Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.08.2000, Az.: 11 L 1255/00
Asyl; Asylantragsteller; Asylbewerber; Exilpolitik; exilpolitische Aktivität; exilpolitische Betätigung; HADEP; Kurde; Mitglied; Mitgliedschaft; Nachfluchtgrund; Nachfluchttatbestand; politische Verfolgung; Türkei; Verfolgung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.08.2000
- Aktenzeichen
- 11 L 1255/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 42001
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 15.02.2000 - AZ: 5 A 356/99
Rechtsgrundlagen
- Art 16a Abs 1 GG
- § 51 Abs 1 AuslG
- § 53 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Es lässt sich nicht feststellen, dass jedes Mitglied der prokurdischen Partei HADEP in der Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung ausgesetzt ist oder eine solche droht.
Tatbestand:
Der ... 1979 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und stammt aus As. S. K. bei K. (P. E.). Er wurde am 29. Juni 1999 gegen 20.15 Uhr am Hauptbahnhof E. vom Bundesgrenzschutz wegen illegalen Aufenthalts festgenommen. Bei seiner Vernehmung gab er an, seit dem 22. Mai 1999 in Deutschland zu sein. Nachdem er sich am 30. Juni 1999 bei der Zentralen Ausländerbehörde D. als Asylsuchender gemeldet hatte, wurde er der Zentralen Anlaufstelle O. zugewiesen. Dort stellte er am 6. Juli 1999 einen (förmlichen) Asylantrag.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) am 13. Juli 1999 trug er im wesentlichen Folgendes vor: Er habe in seinem Heimatdorf nur zwei/drei Jahre die Schule besucht. Anschließend habe er in der Landwirtschaft seines Vaters mitgearbeitet. Seit 1997 sei er Mitglied der HADEP (er legte dazu die Kopie des Aufnahmeantrags vom 1. Februar 1997 und das Original der Empfangsbestätigung vor). Wehrdienst habe er aufgrund seines Alters noch nicht geleistet. Seine Eltern und seine Geschwister (zwei Brüder und drei Schwestern) lebten alle noch in seinem Heimatdorf. In Deutschland habe er drei Cousins väterlicherseits (Ö., M. und M. B.); diese seien ebenfalls Asylbewerber.
Er werde in der Türkei gesucht und habe dort keine Sicherheit für Leib und Leben gehabt. Er sei schon einmal mitgenommen worden, weil er Mitglied der Jugendkommission der HADEP sei. Er habe am 31. Dezember 1998 in der Wohnung eines Studenten in E. (gemeint ist E.) an einer Versammlung der Jugendkommission der HADEP teilgenommen. Die Polizei habe die Wohnung gestürmt und 12 Personen festgenommen. Anschließend seien sie bei der Abteilung für Terrorbekämpfung der Polizei sieben Tage lang festgehalten worden. Während dieser Zeit sei er gefoltert worden. Einige Polizisten hätten sie geschlagen, einige gute Menschen gespielt und einige Fragen gestellt. Man habe sie freigelassen, aber man habe ihnen gesagt, sie sollten mit der Partei nichts mehr zu tun haben. Es habe keine Anklage gegeben, auch seien sie keinem Richter vorgestellt worden. Man habe sie kurz zum Gesundheitsamt gebracht. Nachdem die Ärzte sie angeschaut und gesagt hätten, dass ihnen nichts fehle, seien sie freigelassen worden. Dann sei er in sein Heimatdorf zurückgekehrt und habe sich dort drei Monate aufgehalten. Da am 18. April 1999 Wahlen stattfinden sollten, seien sie mit den Verantwortlichen in die Dörfer gegangen, um Wahlveranstaltungen durchzuführen. Sie hätten dann die Nachricht erhalten, dass sie anlässlich der 1. Mai-Kundgebungen Flugblätter verteilen und Plakatierungen durchführen sollten. In der Nacht zum 1. Mai hätten sie sich zu viert in E. getroffen. Zwei von ihnen hätten Plakate geklebt und die anderen beiden hätten "Schmiere" gestanden. Auf den Plakaten hätte gestanden "Stoppt den schmutzigen Krieg in Kurdistan" und "Mafiosi laßt eure schmutzige Arbeit". Als eine Polizeipatrouille gekommen sei, seien sie in verschiedene Richtungen weggelaufen. Die Polizei habe ein paar Schüsse abgegeben. Er sei dann zu seinen Verwandten in den Stadtteil Y. gegangen. Nach Erhalt der Nachricht, dass man zwei seiner Freunde, die an der Plakatierungsaktion beteiligt gewesen seien, festgenommen und sein Elternhaus durchsucht habe, habe er sich ca. eine Woche lang bei den Verwandten aufgehalten und sei anschließend mit einem Bus nach I. gefahren. Dort habe er sich 17 Tage lang in dem Haus eines anderen Verwandten aufgehalten, bis er mit der Hilfe einer Schlepperin ausgereist sei. Diese habe 8.000,-- DM verlangt. 4.000,-- DM habe er bereits in der Türkei gezahlt. Das Geld habe er über seine Verwandten von seinem Vater erhalten. Die Freunde, mit denen er zusammen Plakate geklebt habe, hießen Esref, A. und A.. Er wisse nicht, wie ihre Familiennamen lauteten. Er nehme an, dass es sich um Decknamen handele. Sein eigener Deckname sei M. gewesen. Seine Freunde hätten ebenfalls nur seinen Decknamen, nicht aber seinen Familiennamen gekannt. Auf den Vorhalt des Entscheiders, es sei dann aber merkwürdig, dass man das Elternhaus des Klägers durchsucht habe, antwortete dieser, dass er seit der Festnahme am 31. Dezember 1998 unter Beobachtung gestanden und die Polizei ihn die ganze Zeit verfolgt habe.
