Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 17.12.2019, Az.: L 16 KR 191/18
Zahlung von Mutterschaftsgeld; Erhalten gebliebene Pflichtmitgliedschaft; Mehrere Erhaltenstatbestände
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 17.12.2019
- Aktenzeichen
- L 16 KR 191/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 51337
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - 20.03.2018 - AZ: S 32 KR 279/17
Rechtsgrundlagen
- i.d.F. v. 16.07.2015 § 24i Abs. 1 SGB V
- i.d.F .v. 16.07.2015 § 24i Abs. 3 SGB V
- § 192 SGB V
Fundstellen
- AuR 2020, 136-137
- NZS 2020, 273
- ZfSH/SGB 2020, 139 (Pressemitteilung)
Redaktioneller Leitsatz
1. Bei Erfüllung mehrerer Tatbestände des § 192 SGB V wird eine zunächst nach einem ersten Erhaltungstatbestand erhalten gebliebene Pflichtmitgliedschaft anschließend nach einem anderen Erhaltenstatbestand weiterhin erhalten.
2. Die Tatbestände müssen zeitweise gleichzeitig verwirklicht sein oder nahtlos aufeinander folgen.
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 20. März 2018 und der Bescheid der Beklagten vom 29. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2017 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Mutterschaftsgeld für ihr am 3. April 2017 geborenes zweites Kind nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Mutterschaftsgeld für ihr am 3. April 2017 geborenes zweites Kind.
Die am 10. Dezember 1981 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie war bis zum 31. Dezember 2015 befristet versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 1. Januar 2016 bezog sie Arbeitslosengeld (Alg) I bis zum 24. Januar 2016, ab dem 25. Januar 2016 Mutterschaftsgeld für ihr erstgeborenes Kind und ab 5. Mai 2016 bis 8. März 2017 Elterngeld. Die Mutterschutzfrist für das zweite Kind begann am 26. Februar 2017 während des Bezuges des Elterngeldes. Nach der Bescheinigung der Hebamme H. vom 26. März 2017 war der mutmaßliche Tag der Entbindung der 9. April 2017.
Mit Schreiben vom 26. März 2017 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung von Mutterschaftsgeld für das zweite Kind. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29. März 2017 ab, da die Klägerin in der Zeit vom 5. Mai 2016 bis 8. März 2017 über den Bezug von Elterngeld beitragsfrei versichert sei. Ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld ergebe sich aus dieser Mitgliedschaft nicht. Mitglieder, deren Arbeitsverhältnis bei Beginn der neuen Schutzfrist beendet sei, deren Mitgliedschaft jedoch allein aufgrund des Bezuges von Elterngeld nach § 192 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erhalten bleibe, hätten nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keinen erneuten Anspruch auf Mutterschaftsgeld.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 5. April 2017 Widerspruch ein und verwies darauf, dass sich das von der Beklagten zitierte Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in tatsächlicher Hinsicht von dem hier vorliegenden Fall unterscheide. Die dortige Klägerin habe das schon vor der Geburt des ersten Kindes bestehende Arbeitsverhältnis während des Bezuges von Erziehungsgeld für das erste Kind gekündigt, weit vor der Geburt des zweiten Kindes. Das BSG habe sich in dem Fall nicht abschließend damit auseinandergesetzt, ob das Aufrechterhalten der Mitgliedschaft nach § 192 SGB V dazu führe, dass ein Anspruch auf Krankengeld vermittelt werde. Während des Bezuges des Mutterschaftsgeldes und des Elterngeldes für das erste Kind hätten der Arbeitslosengeldanspruch als auch der Krankengeldanspruch für die Klägerin geruht und die Versicherung sei gemäß § 192 SGB V aufrechterhalten worden. Die Klägerin habe nicht durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses den möglicherweise noch erhaltenen Status einer versicherungspflichtigen Beschäftigung aufgegeben, sondern ihren Status als arbeitslose Versicherungspflichtige erhalten, so dass Mutterschaftsgeld zu zahlen sei. Hätte der Elterngeldbezug zwei Tage vor Beginn der Mutterschutzfristen für das zweite Kind geendet, hätte sich die Klägerin für einen Tag erneut arbeitslos melden können und müssen mit der Folge, dass sie dann erneut versicherungspflichtig gewesen wäre und einen Anspruch auf Krankengeld gehabt hätte. Dass hier rein zufällig die Schutzfrist in den Zeitraum des Elterngeldbezuges falle, könne dies grundsätzlich nicht ändern.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2017 zurück. Das Urteil des BSG vom 8. August 1995 - 1 RK 21/94 sei vollumfänglich auf die Klägerin anzuwenden. Versicherte, für die noch während des Erziehungsurlaubes, aber erst nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses eine neue Schutzfrist nach § 3 Abs 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG) beginne, hätten bei Fortbestehen der Mitgliedschaft nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V keinen Anspruch auf laufendes Mutterschaftsgeld nach § 200 Reichsversicherungsordnung (RVO).
