Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.09.2001, Az.: 1 KN 777/01

allgemeines Wohngebiet; Bebauungsplan; Innenbereich; Lärmeinwirkung; Normenkontrollantrag; Normenkontrolle; Normenkontrollverfahren; Rechtsschutzbedürfnis; schädliche Umwelteinwirkung; Verkehrslärm

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
27.09.2001
Aktenzeichen
1 KN 777/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40443
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 25.01.2002 - AZ: 4 BN 2/02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Für einen Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan fehlt das Rechtsschutzbedürfnis nicht stets schon dann, wenn das Plangebiet zwischenzeitlich so weit bebaut worden ist, dass die Restflächen, deretwegen das Normenkontrollverfahren geführt wird, nunmehr dem Innenbereich zugehören. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Gemeinde objektiv die Pflicht zur Neuplanung dieser Restflächen trifft und nicht sicher auszuschließen ist, dass sie dieser Pflicht auch genügen wird.

2. Will die Gemeinde ein allgemeines Wohngebiet an eine stark befahrene Straße heranführen, muss sie den davon ausgehenden Verkehrslärm zutreffend ermitteln. Sie darf den Schutzanspruch, den nicht nur die überbaubaren, sondern auch die sonstigen Flächen der künftigen Baugrundstücke haben, nicht mit der Begründung mindern, es gebe in ihrem Gebiet andere Bereiche, in denen Grundstücke mindestens ebenso starken Verkehrslärmbeeinträchtigungen ausgesetzt sind.

3. Zur Lösung des Konflikts zwischen vorhandenem Verkehrslärm und hinzutretender allgemeiner Wohnbebauung wird die Gemeinde in der Regel auf die Orientierungswerte der DIN 18005 zurückzugreifen haben. Eine Anwendung der 16. BImSchV ist im Regelfall nicht möglich. Das gilt jedenfalls dann, wenn die künftigen Baugrundstücke Lärmeinwirkungen ausgesetzt sein werden, welche sogar noch jenseits der Grenzwerte liegen, die § 2 der 16. BImSchV festsetzt, und besondere städtebauliche Gründe für eine derartige Belastung der (künftigen) Baugrundstücke nicht ersichtlich sind.

4. Ein Bebauungsplan ist nicht mehr nur teilunwirksam, wenn die bislang unbebauten Flächen eine Bebauung aufnehmen soll(t)en, welche Verkehrslärm von den bereits bebauten rückwärtigen Planflächen abschirmen sollte.

Tatbestand:

1

Die Antragstellerin meint, die Antragsgegnerin habe die am östlichen Ortsausgang von L. nördlich der L 401 liegenden Flächen zu Unrecht als allgemeines Wohngebiet überplant, weil/obwohl die Auswirkungen des Verkehrslärms erheblich höher seien, als sie in einem von der Antragsgegnerin zur Vorbereitung des angegriffenen Plans eingeholten Schalltechnischen Gutachten ermittelt worden seien. Deshalb könne sie die in dem Kaufvertrag mit der Antragsgegnerin übernommene Verpflichtung, diese Flächen bis zum Ende des Jahres 2002 dem Plan entsprechend mit Doppelhäusern zu bebauen und fertig zu stellen, wegen fehlender Absetzbarkeit dieser Häuser nicht in wirtschaftlich auskömmlicher Weise erfüllen.

2

Der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin fasste am 23. September 1998 den Beschluss, den angegriffenen Bebauungsplan aufzustellen. Zu diesem Zeitpunkt lag das vorbereitend eingeholte Schalltechnische Gutachten für eine geplante Wohnbaufläche in L. der Ingenieure B., M. und Dr. H. vom 29. April 1998 vor. Dieses hatte eine Verkehrsbelastung der L 401 von 5.000 Kfz/24 h mit einem Lkw-Anteil von 10 % zugrunde gelegt und war daraufhin zur Annahme gelangt, ein ausreichender Lärmschutz sei bei einem Abstand von ca. 20 m zwischen dem nördlichen Fahrbahnrand und der überbaubaren Grundstücksfläche gewährleistet.

3

Der Planentwurf wurde - wohl ohne dieses Gutachten - in der Zeit vom 28. Dezember 1998 bis zum 20. Januar 1999 öffentlich ausgelegt; zugleich beteiligte die Antragsgegnerin die Träger öffentlicher Belange. Es gingen kaum Anregungen und Bedenken ein. Lediglich die Straßenbauverwaltung sah sich wegen der parallel zur L 401 vorgesehenen Straße zu einer Äußerung veranlasst, welche unter anderem die Gestaltung des Einmündungsbereiches zum Gegenstand hatte.

4

Am 14. Juli 1999 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan einschließlich seiner Begründung als Satzung. Er wurde am 2. September 1999 im Amtsblatt bekannt gemacht.

5

Das Plangebiet liegt am östlichen Ortsrand von L. an der L 401 (G. Str.), welche sich weiter östlich, d.h. zwischen L. und G. gabelt. Das Plangebiet ist rund 255 m breit und 100 m tief. Der Plan setzt für alle Baugrundstücke allgemeines Wohngebiet als zulässige Nutzungsart fest. Für die südliche Hälfte wird zweigeschossige Bebauung mit Doppelhäusern festgesetzt. Die überbaubaren Grundstücksflächen beginnen 20 m vom nördlichen Rand des Straßengrundstücks der L 401. Außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen dürfen (auch überdachte) Stellplätze errichtet werden; § 1 der textlichen Festsetzungen bestimmt, dass sonstige Stellplätze und Garagen auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen nicht errichtet werden dürfen. Insgesamt durchziehen 4 Straßen, welche nur zum Teil mit Wendehämmern versehen sind, in Nord-Süd-Richtung das Plangebiet. Das Verkehrssystem zeigt, dass sich die Antragsgegnerin die Möglichkeit offen halten will, die Bauflächen nach Norden entsprechend zu der westlich davon bereits stehenden Bebauung zu erweitern. Dort bietet unter anderem die Straße I. B. die Möglichkeit, weitere Bauflächen von Nordwesten her anzuschließen. Die im rückwärtigen, d.h. nördlichen Teil des Bebauungsplanes liegenden Flächen sollen nur eingeschossig mit Einzel- und Doppelhäusern bebaut werden dürfen.

