Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 14.05.2003, Az.: 7 A 3023/01

Abgrenzung; Arzneimittel; Lebensmittel; Maca

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
14.05.2003
Aktenzeichen
7 A 3023/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48087
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Produkt, das nach den Angaben des Herstellers auf der Basis der Wurzel der in Südamerika beheimateten Maca-Pflanze hergestellt und in der Werbung als "Alternative zu Viagra" bezeichnet wird, ist als Arzneimittel und nicht als Nahrungsergänzungsmittel anzusehen. Dass es vermutlich keine pharmakologische Wirkung hat, ist dann nicht mehr ausschlaggebend (vgl. BVerwGE 97, 132, 138).

Tenor:

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Verfahren; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Die Klägerin vertreibt die nach ihren Angaben auf der Basis der Wurzel der in Südamerika beheimateten Maca-Pflanze hergestellten gleichartigen Produkte „Andro Vita“ und „Maca Aktiv Plus“ und wirbt hierfür. Bei einer Durchsuchung der Geschäftsräume der Klägerin sind zudem melatoninhaltige Präparate sowie einige Flaschen eines Noni-Saftes vorgefunden worden.

2

Mit Bescheid vom 10. April 2001 (7 A 3023/01) untersagte die Beklagte der Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Veröffentlichen von Werbung für „Andro Vita“ und „Maca Aktiv Plus“. Für eine Zuwiderhandlung nach Ablauf von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Bescheides wurde die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10 000,- DM angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin gegen § 3 a des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (HWG) verstoßen habe, wonach für nicht zugelassene aber zulassungsbedürftige Arzneimittel, um die es sich bei „Andro Vita“ und „Maca Aktiv Plus“ handele, nicht geworben werden dürfe.

3

Mit Bescheid vom 27. April 2001 (7 A 3026/01) untersagte die Beklagte der Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zudem das Inverkehrbringen und die Herstellung von „Andro Vita“ und „Maca Aktiv Plus“, sowie das Inverkehrbringen von Noni und Melatonin. Für eine Zuwiderhandlung nach Zustellung des Bescheides ist die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 50 000,- DM angedroht worden. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt: Bei der Durchsuchung des Betriebes der Klägerin am 12. April 2001 seien Bulkware (Großgebinde) der Kapseln „Andro Vita“ und „Maca Aktiv Plus“ sowie Klebeetiketten für die Abgabegefäße vorgefunden worden. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass die Klägerin die Ware auch abfülle. Dies sei eine erlaubnispflichtige Herstellung von Arzneimitteln. Außerdem seien Noni-Säfte und Melatonin-Tabletten in Mengen vorgefunden worden, die über den Eigenverbrauch hinausgingen. Diese seien nicht gesondert gekennzeichnet gewesen, so dass von einem Vorhalten zur Abgabe auszugehen sei. Melatonin sei ein Hormon, welches als Einschlafhilfe diene. Es sei in Deutschland nicht zugelassen. Hinsichtlich des Noni-Saftes sei zwar fraglich, ob es sich um ein Arznei- oder Lebensmittel handele. Jedenfalls dürften Noni-Säfte nach Einschätzung des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) vor Abschluss eines in Belgien für die Europäische Gemeinschaft beantragten Zulassungsverfahrens als neuartiges Lebensmittel nicht in den Verkehr gebracht werden.

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Mit Widerspruchsbescheiden vom 13. und 14. August 2001 wies die Beklagte die erhobenen Widersprüche der Klägerin zurück.

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Am 14. September 2001 hat die Klägerin Klagen erhoben.

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Sie trägt im wesentlichen vor: Die Verfügungen der Beklagten liefen teilweise ins Leere. Sie stelle „Andro Vita“ und „Maca Aktiv Plus“ nicht selbst her, sondern beziehe das Produkt von Dritten. Sie fülle sie lediglich teilweise ab. Sie handele zudem nicht mit Noni und Melatonin.