Eine Aufforderung zur Musterung habe er im März 1998 erhalten, aber noch nicht zum Wehrdienst. Zu der Musterung sei er nicht gegangen. Auf die Frage des Entscheiders, weshalb er dann nach der Festnahme am 31. Dezember 1998 sieben Tage später ohne weiteres freigelassen worden sei, antwortete der Kläger: "Sie haben mich nicht zur Musterung und auch nicht zum Militär gebracht". Bei einer Rückkehr in sein Heimatland würde er schwer gefoltert werden.
Er sei am 22. Mai 1999 mit einem Flugzeug der Turkish Airlines von I. nach D. geflogen. Die Schlepperin habe sämtliche Ausreiseformalitäten für ihn erledigt. Nur kurz vor den Kontrollen habe er den Pass erhalten; ihm sei gesagt worden, er solle dort nicht reinschauen. Nach der Ankunft am Flughafen in D. sei er von seinen beiden Cousins am Hauptausgang abgeholt worden. Die Schlepperin habe den restlichen Betrag von 4.000,-- DM erhalten. Sie habe daraufhin alle Papiere an sich genommen und sei verschwunden. Ihr richtiger Name sei ihm nicht bekannt; sie sei X. genannt worden. Auf welchen Namen der Reisepass ausgestellt gewesen sei, wisse er nicht. Seine Cousins hätten ihn mit nach Hause genommen. Auch habe er einen Arzt aufgesucht, weil er krank gewesen sei (der Kläger legte dazu ein Attest des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. ausG. vom 27. Mai 1999 vor).
Auf die Frage des Entscheiders, weshalb er nicht sofort nach der Ankunft in Deutschland bzw. ein paar Tage später einen Asylantrag gestellt habe, antwortete er, dass er sehr krank gewesen sei. Am 29. Juni 1999 sei er von der Polizei festgenommen worden. Er sei mit seinen Papieren auf dem Bahnhof gewesen und habe zu seinem Anwalt gewollt. Eine Nacht sei er auf der Polizeiwache festgehalten worden, bevor er nach D. gebracht worden sei, um einen Asylantrag zu stellen.
Im Anschluss an die Rückübersetzung der Anhörungsniederschrift wurden an den Kläger weitere Fragen gestellt, die sich darauf bezogen, dass er einen Winterflugplan der Turkish Airlines bei sich führte. Er erklärte dazu, diesen Flugplan einfach aus der Sitztasche der Maschine mitgenommen und behalten zu haben.
Mit Bescheid vom 8. September 1999 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG nicht vorliegen. Es forderte ihn unter Androhung der Abschiebung in die Türkei zur Ausreise aus dem Bundesgebiet auf. Zur Begründung führte es aus: Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass er auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Er habe bereits den Flugschein und sonstige Unterlagen nicht vorgelegt. Das Beibringen geeigneter Beweismittel sei nur dann entbehrlich, wenn schon beachtliche sonstige Anhaltspunkte für eine Einreise per Flugzeug zumindest wahrscheinlich seien. Als solches Indiz käme z. B. eine Asylantragstellung unmittelbar nach der Einreise an dem angeblichen Ankunftsflughafen oder zumindest an nahegelegenen Orten in Betracht. Auch daran fehle es. Der Kläger habe erst am 30. Juni 1999 seine Anerkennung als Asylberechtigter beantragt. Das Mitführen des Winterflugplanes von Turkish Airlines, der nur bis März 1999 gültig gewesen sei, belege den Verdacht, dass der Kläger bereits viel früher in die Bundesrepublik eingereist sei. Sein gesamtes Verhalten in diesem Zusammenhang spreche gegen die behauptete Verfolgungsfurcht.
Ebensowenig sei sein Vorbringen hinsichtlich seiner politischen Verfolgung in der Türkei glaubhaft. Die behauptete Mitgliedschaft in der HADEP bzw. in deren Jugendkommission führe nicht zu einer Anerkennung als Asylberechtigter, da es sich bei der HADEP um eine legale Partei handele. Selbst wenn es die Aktion der Polizei gegen die Mitglieder der Jugendorganisation gegeben haben sollte, so zeige doch die Tatsache, dass der Kläger nach wenigen Tagen, ohne angeklagt worden zu sein, wieder freigelassen worden sei, dass es sich bei dieser Aktion nicht um eine asylrelevante Maßnahme gehandelt habe. Im übrigen spreche gegen eine Festnahme des Klägers schon sein Vorbringen hinsichtlich der Aufforderung zur Musterung. Da er im wehrpflichtigen Alter sei, wäre er -- sollte die Festnahme tatsächlich stattgefunden haben -- auch den zuständigen Militärbehörden zwecks Ableistung des Wehrdienstes übergeben worden. Sein weiteres Vorbringen, er habe an einer Plakatierungsaktion vor dem 1. Mai 1999 teilgenommen und sei gemeinsam mit seinen drei Freunden von einer Polizeipatrouille überrascht worden, sei ihm ebenfalls nicht abzunehmen. Er habe selbst vorgetragen, von diesen drei Freunden kenne er nur den Decknamen und seine drei Freunde hätten nur seinen Decknamen gekannt. Sollten tatsächlich zwei dieser Freunde festgenommen worden sein, so wären sie somit nur in der Lage gewesen, seinen Decknamen zu nennen. Wie sich aus dem Decknamen heraus die Anschrift des Klägers ergeben sollte, habe er nicht schlüssig dargelegt. Somit könne ihm auch nicht geglaubt werden, dass sein Elternhaus durchsucht worden sei.
Das vorgelegte Attest lasse die nötige Seriösität vermissen und erwecke den Anschein einer Gefälligkeitsbescheinigung. Zum Zeitpunkt der Ausstellung am 27. Mai 1999 sei er noch nicht als Asylbewerber gemeldet gewesen. Es werde in dem Attest davon gesprochen, dass er sich an einem Ort, der nicht genannt sei, in Isolation befinde. Dies könne nicht zutreffen, weil sich der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen bis zu seiner Asylantragstellung bei seinen Cousins aufgehalten habe. Deshalb sei es auch unverständlich, wie in diesem Attest auf eine dringend erforderliche Familienzusammenführung mit Freunden in W. hingewiesen werden könne.