6

In der Begründung des Bebauungsplans wird zu den Lärmgesichtspunkten das folgende ausgeführt:

7

Immissionsschutz

8

Die überbaubaren Flächen des Geltungsbereiches werden so gewählt, dass eine Immissionsbeeinträchtigung einer zukünftig entstehenden Bebauung weitestgehend vermieden wird.

9

Gemäß einem vorliegenden Gutachten des Büros B.-M.-Dr. H. GbR ergeben sich bei Sicherstellung eines 20-m-Abstamdes zwischen Bebauung und Begrenzung der G.er Straße keine Immissionsprobleme für die Wohnbebauung. Besondere Anforderungen an die passive Lärmschutzmaßnahmen sind danach nicht erforderlich.

10

Entlang der Landesstraße 401 ist ein breiter Grünstreifen angeordnet, der bei der festgesetzten dichten Bepflanzung einen guten Sichtschutz bietet.

11

Die Antragstellerin ist Käuferin einer 1.365 m² großen Fläche aus den Flurstücken 116/9 (1.251 m²) und 116/8 (114 m²), Flur 8 der Gemarkung L.. Diese Flächen liegen im Südwesten des Geltungsbereiches des angegriffenen Planes. Der notarielle Kaufvertrag wurde am 24. Februar 2000 abgeschlossen. Verkäuferin ist die Antragsgegnerin. In § 3 Nr. 1 des notariellen Kaufvertrages verpflichtet sich die Antragstellerin, auf den Kaufgrundstücken Reihen- und Doppelhäuser nach den Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplanes bis zum 31. Dezember 2002 zu errichten und fertig zu stellen. Außerdem werde sie die Auflagen der Gestaltungssatzung der Antragsgegnerin für das Baugebiet des Bebauungsplans Nr. 11 einhalten. § 3 Nr. 2 des Kaufvertrages enthält finanzielle Sanktionen für den Fall, dass die Antragstellerin ihren Verpflichtungen nicht nachkommt. § 4 des Kaufvertrages verschafft der Antragsgegnerin einen Rückübertragungsanspruch u.a. für den Fall, dass die Antragsgegnerin ihre Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag nicht einhält. Nach der Zeichnung, welche dem Kaufvertrag beigegeben worden ist, sollte die Antragstellerin dort Doppelhäuser errichten.

12

Zur Begründung ihres am 21. Februar 2001 gestellten Normenkontrollantrages macht die Antragstellerin insbesondere das folgende geltend:

13

Sie sei antragsbefugt. Denn aus den nachstehend erhobenen Rügen ergebe sich, dass die von ihr gekauften Flächen ohne aktive und passive Schallschutzmaßnahmen nicht bebaut und entsprechend der Festsetzung allgemeines Wohngebiet genutzt werden könnten. Auch ihr Interesse, diese Flächen entsprechend den Planfestsetzungen bebauen und mit Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg verkaufen zu können, habe bei der Abwägungsentscheidung berücksichtigt werden müssen. Ihr stehe ein schützenswertes Bedürfnis an der begehrten Feststellung zur Seite. Denn die Antragsgegnerin habe sie vor dem Landgericht Hannover auf Zahlung der vollen Kaufpreissumme verklagt, was sie mit der Begründung verweigere, Wohnhäuser könnten dort wegen des Verkehrslärms nicht verkauft werden. Der Umstand, das der Nordteil des Plangebiets weitgehend bebaut sei, sei unerheblich. Der angegriffene Plan sei nicht Ergebnis gerechter Abwägung. Der Rat der Antragsgegnerin habe seiner Abwägungsentscheidung eine unzutreffende Ermittlung der Lärmbeeinträchtigungen zugrunde gelegt, denen die künftigen Nutzer der Wohnbauflächen ausgesetzt sein würden. Richtigerweise hätte nicht eine Verkehrsbelastung der L 401 mit nur 5000 Kraftfahrzeugen, sondern mit über 13.000 Kraftfahrzeugen pro Tag zugrunde gelegt werden müssen. Das führe nach einem von ihr eingeholten Gutachten des TÜV X. dazu, dass auf die überbaubaren Grundstücksflächen ein Lärmpegel von tags 65 dB(A) und nachts von 58 dB(A) einwirke. Selbst wenn man die Grenzwerte der 16. BImSchV für maßgeblich hielte, seien diese erst in einem Abstand von 85 m von der Fahrbahnfläche entfernt einzuhalten. Die neuerlichen Berechnungen welche das Büro B., M. u. D.. H. im Laufe des Normenkontrollverfahrens unter dem 5. Juni 2001 angestellt hätten, änderten daran nichts. Auch die darin ermittelten Dauerschallpegel seien erheblich zu hoch, als dass die überbaubaren Flächen noch als allgemeines Wohngebiet genutzt werden könnten. Der angegriffene Plan schaffe damit eine Konfliktlage, welche er nicht wie geboten planerisch bewältige; er stelle vielmehr Verkehrsbelastungen und schutzwürdige Wohnbebauung unverträglich nebeneinander.