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Ihr dürfe aber auch die Werbung und das Inverkehrbringen von „Andro Vita“ und „Maca Aktiv Plus“ nicht untersagt werden. Es handele sich um Nahrungsergänzungsmittel und keine Arzneien. In zivilrechtlichen Verfahren bei den Oberlandesgerichten Hamburg und Oldenburg habe sich ein von der Pfizer AG und dem Verband Sozialer Wettbewerb angestrebtes Vertriebsverbot nicht durchsetzen lassen. Es sei dort kein Beleg dafür erbracht worden, dass „Andro Vita“ und „Maca Aktiv Plus“ pharmakologische Wirkungen hätten. Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren habe die Staatsanwaltschaft Aurich die Auffassung vertreten, dass die Produkte Nahrungsergänzungsmittel seien. Das Ermittlungsverfahren werde lediglich noch wegen des Verdachtes des Betruges fortgesetzt. Aus einem Gutachten des Instituts für Geschmacksforschung, arotop food creation, vom 11. November 2002 sei ersichtlich, dass die „Maca Aktiv Plus“-Kapseln Maca enthielten und es sich um ein Lebensmittel handele. Dies ergebe sich auch aus den Darlegungen der Lebensmittelchemikerin Dr. V. (BaV Food-Consult) vom 1. Juni und 10. Juli 2002.

8

Es komme auf die tatsächliche Zusammensetzung des Produktes an. Für die Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln seien objektive Kriterien heranzuziehen. Dies ergebe sich aus den maßgeblichen Definitionen im deutschen und europäischen Recht. Lebensmittel beeinflussten den normalen körperlichen und geistigen Ablauf des menschlichen Lebens. Arzneien dienten dagegen der Heilung bzw. Linderung von körperlichen Zuständen mit Krankheitswert.

9

Es sei auch nicht hinreichend dargelegt, dass sie, die Klägerin, ihre Produkte als Mittel zur Heilung oder Verhütung menschlicher Krankheiten bezeichnet habe. Dies ergebe sich insbesondere nicht aus ihren Werbebroschüren. Sie beschrieben Maca als Stärkungsmittel für gesunde Menschen, Viagra dagegen als Medikament für Männer mit organischen Problemen. Auch Produkten, die eindeutig Lebensmittel seien, würden gesundheitsfördernde Wirkungen zugesprochen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Bescheide der Beklagten vom 10. und 27. April 2001 und die Widerspruchsbescheide vom 13. und 14. August 2001 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klagen abzuweisen.

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Sie erwidert: Für die Einstufung von „Andro Vita“ und „Maca Aktiv Plus“ als Arzneimittel sei unerheblich, ob die Produkte Maca enthielten. Für die Abgrenzung von Lebens- und Arzneimitteln sei die stoffliche Zusammensetzung allein nicht maßgeblich. Es reiche, wenn arzneiliche Wirkungen in Aussicht gestellt würden. Um Arzneimittel handele es sich nach der Rechtsprechung des EuGH zur Richtlinie 2001/83/EG bereits dann, wenn diese zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten empfohlen würden. Dies gelte selbst dann, wenn sie allgemein als Lebensmittel angesehen und nach wissenschaftlicher Erkenntnis keine derartigen Wirkungen besäßen. Für die Feststellung der Zweckbestimmung seien deshalb etwa auch Werbeaussagen, Beschreibungen und Gebrauchsanweisungen von Bedeutung.

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Die Mittel der Klägerin würden in arzneimitteltypischer Darreichungsform als Hartgelatinekapsel angeboten. Die Einnahme diene nicht der Ernährung, sondern arzneilichen Zwecken. Die Produkte würden in den Broschüren der Klägerin als „Alternative zu Viagra“ bezeichnet. Es werde der Eindruck vermittelt, dass sie teilweise besser als Viagra wirkten. Sie sollten hiernach insbesondere bei erektyler Dysfunktion helfen. Außerdem werde eine emotionale Stabilisierung und Stärkung des Hormonsystems in Aussicht gestellt. In der Werbung werde es zudem als Naturarznei bezeichnet. Der Preis betrage für 60 Kapseln 298,-- DM und für 180 Kapseln 498,-- DM. Sie werde durch Stellungnahmen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 21. Mai 2002, sowie der ALS-Arbeitsgruppe „Diätetische Lebensmittel, Ernährungs- und Abgrenzungsfragen“ vom 9. August 2001, nach denen Maca-Produkte Arzneimittel seien, bestätigt.