Hiergegen hat die Klägerin am 19. Juni 2017 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben und ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Das BSG habe sich keineswegs abschließend damit auseinandergesetzt, dass das Aufrechterhalten der Mitgliedschaft nach § 192 SGB V dazu führe, dass ein Anspruch auf Krankengeld und mithin ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld vermittelt werde. Für die Entscheidung des BSG sei es seinerzeit nicht mehr darauf angekommen, da aufgrund der selbst durchgeführten Kündigung der dortigen Klägerin kein versicherungspflichtiges Verhältnis mehr habe vermittelt werden können. Dass das hier beantragte Mutterschaftsgeld zu zahlen sei, ergebe sich auch aus sozialpolitischen Erwägungen zu § 192 SGB V. Vor der Geburt des ersten Kindes sei die Klägerin arbeitslos gewesen. Als Arbeitslose sei sie gesetzlich krankenversichert. Sie hätte insoweit grundsätzlich auch einen Anspruch auf Krankengeld, der allerdings nach § 49 SGB V ruhte. Als solche gesetzlich Krankenversicherte habe die Klägerin dann bei der Geburt ihres ersten Kindes zutreffend und folgerichtig Mutterschaftsgeld erhalten. Im Vergleich zu der Situation der Klägerin vor der ersten Geburt habe sich an den Umständen vor der zweiten Geburt nichts geändert, so dass hier dann ebenfalls Mutterschaftsgeld zu zahlen sei. Vor der zweiten Geburt habe die Klägerin nur deshalb kein Arbeitslosengeld erhalten, weil ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen des Bezuges von Elterngeld geruht habe. Sie hätte aber auch grundsätzlich den Anspruch auf die Lohnersatzleistung Arbeitslosengeld gehabt, diese habe nur geruht. Folgerichtig und sozialpolitisch zwingend müsse dann in diesem Fall, wenn eine zweite Schwangerschaft eintrete, ebenfalls wiederum Mutterschaftsgeld gezahlt werden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20. März 2018 abgewiesen und auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Beklagten Bezug genommen. Ergänzend hat es darauf hingewiesen, dass das BSG im Urteil vom 8. August 1995 - 1 RK 21/94 zwar einen etwas anderen Sachverhalt betroffen habe, jedoch darin ausgeführt worden sei, dass die in § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V angeordnete Erhaltung der Mitgliedschaft nicht bedeute, dass auch der die Mitgliedschaft ursprünglich auslösende Tatbestand aufrecht erhalten werde oder als aufrecht erhalten gelte. Das auf der Erwerbstätigkeit beruhende Versicherungsverhältnis zur Krankenkasse bleibe bestehen. Damit sei jedoch nicht gesagt, dass unabhängig vom Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses auch die Zugehörigkeit zum Kreise der Arbeitnehmer fingiert werde. Zum Zeitpunkt des Eintrittes der Mutterschutzfrist habe die Klägerin noch Elterngeld bezogen und sei über § 192 SGB V krankenversichert gewesen. Dadurch habe sie jedoch keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Zwar wäre es anders gewesen, falls sich die Klägerin zwischenzeitlich wieder arbeitslos gemeldet hätte, was jedoch nicht geschehen sei. Auch die Tatsache, dass das Mutterschaftsgeld eine Lohnersatzfunktion habe, spreche dafür, dass, sofern die Klägerin vor der Mutterschutzfrist kein Alg I bezogen habe, sie ebenfalls keinen Anspruch auf Lohnausgleich in Gestalt des Mutterschaftsgeldes habe.
