Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 18.12.2019, Az.: L 3 U 1/17

Anerkennung einer Hautkrebserkrankung als Berufskrankheit; UV-Strahlungsmenge über die gewöhnliche Strahlungsbelastung der Allgemeinbevölkerung hinaus; Arbeitstechnische Voraussetzung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
18.12.2019
Aktenzeichen
L 3 U 1/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 63860
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - 29.11.2016 - AZ: S 11 U 72/16

Redaktioneller Leitsatz

1. Die BK Nr. 5103 ist von der "Volkskrankheit" Hautkrebs abzugrenzen und das erfordert die Annahme eines Ursachenzusammenhangs, dass der jeweilige Versicherte bei der versicherten Tätigkeit der Einwirkung einer natürlichen UV-Strahlungsmenge ausgesetzt gewesen sein muss, die über die gewöhnliche Strahlungsbelastung der Allgemeinbevölkerung hinausgeht.

2. Die zusätzliche Strahlungsmenge ist eine "besondere Einwirkung", die in § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII vorausgesetzt und üblicherweise als "arbeitstechnische Voraussetzung" bezeichnet wird.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 29. November 2016 aufgehoben. Der Bescheid der BG Verkehr vom 10. Dezember 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 17. Juni 2016 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr 5103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen. Die Beklagte hat die Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Hautkrebserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach der Nr 5103 der Anl 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1959 geborene Kläger war - nach einer Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamter im Bundesgrenzschutz von 1975 bis 1977 und der Ausbildung in einer Kfz-Werkstatt von 1977 bis 1979 - von Anfang 1980 bis Ende 1997 als angestellter Fährführer beschäftigt und beförderte in dieser Zeit Personen und Fahrzeuge auf einer Gierseilfähre bei F. (Landkreis G.) von einem Ufer der H. zum anderen. Seit 1998 betrieb er den Fährbetrieb als Selbstständiger, ohne freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Unfallversicherung zu sein.

Erstmals Anfang Dezember 2011 wurden bei ihm Plattenepithelkarzinome an der linken Schläfe und am Rand der rechten Ohrmuschel diagnostiziert (histologischer Bericht der Dermatopathologie I. vom 6. Dezember 2011). In den folgenden Jahren wurde ein weiteres Plattenepithelkarzinom an der linken Ohrmuschel sowie aktinische Keratosen an beiden Handrücken, der linken Schläfe und der rechten Wange festgestellt. Der behandelnde Hautarzt Dr. J. erstellte daraufhin unter dem 13. März 2015 eine ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine BK.

Die BG für Transport und Verkehrswirtschaft (als Rechtsvorgängerin der Beklagten; im Folgenden: BG Verkehr) holte daraufhin eine präventionsdienstliche Stellungnahme zur beruflichen Exposition gegenüber der natürlichen UV-Strahlung ein, die zum Ergebnis kam, der Kläger sei in der Zeit von 1980 bis 1997 einer Einwirkung von 3020 Standard-Erythemdosen (SED) ausgesetzt gewesen. Dies entspreche einem Anteil von ca 45 % der privaten UV-Strahlungsexposition von 6760 SED, sodass der berufliche Mindestexpositionsanteil von 40 % überschritten sei. Die BG Verkehr vertrat demgegenüber die Auffassung, die auf die selbstständige Tätigkeit als Fährführer entfallende UV-Exposition von ca 2187 SED sei dem privaten Anteil hinzuzurechnen, sodass die errechnete berufliche Belastung von 3020 SED unterhalb des geforderten Schwellenwertes liege.

Unter Hinweis hierauf lehnte es die BG Verkehr mit Bescheid vom 10. Dezember 2015 ab, die Hauterkrankung als BK nach Nr 5103 der BK-Liste bzw als eine Wie-BK anzuerkennen. Gegen die Ablehnung der BK Nr 5103 legte der Kläger am 7. Januar 2016 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er sich auf die Expositionsbewertung des Präventionsdienstes und eine zwischenzeitlich vorgelegte gewerbeärztliche Stellungnahme der Arbeitsmedizinerin K. berief. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2016 als unbegründet zurück, weil ein rechtlich wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen den beruflichen Tätigkeiten des Klägers und seiner Hauterkrankung nicht mit der in der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne.

Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 6. Juli 2016 Klage erhoben, die am 7. Juli 2016 beim Sozialgericht (SG) Hildesheim eingegangen ist. Die bei ihm festgestellte Hauterkrankung sei Folge der andauernden UV-Belastung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als angestellter Fährführer. Zur Begründung bezog er sich auf die gewerbeärztliche Stellungnahme, in der ausgeführt worden sei, dass eine zusätzliche außerberufliche UV-Belastung nicht dem UV-Referenzbasiswert hinzugerechnet werden könne. Außerdem hätte auch die Tätigkeit beim Bundesgrenzschutz von Juli 1975 bis November 1977 berücksichtigt werden müssen.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. November 2016 abgewiesen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK Nr 5103 seien nicht erfüllt, weil keine zusätzliche arbeitsbedingte Exposition iHv mindestens 40 % vorliege. Denn die nicht versicherte Tätigkeit sei der privaten Belastung des Klägers zuzurechnen.

Gegen diese ihm am 6. Dezember 2016 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 3. Januar 2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Die bisherigen Ermittlungen zur Arbeitsplatzexposition könnten nicht als abschließend akzeptiert werden, zumal eine wissenschaftlich begründbare Dosis-Wirkungs-Beziehung als Mindesteinwirkung und Abschneidekriterium gar nicht bestehe. Zu beanstanden sei auch, dass besondere Einflussfaktoren wie die Rückstrahlung von spiegelnden Oberflächen nicht in die Bewertung und Berechnung einbezogen worden seien. Durch seine Tätigkeit auf dem Wasser sei er in deutlich erhöhtem Maße der UV-Strahlenbelastung ausgesetzt gewesen als ein sonstiger Versicherter mit einem Außenarbeitsplatz.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 29. November 2016 aufzuheben, den Bescheid der BG Verkehr vom 10. Dezember 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 17. Juni 2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Nr 5103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung und führt aus, dass eine mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers verbundene Strahlenbelastung in gesundheitsgefährdendem Ausmaß nicht habe bewiesen werden können.

Der Senat hat ua über die Beklagte eine präventionsdienstliche Einschätzung der Unfallversicherung Bund und Bahn über die UV-Strahlenexposition des Klägers von 1975 bis 1977, einen Befundbericht von Dr. J. (vom 20. März 2018) sowie eine Stellungnahme der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zur Quantifizierung der anteiligen beruflichen UV-Strahlenexposition eingeholt. Außerdem hat er den Dermatologen Prof. Dr. L. als Sachverständigen gehört. Dieser ist in seinem Gutachten vom 14. Februar 2019 zum Ergebnis gekommen, dass die beim Kläger diagnostizierten aktinischen Keratosen und Plattenepithelkarzinome mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Tätigkeit als angestellter Fährführer verursacht worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das SG hat die Klage vom 6. Juli 2016 zu Unrecht abgewiesen.

A. Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) statthaft (vgl hierzu Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-2700 § 11 Nr 1) und auch im Übrigen zulässig.

Sie ist auch begründet. Der Ablehnungsbescheid vom 10. Dezember 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2016 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger, soweit dort eine BK Nr 5103 abgelehnt worden ist. Die Beklagte ist verpflichtet, die geltend gemachten Hauterkrankungen als BK festzustellen.

B. I. BKen sind gemäß § 9 Abs 1 S 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als BKen bezeichnet (sog Listen-BKen) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Insoweit ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs 1 S 2 SGB VII). Auf dieser Grundlage sind unter Nr 5103 der Anl 1 zur BKV "Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung" als BK anerkannt.