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In zivilrechtlichen Verfahren stehe die wettbewerbsrechtliche, nicht die arzneimittelrechtliche Beurteilung im Vordergrund. Für die abschließende arzneimittelrechtliche Würdigung sei sie, die Beklagte, als Arzneimittelbehörde und nicht die Staatsanwaltschaft zuständig. Die arotop food creation habe nicht den Auftrag gehabt zu überprüfen, ob es sich bei den Produkten um Lebens- oder Arzneimittel handele. In deren Gutachten vom 11. November 2002 fehle eine Definition des Begriffs „Lebensmittel“. Das Gutachten der BaV Food-Consult vom 1. Juni 2002 stelle in nicht nachvollziehbarer Weise fest, dass Maca ein Grundnahrungsmittel sei. Die Informationen im Internet, wonach Maca arzneiliche Wirkungen habe, würden pauschal abqualifiziert.

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Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klagen sind unbegründet.

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1. Rechtsgrundlage des Bescheides vom 10. April 2001 ist § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG. Danach treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Die Vorschrift bezieht sich nicht nur auf Verstöße gegen das AMG sondern auch auf solche nach dem HWG (vgl. §§ 64 Abs. 3, 65 Abs. 1, 69 Abs. 3 AMG).

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Nach § 3 a HWG ist es unzulässig, für Arzneimittel zu werben, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten. Das HWG findet nach seinem § 1 Abs. 1 Nr. 1 Anwendung auf Arzneimittel iSd § 2 AMG.

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Nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelischer Zustände zu beeinflussen. § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG sieht vor, dass Lebensmittel im Sinne des § 1 LMBG keine Arzneimittel sind. Lebensmittel sind nach § 1 Abs. 1 LMBG Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden.

22

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgt aus diesen Vorschriften, dass ein Erzeugnis nicht gleichzeitig Lebensmittel und Arzneimittel sein kann. Für die Abgrenzung ist die überwiegende Zweckbestimmung maßgeblich. Die Zweckbestimmung ist nach objektiven Merkmalen zu beurteilen, wie sie sich einem durchschnittlich informiertem, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2001 - 2 StR 374/00 - NJW 2001, 2812 <2813>; BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1997 - 3 C 46.96 - BVerwGE 106, 90 <92>).

23

Die Verkehrsauffassung knüpft dabei zunächst an bestehende Anschauungen über vergleichbare Mittel an. Weiter wird diese auch von der Auffassung der pharmazeutischen und medizinischen Wissenschaft beeinflusst. Außerdem sind etwa die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt, maßgeblich (vgl. a.a.O.).

24

Keine zwingende Voraussetzung des Arzneimittelbegriffs ist hiernach, dass das Produkt tatsächlich eine Wirkung hat. § 2 Abs. 1 AMG und § 1 Abs. 1 LMBG stellen auf die „Bestimmung“ eines Mittels ab. Aus § 25 Abs. 2 Nr. 4 AMG folgt, dass die therapeutische Wirksamkeit systematisch eine Frage der Zulassungsfähigkeit von Arzneimitteln ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1997 - 2 StR 270/97 - NJW 1998, 836 <837>; BVerwG, Urteil vom 24. November 1994 - 3 C 2.93 - BVerwGE 97, 132 <138>).