Gegen das am 4. April 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. Mai 2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen erhoben. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 20. März 2018 und den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Mutterschaftsgeld für ihr am 3. April 2017 geborenes zweites Kind in Höhe des Krankengeldes zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die versicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin habe bereits am 31. Dezember 2015 geendet. Anschließend habe die Versicherungspflicht aufgrund des Bezuges von Alg I nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V bestanden. Für die darauffolgende Zeit sei die Klägerin durch den Bezug von Mutterschaftsgeld aufgrund der Schwangerschaft mit dem ersten Kind und aufgrund des Bezuges von Elterngeld nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V versichert gewesen. Durch den am 26. Februar 2017 grundsätzlich neuen leistungsauslösenden Tatbestand sei ein erneuter Anspruch auf Mutterschaftsgeld dann gegeben, wenn eine Mitgliedschaft bei Eintritt des Leistungsgrunds bestanden habe. Darüber hinaus müsse entweder das Arbeitsentgelt wegen der Schutzfristen weggefallen sein oder ein Anspruch auf Krankengeld bestehen. Diese Voraussetzungen lägen hier jedoch nicht vor. Unstreitig sei ein Wegfall des Arbeitsentgeltes wegen der Schutzfrist nach § 3 MuSchG nicht gegeben. Da die Klägerin zudem ihre Beziehung zum Erwerbsleben zum 31. Dezember 2015 abgebrochen habe, bestehe am 26. Februar 2017 darüber hinaus auch kein Grundanspruch auf Krankengeld bei der Geburt des zweiten Kindes, so dass daraus ein anspruchsbegründender Umstand nicht hergeleitet werden könne. Die Versicherung über den Bezug von Elterngeld knüpfe lediglich an eine früher bestehende versicherungspflichtige Beschäftigung an. Da das Arbeitsverhältnis mehrere Monate vorher beendet worden sei, seien auch dessen Hauptpflichten suspendiert worden, so dass ein Krankengeldanspruch daraus nicht entstehen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 19. und 25. November 2019 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten schriftsätzlich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die gemäß §§ 143 f SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung der Klägerin ist zulässig, und begründet.
Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 und 4 SGG zulässig. Sie ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die Zahlung von Mutterschaftsgeld für das zweite Kind.
Rechtsgrundlage für den Bezug von Mutterschaftsgeld ist § 24i Abs 1 und 3 SGB V in der vom 17. Juli 2015 bis zum 31. Juli 2017 geltenden Fassung durch Art 5 GKV- Versorgungsstärkungsgesetz -GKV-VSG- vom 16. Juli 2015 (BGBl I 1211) (zum 1. August 2017 geändert durch das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz -HHVG- vom 4. April 2017, BGBl I 778). Diese Vorschrift lautet: Weibliche Mitglieder, die bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld haben oder denen wegen der Schutzfristen nach § 3 des Mutterschutzgesetzes kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, erhalten Mutterschaftsgeld. Mutterschaftsgeld erhalten auch Frauen, deren Arbeitsverhältnis unmittelbar vor Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs 1 des Mutterschaftsgesetzes endet, wenn sie am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses Mitglied einer Krankenkasse waren. Mutterschaftsgeld erhalten auch Frauen, 1. deren Arbeitsverhältnis unmittelbar vor Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs 2 des Mutterschutzgesetzes endet, wenn sie am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses Mitglied einer Krankenkasse waren oder 2. die zu Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs 2 des Mutterschutzgesetzes die Voraussetzungen nach Satz 1 nicht erfüllen, weil ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den § 157 oder 159 des SGB III geruht hat.
Das Mutterschaftsgeld wird für die letzten sechs Wochen vor dem mutmaßlichen Tag der Entbindung, den Entbindungstag und für die ersten acht Wochen, bei Mehrlings- und Frühgeburten für die ersten 12 Wochen nach der Entbindung gezahlt. Wird bei Frühgeburten und sonstigen vorzeitigen Entbindungen der Zeitraum von sechs Wochen vor dem mutmaßlichen Tag der Entbindung verkürzt, so verlängert sich die Bezugsdauer um den Zeitraum, der vor der Entbindung nicht in Anspruch genommen werden konnte. Für die Zahlung des Mutterschaftsgeldes vor der Entbindung ist das Zeugnis eines Arztes oder einer Hebamme maßgebend, in dem der mutmaßliche Tag der Entbindung angegeben ist. Bei Geburten nach dem mutmaßlichen Tag der Entbindung verlängert sich die Bezugsdauer bis zum Tag der Entbindung entsprechend (Abs 3).