Schließlich lasse sich eine landesweite Gruppenverfolgung der kurdischen Volkszugehörigen in der Türkei nicht feststellen.
Der Kläger hat am 24. September 1999 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2000 angehört. Er erklärte: Er werde zur Zeit in der Türkei gesucht. Seine Familie habe ihm das durch seine Cousins väterlicherseits, die im Bundesgebiet lebten, mitteilen lassen. Zwei Freunde von ihm seien in der Türkei festgenommen worden. Die Sicherheitskräfte kämen des öfteren zu ihm nach Hause und setzten seine Eltern unter Druck. Sie fragten diese nach seinem Aufenthaltsort. Seine Eltern hätten ihnen gegenüber erklärt, dass er nach Deutschland geflüchtet sei. Die Sicherheitskräfte hätten aber unbedingt seine Adresse erfahren wollen.
Auf Befragen schilderte der Kläger dann die Einzelheiten seiner siebentägigen Inhaftierung Ende Dezember 1998/Anfang Januar 1999.
Entsprechend dem Beweisantrag des Klägers wurde in der mündlichen Verhandlung der Zeuge C. T. zur Mitgliedschaft des Klägers in der Jugendkommission der HADEP vernommen. Insoweit wird auf das Protokoll (Bl. 62 f. d. GA) Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes vom 8. September 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 15. Februar 2000 die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg auf eine landesweite Gruppenverfolgung der Kurden in der Türkei wegen ihrer ethnischen Abstammung berufen. Jedenfalls stünde ihnen im westlichen Teil der Türkei, insbesondere in den dortigen Großstädten, grundsätzlich eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung.
Was das individuelle Verfolgungsschicksal des Klägers angehe, folge es der Begründung des Bundesamtes. Ergänzend sei auf Folgendes hinzuweisen: Das Gericht sei ebenfalls aufgrund des persönlichen Eindruckes in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass der Kläger in der Türkei während seiner Verhaftung gefoltert worden sei. Zum einen seien seine Angaben beim Bundesamt so wenig substantiiert, dass nicht davon ausgegangen werden könne, er habe insoweit eigene Erlebnisse geschildert. Zum anderen habe er erst in der mündlichen Verhandlung im einzelnen geschildert, wie er (angeblich) gefoltert worden sei. Diese Angaben seien gesteigert, weil er von einer Knieverletzung mit anschließendem hohen Blutverlust, massiven Schlägen auf den Rücken mit der Folge, dass er heute noch Schmerzen habe, Stehen in einem Becken mit kaltem Wasser, bei seiner Anhörung beim Bundesamt nichts erwähnt habe. Dort habe er lediglich davon gesprochen, dass er von Polizisten geschlagen worden sei. Dies erreiche jedoch noch nicht die Schwelle der Asylerheblichkeit. Schließlich sei der Vorfall vom 31. Dezember 1998, unterstellt, der Kläger wäre tatsächlich festgenommen und dabei gefoltert worden, nicht kausal gewesen für seine Ausreise, zumal er zwischendurch an Wahlveranstaltungen teilgenommen habe. Dieser Umstand belege deutlich, dass er während der angeblichen Verhaftung keine asylrelevante Verfolgung erlebt habe. Soweit er noch einmal darauf hinweise, Mitglied in der Jugendorganisation der HADEP gewesen zu sein, verhelfe auch dieser Vortrag seiner Klage nicht zum Erfolg. Insoweit nehme das Gericht auf den angefochtenen Bescheid Bezug.
Gegen das Urteil richtet sich die vom Senat gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO zugelassene Berufung des Klägers. Er macht zur Begründung geltend, aus der Aussage des Zeugen T., die vom Verwaltungsgericht nicht gewürdigt worden sei, gehe eindeutig hervor, dass er Mitglied der Jugendkommission der HADEP gewesen sei und unter staatlicher Aufsicht gestanden habe. Aus den Presseberichten über die aktuellen politischen Ereignisse in der Türkei ergebe sich, dass schon einfache HADEP-Mitglieder von türkischen Sicherheitskräften, welche die HADEP als staatsfeindlich betrachteten, misshandelt und gefoltert würden. Auch würden immer Fälle bekannt, in denen kurdische Asylbewerber nach Abschiebung in die Türkei misshandelt worden seien. Diese Gefahr bestehe auch für ihn aufgrund seiner vor der Flucht gezeigten politischen Aktivitäten für die HADEP. Deswegen werde er in der Türkei sogar gesucht.
Auf die gemäß § 87 b VwGO ergangene Verfügung des Senats vom 31. Mai 2000 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 4. August 2000 drei Fotos über seine Teilnahme an einer Demonstration in S. eingereicht.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und der Klage stattzugeben.
Die Beklagte und der Beteiligte stellen keine Anträge.
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der über den Kläger geführten Ausländerakten der Stadt S. Bezug genommen. Die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel ergeben sich aus den Anlagen zum gerichtlichen Schreiben vom 1.August 2000.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 GG (1.) noch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (2.). Ebensowenig sind Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG ersichtlich (3.).
1. Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Hierauf kann sich nicht berufen, wer aus einem sicheren Drittstaat und damit auf dem Landweg nach Deutschland einreist (Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a AsylVfG). Behauptet der Asylbewerber, auf dem Luftweg eingereist zu sein, alle schriftlichen Unterlagen aber weggegeben zu haben, so führen zwar weder die damit verbundene Selbstbezichtigung einer Verletzung der asylverfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten noch der fehlende urkundliche Nachweis der Luftwegeinreise zum Verlust des Asylrechts; den Asylbewerber trifft insoweit keine Beweisführungspflicht. Das Gericht kann aber bei der Feststellung des Reisewegs die behauptete Weggabe wichtiger Beweismittel wie bei einer Beweisvereitelung zu Lasten des Asylbewerbers würdigen. Bleibt der Einreiseweg unaufklärbar, trägt der Asylbewerber die materielle Beweislast für seine Behauptung, ohne Berührung eines sicheren Drittstaats nach Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a AsylVfG auf dem Luft- oder Seeweg nach Deutschland eingereist zu sein (BVerwG, Urt. v. 29. 6. 1999, DVBl. 2000, 414). Ein derartiger Fall liegt hier vor.