14

Die Antragstellerin beantragt,

15

den vom Rat der Antragsgegnerin am 14. Juli 1999 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 11, Ortschaft L., für nichtig zu erklären, soweit er die von ihr gekauften Teilflächen der Flurstücke 116 und 117/1 Flur 8 der Gemarkung L. betrifft.

16

Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Normenkontrollantrag abzuweisen.

18

Die Antragsgegnerin hält den Normenkontrollantrag mangels Antragsbefugnis für unzulässig. Das Interesse eines späteren Erwerbers von Flächen, welche bei der Aufstellung des Bebauungsplanes noch im Eigentum der Antragsgegnerin gestanden hätten, stellten keine schützenswerten Rechtspositionen dar. Es komme hinzu, dass der Antragstellerin kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite stehe. Sie könne ihre Rechtsposition bei einer Nichtigerklärung des Planes nicht verbessern. Denn durch die Bebauung des Nordteils des Planbereichs stellten die von der Antragstellerin gekauften Flächen nunmehr Innenbereich dar. Selbst wenn sich eine Antragstattgabe auf den Rechtsstreit vor dem Landgericht Hannover auswirken würde, stelle dies einen reinen Rechtsreflex, jedoch nicht die vom Gesetz geforderte Möglichkeit der Verletzung eigener Recht dar. Der Normenkontrollantrag sei zumindest unbegründet. Es möge zwar zutreffen, dass die Verkehrsbelastung 1998 mit 5.000 Kraftfahrzeugen zu niedrig angenommen worden sei. Aber auch die vom TÜV X. zugrunde gelegte Zahl von 13.000 Kraftfahrzeugen pro Tag sei fehlerhaft. Jedenfalls die nunmehr von ihr auf der Grundlage einer Verkehrszählung durchgeführte Zweitbewertung durch das Büro B., M. u. D.. H. vom 5. Juni 2001 habe ergeben, dass die angegriffene Abwägungsentscheidung nicht zu beanstanden sei. Die Schutzwürdigkeit der Wohnbebauung richte sich nicht nach den DIN 18005. Ihr Rat habe sich vielmehr an den Grenzwerten der 16. BImSchV orientieren dürfen.

19

Wegen der Einzelheiten von Vortrag und Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Planaufstellungsvorgänge verwiesen, welche in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

20

Der Antrag ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, d. h. überwiegend begründet.

21

Der Normenkontrollantrag ist rechtzeitig innerhalb der Zweijahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz VwGO gestellt worden.

22

Er ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann die Antragstellerin geltend machen, durch die angegriffenen Festsetzungen in ihren Rechten verletzt sein zu können. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (Urt. vom 24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215 = DVBl 1999; 100 = BRS 60 Nr: 46), welcher der Senat folgt, sind an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2 VwGO. Es reicht aus, wenn der Antragsteller geltend machen kann, das in § 1 Abs. 6 BauGB enthaltene drittschützende Abwägungsgebot sei verletzt, weil seine Belange, die für die Abwägung erheblich seien, nicht ausreichend beachtet worden seien. Die Möglichkeit einer Verletzung dieses Gebots reicht aus. Die Prüfung, ob dies wirklich der Fall ist, hat nicht nach Art einer vorgezogenen Begründetheitsprüfung auf der Zulässigkeitsebene, sondern erst in der Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanes zu geschehen.

23

Das Interesse der Antragstellerin, die gekauften Flächen trotz des Verkehrslärm in der festgesetzten Weise als allgemeine Wohnbauflächen nutzen (lassen) zu können, waren bei der Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen. Zum notwendigen Abwägungsmaterial gehören alle (privaten) Belange, die nach Lage der Dinge in die Abwägung eingestellt werden müssen. Das sind alle die, von denen bei der Entscheidung über den Plan mit hinreichender Wahrscheinlichkeit abzusehen ist, dass sie als nicht geringwertige und auch schutzwürdige Interessen bestimmter Personen von dem Plan in mehr als geringfügiger Weise betroffen werden (vgl. BVerwG, Urt. vom 9.11.1979 - 4 N 1.78 und 2 bis 4.79 -, BVerwGE 59, 87 = DVBl 1980, 233 = BRS 35; Urt. vom 5.7.1974 - IV C 50.72 -, BVerwGE 45, 310 und Urt. vom 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301).

24

Das Interesse, die Bauflächen entsprechend der festgesetzten Nutzungsart, d.h. mit dem Schutz vor Lärm nutzen zu können, den die Festsetzung WA verheißt, gehörte zum notwendigen Abwägungsmaterial. Der Antragsgegnerin war - wie schon die Existenz des Sachverständigen Gutachtens vom 29. April 1998 beweist - bewusst, dass hier eine Konfliktlage bestand, welche bei der Abwägungsentscheidung bewältig werden musste. Diese bestand darin, ob und in welchem Umfangs der von der L 401 ausgehenden Verkehrslärm den Schutzanspruch in Frage zu stellen geeignet war, den eine Wohnbaufläche namentlich bei der Festsetzung als WA beanspruchen kann. Diese Interessen sind - ohne dass dies der besonderen Darlegung bedarf - weder geringfügig noch von der Rechtsordnung nicht geschützt.

25

Die Antragstellerin kann dieses Interesse auch als eigenes Recht im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO reklamieren. Die Antragsgegnerin hatte bei ihrer Abwägungsentscheidung nach Lage der Dinge auch den künftigen Bauträger in Blick zu nehmen. Denn jedenfalls die hier in Rede stehenden Flächen standen in ihrem Eigentum und es war nach Lage der Dinge zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, diese Flächen selbst als allgemeines Wohngebiet zu nutzen oder nutzen zu lassen.