Aus den gesetzlichen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf bei einzelnen BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oä auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) haben und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" iSd Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt demgegenüber die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings eine bloße Möglichkeit (BSG SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5 mwN). Dabei ist der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachsenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 - B 2 U 17/15 R - juris, mwN).

II. Nach diesen Maßgaben handelt es sich bei den Hauterkrankungen des Klägers um eine BK iSd Nr 5103 der Anl 1 zur BKV.

1. Während seiner Tätigkeit als angestellter Fährführer der H. fähre F. von Anfang 1980 bis Ende 1997 stand der Kläger gemäß § 539 Abs 1 Nr 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII als Beschäftigter unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

2. Die hierbei vorgenommenen Verrichtungen des Klägers führten auch zu Einwirkungen iSd BK Nr 5103. Diese sind in der Nr 5103 mit "natürliche UV-Strahlung" bezeichnet, der der Kläger bei seiner versicherten Tätigkeit auf der H. fähre von 1980 bis 1997 auch ausgesetzt gewesen ist. Normative Vorgaben in Form einer Dosis oder Mindestdauer enthält der Tatbestand der vorliegenden BK nicht.

3. Beim Kläger liegen ferner die in der Nr 5103 der Anl 1 zur BKV beschriebenen Krankheiten vor. Wie sich aus der Behandlungsdokumentation des Dermatologen Dr. J. ergibt, wurden bei ihm erstmals im Dezember 2011 Plattenepithelkarzinome an der linken Schläfe und am rechten Ohr histologisch gesichert. Ende März 2014 wurde ein Rezidiv am linken Ohr diagnostiziert. Außerdem wurden multiple aktinische Keratosen festgestellt, worunter nach der vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erarbeiteten Wissenschaftlichen Begründung für die BK Nr 5103 (Bekanntmachung des BMAS vom 1. Juli 2013, GMBl 2013, 671 ff &706;672&707;) aktinische Keratosen zu verstehen sind, die mit einer Zahl von mehr als fünf pro Jahr einzeln oder konfluierend in einer Fläche von größer als 4 cm2 (Feldkanzerisierung) auftreten. Hierzu hatte Dr. J. bereits im Verwaltungsverfahren (mit Behandlungsbericht vom 21. Mai 2015) mitgeteilt, dass von 2011 bis 2014 in jedem Jahr sowohl mehr als fünf aktinische Keratosen als auch aktinische Keratosen von einer Fläche von mehr als 4 cm2 aufgetreten sind, und zwar jeweils an der Stirn, den Schläfen und den Rändern beider Ohrmuscheln.

4. Diese Erkrankungen sind schließlich auch durch die versicherte Beschäftigung des Klägers von 1980 bis 1997 verursacht worden.

a) Die Kausalitätsprüfung hat in zwei Stufen zu erfolgen: Zunächst ist zu klären, ob die Einwirkungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn als Ursache für den vorliegenden Gesundheitsschaden anzusehen sind (vgl hierzu im Folgenden unter b). Hierbei ist die sogenannte Bedingungstheorie anzuwenden, wonach jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (vgl hierzu BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 17). Diese Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands zu erfolgen (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 17). Maßgeblich sind demnach die durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also - von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen - Konsens besteht. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (BSG SozR 4-5671 Anl 1 Nr 1103 Nr 1 mwN). Ergibt sich - wie häufig -, dass mehrere Bedingungen für den Eintritt eines Gesundheitsschadens ursächlich im naturwissenschaftlichen Sinne sind, ist der erforderliche Zusammenhang in einem zweiten Prüfungsschritt anhand der Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen (c). Danach sind nur die Ursachen rechtserheblich für den Gesundheitsschaden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st Rspr, vgl zB BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 15 und Nr 17).

