Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.08.2000, Az.: 1 M 681/00
Bebauungsplan; Heranrücken; heranrückende Wohnbebauung; Nachbarschutz; Normenkontrollantrag; Normenkontrolle; Normenkontrollverfahren; Tischlereibetrieb; Wohnbebauung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.08.2000
- Aktenzeichen
- 1 M 681/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41998
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 BauGB
- § 22 BImSchG
- § 1 BauNVO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Zum Nachbarschutz einer Tischlerei gegen heranrückende Wohnbebauung.
2. Voraussetzungen einer besonderen Nutzungsregelung nach § 1 Abs. 10 BauNVO.
Tatbestand:
Der Antragsteller wendet sich gegen den im Tenor genannten Bebauungsplan der Antragsgegnerin, weil er (vor allem) existenzbedrohende Nutzungskonflikte zwischen seinem Tischlereibetrieb und der im angegriffenen Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohnnutzung befürchtet.
Das im Rubrum genannte Betriebsgrundstück des Antragstellers (Flurstück X) liegt an der Nordseite der S Straße. Es ist damit Teil einer in etwa dreieckig geschnittenen Fläche gleicher Schenkellänge, die im Nordwesten von der Hauptstraße, der Landesstraße 371, an der Nordostseite von der F straße, der Kreisstraße 27, und im Süden von der S Straße begrenzt wird. In seinem westlichen Teil ist diese Fläche bereits bebaut. Der Antragsteller betreibt auf seinem ebenfalls etwa dreieckig geschnittenen, mit seiner Längsseite an die S Straße grenzenden Grundstück eine Tischlerei. Für eine Tischlerei war am 18. Dezember 1959 eine Baugenehmigung erteilt worden. Das Betriebsgebäude zieht sich in etwa rechtwinklig um die Nordostecke des Wohnhauses. Bislang war im Wesentlichen allein das Erdgeschoss zu Zwecken des Tischlereibetriebes genutzt worden. Nunmehr verfolgt der Antragsteller das Ziel, die im Obergeschoss dieses Anbaus ohne Baugenehmigung bereits aufgenommene Nutzung als Tischlerei bauaufsichtsbehördlich legalisieren zu lassen. Das ist bislang mit Rücksicht auf eine Veränderungssperre sowie deshalb, weil der Antragsteller eine Erklärung gemäß § 33 BauGB für den hier angegriffenen Bebauungsplan nicht abgeben will, nicht zu einem Abschluss gekommen. Auf der östlichen Schmalseite seines Grundstücks hält der Antragsteller außerdem bescheideneren Umfangs Rinder; dort hat er auch die Dunglege für seine Rinderhaltung untergebracht.
Die Antragsgegnerin verfolgt schon seit einiger Zeit das Ziel, für einen Großteil der oben beschriebenen dreieckigen Fläche einen Bebauungsplan zur Schaffung von Wohnraum aufzustellen. Den von ihrem Rat am 1. November 1990 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 5 "S Wald" erklärte der 6. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts durch Urteil vom 17. Januar 1992 -- 6 K 3112/91 -- für nichtig, weil die Antragsgegnerin den durch den Plan heraufbeschworenen Nutzungskonflikt zwischen der typischerweise störenden Tischlerei und der hinzutretenden Wohnbebauung nicht gelöst, ja in seiner Brisanz nicht einmal vollständig erkannt habe. Auch den am 3. Juli 1996 bekannt gemachten Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 5 "Am S Wald" erklärte der 6. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts durch Beschluss vom 9. Juni 1997 -- 6 K 4543/96 -- für nichtig. Er führte aus, Nrn. 10 und 11 der textlichen Festsetzungen, wonach die dem Tischlereibetrieb zugewandten baulichen Anlagen in bestimmter Art und Weise anzuordnen und zu nutzen seien, möchten zwar geeignet sein, im Falle ihrer Verwirklichung die dahinter liegende Wohnbebauung und sich selbst vor unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen zu bewahren. Es sei jedoch nicht ausreichend gesichert, dass sie vor Errichtung der dahinter liegenden und zu schützenden Wohnbebauung vollen Umfangs hergestellt und hernach auch erhalten blieben.