25

Bestätigt wird dies durch die maßgeblichen Vorschriften des Europäischen Rechts. Nach Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 sind Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten bezeichnet werden (sog. Arzneimittel nach Bezeichnung), sowie alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktion angewandt zu werden (sog. Arzneimittel nach Funktion). Eine gleichlautende Definition findet sich in dem nunmehr maßgeblichen Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001. Für sog. Arzneimittel nach Bezeichnung ist nach der weiten Auslegung des Europäischen Gerichtshofs entscheidend, wie das Produkt dem Verbraucher gegenüber in Erscheinung tritt (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2001 a.a.O. <S. 2814>; BVerwG, a.a.O. <S. 137 f.>).

26

Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze sind die Produkte „Andro Vita“ und „Maca Aktiv Plus“ Arzneimittel.

27

In der Bundesrepublik Deutschland hat sich - anders als offenbar in Südamerika - zu den Produkten mit dem Stoff Maca noch keine einheitliche Verkehrsanschauung zu der Frage gebildet, ob es sich um Lebensmittel oder ein Arzneimittel handelt (vgl. ALS-Arbeitsgruppe „Diätetische Lebensmittel, Ernährung und Abgrenzungsfragen“ vom 9. August 2001). Es kann ferner mit der Klägerin davon ausgegangen werden, dass die Macawurzel wahrscheinlich keine erheblichen pharmakologischen Wirkungen hat.

28

Maßgeblich ist deshalb, dass die Klägerin und andere Anbieter die Produkte wie Arzneimittel bewerben. Nach den Feststellungen der genannten ALS-Arbeitsgruppe vom 9. August 2001 wird im Internet häufig eine aphrodisierende und potenzsteigerndere Wirkung von Maca-Produkten hervorgehoben. Dies gilt auch für die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 2. April 2003 vorgelegten Werbeanzeigen. Dabei ist rechtlich unerheblich, inwieweit die darin enthaltenen Aussagen der Klägerin zuzurechnen sind. Maßgeblich ist - wie ausgeführt - die sich für bestimmte Produkte gebildete Verkehrsauffassung.

29

Für die Annahme, dass „Andro Vita“ und „Maca Aktiv Plus“ Arzneimittel sind, spricht auch in erheblichem Maße die eigene Werbung der Klägerin in zwei dem Gericht vorliegenden Faltblättern. Darin wird für beide Produkte hervorgehoben, dass sie eine „Alternative zu Viagra“, einem eindeutig als Arzneimittel einzustufenden Produkt, darstellten. „Andro Vita“ wird hierbei als „neue Generation der Potenzmittel“ bezeichnet. Auf einer Seite des Werbeprospekte werden tabellarisch die Vorteile der Produkte der Klägerin gegenüber Viagra dargestellt. In diesem Zusammenhang werden sowohl „Andro Vita“ als auch „Maca Aktiv Plus“ als Natur a r z n e i   bezeichnet. Ferner wird darauf hingewiesen, dass das Produkt auch „mit anderen A r z n e i e n“ eingenommen werden könne. In Bezug auf „Andro Vita“ wird auf ganz bestimmte Wirkungen, nämlich die Steigerung der Erektionsfähigkeit beim Mann hingewiesen. Es werden medizinische Fachausdrücke wie „Symbiotisches Adjuvans bei erektyler Dysfunktion und Libidoverlust“ verwandt. In beiden Werbeprospekten wird auf wissenschaftliche Forschungen hingewiesen. Ferner wird die Klägerin darin als „Eurotec GmbH -P h a r m a z i e“ bezeichnet. „Maca Aktiv Plus“ wird als „Naturtablette“ gekennzeichnet.

30

Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass unter diesen Umständen auch die Verabreichung der Produkte in Kapselform und der recht hohe Preis für eine Einordnung als Arzneimittel sprechen.

31

Eine Einordnung der Produkte als Nahrungsergänzungsmittel ist hiernach nicht naheliegend. Es soll nach den Angaben der Klägerin nicht in erster Linie das allgemeine körperliche Wohlbefinden gesteigert werden. Vielmehr steht in ihren Prospekten die Steigerung der sexuellen Leistungsfähigkeit deutlich im Vordergrund.

