Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.08.2000, Az.: 1 M 760/00
Baugenehmigung; Baunachbarklage; Betrieb; Enten-Stallanlage; Entenstall; Errichtung; Gebot der Rücksichtnahme; Geflügelhaltung; Geflügelzucht; Nachbarklage; Putenbestand; Putenstall; Rücksichtnahmegebot; schädliche Umwelteinwirkung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 10.08.2000
- Aktenzeichen
- 1 M 760/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 42004
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 27.01.2000 - AZ: 4 B 4848/99
Rechtsgrundlagen
- § 22 BImSchG
- § 3 BImSchG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Es sprechen aus umwelt- und veterinärhygienischer Sicht gewichtige Gründe dafür, dass bei einer Entfernung von 145 m zwischen zwei Geflügelhaltungsanlagen die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Übertragung von Krankheitserregern aus der geplanten Enten-Stallanlage durch die Luft und über vergleichbare Wege (z. B. Schadnager) auf den vorhanden Putenbestand gegeben ist.
Tatbestand:
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine dem Beigeladenen von dem Antragsgegner erteilte Baugenehmigung zur Errichtung von zwei landwirtschaftlichen Ställen.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Flurstücks X der Flur ... der Gemarkung B. Auf diesem Eckgrundstück nordwestlich der F Straße und nordöstlich der Fstraße betreibt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit immissionsschutzrechtlicher Genehmigung vom 20. Oktober 1994 Putenaufzucht und -mast in drei Ställen mit einer Kapazität von 18.414 Mastputen bzw. 44.193 Aufzuchtputen.
Der Beigeladene ist Eigentümer des Flurstücks Y der Flur ... Dieses dreieckige Grundstück erstreckt sich von der Einmündung der Fstraße entlang der südöstlichen Seite der F Straße. Die Gesamtgröße beträgt 7,57 ha. Auf Antrag des Beigeladenen erteilte der Antragsgegner diesem mit Bescheid vom 6. August 1999 eine Baugenehmigung für die Errichtung von zwei Entenställen für 7.063 Aufzuchtenten und 7.222 Mastenten. Der Beigeladene beabsichtigt als Vertragsmäster der S Pekingenten zu mästen.
Gegen die nicht förmlich zugestellte Baugenehmigung erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 25. Oktober 1999 Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist. Eine Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 28. Oktober 1999 und 28. Dezember 1999 ab.
Das Verwaltungsgericht hat dem Eilrechtsschutzantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 27. Januar 2000 im Wesentlichen stattgegeben.
Der zugelassene Beschwerde des Beigel. hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Eine Verletzung von Nachbarrechten der Antragstellerin ist nach dem dargelegten Prüfungsmaßstab weder auszuschließen noch offensichtlich. Auch wenn das Vorhaben des Beigeladenen im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 BauGB bevorrechtigt zulässig ist, kann es deshalb genehmigungsunfähig sein, weil es auf die Interessen der Antragstellerin nicht genügend Rücksicht nimmt.
Welche Anforderungen an das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme zu stellen sind, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 25. Februar 1977 (-- IV C 22.75 --, BVerwGE 52, 122) im Einzelnen wie folgt ausgeführt:
"Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalles wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dabei muss allerdings demjenigen, der sein eigenes Grundstück in einer sonst zulässigen Weise baulich nutzen will, insofern ein Vorrang zugestanden werden, als er berechtigte Interessen nicht schon deshalb zurückzustellen braucht um gleichwertige fremde Interessen zu schonen. Das gilt noch verstärkt, wenn sich bei einem Vergleich der beiderseitigen Interessen derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, zusätzlich darauf berufen kann, dass das Gesetz durch die Zuerkennung einer Privilegierung seine Interessen grundsätzlich höher bewertet wissen will, als es für die Interessen derer zutrifft, auf die Rücksicht genommen werden soll. Andererseits bietet sich bei der Bemessung dessen, was den durch ein Vorhaben Belästigten zugemutet werden kann, eine Anlehnung an die Begriffsbestimmungen des BImSchG an. Dieses Gesetz verlangt von den Betreibern emittierender Anlagen, mögen diese Anlage immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig sein oder nicht, dass vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen unterbleiben."