26

Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 1996 (- 4 NB 2.96 -, NVwZ 1996, 887 = BRS 58 Nr. 45) kann nicht geschlossen werden, der spätere Normenkontrollantragsteller müsse zum Zeitpunkt der Abwägungsentscheidung am späteren Plangrundstück bereits dinglich oder zumindest in Form einer Vormerkung beteiligt gewesen sein. Wegen der dinglichen Wirkung der Planfestsetzungen reicht es vielmehr aus, wenn der nachmalige Normenkontrollantragsteller später eine dingliche oder auch nur obligatorische Position an einem Plangrundstück erhält und sich die Beschränkungen, die der Bebauungsplan diesem Grundstück auferlegt, nunmehr bei ihm nachteilig auswirken (vgl. BVerwG, Beschl. vom 11.11.1988 - 4 NB 5.88 -, NVwZ 1989, 553 = DVBl 1989, 353 = BRS 48 Nr. 23). Es ist - ähnlich den Überlegungen, welche die Rechtsfigur der Drittschadensliquidation stützen - für die Normenkontrollanlassbefugnis damit unerheblich, wo sich der Schaden fehlerhafter Abwägung realisiert. Jedenfalls derjenige ist antragsbefugt, bei dem sich die Folgen unzutreffender Abwägung zeigen unabhängig vom Zeitpunkt, wann er " in dem Bebauungsplan investiert" hat.

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Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass dieses Recht der Antragstellerin, die gekauften Flächen in wirtschaftlich auskömmlicher Weise, d.h. mit Aussicht auf Gewinn als allgemeine Wohnbauflächen nutzen zu lassen, infolge der oben beschriebenen Konfliktsituation (Ruhebedürfnis der Anwohner gegen Verkehrslärm von der L 401) zu ihrem Nachteil nachteilig verletzt sind. Dies bedarf keiner näheren Darlegung.

28

Für das Normenkontrollverfahren steht der Antragstellerin ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.

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Es fehlt erst dann, wenn eine antragsgemäße Bescheidung des Normenkontrollantrages der Antragstellerin nicht von Nutzen sein kann und die Antragstellerin den Senat damit für unsinnige, rechtliche nicht schützenswerte Zwecke in Anspruch nähme. Das ist hier nicht der Fall. Dabei kann der Senat unentschieden lassen, ob die von der Antragstellerin gekauften Flächen - wie die Antragsgegnerin meint - wegen der zwischenzeitlich im Nordteil des Plans entstandenen Bebauung auf der Grundlage von § 34 bebaut werden können oder ob der Maßstab für die Bebauung der bislang unbebauten Flächen - was mindestens ebenso nahe liegt - angesichts ihrer beträchtlichen Ausdehnung aus der vorhandenen Bebauung nicht mehr hinreichend verlässlich abgeleitet werden kann und daher nur eine Einordnung als Außenbereich gerechtfertigt ist. Denn schon der Umstand, dass das Landgericht Hannover durch Beschluss vom 5. Juli 2001 den Rechtsstreit zum Aktenzeichen 16 O 1821/00 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Normenkontrollverfahrens ausgesetzt hat, weil die Frage der Wirksamkeit des Bebauungsplanes für die Entscheidung des zivilrechtlichen Rechtsstreits Bedeutung haben könne (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 19.9.2001), zeigt, dass eine dem Normenkontrollantrag stattgebende Entscheidung der Antragstellerin für ein zivilrechtliches Verfahren von Nutzen sein kann. Bereits das reicht für die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses aus. Es ist nicht erforderlich, dass eine antragsgemäße Bescheidung gleichsam unmittelbar aus sich heraus der Antragstellerin von Nutzen sein müsse. Das Rechtschutzbedürfnis fehlte allenfalls dann, wenn eindeutig auf der Hand läge, die Einschätzung des Landgerichts treffe offensichtlich nicht zu und eine antragsgemäße Bescheidung könne für die zivilrechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten rechtlich nicht von Interesse sein. Davon kann indes keine Rede sein. Es sprechen zumindest vertretbare oder sogar beachtliche Gründe für die Auffassung, die Antragstellerin könne nicht vertraglich zur Verwirklichung einer Planung verpflichtet werden/sein, die aus Gründen, die in der Sphäre der Verkäuferin, d.h. der Antragsgegnerin selbst liegen, nichtig oder zumindest unwirksam ist; deshalb dürfe die Antragstellerin auch die Zahlung des Kaufpreises jedenfalls vorerst verweigern.