Der Kläger behauptet, am 22. Mai 1999 mit einer Maschine der Turkish Airlines von I. nach D. geflogen zu sein. Die Schlepperin habe sämtliche Ausreiseformalitäten für ihn erledigt. Nach der Kontrolle am Flughafen in D. habe sie den falschen Reisepass und die anderen Reiseunterlagen an sich genommen und sei verschwunden. Dieses Vorbringen vermag jedoch nicht zu erklären, weshalb der Kläger nach dem Passieren der Passkontrolle, also gleichsam unter den Augen der deutschen Grenzbehörden, zu seinem Nachteil Beweismittel aus der Hand gegeben hat. Zu Lasten des Klägers ist in diesem Zusammenhang ferner zu berücksichtigen, dass er einen Asylantrag erst gestellt hat, nachdem er am 29. Juni 1999 um 20.15 Uhr am Hauptbahnhof in E. vom Bundesgrenzschutz festgenommen worden war. Wenn er tatsächlich am 22. Mai 1999 auf dem Flughafen in D. angekommen sein sollte, hätte es nahegelegen, sich auch ohne Papiere unverzüglich bei der Grenzbehörde im Flughafen zu melden und dort um asylrechtlichen Schutz nachzusuchen. Die von ihm zur Rechtfertigung der verspäteten Asylantragstellung angeführten Gründe vermögen nicht zu überzeugen. Zwar hat er bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 13. Juli 1999 ein nervenärztliches Attest vom 27. Mai 1999 vorgelegt, wonach er an einer Vereinsamung mit reaktiven Elementen und depressivem Krankheitsbild leiden soll, doch hat das Bundesamt im angefochtenen Bescheid vom 8. September 1999 zutreffend auf verschiedene Gesichtspunkte hingewiesen, die Anlass zu Zweifeln an der Seriosität und Aussagekraft dieses Attestes geben. Diese Zweifel haben sich aufgrund der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung noch verstärkt. Insbesondere hat der Kläger die nervenärztliche Diagnose durch falsche Angaben herbeigeführt. In dem betreffenden Attest, das zum Zweck einer Familienzusammenführung ausgestellt ist, wird ausgeführt, dass der Kläger an dem Ort, an dem er sich befinde, isoliert sei und keinen Menschen habe, mit dem er sich aussprechen könne. Da diese Feststellungen seinerzeit -- worauf bereits das Bundesamt hingewiesen hatte -- nicht den Tatsachen entsprechend konnten, weil der Kläger nach seinen eigenen Angaben in der Zeit vom 22. Mai bis zum 29. Juni 1999 bei einem Cousin in G. gelebt haben will, gab der Senat dem Kläger in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme. Dieser führte zur Erklärung an, dass er das Attest auf Anraten seiner Verwandten sozusagen vorsorglich eingeholt habe, um nicht nach Stellung eines Asylantrages in einem auswärtigen Heim für Asylbewerber untergebracht zu werden. Die weiteren Ausführungen im Attest, dass er damals unter Angstzuständen und innerer Unruhe gelitten habe und nur schlecht habe schlafen können, träfen aber zu. Worauf diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen aber wirklich zurückzuführen sind, ist unklar geblieben. In dem Attest findet sich kein Wort darüber, dass der Kläger -- wie er nunmehr geltend macht -- damals unter den Auswirkungen der ihm in der Türkei zugefügten Folter gelitten habe. Stattdessen ist ausschließlich die Rede davon, dass die jetzige Isolation die Ursache für seine Gesundheitsstörungen sei; schon als Kleinkind habe er Einsamkeit nicht ertragen können. Nicht in sich stimmig sind auch die Einlassungen des Klägers über den Zeitpunkt des Arztbesuchs. Während in dem Attest bescheinigt wird, dass sich der Kläger am 27. Mai 1999 in nervenärztliche Behandlung begeben hat, erklärte dieser in der mündlichen Verhandlung, er habe den Arzt am 23. Mai 1999 aufgesucht. Nach der Untersuchung habe der Arzt ihm gesagt, er solle in einer Woche wiederkommen. Dies habe er gemacht. Erst daraufhin sei das Attest ausgestellt worden. Aber selbst wenn man diese Ungereimtheiten vernachlässigt und zugunsten des Klägers unterstellt, dass er während des genannten Zeitraums jedenfalls schlecht schlafen konnte und überdies -- wie er in der mündlichen Verhandlung behauptet hat -- unter ständigen Kopfschmerzen litt, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass er gesundheitlich außerstande war, am Flughafen oder zumindest noch im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Einreise etwa in G. um Asyl nachzusuchen, zumal seinen beiden Cousins, die ihn am Flughafen abgeholt haben sollen, als Asylbewerber die Bedeutung einer sofortigen Antragstellung bekannt gewesen sein dürfte. Gegen eine akute schwerwiegende Erkrankung spricht auch, dass er am 29. Juni 1999 unbegleitet auf dem Hauptbahnhof in E. angetroffen wurde, wo er -- so seine Erklärung in der mündlichen Verhandlung -- auf den Zug für seine Rückfahrt nach G. wartete. In diesem Zusammenhang hat sich der Kläger auch in weitere Widersprüche verwickelt, auf die im späteren Verlauf der Entscheidungsgründe noch eingegangen wird.