b) Die Plattenepithelkarzinome und aktinischen Keratosen des Klägers sind naturwissenschaftlich-philosophisch durch die natürliche UV-Strahlung verursacht worden, der der Kläger bei Verrichtung seiner versicherten Beschäftigung von 1980 bis 1997 ausgesetzt gewesen ist. Dies ist auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens des Dermatologen Prof. Dr. L. vom 14. Februar 2019 festzustellen, der dargelegt hat, dass die Hautveränderungen des Klägers mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die mit der versicherten Tätigkeit verbundene zusätzliche UV-Strahlenbelastung verursacht worden sind. Das Gutachten ist nachvollziehbar und schlüssig und stimmt mit den Erfahrungswerten der gesetzlichen Unfallversicherung überein.

aa) (1) Zutreffend hat der Sachverständige dabei zugrunde gelegt, dass die BK Nr 5103 von der "Volkskrankheit" Hautkrebs abzugrenzen ist und deshalb die Annahme eines Ursachenzusammenhangs erfordert, dass der jeweilige Versicherte bei der versicherten Tätigkeit der Einwirkung einer natürlichen UV-Strahlungsmenge ausgesetzt gewesen sein muss, die über die gewöhnliche Strahlungsbelastung der Allgemeinbevölkerung hinausgeht. Bei dieser zusätzlichen Strahlungsmenge handelt es sich um die "besonderen Einwirkungen", die in § 9 Abs 1 S 2 SGB VII vorausgesetzt und üblicherweise als "arbeitstechnische Voraussetzungen" bezeichnet werden (BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 7; zur Bedeutung der arbeitstechnischen Voraussetzungen bei der Kausalitätsprüfung vgl zB BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 26; SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 10). Dies steht mit der Wissenschaftlichen Begründung für die BK Nr 5103 (aaO) in Übereinstimmung. Danach stützen epidemiologische Studien zunächst die Annahme, dass in Deutschland Beschäftigte mit langjähriger Außentätigkeit im Vergleich zur übrigen Bevölkerung ein im Durchschnitt um etwa 100 % höheres Risiko für die Entwicklung von kutanen Plattenepithelkarzinomen haben (aaO, 686). Im Einzelfall ist deshalb eine belastbare Erhebung von nichtarbeitsbedingter und arbeitsbedingter UV-Exposition erforderlich (aaO, 689). Auf der Grundlage klinischer Erfahrungen und epidemiologischer Studien und den sich hieraus zurzeit ergebenden bestverfügbaren wissenschaftlichen Daten geht die Wissenschaftliche Begründung von einer Konvention aus, nach der eine Verdoppelung des Plattenepithelkarzinomrisikos bei einer zusätzlichen durch die Außentätigkeit bedingten kumulierten UV-Exposition iHv 40 % der nicht arbeitsbedingten lebenslangen UV-Exposition vorliegt (aaO, 689 f). Diese Konvention entspricht auch weiterhin dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand (vgl DGUV (Hrsg), Empfehlung zur Begutachtung von arbeitsbedingten Hauterkrankungen und Hautkrebserkrankungen (Bamberger Empfehlung), Stand: Juni 2017, 39; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl 2017, 1204 ff; Heepenstrick, DGUV-Forum 9/19, 30).