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Das Rechtschutzbedürfnis besteht unabhängig davon deshalb, weil nicht auszuschließen ist, dass der Rat der Antragsgegnerin bei Antragsstattgabe zumindest für die bislang unbebauten Planbereiche eine neue Planungsentscheidung treffen wird. Der Antragstellerin mag wegen § 2 Abs. 3 Halbsatz 1 BauGB zwar kein korrespondierender subjektiver Anspruch auf eine Neubeplanung zustehen. Davon zu trennen ist jedoch die objektiv rechtliche Pflicht der Antragsgegnerin, in ihrem Gemeindegebiet für baurechtmäßige Zustände zu sorgen und dies durch entsprechende Planungen zu fördern (vgl. BVerwG, Beschl. vom 25.5.1993 - 4 NB 50.92 - NVwZ 1994, 269 = DÖV 1993, 1102 = BRS 55 Nr. 25). Es bestehen so gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, Anlass zur Neuplanung böten bereits die schon errichteten Gebäude, dass das Rechtschutzbedürfnis auch aus diesem Grunde nicht verneint werden kann. Das Konzept des angegriffenen Planes bestand u.a. darin, durch eine (ausgerechnet) zur L 401 hin zweigeschossigen Bebauung die straßenabgewandte, nur eingeschossige Bebauung im nördlichen Planbereich vor Verkehrslärm abzuschirmen. Dieser Effekt stellt sich nicht ein, wenn das dazwischen liegende Gelände unbebaut bleibt. Anreize, diesen bislang unbebauten Geländestreifen etwa mit einer mischgebietstypischen Nutzung zu bebauen, bestehen - wie die Erörterung in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat - in Ermangelung eines entsprechenden Bedarfs solcher Nutzung kaum. Also wird wohl nur eine Wohnbebauung dieses Geländestreifens in Betracht kommen. Das aber wird erst möglich sein, wenn der Rat der Antragsgegnerin den Nutzungskonflikt zwischen den Ruhe-/Wohnbedürfnissen und den Verkehrslärm durch eine neue Planungsentscheidung "wahrhaft" löst.

31

Der Rat mag - wie der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung mehrfach hervorgehoben hat - in der Vergangenheit eine Neuplanung ausdrücklich abgelehnt haben. Ob er diese Position bei Antragstattgabe vollständig und uneingeschränkt beibehält, ist damit indes nicht in einer die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnis allein rechtfertigenden Weise und Eindeutigkeit gesagt. Denn sowohl der berechtigte Schutzanspruch der schon aufstehenden Bebauung wie auch Schadensersatzansprüche der Antragstellerin könnten für den Rat der Antragsgegnerin wirkungsvolle Anreize sein, den eingenommenen Rechtsstandpunkt noch einmal zu überdenken.

32

Der damit zulässige Normenkontrollantrag ist im Wesentlichen auch begründet.

33

Der Plan ist schon deshalb für unwirksam zu erklären, weil er nicht - wie erforderlich - vor seiner Bekanntmachung ordnungsgemäß ausgefertigt worden ist. Bekannt gemacht wurde der Plan am 2. September 1999 im Amtsblatt für den Landkreis Hannover (Nr. 35). Ausgefertigt haben ihn der Bürgermeister und der Stadtdirektor der Antragsgegnerin indes erst unter dem 30. September 1999.

34

Der Normenkontrollantrag hat aber vor allem aus materiell rechtlichen Gründen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Antragsgegnerin hat das Interesse, auf den WA-Flächen in Einklang mit den damit verbundenen Verheißungen von übermäßigem Verkehrslärm verschont zu bleiben, nicht in Einklang mit § 1 Abs. 6 BauGB abgewogen. Das ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:

35

Um die konkurrierenden Belange gerecht abwägen zu können, ist es u.a. erforderlich, das Gewicht der berührten öffentlichen und privaten Belange zutreffend zu ermitteln; anderenfalls steht das Abwägungsergebnis mit der objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange nicht mehr in ausreichendem Verhältnis (vgl. BVerwG, Urt. vom 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301, 309). Die planende Gemeinde hat daher dann, wenn sie ein allgemeines Wohngebiet in der Nähe stark emittierender Straße festsetzen möchte, auf brauchbarer Grundlage zu ermitteln, ob sich diese Nutzung mit der ihr innewohnendem Anspruch auf Wohnruhe mit den Verkehrsimmissionen verträgt. Sie kann sich dem nicht - wie sie nunmehr im Normenkontrollverfahren geltend macht - mit der Erwägung entziehen, andere Wohnquartiere in ihrem Gemeindegebiet, namentlich die südlich dieses Straßenabschnitts der L 401, genössen einen solchen Schutz gleichfalls nicht. Was jetzt geplant wird, muss vielmehr abwägungsgerecht unabhängig davon, ob bereits vorhandene Quartiere in dieser Form würden geplant werden können (vgl. Senatsbeschluss vom 4.8.2000 - 1 M 681/00 - V. n. b.).

36

Erforderlich wäre daher gewesen, dass Gewicht der konkurrierenden Belange, namentlich das Maß der Verkehrsimmission, welche auf das neue Baugebiet einwirken konnten, zutreffend zu ermitteln. Das ist zu dem für die Kontrolle der Abwägungsentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB) nicht gewährleistet gewesen. Die Planungsentscheidung beruht - wie der oben wiedergegebene Ausdruck aus der Planbegründung zeigt - ausschließlich auf dem Gutachten B. vom 29. April 1998. Dieses ist  - wie auch die Antragsgegnerin nunmehr einräumt - auf tatsächlich unzutreffender Grundlage erstattet worden. Denn die Rechenergebnisse fußten auf einer Verkehrsbelastung von 5.000 Kraftfahrzeugen pro Tag, welche der Realität (über 11.000 Kraftfahrzeuge pro Tag) nicht annähernd entsprachen. Die Planungsentscheidung ist daher schon aus diesem Grunde zu beanstanden.