Da nach alledem die von dem Kläger behauptete Einreise auf dem Luftweg nicht aufklärbar ist, trägt er die Beweislast mit der Folge, dass ein Asylanspruch nach Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a AsylVfG ausscheidet.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung von Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG.
Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Die Voraussetzungen der genannten Vorschrift und des Art. 16 a Abs. 1 GG sind deckungsgleich, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der Verfolgung betrifft. Sie führen auch hinsichtlich der Frage, ob die Gefahr politischer Verfolgung droht, zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen (BVerwG, Urt. v. 10. 5. 1994, DVBl. 1994, 949 f. m. w. N.). Deshalb geht der Senat auch im Rahmen der Prüfung des § 51 Abs. 1 AuslG von den Grundsätzen aus, die für die Auslegung des Art. 16 a Abs. 1 GG gelten (vgl. dazu Senatsurt. v. 18.1.2000 -- 11 L 3404/99 --, S. 7 f. d. UA).
a) Der Kläger hat die Türkei nicht aufgrund erlittener oder unmittelbar bevorstehender landesweiter Verfolgung verlassen.
aa) Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Kläger in seinem Heimatland einer individuellen Verfolgung ausgesetzt war oder ihm eine solche drohte.
Es ist Sache des Asylbewerbers, die in die eigene Sphäre fallenden Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (st. Rspr. d. BVerwG, vgl. etwa Beschl. v. 18.9.1989, InfAuslR 1989, 350 [BVerwG 18.09.1989 - BVerwG 9 B 308.89]). Ganz wesentlich ist dabei die Anhörung beim Bundesamt, die dem Asylbewerber Gelegenheit bietet, sich erschöpfend und substantiiert zu seinen Fluchtgründen zu äußern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.1.1991, InfAuslR 1991, 171 [BVerwG 19.02.1991 - BVerwG 1 B 17/91]). Denn es liegt auf der Hand, dass den Angaben eines Asylbewerbers, die er in nahem zeitlichen Zusammenhang mit der Flucht aus dem Herkunftsstaat und unbeeinflusst durch Dritte macht, das entscheidende Gewicht für die Beurteilung seines Antrags zukommt. Widersprechendes oder ein sich im Laufe des Asylverfahrens steigerndes Vorbringen kann deshalb die Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden in Frage stellen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.11.1990, InfAuslR 1991, 84; BVerwG, Beschl. v. 21.7.1989, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 113). Freilich sind nachträgliche Ergänzungen und Klarstellungen zu berücksichtigen, soweit sich dafür eine plausible Erklärung ergibt. Auch spricht nicht jede Widersprüchlichkeit im Vortrag eines Asylbewerbers von vornherein gegen seine Glaubwürdigkeit. Vielmehr ist bei der Bewertung seiner Aussagen zu berücksichtigen, dass sich Missverständnisse aus Verständigungsproblemen ergeben haben können und dass zwischen den einzelnen Stadien des Asylverfahrens oftmals größere Zeiträume liegen. Ferner dürfen die besonderen Schwierigkeiten, denen Asylbewerber aus anderen Kulturkreisen bei der Darstellung ihrer Verfolgungsgründe besonders dann ausgesetzt sind, wenn sie über einen geringen Bildungsstand verfügen, nicht außer Acht gelassen werden.
Hiervon ausgehend hat der Senat erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers. Bereits das Bundesamt und das Verwaltungsgericht haben im einzelnen dargelegt, weshalb sie dem Kläger die Behauptung nicht abgenommen haben, beginnend am 31. Dezember 1998 7 Tage lang unter Zufügung von Folter in E. festgehalten worden zu sein und wegen der Teilnahme an einer Plakatierungsaktion in der Nacht zum 1. Mai 1999 gesucht zu werden. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf die zutreffenden Ausführungen auf S. 6 f. des angefochtenen Bescheids (vgl. § 77 Abs. 2 AsylVfG) und auf S. 13 f. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 130 b Satz 2 VwGO) verwiesen. Dem Kläger ist es auch im Berufungsverfahren nicht gelungen, die ihm vorgehaltenen Ungereimtheiten und Widersprüche überzeugend aufzulösen. Vielmehr hat er seinen Vortrag sogar weiter gesteigert, ohne dafür eine plausible Erklärung zu geben.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt hatte der Kläger zwar pauschal vorgetragen, dass er während der 7-tägigen Inhaftierung gefoltert worden sei, doch hatte er keine näheren Einzelheiten angegeben, sondern lediglich erklärt, dass einige Polizisten geschlagen, einige gute Menschen gespielt und einige Fragen gestellt hätten. Erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht schilderte er Details wie eine Knieverletzung mit anschließendem hohen Blutverlust, massive Schläge mit dem Gummiknüppel auf den Rücken, Stehen in einem Becken mit kaltem Wasser. Nach der Freilassung habe ein Arzt im Gesundheitsamt sein verletztes Bein verbunden. Wegen seiner Rückenverletzung habe er heute noch Schmerzen und sei deswegen sowohl neurologisch als auch orthopädisch behandelt worden. Demgegenüber hatte der Kläger beim Bundesamt ausweislich der Anhörungsniederschrift keinerlei Verletzungen erwähnt. Auch das nervenärztliche Attest vom 27. Mai 1999 enthält keinerlei Aussagen über Wort gesundheitliche Beschwerden aufgrund von Folter und Knieverletzung. Seine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abgegebene Erklärung, er habe auch gegenüber dem Bundesamt ausdrücklich auf die ihm zugefügte Knieverletzung hingewiesen, doch scheine dies nicht protokolliert worden zu sein, sieht der Senat als Schutzbehauptung an. Das Gleiche gilt für das von ihm selbst vorgelegte Attest. Er muss sich vorhalten lassen, dass er beim Bundesamt durch seine Unterschrift nicht nur bestätigt hat, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gab, sondern auch, dass die rückübersetzte Aufzeichnung seinen bei der Anhörung gemachten Angaben entsprach. Ausweislich der Anhörungsniederschrift wurde er auch darüber belehrt, dass er alle Tatsachen und Umstände, die seinen Asylanspruch begründeten bzw. einer Abschiebung entgegenstünden, anzugeben habe. Da somit der Kläger schon aufgrund der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht gehalten gewesen wäre, von sich aus seine Verfolgungsgründe vollständig mitzuteilen, kann er sich auch im nachhinein nicht darauf berufen, dass ihm keine Fragen zur Folterung gestellt worden seien. Er hatte auch hinreichend Zeit zum umfassenden Vortrag, zumal er am Schluss der Anhörung ausdrücklich gefragt worden war, ob er seinem Asylbegehren noch irgendetwas hinzufügen wolle. Aus diesem Grund vermag der Senat dem Kläger auch nicht seine in der mündlichen Verhandlung gemachte Einlassung abzunehmen, dass er bei der Anhörung vor dem Bundesamt keine Gelegenheit hatte, den Umstand, dass er und seine Freunde während der 7-tägigen Haft fotografiert worden seien, zu erwähnen. Hinzu kommt, dass der Entscheider dem Kläger ausdrücklich vorgehalten hatte, er finde es merkwürdig, dass das Elternhaus des Klägers nach der Plakatierungsaktion durchsucht worden sei, obwohl die beiden festgenommenen Freunde lediglich seinen Decknamen gekannt hätten. In dieser Situation hätte es sich geradezu aufgedrängt, auf die bei einer anderen Gelegenheit gemachten Fotografien hinzuweisen. Stattdessen ließ sich der Kläger aber lediglich dahingehend ein, dass er unter Beobachtung gestanden und die Polizei ihn die ganze Zeit verfolgt habe.