Der Beigeladene beabsichtigt die Errichtung und den Betrieb einer nach § 22 BImSchG nicht genehmigungsbedürftigen Anlage. Absatz 1 der genannten Vorschrift verlangt von Betreibern solcher Anlagen, dass vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen unterbleiben. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG alle Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Der Begriff erfasst nach Absatz 2 der Vorschrift auch Tiere. Sie sind ebenfalls vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Emissionen im Sinne des § 3 Abs. 3 BImSchG zu schützen. Ob die Entenställe des Beigeladenen wegen der räumlichen Nähe zu den bereits vorhandenen Putenställen auf dem Grundstück der Antragstellerin rücksichtslos sind, lässt sich auch nach den von dem Senat durchgeführten Ermittlungen nicht abschließend beurteilen. Die von dem Senat im Beschwerdeverfahren eingeholten Auskünfte zu dem Infektionsrisiko für den benachbarten Putenbestand aus umwelt- und veterinärhygienischer Sicht haben allerdings die Annahme des Verwaltungsgerichts bestätigt und bestärkt, dass ernsthafte Gesichtspunkte für eine konkrete Gefährdung vorliegen, d.h., dass die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht (vgl. zu diesem Maßstab: Jarass, BImSchG, 4. Aufl., 1999, § 25, Anm. 21, und § 3, Anm. 24 ff.).
Die vorhandenen Putenställe sind nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich privilegiert und deshalb in besonderem Maß schutzwürdig. Mit der Zuerkennung einer Privilegierung hat das BauGB die Interessen der Antragstellerin an dem Standort im Außenbereich grundsätzlich höher bewertet. Die vom Beigeladenen betonte Vorbelastung der Umgebung bezieht sich auf die Emissionen des Putenstalles und schließt eine solche besondere Schutzwürdigkeit nicht aus, die sich darauf bezieht, dass die Voraussetzungen für den Betrieb der Putenställe nicht durch andere Umwelteinwirkungen eines anderen Vorhabens beeinträchtigt werden dürfen. Dabei kann zwar auch der Beigeladene eine Privilegierung ins Feld führen, allerdings muss er sich bei einer Unverträglichkeit der vorhandenen Anlage und seines Vorhabens den Prioritätsgrundsatz entgegenhalten lassen.
Bei der Betrachtung des Gefährdungspotenzials geht der Senat davon aus, dass der Abstand zwischen den geplanten Entenställen des Beigeladenen auf dem Grundstück entlang der F Straße und den Putenställen rund 145 m beträgt. Die Antragstellerin hat diese Entfernung von Stallecke zu Stallecke durch ein Vermessungsbüro ermitteln lassen. Einwände gegen das Messergebnis hat der Beigeladene nicht vorgetragen. Soweit in den vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen noch von einer Entfernung von 130 m zwischen den Stallanlagen ausgegangen wird, beeinträchtigt die festgestellte Differenz in der Entfernung nicht den Aussagewert der Stellungnahmen.
Es spricht einiges dafür, dass bei der festgestellten geringen Distanz von 145 m zwischen den Geflügelhaltungsanlagen die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Übertragung von Krankheitserregern aus dem geplanten Entenbestand durch die Luft und über vergleichbar Wege (z.B. Schadnager) auf den Putenbestand gegeben ist. Nach den dem Senat vorliegenden Äußerungen von Prof. Dr. H, ..., und Dr. habil. K B..., besteht die Gefahr nicht so sehr in dem Risiko einer aerogenen Infektion mit Pasteurella/Riemerella anatipestifer und Rotaviren. Beide Gutachter haben zwar auf die Gefährlichkeit dieser Erkrankungen hingewiesen, aber auch Prof. Dr. H hat in seiner Stellungnahme vom 17. November 1999 betont, dass eine Übertragung durch die Luft nicht direkt nachgewiesen ist. Auch wenn die Entfernung von 145 m bei den in Norddeutschland üblichen Windgeschwindigkeiten in einer Minute überbrückt werden kann, bleibt doch die Frage, ob die sehr kurzlebigen Krankheitserreger Pasteurella/Riemerella anatipestifer über den Kot und die kontaminierte Einstreu so schnell in die Stallabluft gelangen, dass mit einer aerogenen Erregerübertragung auf diese Entfernung zu rechnen ist. Auch bei den Rotaviren gibt es -- auch nach Prof. Dr. H -- keine Berichte über aerogene Übertragungen.