In der nunmehr angegriffenen, am 14. Dezember 1999 als Satzung beschlossenen Fassung dieses Bebauungsplans setzte die Antragsgegnerin nördlich des Grundstücks des Antragstellers, seine Nordgrenze fast vollständig erfassend, einen 3 m hohen und 15 m tiefen Lärmschutzwall fest. Außerdem bestimmte sie in Nr. 4.1.2 der textlichen Festsetzungen passive Lärmschutzmaßnahmen folgenden Inhalts:
"Bei den Außenbauteilen der Gebäude entlang der K 27 und nördlich der Grundstücksgrenze zur Tischlerei sind in jeweils einer Bautiefe auf den den Immissionsquellen zugewandten Gebäudeseiten entsprechend dem Gutachten" (gemeint ist dessen 4. Fortschreibung vom 14. April 1997) "folgende passive Schallschutzmaßnahmen/Schalldämmmaßnahmen vorzusehen:
-- für Außenwände ein bewertetes Schalldämmmaß von mindestens 30 dB,
-- für Fensterflächen ein bewertetes Schalldämmmaß von mindestens 25 dB (siehe hierzu: "Darstellung der Isophonen")".
Diese Isophone sind auf dem Plan getrennt nach Tag- und Nachtwerten eingezeichnet, bezeichnen allerdings eine freie Schallausbreitung der Geräusche, die von der Fstraße und dem Betriebsgelände des Antragstellers ausgehen. Das Betriebsgrundstück des Antragstellers ist -- ebenso wie alle anderen Baugrundstücke im Planbereich -- als allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Nr. 1.3 der textlichen Festsetzungen bestimmt auf der Grundlage von § 1 Abs. 10 BauNVO, dass für das Grundstück der Tischlerei die bestehende Nutzung zulässig sei, solange der Betrieb als eingetragenes Gewerbe geführt werde. Erweiterungen und betriebliche Entwicklungen seien nur zulässig, wenn dadurch keine zusätzlichen Immissionen auf die umgebende Wohnnutzung einwirkten.
Der Ast. hat einen Normenkontrollantrag gestellt.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Für den Eilantrag besteht entgegen der Annahme der Antragsgegnerin ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller kann nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden, gegen einzelne Vorhaben entweder auf der Grundlage des § 80 a VwGO (im Falle einer Baugenehmigung) oder in sonstiger Weise vorzugehen, sofern solche Vorhaben auf der Grundlage von § 69 a NBauO ohne Baugenehmigung verwirklicht werden. Die Rechtsschutzmöglichkeiten der §§ 47 Abs. 6 einerseits und 80, 80 a VwGO andererseits bestehen nebeneinander. Dementsprechend ist es nicht möglich, einen Antragsteller auf die jeweils andere Rechtsschutzmöglichkeit zu verweisen. Andererseits hat dies -- zum Vorteil der Gemeinde -- nicht zur Folge, dass die (hohen) inhaltlichen Anforderungen, bei deren Erfüllung erst eine einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO erlassen werden kann, allein deshalb herabzusetzen sind, weil die Möglichkeiten einstweiligen Rechtsschutzes gegen baugenehmigungsfrei zu errichtende Gebäude (§ 69 a NBauO) möglicherweise nicht so weit entwickelt sind, wie sie im Falle einer Baugenehmigung mit dem dann anwendbaren § 80 a VwGO eröffnet wären. Dementsprechend kann der Antragsteller nicht darauf verwiesen werden, allein im Wege zahlreicher Einzelanträge auf einstweiligen Rechtsschutz seine Interessen an ungeschmälerter Aufrechterhaltung seines Tischlereibetriebes zu wahren.
Der damit zulässige Antrag ist nicht begründet. Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Ob dem Antragsteller hier so schwere Nachteile drohen, dass der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung dringend geboten ist, lässt der Senat unentschieden. Jedenfalls ist mit immissionsschutzrechtlichen Auflagen, die die wirtschaftliche Existenz des Betriebes des Antragstellers in Frage stellen könnten, nicht vor Abschluss des Verfahrens zur Hauptsache zu rechnen.
Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist auch nicht aus anderen Gründen dringend geboten. Das wäre der Fall, wenn der Normenkontrollantrag in der Hauptsache offensichtlich begründet wäre. Davon kann jedoch nicht die Rede sein. Zwar sind der Antragsgegnerin Fehler im Abwägungsvorgang unterlaufen, es ist aber nicht offensichtlich, dass diese Fehler auf das Abwägungsergebnis durchschlagen.