32

Das Gericht sieht in seiner Einschätzung durch die Stellungnahmen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 21. Mai 2002 (S. 4 ff.) und der genannten ALS-Arbeitsgruppe vom 9. August 2001 bestätigt.

33

Die von der Klägerin zum Vergleich angeführten Ingwer-Stäbchen, auf deren Verpackung deren gesundheitsfördernde Wirkung hervorgehoben wird, sind dagegen eindeutig als Lebensmittel anzusehen. Die Verkehrsanschauung betrachtet Ingwer als ein der Verfeinerung der Nahrung dienendes Gewürz und nicht als Heilmittel. Angesichts der Verabreichung der Stäbchen mit einer Hülle aus Zartbitterschokolade steht bei diesem Produkt der Genuss im Vordergrund.

34

Die von der Klägerin vorgelegten Gutachten können eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen. In der Stellungnahme des Instituts für Geschmackforschung arotop food creation vom 11. November 2002 ist zwar ausgeführt, dass die Kapseln lediglich Stärke, Ballaststoffe und vermutlich etwas Proteinmaterial enthielten. Deshalb sei substanziell von einem reinen Lebensmittelcharakter auszugehen. Diese Beurteilung beschäftigt sich jedoch nur mit einem für die maßgebliche Beurteilung zu berücksichtigenden Teilaspekt, der pharmakologischen Wirkung der Produkte. Unberücksichtigt sind indes die sonstigen Umstände insbesondere die Werbeaussagen der Klägerin, geblieben. In der Stellungnahme von Dr. V. (BaV Food-Consult) vom 1. Juni 2002 wird angegeben, dass Maca in den Anden ein Grundnahrungsmittel und dessen medizinische Verwendung nicht bekannt sei. Dies kann nach den obigen Ausführungen als richtig unterstellt werden, ohne dass sich hierdurch die Beurteilung änderte. Auch Dr. V. hat aber der Werbung für Macaprodukte kein hinreichendes Gewicht beigemessen. In der genannten Stellungnahme ist in diesem Zusammenhang sogar zu Unrecht die Werbung im Internet als bedeutungslos angesehen worden. Auch die dortigen Darstellungen können die Verkehrsauffassung nämlich wesentlich prägen.

35

Der Ausgang der wettbewerbsrechtlichen Verfahren mit dem Hersteller von Viagra und einem Wettbewerbsverein vermag eine andere Beurteilung ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Abweichende Beurteilungen der hier zu beantwortenden Frage sind von der Klägerin nicht vorgelegt worden. In dem von der Klägerin mitgeteilten Tenor des Urteils des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 4. März 2002 - 1 U 78/01 heißt es sogar ausdrücklich, das „Andro Vita“ nicht ohne Zulassung als Arzneimittel beworben werden dürfe.

36

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, dass ihr zivilgerichtlich rechtskräftig untersagt worden sei, ihre Produkte mit Viagra zu vergleichen, vermag dies derzeit noch keine andere Einschätzung zu rechtfertigen. Maßgeblich ist, dass die Verkehrsauffassung bis zu einer Änderung der bisherigen Werbeaussagen weiterhin durch die bisherigen Anpreisungen der Klägerin und anderer Anbieter geprägt ist.

37

Die Einschätzung der Staatsanwaltschaft Aurich kann ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung führen. In der Auskunft an das erkennende Gericht vom 1. Juli 2002 wird bei der Bewertung von „Andro Vita“ auch lediglich isoliert auf die stoffliche Zusammensetzung des Produkts abgestellt.

38

„Andro Vita“ und „Maca Aktiv Plus“ bedürfen als Fertigarzneimittel mithin nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG der Zulassung durch die zuständige Bundesoberbehörde bzw. die Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder den Rat der Europäischen Union.