Kritischer zu beurteilen ist die Gefahr einer Infektion mit Mycoplasma gallisepticum, die besonders Huhn und Pute betrifft. Diese Mycoplasmenart wurde auch bei Enten festgestellt, obwohl diese nicht erkranken und dabei auch nicht als potenzielle Keimträger klinisch erkennbar sind. Beide Gutachter bestätigen unter Bezugnahme auf Stipkovits (in: Heider und Monreal, Herausgeber, Krankheiten des Wirtschaftsgeflügels, Bd. 1, 1992, S. 270), dass die Erreger dieser Erkrankung bei gesunden Entenküken nachgewiesen wurden. Beide Gutachter stimmen auch darin überein, dass Mycoplasmen luftgetragen Abstände von 400 m überwinden können. Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass eine aerogene Übertragung stattfindet, kommen sie zu unterschiedlichen Ergebnissen. Prof. Dr. H geht in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 17. November 1999 und den Ergänzungen, namentlich der vom 21. Dezember 1999, davon aus, dass ein Putenbestand, der 145 m vom nächsten Entenbestand entfernt ist, durch Enten, die Mycoplasmenträger und -ausscheider sind, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit früher oder später infiziert wird. Maßgeblich hierfür sei die hohe Umweltresistenz der Erreger, die mehr als 400 m getragen werden könnten. Wichtig dabei seien schützende Trägerstoffe, wie Staubpartikel und Wassertröpfchen. Die nachvollziehbare Einschätzung von Prof. Dr. H wird unterstützt durch eine Feldbeobachtung zum Vorkommen von Mycoplasmen bei Mastputen, deren Ergebnis der Fachtierarzt für Geflügel, Dr. med. vet. L, auf Veranlassung der Antragstellerin unter dem 15. Juni 2000 vorgelegt hat. Danach hat eine blutserologische Untersuchung von 119 Mastputenbeständen aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern an unterschiedlichen Standorten einen Befall von 15 Beständen mit Mycoplasmen ergeben. Bei 11 von 15 Beständen waren andere Geflügelbestände in weniger als 1000 m Entfernung festgestellt worden bzw. waren die Jungtiere bis zum Alter von 6 Wochen im Nahbereich anderer Wirtschaftsgeflügelbestände aufgezogen und danach umgestallt worden.
Demgegenüber begnügt sich Dr. K in seiner Stellungnahme vom 10. März 2000 zur Infektionsgefahr durch aerogen übertragbare Mycoplasmen mit dem Hinweis, dass das Krankheitsgeschehen "der Mycoplasmose bei Hühnern und Puten in den letzten Dekaden nicht nachweislich von möglichen Vorkommen der Erreger bei Enten beeinflusst worden ist". Auch in seiner ergänzenden Äußerung vom 5. Juni 2000 belässt es Dr. K bei der Feststellung, dass diese Erkrankung in den letzten Jahren nicht nachweislich vom möglichen Vorkommen dieser Erreger bei Enten beeinflusst worden sei, obwohl bei "Mycoplasmen mit Übertragungen über wesentlich größere Entfernungen (400 m) zu rechnen" sei. Seine These, eine Beeinflussung des Krankheitsgeschehens durch Enten scheide wegen unterschiedlicher Erreger -- und Stammspektren der verschiedenen Tierarten aus, vermag der Gutachter nicht näher zu untermauern. Er räumt ein, dass hinsichtlich der Viruserkrankung New castle Disease, die einen ähnlichen Infektionssachverhalt wie bei der Mycoplasmose aufweise, die Verantwortlichkeit unterschiedlicher Virus-Stämme für die grundlegend unterschiedliche Empfindlichkeit bei Hühnern, Enten und Puten bisher nicht habe nachgewiesen werden können.
Der Hinweis von Dr. K auf bestehende Putenställe in der Nachbarschaft von Entenställen hat wenig Aussagekraft. Die genannten Anlagen sind jeweils mindestens 150 m voneinander entfernt oder betreffen nicht ausdrücklich Enten und Puten. Angaben dazu, ob und gegebenenfalls in welcher Größenordnung die Putenbestände von bakteriellen oder viralen Erkrankungen betroffen waren, fehlen gänzlich. Die vom Antragsgegner mitgeteilten Referenzfälle geringerer Entfernung lassen wegen der kurzen Dauer ihres Bestehens noch keine Aussagen zu.