Ebensowenig haben die Versuche des Klägers Erfolg, auch in anderen Punkten die Aussagekraft der Anhörungsniederschrift in Frage zu stellen. Während er gegenüber dem Bundesamt auf die Frage, wo und wie es denn zu der Festnahme am 29. Juni 1999 auf dem Hauptbahnhof in E. gekommen sei, ausweislich des Protokolls geantwortet hat: "Ich hatte meine Papiere dabei und war auf dem Bahnhof und wollte zu meinem Anwalt und da wurde ich von der Polizei ertappt", erklärte er gegenüber dem Senat: "Das habe ich so nicht gesagt. Vielmehr habe ich gesagt, dass ich alle Unterlagen vom Dolmetscher zurückbekommen hatte und am nächsten Tag mit den Unterlagen zu meinem Anwalt wollte". Dass er zuvor bei einem in E. wohnenden Dolmetscher gewesen sein will, dem sein Cousin in seinem Auftrag schriftliche Aussagen zum Übersetzen gegeben habe, ist in der Niederschrift des Bundesamtes nicht protokolliert, obwohl der Kläger nach der Rückübersetzung schriftlich bestätigt hatte, dass seine Angaben vollständig wiedergegeben seien. Er hat es auch versäumt, die nachträglich behaupteten Mängel nach Erhalt des Protokolls umgehend zu rügen.
Gegen eine berechtigte Verfolgungsfurcht des Klägers spricht schließlich auch, dass er einen Asylantrag nicht unmittelbar nach seiner Einreise in das Bundesgebiet, sondern erst gestellt hat, als er einige Zeit später festgenommen worden war. Wie bereits im einzelnen ausgeführt, hat er keine triftigen Gründe für sein Zuwarten dargelegt.
Nach alledem hat sich der von den Vorinstanzen gewonnene Eindruck bestätigt, dass der Kläger das von ihm geltend gemachte Verfolgungsschicksal insoweit erfunden hat, als es um die Verhaftung vom 31. Dezember 1998 mit anschließender Inhaftierung und Folterung sowie um die Suche nach ihm wegen seiner angeblichen Teilnahme an der Plakatierungsaktion am Vorabend des 1. Mai 1999 geht. Dagegen hält es der Senat für glaubhaft, dass der Kläger Mitglied der HADEP gewesen ist. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass er deswegen in der Türkei politischer Verfolgung ausgesetzt war oder ihm eine solche drohte.
Nach Auswertung der vorliegenden Erkenntnismittel lässt sich nicht feststellen, dass alle Mitglieder der HADEP in der Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr politischer Verfolgung unterliegen. Vielmehr kann eine derartige Gefährdung nur für Funktionäre oder solche Personen angenommen werden, bei denen der über die Mitgliedschaft hinausgehende Verdacht besteht, dass sie die PKK oder andere als staatsfeindlich angesehene Organisationen unterstützen. Dazu im einzelnen:
Sowohl nach der Verhaftung des PKK-Vorsitzenden Öcalan am 12. November 1998 in Rom als auch nach seiner Verbringung von Kenia in die Türkei am 16. Februar 1998 kam es im Anschluss von Solidaritätskundgebungen für Öcalan zu einer Welle von -- zumindest kurzfristigen -- Festnahmen im ganzen Land, von denen hauptsächlich Mitglieder und Anhänger der HADEP betroffen waren. Gleichzeitig durchsuchte die Polizei zahlreiche HADEP-Büros und auch Privatwohnungen von Vorstandsmitgliedern. Gegen Dutzende von Führungskräften der HADEP wurden Strafverfahren eingeleitet, die in den meisten Fällen mit der Verhängung von Haftstrafen wegen (angeblicher) Unterstützung der PKK (Art. 169 tStGB) oder separatistischer Propaganda (Art. 8 Abs. 1 ATG) endeten. Am 29. Januar 1999 stellte der türkische Generalstaatsanwalt einen Antrag auf Verbot der HADEP beim Verfassungsgericht mit der Begründung, dass diese als ein Zweig der PKK arbeite. Über diesen Antrag ist aber bisher nicht entschieden, so dass die HADEP weiterhin als legale Partei tätig sein kann, wobei sie aber erheblichen Behinderungen ausgesetzt ist. Drei von der HADEP gestellte Bürgermeister wurden im Februar 2000 wegen angeblicher Kontakte zur PKK verhaftet, nach einigen Tagen jedoch freigelassen und kurz darauf auch wieder in ihre Ämter eingesetzt (vgl. zum Vorstehenden Lagebericht des AA v. 22. 6. 2000; Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Türkei-Parteien-, HADEP, April 1999; Rumpf, Gutachten v. 22. 5. 2000 an VG Darmstadt; amnesty international, Stellungnahme v. 30.4.1999 an VG Aachen; FR v. 9.3.2000; SZ v. 29. und 25. 2. 2000; NZZ v. 23. 2. 2000; FAZ v. 21. 2. 2000).