Die Klägerin kann die Zahlung von Mutterschaftsgeld für das zweite Kind verlangen.
Ausweislich der Bescheinigung der Hebamme H. vom 26. März 2017 war der mutmaßliche Tag der Entbindung der 9. April 2017, die Sechswochenfrist des § 24i Abs 3 Satz 1 SGB V begann am 26. Februar 2017.
Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass bei der Klägerin ein Fall des § 24i Abs 1 Satz 1 2. Alt SGB V nicht vorliegt, denn sie hat nicht wegen der Schutzfrist nach § 3 des MuSchG kein Arbeitsentgelt erhalten.
Die Klägerin kann die Zahlung von Mutterschaftsgeld aber nach § 24i Abs 1 Satz 1 1. Alt SGB V verlangen, denn sie hätte bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld gehabt. Die Vor-aussetzungen für eine einen Krankengeldanspruch begründende Mitgliedschaft sind über eine Kette von nahtlosen ununterbrochenen Erhaltungstatbeständen nach § 192 SGB V erhalten geblieben. Die Klägerin hatte sich -anders als in der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BSG- nicht völlig aus dem Arbeitsleben gelöst.
Ein Anspruch auf Krankengeld ergibt sich aus § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V. Keinen Anspruch auf Krankengeld haben die in § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 1- 4 SGB V aufgeführten Versicherten.
Die Klägerin war hier zunächst bis zum 31. Dezember 2015 versicherungspflichtig beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete zum 31. Dezember 2015. Danach war sie aufgrund des Anspruchs auf Alg I vom 1. Januar bis 24. Januar 2016 nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V versicherungspflichtig mit Anspruch auf Krankengeld. Die Mitgliedschaft blieb nach den Angaben der Beklagten über § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V erhalten. Nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl I 2462) bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld besteht oder eine dieser Leistungen oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Pflegeunterstützungsgeld bezogen wird.
Ab dem 25. Januar 2016 wurde die Mitgliedschaft gemäß § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V aufrechterhalten wegen des Bezuges von Mutterschaftsgeld. Seit dem 5. Mai 2016 bis 8. März 2017 -und damit zum Zeitpunkt des Beginns der neuen Schutzfrist nach § 24i Abs 3 Satz 1 SGB V am 26. Februar 2017- wurde die Mitgliedschaft ebenfalls nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V durch den Bezug von Elterngeld aufrechterhalten. Während des Bezuges von Mutterschaftsgeld und Elterngeld ist die Mitgliedschaft beitragsfrei (§ 224 Abs 1 Satz 1 SGB V).
Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass im Unterschied zu dem vom BSG entschiedenen Fall der Status als arbeitslose Versicherungspflichtige erhalten blieb und mithin auch ein entsprechender Krankengeldanspruch, so dass das Mutterschaftsgeld zu zahlen ist. Als Arbeitslose hatte die Klägerin ursprünglich grundsätzlich einen Anspruch auf Krankengeld, der allerdings nach § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V zunächst wegen des Bezuges Arbeitslosengeld und des Bezuges von Mutterschaftsgeld für das erste Kind ruhte. Nach § 49 Abs 1 Nr 2 SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange Versicherte Elternzeit in Anspruch nehmen.