Die Verhältnisse in dem Lehr- und Versuchsgut R der Tierärztlichen Hochschule Hannover lassen keinen Rückschluss auf den Grad der Infektionsgefährdung zu. Dort sind Geflügelställe von Hühnern, Enten und Puten in unmittelbarer Nachbarschaft (30 bis 50 m) zu Lehr- und Ausbildungszwecken errichtet worden, um Tierärzte und Tierwirte überregional an einem Standort unterrichten zu können. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. H sind die dort vorhandenen Bedingungen nicht mit Praxisbetrieben vergleichbar. Die Hochschule und die verantwortlichen Stellen seien sich des Infektionsrisikos bewusst gewesen.
Gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass von dem geplanten Entenbestand ein beachtliches Infektionsrisiko für den Putenbestand auf dem Grundstück der Antragstellerin ausgeht, ergeben sich auch aus der Tatsache, dass Dr. K bei Enten sporadische Infektionen durch sonstige Erreger der AHP-Gruppe -- ohne Geflügelcholera-Stämme -- nachgewiesen hat. Nach den Darlegungen des Sachverständigen liegen diese zwar bei weniger als 0,2 % des nicht erkrankten Entenbesatzes. Diese diagnostischen Ergebnisse der Untersuchungen an gestorbenen und ausgewählten schwer erkrankten Tieren zeigen aber, dass bei einem angenommenen Entenbestand von rund 14.000 Tieren bei einer prognostizierten Verlustrate von 3 % (= 420 Tieren) mit einem infizierten Tier zu rechnen ist. Bei 8 Mast- oder Aufzucht-Durchgängen im Jahr liegt die Zahl bei 8 infizierten Tieren, wobei diese rein statistische Betrachtung davon ausgeht, dass die Herde gesund ist. Bei erkrankten Beständen dürfte nach Prof. Dr. H die Todesrate bei 10 bis 15 % der Tiere liegen, so dass sich auch die Anzahl der infizierten Tiere erhöht. Auch wenn die sonstigen Erreger der AHP-Gruppe im Rahmen ihrer aerogenen Freisetzung in die Umgebung empfindlicher auf Umwelteinflüsse als andere Mikroorganismen reagieren, so stellt diese Empfindlichkeit nicht immer ein Maß für die Senkung des Infektionsrisikos dar. Prof. Dr. H verweist in seiner ergänzenden Auskunft vom 14. Juni 2000 darauf, dass das Überleben einer ausreichenden Anzahl von Keimen und eine Infektion von Stall zu Stall trotz eines Verdünnungseffektes und sonstiger Umweltbedingungen bei der im vorliegenden Fall maßgeblichen Entfernung von 145 m wegen des raschen Transports mit dem Wind nicht unwahrscheinlich ist.
Weiter erscheint eine Ausbreitung von Erysipelothrix rhusiopathiae durch Nager angesichts der geringen Entfernung als ein nicht unerhebliches Risiko. Die aerogene Verbreitung hat zwar bislang keine Bedeutung erlangt. Rücksichtslos kann aber auch ein Vorhaben sein, das bedeutende Sachwerte in der Nachbarschaft dadurch gefährdet, dass es selbst nicht in der gebotenen Weise die Verbreitung von Krankheitserregern durch Schadnager bekämpft. Auf dem Grundstück der Antragstellerin befindet sich in einer Entfernung von rund 99 m zu dem geplanten Entenställen des Beigeladenen eine Strohscheune, in der Einstreu für die Putenställe gelagert wird. Diese Scheune kann sowohl für Vögel als auch wandernde Nager als "Zwischenstation" dienen und stellt deshalb ein zusätzliches Infektionsrisiko dar, weil die Krankheitserreger durch die Vektoren schon in die Einstreu übertragen werden können. Dr. K schließt zwar aufgrund seiner Erfahrungen mit der S eine Verbreitung dieses Krankheitserregers durch die Schadnagerbekämpfung nach den Hygienerichtlinien dieser Firma und die Desinfektion und Ableitung des Wassers in die Kanalisation aus. Es lässt sich aber nicht ohne weiteres nachvollziehen, wie im Betrieb des Beigeladenen die Übertragung der Krankheit durch Schadnager ausgeschlossen wird. Auch wenn der Beigeladene nach seinem Vorbringen die Pekingenten von der S beziehen will und deshalb in gewissem Umfang von den Erfahrungen dieses Entenzüchters profitieren kann, gibt es bislang keine ausreichenden Hinweise zur Schadnagerbekämpfung