Aus diesen Ereignissen werden in den Erkenntnismitteln teilweise unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen. Während amnesty international (Stellungnahme v. 30.4.1999 an VG Aachen) und Kaya (Gutachten v. 7. 8. 1999 an VG Darmstadt) die Auffassung vertreten, dass zum gefährdeten Personenkreis in der Türkei nicht nur Funktionäre kurdischer oder prokurdischer Organisationen, sondern auch aktive Mitglieder gehörten, gehen Taylan (Gutachten v. 10. 4. 1999 an VG Koblenz) und Rumpf (Gutachten vom 22.5.2000 an VG Darmstadt) davon aus, dass die Gefahr des Zugriffs für HADEP-Funktionäre deutlich höher sei als für einfache Mitglieder; das Auswärtige Amt (Auskunft v. 1. 9. 1999 an VG Koblenz) sieht die Gefahr staatlicher Repressalien für Mitglieder der HADEP erst dann, wenn zusätzlich ein Verdacht auf Unterstützung einer illegalen Organisation (wie z. B. der PKK) oder des Eintretens für Separatismus bestehe. Der erkennende Senat teilt die letztere Einschätzung (ebenso OVG NRW, Urt. v. 25. 1. 2000 -- 8 A 1292/96.A --, S. 87 f. d. UA). Selbst die beiden Verhaftungswellen gegen die HADEP haben sich im wesentlichen auf Vorstandsmitglieder bzw. Aktivisten beschränkt. Hinzu kommt, dass sich die politische Lage seitdem entspannt hat (vgl. Senatsurt. v. 18. 1. 2000 -- 11 L 3404/99 --, S. 15-18 d. UA). Es liegen dem Senat auch keine Erkenntnisse dafür vor, dass einfache HADEP-Mitglieder in den letzten Monaten verstärkt Objekt polizeilichen Zugriffs geworden sind. Allerdings werden nach wie vor Maßnahmen gegen führende Persönlichkeiten der HADEP ergriffen (vgl. Lagebericht d. AA v. 22. 6. 2000). Hiervon ausgehend lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger in der Türkei einer politischen Verfolgung wegen seiner Mitgliedschaft in der HADEP ausgesetzt war oder eine solche ihm bei Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Dass der Kläger nicht glaubhaft gemacht hat, in der Türkei als gefährlicher Regimegegner aufgefallen zu sein, hat der Senat bereits dargelegt. Seinen eigenen Angaben zufolge hatte er innerhalb der HADEP auch keine herausgehobene Funktion inne. Zwar hat der Zeuge T. vor dem Verwaltungsgericht bekundet, der Kläger sei Vorsitzender des Jugendkomitees der HADEP in K. gewesen, doch hat der Kläger auf Befragen in der mündlichen Verhandlung des Senats in Übereinstimmung mit seinem bisherigen Vortrag erklärt, er sei lediglich Mitglied der Jugendkommission gewesen. In K. oder E. sei er etwa alle zwei bis drei Monate gewesen, wenn dort HADEP-Veranstaltungen stattgefunden hätten. Selbst nach der Aussage des Zeugen T., an deren Richtigkeit wegen der unzutreffenden Darstellung der Position des Klägers innerhalb der HADEP Zweifel bestehen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade der Kläger von den türkischen Sicherheitskräften besonders überwacht wurde. Zwar hat der Zeuge T. bekundet, der Kläger habe unter staatlicher Aufsicht gestanden, doch hat er diese Aussage selbst dadurch relativiert, dass er ergänzend erklärte, auch alle anderen Mitglieder der HADEP hätten unter staatlicher Aufsicht gestanden. Dass die türkischen Sicherheitskräfte des öfteren bei den Eltern des Klägers nach dessen Aufenthaltsort fragen, wie der Kläger über seine im Bundesgebiet lebenden Cousins erfahren haben will, mag zutreffen. Dies ist aber wahrscheinlich nicht auf seine allenfalls untergeordnete Tätigkeit für die HADEP, sondern auf andere Gründe zurückzuführen. Nach den Erfahrungen des Senats aus vergleichbaren Verfahren handelt es sich dabei um Routineüberprüfungen mit dem Ziel, den Verbleib von abwesenden Personen zu klären. Insbesondere haben türkische Behörden in den kurdischen Siedlungsgebieten den Verdacht, dass sich junge Männer der PKK-Guerilla angeschlossen haben. Die Nachforschungen werden in der Regel aber eingestellt, wenn die Ermittlungen ergeben, dass sich der Betreffende im Ausland aufhält. Ein weiterer Grund für die Suche nach dem Kläger könnte darin liegen, dass er der gegen ihn ergangenen Musterungsaufforderung von März 1998 nicht gefolgt ist. Damit hat er sich gemäß Art. 63 türk. Militär-StGB der Wehrdienstentziehung strafbar gemacht. Auch in solchen Fällen wird -- wie den Erkenntnismitteln zu entnehmen ist (vgl. etwa Auskunft des AA v. 23. 6. 2000 an VG München) -- nach dem Aufenthaltsort des Wehrpflichtigen geforscht. Da der türkische Staat die Erfüllung der Wehrpflicht streng überwacht, ist es -- worauf das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid zutreffend hingewiesen hat -- auch sehr fraglich, dass der Kläger nach seiner angeblichen Festnahme Ende 1998/Anfang 1999 freigelassen sein will, obwohl er nicht zur Musterung erschienen war. Dass er danach während seiner siebentägigen Inhaftierung nicht einmal gefragt worden ist, erscheint dem Senat äußerst unwahrscheinlich. Stattdessen hätte es nahegelegen, ihn der zuständigen Wehrbehörde zuzuführen.