Das BSG hat in dem Urteil, auf das sich die Beklagte bezieht, einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld verneint bei einer Versicherten, die während des Bezuges von Erziehungsgeld ein weiteres Kind erwartete und mehrere Monate vorher ihr bis dahin ruhendes Arbeitsverhältnis gekündigt hatte (BSG, Urteil vom 8. August 1995 - 1 RK 21/94 = SozR 3-2200 § 200 RVO Nr 4; vgl auch Felix in Schlegel-Voelzke, juris-PK § 192 Rdnr 17; Peters, Kasseler Kommentar, § 192 Rdnr 14). Die Regelungen über das Fortbestehen der Mitgliedschaft während des Bezuges von Erziehungsgeld nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V enthielten keine gesetzliche Fiktion, wonach alle aus einem inzwischen beendeten Beschäftigungsverhältnis resultierenden potentiellen Leistungsansprüche bis zum Ende des Erziehungsurlaubs unverändert fortbestehen. Die bei beendetem Beschäftigungsverhältnis für die Zeit des Erziehungsurlaubs fortbestehende Mitgliedschaft nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V begründe danach kein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld. Das BSG hat ausgeführt:
"Die in § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V angeordnete Erhaltung der Mitgliedschaft bedeutet nicht, dass auch der die Mitgliedschaft ursprünglich auslösende Tatbestand (hier: die versicherungspflichtige Beschäftigung), aufrechterhalten wird oder als aufrechterhalten gilt. Das auf der Erwerbstätigkeit beruhende Versicherungsverhältnis zur Krankenversicherung bleibt bestehen. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass unabhängig vom Fortbestehen des Versicherungsverhältnisses auch die Zugehörigkeit zum Kreis der Arbeitnehmer fingiert wird. § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V knüpft lediglich allgemein an eine früher bestehende Versicherungspflicht und nicht, wie etwa § 192 Abs 1 Nr 1 SGB V an eine früher bestehende versicherungspflichtige Beschäftigung an. Die angeordnete Rechtsfolge erschöpft sich im Fortbestand der Versicherung, ohne nach deren ursprünglichem Grund zu unterscheiden und ohne den Fortbestand des ursprünglichen Versicherungspflichttatbestandes zu fingieren. Die Unterschiede zwischen den Vorschriften über die Erhaltung der Mitgliedschaft sind jedenfalls insoweit für die Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsverhältnis von Bedeutung, als diese Rechte und Pflichten von der Art des früheren Versicherungsverhältnisses, dh vom Versicherungspflicht-Tatbestand abhängen. Ein Anspruch auf Krankengeld ist ausgeschlossen, wenn die Versicherung auf bestimmten Versicherungspflicht-Tatbeständen beruht. Die Erhaltung der Mitgliedschaft ohne Fortbestehen des zugrundeliegenden Tatbestandes bedeutet nicht, dass der Versicherte in jeder Beziehung genauso behandelt müsste wie vorher. Vielmehr können nur diejenigen Regeln des Versicherungsverhältnisses weiter angewandt werden, die vom ursprünglichen Versicherungspflicht-Tatbestand unabhängig sind oder deren Anwendung das Gesetz zumindest sinngemäß anordnet. Durch § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V wird lediglich verhindert, dass der Wegfall des jeweiligen Versicherungspflicht-Tatbestandes zum Ende der Mitgliedschaft führt wie es § 190 SGB V eigentlich vorschreibt; dabei wird jedoch der ursprüngliche Versicherungspflicht-Tatbestand weder als fortbestehend behandelt noch durch einen anderen ersetzt. Deshalb ist es grundsätzlich unzulässig, eine nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V erhaltene Mitgliedschaft einem Tatbestand nach § 5 Abs 1 Nr 1-12 SGB V zuzuordnen ... § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V erhält beim Bezug von Erziehungsgeld lediglich die Mitgliedschaft, eine Beschäftigung oder ein sonstiger Status des Versicherten wird dabei nicht unterstellt. Die Versicherung der (dortigen) Klägerin schloss zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles den Anspruch auf Krankengeld nicht mit ein. Dieser setzt wegen § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V eine freiwillige Versicherung oder die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 bis 4 oder Nr 6 bis 8 SGB V voraus".
Das BSG hat ausdrücklich nicht entschieden, ob der Erhalt der Mitgliedschaft bei einem suspendierten Arbeitsverhältnis nach § 192 Abs 1 Nr 1 SGB V einen Anspruch auf Krankengeld vermittelt und ob die Übertragung auf § 192 Abs 1 Nr 2 SGBV gerechtfertigt wäre, obwohl darin nicht an eine vorherige versicherungspflichtige Beschäftigung, sondern lediglich allgemein an die Versicherungspflicht angeknüpft wird, da die dortige Klägerin im Anschluss an die erste Geburt ihr zunächst ruhendes Arbeitsverhältnis gekündigt hatte und spätestens damit den möglicherweise bis dahin noch erhaltenen Status als versicherungspflichtige Beschäftigte aufgegeben hat.
Weiter heißt es in dem Urteil: "Der Ausschluss des Krankengeldanspruchs bei einem Versicherungsfall über fünf Monate nach der vollständigen Lösung des Arbeitsverhältnisses steht auch mit § 49 Abs 1 Nr 2 SGB V in Einklang. Darin wird das Ruhen des Krankengeldanspruchs lediglich für die Zeit des Erziehungsurlaubs nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz, also während des ruhenden Arbeitsverhältnisses angeordnet. Der Schluss auf einen möglichen Krankengeldanspruch, nachdem das Arbeitsverhältnis gekündigt wurde, ist dadurch nicht gerechtfertigt.