im Betrieb des Beigeladenen. Dr. K hat auf Nachfrage des Senats in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. Juni 2000 ausgeführt, dass die S Qualitätssicherungsregeln für die Mast von Pekingenten für alle Mäster festgelegt hat, um einer Keimanreicherung entgegenzuwirken bzw. bestehende Infektionsketten zu unterbrechen. Hinsichtlich der Schadnager sei eine permanente Bekämpfung vorgeschrieben. Reinigung, Desinfektion und Schadnagerbekämpfung seien wichtige vorbeugende Maßnahmen zur Sicherung der Tiergesundheit. Kontrolle, Beratung und Bereitstellung der entsprechenden Mittel übernähmen Tierärzte der S. Es bleibt aber nach dieser Darstellung offen, zu welchen einzelnen Maßnahmen sich der einzelne Mäster gegenüber der S vertraglich verpflichten muss. Es ist auch nicht klar, ob bereits und gegebenenfalls mit welchem Inhalt ein Vertrag zwischen dem Beigeladenen und der S geschlossen worden ist. Darüber hinaus wird durch die Baugenehmigung weder die Einhaltung tierhygienischer Standards gesichert noch ist garantiert, dass der Beigeladene die Tiere immer von der S abnimmt.
Die dargestellten Infektionsrisiken sprechen dafür, dass das Vorhaben des Beigeladenen in der Nähe der Putenställe auf dem Grundstück der Antragstellerin rücksichtslos ist. Auch wenn nach den vorliegenden gutachterlichen Auskünften aus umwelt- und veterinärhygienischer Sicht noch nicht abschließend gesagt werden kann, dass die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung rechtswidrig ist, sprechen gewichtige Gründe dafür, dass eine Entfernung von 145 m zwischen den hier in Rede stehenden Geflügelhaltungsanlagen nicht ausreichend ist, um einen Putenbestand hinreichend sicher vor einem Seuchenbefall zu schützen. Das Widerspruchsverfahren bietet Gelegenheit, den verbleibenden Zweifelsfragen weiter nachzugehen. Aufschluss über die einzuhaltenden Sicherheitsabstände ist insbesondere von einem Forschungsvorhaben des Landes Niedersachsen über die Ausbreitung von Stoffen aus Geflügelställen einschließlich der medizinischen Untersuchung der anwohnenden Bevölkerung zu erwarten. Nach Prof. Dr. H soll diese Untersuchung auch dazu dienen, die vermehrt eingesetzten Ausbreitungsmodelle durch Feldmessungen experimentell zu verifizieren.
Anknüpfend an das Vorgesagte ist in eine Abwägung einzutreten, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen zuzumuten ist. Diese Abwägung geht zu Lasten des Beigeladenen aus. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin die "älteren Rechte" für sich beanspruchen kann, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat. Auf Seiten der Antragstellerin ist weiterhin der wirtschaftliche Wert der 18.000 Mastputen, den die Antragstellerin unwidersprochen mit bis zu 600.000,00 DM beziffert hat, in die Interessenabwägung einzubeziehen. Demgegenüber sind die Interessen des Beigeladenen, die Entenställe gerade an diesem Standort zu verwirklichen, noch nicht recht deutlich geworden. Zwar ist es richtig, dass der Bauherr den Standort eines Bauvorhabens bestimmt und es insoweit grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob es geeignetere Alternativstandorte gibt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.6.1997 -- 4 B 97.97 --, BRS 59 Nr. 176). Angesichts des nicht unerheblichen Infektionsrisikos für die Putenmastställe der Antragstellerin muss sich der Beigeladene aber fragen lassen, warum er seine Entenställe so nahe an die Putenställe heranrücken will. Allein die Tatsache, dass der Beigeladene nach seinen Angaben bereits 450.000,-- DM für den Bau der Entenställe investiert hat, kann den Ausschlag nicht geben, weil der Antragsgegner den Beigeladenen unmittelbar nach Einlegung des Widerspruches mit Schreiben vom 28. Oktober 1999 über den Widerspruch unterrichtet hat und dem Beigeladenen mitgeteilt hat, dass er, der Beigeladene, das Risiko für die Durchführung der Baumaßnahme trage.