(2) Die durch die versicherte Tätigkeit des Klägers auf der H. fähre F. in den Jahren 1980 bis 1997 bedingte UV-Belastung hat seine nicht arbeitsbedingte UV-Belastung um mehr als 40 % überschritten, sodass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr 5103 zu bejahen sind. Dies ergibt sich aus dem präventionsdienstlichen Ermittlungsbericht vom 28. Mai 2015. Dieser hat die Vorgaben der Wissenschaftlichen Begründung zur Berechnung der 40 %-Quote (vgl im Einzelnen aaO, 690) überzeugend umgesetzt. Demnach ist die private UV-Strahlungsexposition, der der Kläger in den 52 (vollen) Lebensjahren bis zur Erstdiagnose seiner Hautkrebserkrankung unterworfen war, unter Anrechnung des hierfür vorgesehenen jährlichen Referenzwertes von 130 SED auf 6760 SED berechnet worden. Im Hinblick auf die versicherte Tätigkeit war mit dem Präventionsdienst festzustellen, dass der Kläger im Sommer (April bis Oktober) sieben Tage und im Winter fünf Tage pro Woche gearbeitet hat, wobei er sich im Sommer jeden Tag ca fünf Stunden und im Winter ca zwei Stunden im Freien aufgehalten hat. Hieraus - und unter Berücksichtigung des Referenzwertes von 300 SED für die arbeitsbedingte UV-Belastung sowie eines pauschalen Faktors von 0,75, der zeitweilige Verschattungen und Bedeckungen der Haut abbilden soll - summiert sich eine arbeitsbedingte UV-Exposition von 3020 SED. Dieser Wert beträgt 44,7 % der privaten UV-Belastung. Auf die Frage, ob auch die zeitweise im Freien ausgeübte Tätigkeit des Klägers beim Bundesgrenzschutz (1975 bis 1977) als rechtlich erhebliche Exposition gemäß § 134 Abs 2 SGB VII zu berücksichtigen war, kommt es daher nicht mehr an.

(3) Zu Unrecht geht demgegenüber die Beklagte von einer geringeren Quote als 40 % aus, weil sie - in Befolgung der "Technischen Information" des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) zur Ermittlung in BK-Fällen nach Nr 5103 (dort unter Nr 6; abrufbar unter www.dguv.de/ifa) - bei der Ermittlung der Quote die sich aus der selbstständigen Tätigkeit des Klägers von 1998 bis 2011 ergebende UV-Strahlenbelastung (2187 SED) mit der privaten Belastung zusammenfasst, sodass sich eine "private" Gesamt-SED von 8947 ergibt, der gegenüber der Anteil der zusätzlichen Exposition 1980 bis 1997 auf 33,8 % sinkt. Wie die vom Senat hierzu eingeholte Stellungnahme des IFA vom 15. Dezember 2017 zeigt, liegt dem die Betrachtungsweise zugrunde, man müsse an dieser Stelle die "versicherte" mit der "unversicherten Exposition" vergleichen, zu der die private Lebenszeitbelastung und die Belastung gehörten, die durch eine unversicherte selbstständige Berufstätigkeit erworben worden ist. Dem steht aber entgegen, dass die zusätzliche Strahlenbelastung von mindestens 40 % der Alltagsbelastung die sog arbeitstechnischen Voraussetzungen betrifft und damit die Frage, ob "besondere Belastungen" bestimmter Personengruppen iSv § 9 Abs 1 S 2 SGB VII vorliegen, denen die "übrige Bevölkerung" nicht in entsprechendem Umfang ausgesetzt ist. Dabei sind unter der "übrigen Bevölkerung" die Menschen zu verstehen, die keine beruflichen Tätigkeiten im Freien ausüben. Dies ergibt sich auch aus der Wissenschaftlichen Stellungnahme des Sachverständigenbeirats, die die beruflich erworbenen Belastungen einerseits mit denen der nicht entsprechend beruflich belasteten Allgemeinbevölkerung andererseits vergleicht. Soweit dort vereinzelt (aaO, 689) auch die Bezeichnung "nicht versicherte" UV-Belastung zu finden ist, ist dies nicht anders zu verstehen, wie sich aus den im Zusammenhang damit angeführten Umschreibungen "individuelle UV-Lebensbelastung" und "zusätzliche, durch die Außentätigkeit bedingte kumulative UV-Belastung" (aaO) ergibt.

