Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 22.05.2003, Az.: 12 A 4013/02
Asylverfahren; Untätigkeitsklage
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 22.05.2003
- Aktenzeichen
- 12 A 4013/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48088
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 75 VwGO
- § 161 Abs 2 VwGO
- § 161 Abs 3 VwGO
- § 11 AsylVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Keine Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) in Verfahren nach dem AsylVfG.
Im Rahmen der Kostenentscheidung gemäß § 161 Abs. 2 VwGO ist § 161 Abs. 3 VwGO entsprechend anzuwenden.
Gründe
Das Verfahren war in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, weil zum einen der Kläger die Klage hinsichtlich des Begehrens auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis zurückgenommen hat und zum anderen (das Begehren auf Verpflichtung der Beklagten, Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG festzustellen) die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
Das Gericht hat gemäß § 161 Abs. 2 VwGO noch über die Kosten zu entscheiden. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entspricht es billigem Ermessen, 8/11 der Kosten des Verfahrens dem Kläger und 3/11 der Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen.
Für die zu treffende Kostenentscheidung sind insbesondere die Erfolgsaussichten in der Sache maßgebend. Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten verhältnismäßig zu teilen (vgl. § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO). Bei der Bestimmung des Verhältnisses des teilweisen Obsiegens und Unterliegens ist der Gegenstands- bzw. Streitwert des Begehrens zugrunde zu legen.
Soweit der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis begehrte und die Klage später zurückgenommen hat, hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 155 Abs. 2 VwGO).
Hinsichtlich des Begehrens des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten, Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG festzustellen, entspricht es billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen. Zwar ist § 161 Abs. 3 VwGO nicht unmittelbar anwendbar, weil ein Fall des § 75 VwGO nicht vorliegt. Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn vor dem Klageverfahren ein Vorverfahren nach § 68 VwGO erforderlich ist. § 75 VwGO regelt nämlich (allein) den Fall, unter welchen bestimmten Voraussetzungen eine Klage ohne Durchführung eines Vorverfahrens - und damit in Abweichung von § 68 VwGO - zulässig ist (vgl. Dolde, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 75 Rdnr. 2 bis 4; Kopp/Ramsauer, VwGO, § 75 Rdnr. 1; a.A. wohl Marx, AsylVfG, § 74 Rdnr. 6, 23). Ein Vorverfahren im Sinne des § 68 VwGO (Widerspruch) findet in Verfahren nach dem AsylVfG aber nicht statt (§ 11 AsylVfG).
Im Rahmen der demnach nach § 161 Abs. 2 VwGO zu treffenden Kostenentscheidung entspricht es billigem Ermessen, den in § 161 Abs. 3 VwGO liegenden Rechtsgedanken als spezielle Konkretisierung des Veranlassungsprinzip in entsprechender Anwendung zu berücksichtigen. Der Sinn der Regelung des § 161 Abs. 3 VwGO besteht darin, den Einzelnen vor einer Kostenbelastung zu bewahren, wenn er berechtigterweise die Gerichte in Anspruch genommen hat. Dementsprechend kommt es für die Kostenbelastung der Beklagten vor allem darauf an, ob sie einen zureichenden Grund dafür hatte, den bei ihr gestellten Antrag nicht vor Klageerhebung zu bescheiden; erst in zweiter Linie - wenn feststeht, dass die Beklagte einen derartigen Grund hatte - ist zu prüfen, ob der Kläger der Grund für die Verzögerung bekannt war oder bekannt sein musste. Daher ist § 161 Abs. 3 dahin zu verstehen, dass die Kostenaufbürdung dann nicht zwingend sein soll, wenn der Beklagte einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung hatte und dem Kläger dieser Grund auch bekannt war, etwa durch einen informierenden Zwischenbescheid (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 1991 - 3 C 56.90 -, Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 91 = NVwZ 1991, 1180).
Nach Maßgabe dessen ist es angemessen, der Beklagten die Kosten des Verfahrens hinsichtlich des Begehrens zu § 53 AuslG aufzuerlegen. Der Kläger hat bereits im August 1999 einen Asylantrag gestellt. Er wurde am 27. August 1999 angehört. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat das Begehren des Klägers aufgrund eines sog. Entscheidungsstops für Asylanträge von Angehörigen ethnischer Minderheiten aus dem Kosovo nicht beschieden. Seit Frühjahr 2002 wurde der Entscheidungsstop aufgehoben. Unter dem 4. März 2002 machte der Kläger ergänzend Abschiebungshindernisse aufgrund erheblicher Erkrankungen geltend; hierzu legte er zahlreiche ärztliche Atteste vor; aus dem jüngsten Attest von Dr. Freyland ist die konkrete erforderliche medizinische Behandlung des Klägers nicht ersichtlich. Eine Zwischenmitteilung seitens des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ist nicht erfolgt. Erst nach Klageerhebung am 23. September 2002 und damit 6 1/2 Monate nach Geltendmachen der Abschiebungshindernisse forderte das Bundesamt ein aktuelles ärztliches Attest über die erforderliche medizinische Behandlung im Einzelnen an. Ein zureichender Grund für die Verzögerung seitens des Bundesamtes ist nicht dargetan oder ersichtlich. Soweit die Beklagte geltend macht, dass eine Reaktion aufgrund der hohen Arbeitsbelastung nicht erfolgt sei und wegen des komplexen Krankheitsbildes weitere Ermittlungen erforderlich gewesen seien, rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es wäre ohne Weiteres möglich, den Kläger über den erheblichen Arbeitsanfall zu informieren und im Hinblick auf die konkrete medizinische Behandlungsnotwendigkeit die Anfrage vom 1. Oktober 2002 bereits zuvor zu übersenden. Dies wäre mit einem erheblichen Arbeitsaufwand nicht verbunden gewesen. Dem entgegen stehende Gesichtspunkte sind weder von Seiten der Beklagten vorgetragen worden noch ersichtlich.
Im Hinblick auf die Quotelung ist für die begehrte Aufenthaltsbefugnis ein Streitwert von 4.000,- EUR (§ 13 Abs. 1 S. 2 GKG - vgl. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Abschnitt II lfd. Nr. 6.1) und für die Verpflichtung auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 53 AuslG ein Gegenstandswert von 1.500,- EUR (§ 83 b Abs. 2 S. 1 2. Alt. AsylVfG) anzusetzen, so dass sich das Kostenverhältnis 3/11 zu 8/11 ergibt.
Die Gerichtskostenfreiheit hinsichtlich des Begehrens auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 53 AuslG ergibt sich aus § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat gemäß § 92 Abs. 3 S. 2 VwGO - im Übrigen gemäß § 80 AsylVfG).