Entgegen der nunmehr vertretenen Annahme der Antragsgegnerin kann sich der Antragsteller dagegen wehren, mit Rücksicht auf die hinzutretende Wohnbebauung lärmdämmende Auflagen oder sonstige Einschränkungen seines Betriebes hinnehmen zu müssen. Der Betrieb des Antragstellers ist namentlich nicht (formell oder materiell) in einer Weise illegal, welche ihm das Recht auf Berücksichtigung seiner Belange raubte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 24.9.1992 -- 7 C 6.92 --, BVerwGE 91, 92 = NVwZ 1994, 164 = DVBl. 1993, 159), welcher der Senat folgt, können lediglich formell illegale und materiell auch nicht legalisierungsfähige Nutzungen einen Schutz gegen konkurrierende Nutzungen nicht beanspruchen. Diese Grundsätze dürften auf das Planungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB übertragen werden können. Es liegen indes keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, der Betrieb des Antragstellers sei formell illegal oder im Falle seiner formellen Illegalität bis zu der hier angegriffenen Planung materiell nicht genehmigungsfähig gewesen. Es ist schon nicht anzunehmen, der Antragsteller habe die am 18. Dezember 1959 erteilte Baugenehmigung für die Tischlerei hinsichtlich des Obergeschosses des Anbaus nicht fristgemäß ausgenutzt mit der von der Antragsgegnerin gezogenen Folgerung, dass der Betrieb insgesamt formell illegal ist. Der Landkreis Schaumburg hatte in der Bauakte (Beiakte A) nur Auszüge der früheren Vorgänge vorzulegen vermocht. Darin ist nur die Nutzung des Erdgeschosses als Tischlerei verzeichnet. Es gibt keinen verlässlichen Anhaltspunkt für die Annahme, das Obergeschoss habe in der vom Antragsteller nunmehr verfolgten Weise, nämlich nicht etwa nur zur Lagerung von Tischlereimaterialien oder in ähnlicher Weise, sondern als Produktionsstätte der Tischlerei genutzt werden sollen. Er hatte vielmehr seinerzeit einen so niedrigen Kniestock (Drempel) zur Genehmigung gestellt, dass sich angesichts einer Dachneigung von etwa 40 Grad sowie einer Balkenlage, welche nach den genehmigten Bauzeichnungen eingezogen werden sollte, allenfalls ein ganz geduckter, im Vergleich zum Erdgeschoss deutlich niedrigerer Raum ergeben hätte. Dieser hätte aufrechtes Arbeiten nur in ganz untergeordneten Teilen des Dachgeschosses gestattet. Dementsprechend gibt es keine verlässlichen Anhaltspunkte für die Annahme, der Antragsteller habe schon im Jahre 1959 die nunmehr erstrebte Nutzung mit der Folge zur Genehmigung gestellt, dass die fehlende Ausnutzung dieser Baugenehmigung dazu führte, die aufgenommene Nutzung sei bereits formell illegal.
Selbst wenn man dies anders sähe, d.h. annähme, der Antragsteller habe mit Bauschein vom 18. Dezember 1559 diejenige Nutzung des Obergeschosses genehmigt erhalten, um die er sich mit Bauantrag vom Mai 1998 (dann: erneut) bemühte, hätte dies lediglich zur Folge, dass die Tischlereinutzung des Erdgeschosses mit Genehmigung aufgenommen worden ist. Obergeschoss und Erdgeschoss des Gebäudes sind nicht in einer Weise verklammert, dass die 1959 erteilte Baugenehmigung nur als Einheit angesehen werden könnte. Entsprechend muss der Antragsteller zur Aufnahme der gewerblichen Nutzung des Obergeschosses nunmehr auch keine Baugenehmigung einholen, welche das Ober- und das Erdgeschoss umfasste. Derlei ist dem Antragsteller vom Landkreis S auch nicht abverlangt worden.
Nach der Planbegründung (siehe insbesondere Seiten 6, 10 und 11 sowie 31 unter 5.2 der Abwägungserwägungen) hat sich die Antragsgegnerin bei der Lösung des Konfliktes zwischen der immissionsträchtigen Nutzung der vorhandenen Tischlerei des Antragstellers und der heranrückenden Wohnbebauung im Wesentlichen von zwei Erwägungen leiten lassen. Zum einen meint sie, die Tischlerei des Antragstellers habe ohnedies auf die südlich der S Straße stehende Wohnbebauung mit der Folge Rücksicht zu nehmen, dass jedenfalls in Verbindung mit dem Lärmschutzwall wesentliche Nachteile durch die als allgemeines Wohngebiet festgesetzten Bauflächen nicht entstünden. Zum anderen sei die Überschreitung der für allgemeine Wohngebiete geltenden Tag-Orientierungswerte durch Lärm, welcher von der Tischlerei ausgehe, mit Rücksicht darauf hinzunehmen, dass sich eine Bebauung dieses Gemeindebereiches zur Erfüllung von Bauwünschen geradezu anbiete und zudem in anderen Gemeindebereichen die Wohnbevölkerung verschiedentlich, namentlich durch Straßenverkehr, Lärmimmissionen ausgesetzt sei, welche ebenfalls in diesem Maße über die für allgemeine Wohngebiete geltenden Orientierungswerte hinausgingen. Beides sind indes keine tragfähigen Erwägungen.
