vollbeweis der Niederlegung des Schriftstücks zu dem angegebenen Zeitpunkt erbracht (BVerwG, Beschluss vom 16.5.1986 – BVerwG 4 CB 8/86 – juris). Die Niederlegung ist auch die nach § 3 Abs. 2 VwZG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwZG, § 181 ZPO gebotene Form der Ersatzzustellung und die Zustellungsanschrift war diejenige Anschrift, die die Antragsteller zuletzt mitgeteilt hatten und unter der sie sich tatsächlich dauerhaft aufgehalten haben. Die Klagefrist begann demnach gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 ZPO i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB am 11. Februar 2021 zu laufen und endete gem. § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 ZPO i. V. m. § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 10. März 2021; die Klage ging erst am 14. Juni 2021 bei Gericht ein.
Den Antragstellern ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, denn sie haben keine Umstände glaubhaft gemacht, aufgrund derer sie unverschuldet gehindert waren, die gesetzliche Klagefrist einzuhalten.
Eine Wiedereinsetzung kommt gem. § 60 Abs. 1 VwGO nur in Betracht, sofern die Antragsteller ohne Verschulden daran gehindert waren, die Klagefrist einzuhalten. Ein Verschulden liegt vor, wenn der Betroffene hinsichtlich der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmende Beteiligten im Hinblick auf die Wahrnehmung der Frist geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zumutbar ist (BVerwG, Urteil vom 8.3.1983 – BVerwG 1 C 34.80 –, juris Rn. 19). Hingegen erfordert eine unverschuldete Fristversäumnis, dass dem Betroffenen nach den gesamten Umständen kein Vorwurf daraus zu machen ist, dass er die Frist versäumt hat, ihm also die Einhaltung der Frist nicht zumutbar war (BVerwG, Beschluss vom 5.2.1990 – BVerwG 9 B 506.89 –, juris Rn. 3).
Die Antragstellerin zu 1. versichert zwar an Eides statt, dass ihr die Mitteilung über die Niederlegung nicht zugegangen sei. Diese Erklärung wird jedoch glaubhaft widerlegt durch die Stellungnahme der Einrichtungsleitung auf Grundlage einer Liste, auf der die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der Einrichtung die Herausgabe der Post notieren, und in der vermerkt war, dass die Antragstellerin zu 1. die Benachrichtigung über die Niederlegung am 15. Februar 2021 abgeholt hat. Die eidesstattliche Versicherung bezieht sich zudem nur auf die Kenntnis des Bescheides und nicht auf den Abholschein und enthält Zahlendreher und Fehler hinsichtlich der Zusendung der Schreiben vom 5. Februar 2021 und vom 20. Mai 2021. Im gerichtlichen Verfahren trägt die Antragstellerin zu 1. daher später auch nur noch vor, die Abholung der Mitteilung sei ihr nicht mehr erinnerlich. Durchgreifende Hinderungsgründe, die Sendung abzuholen, hat die Antragstellerin zu 1. nicht glaubhaft gemacht.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Klagefrist wäre auch seinerseits verfristet, denn er hätte innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt werden müssen. Diese Frist begann mit der Benachrichtigung über die Niederlegung am 15. Februar 2021 und endete mithin am 1. März 2021.
Selbst wenn erst die erneute Bekanntgabe des Bescheides durch einfache Übersendung am 20. Mai 2021 zum Wegfall des Hindernisses geführt hätte, hätte die Zweiwochenfrist für die Wiedereinsetzung am 27. Mai 2021 zu laufen begonnen, als der Antragstellerin zu 1. der Bescheid nach Auskunft der Leitung der Gemeinschaftseinrichtung ausgehändigt und erläutert worden ist. Die Frist wäre danach am 10. Juni 2021 abgelaufen und durch die Klageerhebung am 14. Juni 2021 nicht gewahrt. Auch insofern haben weder die Antragsteller Gründe für eine Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist substantiiert geltend gemacht, noch sind solche Gründe sonst ersichtlich. Soweit die Antragstellerin zu 1. einwendet, dass sie die erforderlichen Schritte mangels hinreichender Deutschkenntnisse nicht habe ergreifen können, war ihr zuzumuten, sich rechtzeitig um eine Übersetzung des Verwaltungsaktes zu bemühen (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 27.2.2019 – 2 LB 108/18 –, juris; BGH, Beschluss vom 22. November 1995 – XII ZB 163/95 –, juris).