39

2. Auch der Bescheid der Beklagten vom 27. April 2001 lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

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a. Rechtsgrundlage für die Anordnung, das Inverkehrbringen von „AndroVita“ und „Maca-Aktiv-Plus“ zu unterlassen ist § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG. Danach können die zuständigen Behörden u. a. dann das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn die hierfür erforderliche Zulassung nicht vorliegt. Diese Voraussetzungen liegen vor. Zur Begründung kann auf die obigen Ausführungen zu 1. verwiesen werden.

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b. Die Untersagung der Herstellung von „Andro Vita“ und „Maca Aktiv Plus“ beruht auf § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG.

42

Zum Herstellen zählt nach § 4 Abs. 14 AMG auch das Umfüllen einschließlich Abfüllen, sowie das Abpacken und das Kennzeichnen. Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 16. Dezember 2002 angegeben, dass sie die fraglichen Produkte „teilweise selbst abfüllt“. Bei der Durchsuchung der Räumlichkeiten der Klägerin am 12. April 2001 ist zudem nach den nicht substanziiert bestrittenen Angaben der Beklagten festgestellt worden, dass in den Räumlichkeiten Abgabegefäße und Beschriftungsetiketten für diese Mittel vorhanden gewesen seien.

43

Das gewerbs- oder berufsmäßige Herstellen von Arzneimitteln im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG zum Zwecke der Abgabe an andere bedarf gemäß § 13 Abs. 1 AMG einer Erlaubnis der zuständigen Behörde, die der Klägerin fehlt.

44

c. Rechtsgrundlage der Untersagung des Inverkehrbringens von Melatonin ist § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG.

45

Wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist, sind melatoninhaltige Produkte Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG. Die Substanz hat nämlich eine einschläfernde Wirkung (vgl. Bescheid der Beklagten vom 27. April 2001, S. 3 f.; Stellungnahme der BfArM vom 21. Mai 2002, S. 7 f.). Die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG erforderliche Zulassung fehlt.

46

Nach § 4 Abs. 17 AMG liegt ein Inverkehrbringen bereits bei einem Vorrätighalten zum Verkauf vor. Nach der Auskunft der Staatsanwaltschaft Aurich vom 1. Juli 2002 sind in den Geschäftsräumen der Klägerin einige Mengen des Präparats „Elan-Vita-Melatonin“ sichergestellt worden. Es ist nicht erkennbar, welchen anderen Zweck als den des Verkaufes die Klägerin hiermit verfolgt haben soll.

47

d. Die Untersagung des Inverkehrbringens von Noni-Säften findet ihre rechtliche Grundlage jedenfalls in § 11 NGefAG.

48

Es kann deshalb offen bleiben, ob es sich um ein Arzneimittel oder Lebensmittel handelt. Es ist mit der Beklagten mindestens davon auszugehen dass Noni-Produkte neuartige Lebensmittel im Sinne des Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 258/57 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 sind. Nach dessen Art. 4 bedarf es vor dem Inverkehrbringen eines solchen Produkts der Zulassung in dem Mitgliedstaat, in dem das Erzeugnis erstmals in den Verkehr gebracht werden soll. Für ein Noni-Produkt ist im Jahre 2000 in Belgien eine solche Zulassung beantragt worden, über die bis heute nicht entschieden worden ist.

49

Ein zu befürchtender Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit liegt hiernach in einer konkret zu erwartenden Missachtung des sich aus Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 258/97 ergebenden Verkehrsverbots.

50

In der Auskunft der Staatsanwaltschaft Aurich vom 1. Juli 2002 heißt es zwar, dass insoweit ein regelrechter Vertrieb des Noni-Saftes noch nicht aufgenommen worden sei, sondern es sich eher um probeweise zugesandte Flaschen gehandelt habe. Die vorgefundene Menge sei verschwindend gering gewesen.

51

Angesichts der Umstandes, dass die Klägerin verschiedene Arzneimittel ohne Zulassung in den Verkehr gebracht hat, war für die von der Beklagten getroffenen präventive Maßnahme ausreichend, dass die Klägerin offensichtlich zumindest ernsthaft erwogen hat, auch mit Noni-Saft zu handeln.

52

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.