37

Es kommt hinzu, dass das Gutachten B. vom 29. April 1998 und die darauf basierende Abwägungsentscheidung des weiteren deshalb unzutreffend und auch im Ergebnis abwägungsfehlerhaft ist, weil zum Bezugspunkt (noch) zumutbarer Lärmbelästigungen allein die überbaubaren Flächen gewählt worden sind. Der Senat hat in der vom nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zutreffend zitierten Entscheidung vom 16. November 2000 - 1 M 3076/00 - (V. n. b.) ins Einzelne gehend dargetan, dass sich der Anspruch allgemeiner Wohngebiete, von unzumutbarem Lärm verschont zu bleiben, nicht auf die überbaubaren Flächen beschränkt. Vielmehr dürfen beispielsweise Terrassen den Gebäuden auf den nicht überbaubaren Flächen angefügt werden. Diese können hier nach Lage der Dinge., d. h. Positionierung der überbaubaren Grundstücksflächen, nur nach Süden, d.h. aber nichts anderes als zur L 401 hin angelegt werden. Der Schutzanspruch allgemeiner Wohngebiete wird erst recht ignoriert, wenn man auch noch die Nutzbarkeit der weiteren nach Süden, d.h. zur Lärmquelle L 401 hin ausgerichteten Gartenfläche in den Blick nimmt. Auch diese nehmen am Schutzanspruch teil, den die Festsetzung WA verheißt. Auch von daher ist das Gutachten B. vom 29. April 1998 zu beanstanden.

38

Triftig ist schließlich der nunmehrige Einwand der Antragstellerin, das Gutachten B. sei des weiteren deshalb zu beanstanden, weil es die Lärmimmission nur in einer Höhe von drei Metern über Grund erfasse. Denn die Gebäude sollen (ausgerechnet) zur L 401 hin mit zwei Vollgeschossen aufgeführt werden können. Am Schutzanspruch nehmen dementsprechend auch das erste Obergeschoss und das Dachgeschoss teil. Diese Konfliktlage wird weder durch das Gutachten B. vom 29. April 1998 noch vom Rat der Antragsgegnerin in seiner angegriffenen Planungsentscheidung vom 14. Juli 1999 erkannt noch bewältigt.

39

§ 214 Abs. 3 Satz 2 BGB greift nicht zum Vorteil der Antragsgegnerin ein. Der oben beschriebene Mangel war offensichtlich im Sinne der zitierten Vorschrift. Denn er ergibt sich aus den Planaufstellungsunterlagen.

40

Er ist auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Ein Fehler im Abwägungsvorgang ist nicht bereits dann auf das Abwägungsentscheidungsergebnis von Einfluss gewesen, wenn sich lediglich nicht ausschließen lässt, die Vermeidung des Fehlers hätte zu einem anderen Ergebnis führen können. Es muss vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles die konkrete Möglichkeit eines solchen Einflusses bestehen. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn sich an Hand der Planunterlagen oder sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände ergibt, ohne den Fehler im Abwägungsvorgang hätte sich ein anderes Abwägungsergebnis abgezeichnet (vgl. BVerwG, Urt. vom 21.8.1981 - 4 C 57.80 -, BVerwGE 64, 33 = BRS 38 Nr. 37 = DVBl. 1982, 354; Beschl. vom 20.1.1992 - 4 B 71.90 -, NVwZ 1992, 663 = BRS 54 Nr. 18 = UPR 1992, 188). Derartige Anhaltspunkte für ein anderes Abwägungsergebnis sind hier zu erkennen. Denn auch die Neuberechnung durch das Büro B./M. u. D.. H. vom 5. Juni 2001 ergibt selbst für die überbaubaren Flächen (zu den Einwänden siehe oben) Lärmimmissionswerte, welche so hoch sind, dass mehr als nur die konkrete Möglichkeit besteht, der Rat der Antragsgegnerin hätte sich bei Kenntnis dessen nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres zu den angegriffene Festsetzungen verstanden; daher bedarf es keiner vergleichenden Betrachtung dieses Gutachtens mit demjenigen, dass die Antragstellerin durch den TÜV X. unter dem 12. Dezember 2000 hat erstellen lassen und welches trotz im Ausgangspunkt wesentlich gleicher Verkehrsbelastungen zu noch höheren Einwirkungswerten gelangt. Im Einzelnen ist auszuführen:

41

Es mag im Einzelnen zwar streitig sein, an welchen Regelwerken die Gemeinde ihre Planung ausrichten darf/muss, wenn die Bewältigung des Konflikts von allgemeiner Wohnbebauung und Verkehrslärm in Rede steht. Das Bundesverwaltungsgericht hat (u.a. in seinem Beschluss vom 1.9.1999 - 4 BN 25.99 -, NVwZ-RR 2000, 146 = BRS 62 Nr. 3 mit Hinweisen auf weitere Rechtsprechung des BVerwG) zu der Problematik des Konflikts von Wohnen und Verkehr ausgeführt: Technische Regelwerke wie etwa die TA-Lärm, DIN-Normen oder VDI-Richtlinien dürften nicht wie Rechtssätze angewendet werden, sondern stellten regelmäßig lediglich Orientierungshilfen dar, welche geeignet seien, Anhaltspunkte dafür zu bieten, wann Geräuschbeeinträchtigungen aus der Sicht des Bau- und des Fachplanungsrechts oder des Immissionsschutzrechts als unzumutbar einzustufen seien. Die Gemeinde habe dafür Sorge zu tragen, dass bei der Aufstellung des Bebauungsplans den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse Rechnung getragen werde. Welcher Mittel sie sich bediene, um dies zu gewährleisten, bleibe ihr überlassen. Anders als im Bereich der Verkehrswegeplanung (hier u.a. die 16. BImSchV) legt der Gesetzgeber sich nicht auf eine bestimmte technische Norm fest. Ob das Regelwerk, dessen sie sich bedient, zur Erreichung des mit ihm verfolgten Ziels geeignet ist, ist vielmehr eine Frage tatrichterlicher Würdigung.