bb) Auch die arbeitsmedizinische Bewertung des Sachverständigen ist überzeugend. Sein Ergebnis, dass die Plattenepithelkarzinome bzw die aktinischen Keratosen durch die Beschäftigung auf der Weserfähre verursacht worden sind, hat Prof. Dr. L. nachvollziehbar vor allem damit begründet, dass die Hauttumoren allein an Stellen aufgetreten sind, die bei der Tätigkeit als Fährmann der UV-Strahlung ausgesetzt gewesen sind, während bei einer privaten Strahlenbelastung oder bei anderen Risikofaktoren für Hautkrebs (zB Immunsuppression) auch andere Körperregionen betroffen wären. Die zentrale Bedeutung der Lokalisation der Tumoren an einer unmittelbar durch UV-Strahlen in der konkreten Arbeitstätigkeit betroffenen Hautregion wird auch im wissenschaftlichen Schrifttum betont (vgl Wissenschaftliche Begründung aaO, 689; Sizmann/Blome in: Triebig/Kentner/Schiele (Hrsg), Arbeitsmedizin, 4. Aufl 2014, 422). Schließlich hat der Sachverständige auch das relativ niedrige Lebensalter des Klägers im Zeitpunkt der Erstdiagnose und den chronisch-rezidivierenden Verlauf der Erkrankung als Indizien für den naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhang angeführt.

c) Die mit der versicherten Beschäftigung des Klägers in den Jahren 1980 bis 1997 verbundene zusätzliche UV-Strahleneinwirkung ist aber nur eine Mitursache für das Entstehen der Hautkrebserkrankung, da der Kläger auch bei der nicht versicherten Tätigkeit als selbstständiger Fährmann seit 1998 einer beruflichen Sonneneinstrahlung ausgesetzt gewesen ist. Die versicherte Tätigkeit ist hierbei aber die rechtlich wesentliche Mitursache.

Sind sowohl versicherte als auch unversicherte Tätigkeiten mitursächlich für den Eintritt einer Gesundheitsstörung geworden, ist - wie bereits dargelegt - im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung entscheidend, ob der Verursachungsanteil der versicherten Tätigkeit rechtlich wesentlich ist. Welche Ursache im Einzelfall rechtlich wesentlich ist und welche nicht, muss nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs vom Rechtsanwender (Juristen) wertend entschieden werden (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 17; SozR 4-5671 Anl 1 Nr 1103 Nr 1). Die Wesentlichkeit einer (Mit-)Ursache ist eine reine Rechtsfrage, die sich nach dem Schutzzweck der Norm beantwortet (BSG SozR 4-5671 Anl 1 Nr 1103 Nr 1). Die rechtliche Wesentlichkeit einer Einwirkung ist zu bejahen, wenn diese unter Würdigung auch aller festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr ist. Entscheidend ist mithin, ob der begründete Versicherungsschutz den Sinn und Zweck hat, gegen Schäden der konkret eingetretenen Art zu schützen (BSG aaO).

Dies ist für die hier maßgebliche Versicherung des Klägers in seinem früheren Beruf als angestellter Fährmann in Hinblick auf die streitbefangene BK zu bejahen. Zweck der BK Nr 5103 ist es, den Betroffenen Versicherungsschutz für eine berufsbedingte zusätzliche UV-Strahleneinwirkung zu gewähren, die die der Allgemeinbevölkerung in erheblichem Umfang (40 %) überschreitet, bzw im Schadensfall Leistungen wie ärztliche Heilbehandlung, Verletztengeld oder -rente zu erbringen. Das hiermit umschriebene Risiko hat sich im Fall des Klägers auch verwirklicht. Denn es ist nachgewiesen, dass er bei seiner Beschäftigung von 1980 bis 1997 einer um 44,7 % höheren UV-Strahlenbelastung ausgesetzt gewesen ist als die "übrige Bevölkerung" und dass dies für das Entstehen der Plattenepithelkarzinome bzw der aktinischen Keratosen mitursächlich war.