.Der Anspruch nach § 200 Abs 1 erste Alternative RVO wurde für Versicherte geschaffen, die zwar nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen, die jedoch auf andere Weise gegen den krankheitsbedingten Ausfall von Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen gesichert sind, entweder im Anschluss an ein Arbeitsverhältnis durch die Krankenversicherung als Arbeitsloser, als krankenversicherter Selbstständiger oder aufgrund freiwilliger Versicherung. Nach der Entstehungsgeschichte hat auch der Anspruch nach der ersten Alternative des § 200 Abs 1 RVO zumindest mittelbar den Zweck, entgangenes Erwerbseinkommen zu ersetzen. Die Gewährung von Mutterschaftsgeld an eine Versicherte, die ihre Beziehung zum Erwerbsleben abgebrochen hat, wäre mit diesem Zweck nicht zu vereinbaren."
Ein Fall wie der vom BSG entschiedene liegt hier jedoch nicht vor. Die Klägerin hatte sich vor der Geburt des ersten Kindes nicht vollständig aus dem Arbeitsleben gelöst bzw ihre Beziehung zum Erwerbsleben abgebrochen. Das befristete Beschäftigungsverhältnis der Klägerin endete zum 31. Dezember 2015 und danach bezog sie nach den Angaben der Beklagten bis zum Beginn des Mutterschaftsgeldbezuges für das erste Kind Arbeitslosengeld. Damit unterscheidet sich dieser Fall auch von dem vom BSG im Urteil vom 17. Juni 1999 - B 12 KR 22/98 SozR 3-2500 § 192 Nr 6 entschiedenen Fall, indem kein Arbeitslosengeld gezahlt worden war. Die Mitgliedschaft war -auch nach dem Vorbringen der Beklagten - hier durch den Bezug von Arbeitslosengeld über § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V erhalten.
In einem späteren Urteil ordnet das BSG der nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V erhaltenen Mitgliedschaft die Qualität einer Beschäftigten-Versicherung zu (BSGE 90, 72, 76 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10, Seite 33). Die aufrechterhaltene Mitgliedschaft beinhaltet alle Leistungsansprüche aus der bisherigen Mitgliedschaft, also auch den Anspruch auf Krankengeld (BSG, Urteil vom 17. Februar 2004 - B 1 KR 7/02 R; vgl. auch Felix, aaO, § 192 Rdnr 30; Peters, aaO,). Dass dieser Anspruch während der Elternzeit ruht (§ 49 Abs 1 Nr 2 SGB V) ist danach unbedeutend; entscheidend ist der bestehende Grundanspruch auf Krankengeld. Entscheidend ist allein, dass der begünstigende Tatbestand nach Beendigung des vorangegangenen mitgliedschaftserhaltenden Sachverhalts noch ohne Unterbrechung vorliegt (BSG, Urteil vom 17. Februar 2004 - B 1 KR 7/02 R mwN).
Im vorliegenden Fall wird der Bezug zum Arbeitsleben durch eine nahtlose Kette von Erhaltungstatbeständen hergestellt. Wenn mehrere Tatbestände des § 192 SGB V hintereinander erfüllt sind, bestehen nach der Rechtsprechung des BSG keine Bedenken gegen die Annahme, dass eine zunächst nach einem ersten Erhaltungstatbestand erhalten gebliebene Pflichtmitgliedschaft anschließend nach einem anderen Erhaltenstatbestand weiterhin erhalten wird. Erforderlich ist aber, dass die Tatbestände zeitweise gleichzeitig verwirklicht sind oder nahtlos aufeinander folgen (BSG, Urteil vom 17. Februar 2004 - B 1 KR 7/02 R, SozR 4-2200 § 200 Nr 1; Peters, aaO, § 192 Rdnr 23). Rechtsfolge der erhaltenen Mitgliedschaft ist, dass die erhalten gebliebene Pflichtmitgliedschaft eine vollwertige Pflichtmitgliedschaft ist, während der grundsätzlich alle in Betracht kommenden Leistungsansprüche erworben werden können (Peters, aaO, Rdnr 24).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).