42

Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. z. B. Urt. vom 9.11.2000 - 1 K 3742/99 -, V. n. b.; Eilbeschluss vom 16.11.2000 - 1 M 3076/00 - V. n. b.) für die Lösung des Konflikts zwischen Verkehrslärm und hinzutretender Wohnbebauung die Orientierungswerte der DIN 18005, Bl. 1, für abwägungstauglich gehalten und nicht die Grenzwerte der 16. BImSchV als taugliche Grundlage angesehen. An dieser Rechtsprechung dürfte festzuhalten sein. Die 16. BImSchV trifft zwar für eine vergleichbar, allerdings spiegelbildlich auftretende Konfliktlage Regelungen, nämlich dass ein neuer Verkehrsweg zu einer vorhandenen Wohnbebauung hinzutritt. Gleichwohl dürfte sie nicht einen tauglichen Orientierungsmaßstab für die planende Gemeinde darstellen, welche ein Wohngebiet an einen vorhandenen Verkehrsweg heranführen möchte. Dagegen spricht schon, dass der Gesetzgeber mit § 2 der 16. BImSchV auch das Ziel verfolgt haben dürfte, durch "großzügige", d.h. benachbarter Wohnbebauung nachteilige Festsetzung von Grenzwerten in der 16. BImSchV Abwehr-  oder Ansprüche auf aktive oder passive Schutzmaßnahmen zu reduzieren. Dasselbe ist für den umgekehrten, hier gegebenen Fall eine Heranplanung eines Baugebiets an eine bereits vorhandene, stark emittierende Straße normativ bislang nicht geschehen.

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Dies bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst wenn die Antragsgegnerin die Regelungen der 16. BImSchV im Rahmen der Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 6 BauGB hätte zum Richtmaß wählen dürfen, ergäben sich in diesem Fall ihr positive Rechtsfolgen nicht. Denn dann wäre es nur konsequent, wenn sie die in der 16. BImSchV bestimmten Lärmwerte als Grenz-, d.h. verbindliche, durch planerische Entscheidung nicht zu überwindende Werte angesehen hätte. Das führte hier zur Unwirksamkeit des Planes, da selbst diese Grenzwerte der 16. BImSchV nach den Ermittlungen, die das Büro B./M. u. Dr. H. unter dem 5. Juni 2001 angestellt haben, schon auf den überbaubaren Grundstücksflächen, erst recht aber auf den nicht überbaubaren Flächen der Baugrundstücken nicht eingehalten werden können. Denn selbst nach diesem Gutachten vom 5. Juni 2001 liegen die Lärmeinwirkungen, die von der L 401 auf die überbaubaren Flächen einwirken und in drei Meter Höhe gemessen werden können/zu erwarten sind, zwischen 61,1/53 dB(A) und 60,7, 52,5 dB(A). Damit überschreitet sie die in § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV festgesetzten Grenzwerte von 59/49 dB(A).

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Selbst wenn man meinte, dass sogar die Grenzwerte der 16. BImSchV durch planerische Entscheidung "überwunden" werden könnten, rechtfertigte dies nicht eine der Antragsgegnerin günstige Anwendung des § 214 Abs. 3 Satz 2. Denn die Anforderungen an eine gerechte Abwägung der verschiedenen Belange erschöpfen sich bei der Frage des Verkehrslärm nicht allein in einen Vergleich von Lärmwerten, sondern haben auch etwas mit den allgemeinen Wohn- und Lebensverhältnissen in einem bestimmten Gebiet zu tun. Auch wenn Lärmwerte bei der Frage, ob der Lärm seine Intensität nach den Betroffenen noch zuzumuten ist, eine wichtige Rolle spielen, so muss doch gleichzeitig die rechtliche Bewertung offengehalten werden für andere Gesichtspunkte (vgl. BVerwG, Beschl. vom 19.2.1992 - 4 NB 11.91 -, DVBl. 1992, 1099 = BRS 54 Nr. 41). Auch/gerade danach besteht die konkrete Möglichkeit, der Rat der Antragsgegnerin wäre bei vollständiger Kenntnis der Schärfe, in der sich der Konflikt zwischen Verkehrslärmbelästigungen und Wohnruhebedürfnisse stellt, zu einem anderen Abwägungsergebnis gekommen. Um selbst bei Überschreitung der in der 16. BImSchV bestimmten Grenzwerte noch zu einem abwägungsfehlerfreien Ergebnis kommen zu können, hätte die Antragsgegnerin triftige Notwendigkeiten ins Feld hätte führen können müssen, weshalb das Neubaugebiet trotz der nach Norden bestehenden Freiflächen und der Möglichkeit, dorthin auszuweichen, ausgerechnet hart am Rande der L 401 und damit zu Lasten seiner "südlichen Bewohner" ohne jede Vorkehrungen aktiven oder passiven Schalllärmschutzes herangeführt werden soll. Diese Überlegung legten die Möglichkeit anderweitiger Planung geradezu nahe. Diese hätte nicht nur darin bestehen können und müssen, auf die textlichen Festsetzungen des § 1 zu verzichten und so die Möglichkeit eines möglichst nah an die Lärmquelle L 401 heranreichenden Reihengaragenriegels zu eröffnen. Dieser Weg hätte - notgedrungen - Lücken in der Reihengarage in Kauf nehmen müssen und könnte daher selbst für die Erdgeschossebene einen durchgängigen und ausreichenden Lärmschutz wohl kaum gewährleisten. Erst recht wäre eine solche Anlage aller Voraussicht nach nicht geeignet, das erste Vollgeschoss und das Dachgeschoss der sich daran anschließenden Wohnbebauung ausreichend vor Verkehrslärm zu schützen. Dementsprechend besteht mehr als nur die konkrete Möglichkeit, der Rat der Antragsgegnerin hätte sich bei voller Kenntnis der Sachlage die Frage vorgelegt, ob es wirklich erforderlich sei, ausgerechnet zur Lärmquelle hin eine Wohnbebauung mit zwei Vollgeschossen zuzulassen.