Zum erstgenannten Gesichtspunkt ist auszuführen: Nach dem sich aus der ...-Begutachtung vom 14. April 1997 ergebenden, im Übrigen schon durch die Anordnung der baulichen Anlagen ersichtlichen Bild strahlen die Lärmimmissionen der vorhandenen, allein im Erdgeschoss betriebenen Tischlerei im Wesentlichen nach Norden und nach Osten ab. Der Tischlereitrakt reicht im rechten Winkel um die Nordostecke des Wohnhauses herum. Die Fenster sind nach Norden und Osten orientiert. Schon von daher trifft es nicht zu, dass die für eine Tischlerei typischen Geräusche in wesentlich belästigender Weise die Bebauung auf der Südseite der S Straße erreichen. Dies wird durch die farbige Darstellung der Lärmeinwirkungsbereiche, wie sie aus den Anlagen 2 ff. der Begutachtung vom 14. April 1997 ersichtlich ist, bestätigt.
Die Tatsache, dass von anderen Bebauungsplänen der Antragsgegnerin Betroffene unzureichende Lärmschutzeinrichtungen hingenommen haben, stellt keine Rechtfertigung dar, im Verhältnis zwischen dem Antragsteller und der heranrückenden Wohnbebauung nur unzureichenden Lärmschutz vorzusehen. Die Antragsgegnerin hat nicht zuverlässig ermittelt, ob die Obergeschosse der Wohngebäude, die jenseits des Lärmschutzwalles errichtet werden sollen, unzumutbarem Lärm der Tischlerei ausgesetzt sind, weil die Gemeinde ohne tragfähigen Grund gemeint hat, den Lärmschutzwall 0,5 m niedriger festzusetzen, als es der Sachverstandige in seinem Gutachten vorgeschlagen hat. Die Erwägung, das Plangebiet sei ohnedies mit Verkehrslärm erheblich belastet, so dass die Überlagerungseffekte eine stärkere Belastung zuließen, rechtfertigt die Reduzierung des Lärmschutzwalles nicht. Zum einen sind die Zumutbarkeitsgrenzen für Verkehrs- und Gewerbelärm durchaus unterschiedlich anzusetzen (vgl. die schalltechnischen Orientierungswerte für die städtebauliche Planung nach DIN 18005), zum anderen wirkt der Verkehrslärm der Landesstraße 371 und der Kreisstraße 27 aus anderen Richtungen ein als der Gewerbelärm der Tischlerei des Antragstellers. Für die plangemäße Bebauung nördlich des Grundstücks des Antragstellers kann schon wegen der abschirmenden Wirkung der Bebauung an der Landesstraße 371 und Kreisstraße 27 nicht davon ausgegangen werden, dass der Gewerbelärm der Tischlerei wegen des Verkehrslärms nur in Grenzen spürbar sei.