Dass der Kläger einer zusätzlichen beruflichen Strahlenbelastung bei seiner Tätigkeit als selbstständiger Fährmann ausgesetzt gewesen ist, spricht nicht gegen die Wesentlichkeit der versicherten Mitursache. Das wäre nur dann anzunehmen, wenn die unversicherte berufsbedingte Sonneneinstrahlung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der BK Nr 5103 das Erkrankungsgeschehen rechtlich derart geprägt hätte, dass die Erkrankung nicht mehr dem Schutzbereich des Versicherungstatbestands unterfällt (BSG aaO). Dies ist vorliegend schon deshalb nicht der Fall, weil der unversicherten Berufstätigkeit im Vergleich zur Beschäftigung von 1980 bis 1997 unter arbeitstechnischen und arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten eine deutlich geringere Bedeutung zukommt. Zur arbeitstechnischen Relevanz hat bereits die Gewerbeärztin K. im Verwaltungsverfahren dargelegt, dass durch die selbstständige Tätigkeit lediglich eine um 32,3 % erhöhte zusätzliche Strahlenbelastung (2187 SED gegenüber 6760 SED als Belastung der Allgemeinbevölkerung) bedingt wird, die die quantitativen Voraussetzungen der in Nr 5103 vorausgesetzten Einwirkung "natürliche UV-Strahlung" nicht erfüllt. In arbeitsmedizinischer Hinsicht ergibt sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. L., dass schon die versicherte siebzehnjährige Tätigkeit des Klägers allein geeignet gewesen wäre, die bei ihm diagnostizierten aktinischen Keratosen und Plattenepithelkarzinome zu verursachen. Der nachfolgenden unversicherten Tätigkeit kommt demgegenüber schon deshalb geringeres Gewicht zu, weil sie - mit ca 14 Jahren bis zur Erstdiagnose - kürzer war und deshalb mit einer geringeren Strahleneinwirkung verbunden gewesen ist. Dabei spricht nach dem Gutachten von Prof. Dr. L. überdies einiges dafür, dass aktinische Keratosen bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, weil die im Dezember 2011 histologisch festgestellten Plattenepithelkarzinome bereits fortgeschrittene Hautkrebserkrankungen waren, die sich häufig über einen längeren Zeitraum aus aktinischen Keratosen entwickeln.

Auch diese Gegenüberstellung zeigt, dass es rechtlich fehlerhaft wäre, die versicherte UV-Strahlenbelastung nach den Vorgaben der Technischen Information des IFA mit der Gesamtheit der nicht versicherten Strahlenbelastung zu vergleichen. Denn diese Berechnungsweise würde dazu führen, dass eine versicherte und kausal gewordene zusätzliche UV-Strahlenbelastung entgegen dem Schutzzweck der BK-Nr 5103 nur deshalb unentschädigt bleibt, weil der Versicherte außerdem auch einer nicht versicherten beruflichen Belastung ausgesetzt gewesen ist, die rechtlich aber von geringerer Relevanz war. Als Methode zur Beurteilung der rechtlichen Wesentlichkeit der versicherten Einwirkungen würde sich die Vorgabe des IFA dabei schon deshalb nicht eignen, weil hierfür eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erforderlich ist, die durch vorgegebene Berechnungsformeln wie in der Technischen Information nicht ersetzt werden kann (BSG aaO zum sogenannten Krasneyschen Drittel).

5. Rechtlich unerheblich ist, dass die BK Nr 5103 erst durch die 3. BKV-Änderungsverordnung mit Wirkung vom 1. Januar 2015 eingeführt worden ist, die Hautkrebserkrankung des Klägers aber schon Ende 2011 diagnostiziert worden ist. Denn nach § 6 Abs 2 BKV sind Krankheiten iSd Nr 5103 der Anl 1 auf Antrag auch dann als BK anzuerkennen, wenn sie vor dem Tag des Inkrafttretens am 1. Januar 2015 eingetreten ist. Einen solchen Antrag hat der Kläger spätestens mit der Einlegung des Widerspruchs gegen den Ablehnungsbescheid der BG Verkehr am 7. Januar 2016 gestellt.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

Der Senat misst der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung bei und hat deshalb gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG die Revision zugelassen.-