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Auch das Bestreben, das an der Nordseite der L 401 stehende Spalier älterer Bäume durch einen Lärmschutzwall oder einen Lärmschutzwand optisch nicht beeinträchtigen zu lassen, dürfte für sich kaum ausreichen, eine derartig nahe Heranführung von Wohnquartieren an die L 401 zu rechtfertigen. Denn dieses Spalier älterer Bäume bietet schon optisch, vor allem aber akustisch so gut wie keine Barriere gegen die Nachteile, welche der Verkehrslärm für einen Aufenthalt im Freien auf dem Baugrundstücken zur Folge hat. Angesichts dessen besteht mehr als nur die konkrete Möglichkeit, die Antragsgegnerin hätte unter diesen Umständen entweder ihre Bedenken gegen die Beeinträchtigung des Ortsbildes durch eine "Einwallung" des neuen Baugebiets zurückgestellt und doch eine Lärmschutzmaßnahme wie etwa Wall, Wand o. ä. am nördlichen Fahrbahnrand der L 401 befürwortet oder aber die Bauflächen deutlicher nach Norden orientiert und dazu beispielsweise eine großzügigere Zweitstraße zwischen L 401 und Bauflächen geplant.

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Dieser Mangel führt zur Unwirksamkeit des Planes insgesamt.

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Die zuletzt aufgeführten Mängel ergreifen die Abwägungsentscheidung - einerseits - nicht so in ihrem Kern, dass nur der Ausspruch der Nichtigkeit in Betracht käme oder ein ergänzendes Verfahren nach § 215 a Abs. 1 Satz 1 BauGB gerichtet auf einen abwägungsgerechtem Plan ausgeschlossen wäre. Der festgestellte Mangel wiegt nicht so schwer, dass er den Kern der Abwägung betrifft (vgl. BVerwG, Beschl. vom 10.11.1998 - 4 BN 45.98 -, NVwZ 1999, 420). § 215 a Abs. 1 Satz 1 BauGB ist auch auf inhaltliche Mängel des Bebauungsplanes, namentlich auf Abwägungsdefizite zugeschnitten (vgl. BVerwG, Urt. vom 16.12.1999 - 4 CN 7.98 -, BauR 2000, 684 = ZfBR 2000, 266 und vom 8.10.1998 - 4 CN 7.97 -, DVBl 1999, 243 = NVwZ 1999, 414). Die aufgezeigten Alternativen zeigen vielmehr, dass es dem Rat der Antragsgegnerin möglich ist, die getroffenen Festsetzungen jedenfalls ihrem wesentlichen Inhalt nach soweit in die Tat umzusetzen, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, und daher nicht ein ganz anderer Plan an die Stelle des angegriffenen treten müsste.

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Andererseits ist es nicht möglich, die Folgen der Unwirksamkeit auf einen Teilbereich zu beschränken und so nur zur Teilunwirksamkeit des angegriffenen Planes zu gelangen. Die vorstehenden Ausführungen haben u.a. gezeigt, dass sich die Frage der Vereinbarkeit der Wohnbebauung mit dem von der L 401 ausgehenden Verkehrslärm nicht auf die straßenzugewandten Baugrundstücke beschränkt, sondern auch diejenigen betrifft, welche sich nördlich daran anschließen und bereits (weitgehend) bebaut sind. Schon das schließt es aus, die Unwirksamkeitsfolgen auf die bislang unbebauten Grundstücke zu beschränken. Denn je nach der Lösung, welche die Antragsgegnerin für die straßenzugewandten Flächen zu finden vermag (Lärmschutzwand oder -wall; anderer Zuschnitt der Baugrundstücke unter anderem durch veränderte Aufstellung von Garagenzeilen und/oder Führung der Erschließungsanlagen), können sich auch die Maßnahmen ändern, welche die Antragsgegnerin noch zum Vorteil der straßenabgewandt liegenden Grundstücke ergreifen muss, um diese (jedenfalls deren erste Obergeschosse) vor unzumutbarem Verkehrslärm zu schützen. Es ist nicht möglich, die sonach erforderlichen Maßnahmen einigermaßen verlässlich räumlich zu beschränken. Daher scheidet eine Unwirksamkeitserklärung aus, welche sich nur auf Teilbereich beschränkte.

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Unter diesen Umständen sieht der Senat keinen Anlass der Frage nachzugehen, ob der angegriffene Plan auch den Anforderungen des § 1 a BauGB genügt. Denn eine Neuplanung wird aller Voraussicht nach einen anderen Zuschnitt der überbaubaren Fläche und mit einem Lärmschutzwall möglicherweise sogar eine Verbesserung des dort liegenden Ökofeldes ergeben mit der Folge, dass sich dann die Frage nach einer Ausgleichs- und Ersatzlösung auf qualitativ anderer Basis stellt.

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Die vorstehenden Ausführungen zeigen zugleich, dass der Senat durch die Antragsfassung nicht gehindert ist, die gesamte Unwirksamkeit des Planes festzustellen (BVerwG, Beschl. vom 20.8.1991 - 4 NB 3.91 -, NVwZ 1992, 567 = UPR 1991, 447 = BRS 52 Nr. 36).

Sonstiger Langtext

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Beschluss

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Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird auf 100.000,-- DM (i.W.: hunderttausend Deutsche Mark) festgesetzt.