Allerdings führt der Umstand, dass der Kläger -- auch durch seinen Aufenthalt in Deutschland -- den Straftatbestand der Wehrdienstentziehung verwirklicht hat, nicht zur Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG. Denn Kurden aus der Türkei haben nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. dazu etwa das in das Verfahren eingeführte Urt. v. 26. 3. 1998 -- 11 L 3105/96 --, S. 23-29 u. 44 f. d. UA) und anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. aus neuerer Zeit OVG NRW, Urt. v. 25. 1. 2000 -- 8 A 1292/96.A --; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 7. 10. 1999 -- A 12 S 981/97 --; Hamb. OVG, Urt. v. 1. 9. 1999 -- 5 Bf 2/92.A --; OVG Meckl.-Vorp., Urt. v. 22. 4. 1999 -- 3 L 3/95 --) weder mit einer höheren Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung zu rechnen als andere türkische Staatsangehörige noch drohen ihnen politische Verfolgungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Wehrdienstentziehung und Ableistung des Wehrdienstes. Die seither bekannt gewordenen Erkenntnismittel (wie Lagebericht d. AA v. 22. 6. 2000 u. Tellenbach, Gutachten v. 20.12.1999 an VG Kassel) bestätigen diese Einschätzung.
bb) Der Kläger war vor der Ausreise auch nicht wegen seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe politisch verfolgt. Diese ethnische Minderheit unterlag seinerzeit keiner vom türkischen Staat ausgehenden oder ihm zuzurechnenden landesweiten Gruppenverfolgung (vgl. etwa Senatsurt. v. 27. 5. 1999 -- 11 L 1996/98 --).
b) Ebensowenig kann sich der Kläger auf einen beachtlichen Nachfluchtgrund berufen.
aa) Als objektiver Nachfluchtgrund kommt die Entwicklung der Verhältnisse im Südosten der Türkei in der Zeit nach der Ausreise des Klägers in Betracht. Ob dort lebende kurdische Volkszugehörige einer regionalen oder örtlich begrenzten Gruppenverfolgung unterliegen, lässt der Senat dahinstehen, da ihnen jedenfalls in den westlichen Teilen, insbesondere in den dortigen Großstädten, grundsätzlich eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht (vgl. Urt. v. 18. 1. 2000 -- 11 L 3404/99 --, S. 13-19 d. UA m. Nachw. aus der insoweit übereinstimmenden obergerichtlichen Rechtsprechung). Den aktuellen Erkenntnismitteln lassen sich ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sich die Lage der kurdischen Volkszugehörigen in der Türkei seitdem in entscheidungserheblicher Weise verschlechtert hat (ebenso Hess. VGH, Urt. v. 27. 3. 2000 -- 12 UE 583/99.A --; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24. 2. 2000 -- A 12 S 1825/97 --; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 18. 2. 2000 -- 10 A 11821/98.OVG --; OVG NRW, Urt. v. 25. 1. 2000 -- 8 A 1292/96.A --). Auch das Auswärtige Amt bekräftigt in seinem neuesten Lagebericht vom 22. Juni 2000 seine Auffassung, dass es für Kurden aus dem Südosten der Türkei Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile gebe.
bb) Der Kläger erfüllt auch nicht aufgrund der von ihm geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG.
Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass kurdische Volkszugehörige, die lediglich einfache politische Aktivitäten im Ausland entfaltet haben, regelmäßig keinem beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsrisiko ausgesetzt sind, dass aber eine besondere Rückkehrgefährdung vorliegt, wenn sich die Betreffenden öffentlichkeitswirksam als Regimegegner exponiert haben (vgl. Urt. v. 18. 1. 2000 -- 11 L 3404/99 --, S.20-25 d. UA -- m. Nachw. aus der gleichlautenden Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte). Daran ist festzuhalten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem neuen Lagebericht des Auswärtigen Amtes, in dem aufgrund der Überprüfung des Schicksals einer Reihe von abgeschobenen Asylbewerbern ausgeführt wird, staatliche Repressionen bei Rückkehr drohten insbesondere den Kurden oder anderen türkischen Staatsangehörigen, die in herausgehobener oder jedenfalls erkennbarer Stellung für in der Türkei verbotene Organisationen exilpolitisch tätig gewesen seien. Auch wenn sich danach nicht völlig ausschließen lässt, dass im Einzelfall auch nicht herausgehobene exilpolitische Aktivitäten bei Rückkehr in die Türkei zu strafrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen oder anderen abschiebungsrechtlich relevanten Beeinträchtigungen führen, fehlt jedenfalls die für die Annahme des § 51 Abs. 1 AuslG erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit.
Hieran gemessen hat der Kläger sich nicht derart für die kurdische Sache exilpolitisch betätigt, dass die türkischen Sicherheitskräfte an ihm ein ernsthaftes Verfolgungsinteresse haben könnten. Die bloße Teilnahme an kurdischen Demonstrationen reicht hierzu nach dem oben Gesagten nicht aus, zumal der Kläger auch nicht behauptet hat, dass er dabei als Aktivist aufgefallen ist.
3. Nach den obigen Darlegungen besteht für den Kläger bei Rückkehr in die Türkei auch weder die konkrete Gefahr der Folter noch einer sonstigen unmenschlichen Behandlung, so dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG ebenfalls nicht ersichtlich sind.
Die Zulässigkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen folgt aus §§ 34 Abs. 1 und 38 Abs. 1 AuslG.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.