Allerdings spricht nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens Überwiegendes dafür, dass sich die Abwägungsfehler auf das Ergebnis nicht ausgewirkt haben. Zwar enthält das Gutachten vom 14. April 1997 keine Prognose der Immissionssituation für das erste Obergeschoss mit einem Lärmschutzwall von 3 m Höhe, sondern nur für einen Wall mit 3,5 m Höhe (Anlage 5 Bl. 6). Diese Prognose geht jedoch davon aus, dass die Fenster der Tischlerei zu 100% der Arbeitszeit, die mit 8 Stunden zugrunde gelegt ist, geöffnet sind. Unter diesen Voraussetzungen reicht die Isophonenlinie von 55 dB(A) bis in eine Tiefe von ca. 72 m nördlich der S Straße, während die Wohnbebauung nach dem Bebauungsplan in diesem Bereich etwa 60 m an die S Straße heranreicht. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Wohnbebauung so hohem Lärm ausgesetzt wird, wenn der Antragsteller seinen Verpflichtungen nach § 22 BImSchG gerecht wird. Es steht nicht im Belieben des Antragstellers, ob er während der Arbeitszeit die Fenster der Tischlerei offen stehen lässt oder nicht. Nach § 22 BImSchG obliegt dem Antragsteller die Pflicht, die nach dem Stand der Technik vermeidbaren schädlichen Umwelteinwirkungen zu verhindern und die unvermeidbaren schädlichen Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Dazu gehört auch, dass die Fenster und Türen einer Tischlerei während der Arbeit mit Maschinen geschlossen gehalten werden und die Belüftung auf eine "Stoßlüftung" in Arbeitspausen beschränkt wird (vgl. auch das Gutachten Dr. H v. 2.7.1998 im Baugenehmigungsverfahren zur Erweiterung der Tischlerei). Der Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, dass er seine Tischlerei vor langer Zeit errichtet hat und sie daher gegenüber der geplanten Wohnbebauung in ihrem Bestand geschützt sei. Ein durch die Baugenehmigung bewirkter Schutz des vorhandenen Bestands kann sich nur in den Grenzen entfalten, die ihm das Immissionsschutzrecht lässt (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.9.1999 -- 4 C 6.98 --, DVBl. 2000, 192/5). Das Immissionsschutzrecht ist dynamisch angelegt, die Grundpflichten des § 22 BImSchG sind nicht nur im Zeitpunkt der Errichtung der Anlage, sondern in der gesamten Betriebsphase zu erfüllen.
Unter Berücksichtigung der Grundpflichten des Antragstellers nach § 22 BImSchG spricht bei dem derzeitigen Stand des Verfahrens Überwiegendes dafür, dass sich die Abwägungsfehler, die der Antragsgegnerin im Bauleitplanverfahren unterlaufen sind, nicht auf das Ergebnis ausgewirkt haben. Nach dem Gutachten des TÜV (Anlage 2 Bl, 1) reicht nämlich die Isophonenlinie bis 55 dB(A) ohne Schallschutzmaßnahmen bei geschlossenen Fenstern nicht weiter als 36 m nördlich der S Straße. Dieser Bereich ist nach dem angegriffenen Bebauungsplan noch nicht als Wohnbauland festgesetzt. Der Bebauungsplan ist auch nicht im Hinblick auf die Tierhaltung des Antragstellers offensichtlich nichtig. Nach der in der Begründung des Bebauungsplanes zitierten Studie der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik über Geruchsemissionen aus Rinderställen vom März 1994 sind die Geruchsemissionen, die von Rinderställen ausgehen, relativ gering. Die Geruchsschwelle selbst beachtlich großer Rindviehbestände beträgt in der Regel nur bis zu 30 m (vgl. Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen, Landtechnische Berichte aus Praxis und Forschung, hrsg. vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1999, Heft 63, S. 29 ff.), so dass der vom Antragsteller genannte Bestand von 9 Rindern in der dörflichen Umgebung unbedenklich sein dürfte.
Ein weiterer Fehler des Bebauungsplanes dürfte darin liegen, dass die Antragsgegnerin für das Grundstück des Antragstellers eine besondere Nutzungsregelung nach § 1 Abs. 10 BauNVO getroffen hat. Nach dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 10 Satz 1 BauNVO kommt eine solche dem Schutz eines vorhandenen städtebaulich an sich unzulässigen Gewerbebetriebs dienende Festsetzung nur in "überwiegend bebauten Gebieten" in Betracht. Erforderlich ist also, dass zumindest die gesamte Fläche des Baugebiets überwiegend bebaut sein muss, das fragliche Gebiet jedoch über die Grenzen des Baugebiets hinausgehen kann (vgl. König/Röser/Stock, BauNVO, 1999, § 1 RWN 102). Das Gebiet des hier angegriffenen Bebauungsplans ist jedoch abgesehen vom Grundstück des Antragstellers und seines westlichen Nachbarn nicht bebaut. Die Bebauung südlich der S Straße ist in den Geltungsbereich des Planes nicht einbezogen worden. Die Unwirksamkeit der textlichen Festsetzung 1.3. des Bebauungsplanes dürfte jedoch nur zur Teilnichtigkeit des Bebauungsplanes führen, weil die Antragsgegnerin den Plan wohl auch unter Ausklammerung des Grundstückes des Antragstellers erlassen hätte und das Angriffsziel des Antragstellers die benachbarte Wohnbebauung ist. Soweit Auswirkungen der Teilnichtigkeit auf das Abwägungsergebnis in Frage kommen, erscheint der Normenkontrollantrag jedenfalls nicht offensichtlich begründet.