3. Der Antrag könnte angesichts dessen zwar in einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Feststellung, dass die Klage aufschiebende Wirkung hat, umgedeutet werden. Er wäre als solcher auch statthaft, nach den vorstehenden Ausführungen jedoch unbegründet.
4. Soweit die Antragstellerin zu 1. darüber hinaus in ihrem ergänzenden Antrag auch begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung gem. § 81 Abs. 5 AufenthG zu verpflichten, ist dieser Antrag unstatthaft. Gem. § 123 Abs. 5 VwGO ist der Anwendungsbereich der einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO nicht für die Fälle eröffnet, in denen sich der vorläufige Rechtsschutz nach den §§ 80 und 80a VwGO richtet. Das ist hier der Fall.
Die vorläufige Sicherung des Aufenthalts in Deutschland bis zur Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist zwar grundsätzlich eine Verpflichtungssituation, bei der vorläufiger Rechtsschutz im Regelfall nicht auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, sondern auf Grundlage des § 123 Abs. 1 VwGO zu gewähren ist. Anderes gilt aber dann, wenn der angefochtene Bescheid mit der ablehnenden Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels zugleich eine gesetzliche Fiktion beseitigt oder anderweitig eine eigene Beschwer entfaltet, die mit der Anfechtungsklage und dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO angegriffen werden könnte.
Hier hat die Antragsgegnerin zwar mit ihrer Entscheidung keine gesetzliche Fiktion i. S. v. § 81 Abs. 3, Abs. 4 AufenthG beseitigt, weil die Antragsteller schon keinen Antrag auf die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt haben, der eine solche Fiktion hätte begründen können. Die Entscheidung über die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis spricht insoweit nur aus, dass die bereits bestehende Aufenthaltserlaubnis, deren Geltungsdauer die Antragsgegnerin mit der angefochtenen Entscheidung verkürzt hat, nicht aus anderen Rechtsgründen aufrecht erhalten werden kann. Die begehrte vorläufige Erteilung einer Fiktionsbescheinigung wäre deshalb auch in der Sache nicht zu erreichen.
Die Verkürzung der bestehenden Aufenthaltserlaubnis begründet jedoch eine eigene Beschwer, weil sie das bestehende Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1. unmittelbar beendet, vgl. § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Der vorläufige Rechtsschutz gegen diese Entscheidung richtet sich deshalb grundsätzlich nach § 80 Abs. 5 VwGO und begründet darin zugleich gem. § 123 Abs. 5 VwGO Sperrwirkung gegenüber dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO.
Dem steht weder entgegen, dass die Klage schon von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hat, noch, dass die Klage hier wegen Fristablaufs unzulässig ist. Denn die Sperrwirkung des § 123 Abs. 5 VwGO gilt grundsätzlich auch dann, wenn der gegenüber dem Antrag nach 123 Abs. 1 VwGO vorrangige Rechtsbehelf unzulässig ist. Kommt der Klage keine aufschiebende Wirkung zu, weil die Klägerin sie nicht fristgerecht erhoben hat, kann die Klägerin diese Folge der Fristversäumnis nicht im Wege des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO umgehen. Das Antragsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist auch nicht ausnahmsweise statthaft, um den Aufenthalt bis zur Klärung der Zulässigkeit der Klage in der Hauptsache zu sichern. Denn auch insofern ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, gerichtet auf die Feststellung, dass die Klage aufschiebende Wirkung hat, statthaft und damit vorrangig. Zudem gebietet die Rechtschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG keine Aussetzung der Abschiebung im Wege einer sog. Verfahrensduldung, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens aufrecht zu erhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zu Gute kommen kann (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 22.8.2017 – 13 ME 213/17 –, juris Rn. 3). Die Antragstellerin zu 1. hat auch mit ihrem Verpflichtungsbegehren in der Hauptsache keine Aussicht, eine Aufenthaltserlaubnis zu erlangen, da die Ablehnung einer anderweitigen Aufenthaltserlaubnis kein entsprechendes Antragsverfahren abschließt und die Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig ist. Daher müssen im Wege des vorläufigen Rechtschutzes über § 123 Abs. 1 VwGO keine aufenthaltsrechtlichen Positionen und kein effektiver Rechtschutz gesichert werden.
5.. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 1 GKG und entspricht Nr. 8.1, 1.5, 1.1.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NordÖR 2014, 11).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht begründet.
Prozesskostenhilfe erhält gemäß §§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Prozessführung hat aus den oben dargelegten Gründen keinen Erfolg.