Sozialgericht Aurich
Urt. v. 18.12.2013, Az.: S 15 AS 259/11

Besondere Härte; Erwerbsbiographie; Querschnittslähmung; Vermögen; Einfamilienhaus

Bibliographie

Gericht
SG Aurich
Datum
18.12.2013
Aktenzeichen
S 15 AS 259/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64297
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Hat ein Leistungsberechtigter aufgrund der infolge eines Verkehrsunfalls erlittenen Querschnittslähmung erhebliche Lücken in seiner Altersvorsorge, die er infolge dieser Beeinträchtigung bis zum Beginn des Rentenalters nicht mehr aufholen kann, stellt dies eine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II dar und steht der Verwertung seines Hauses als Vermögen entgegen.

Tenor:

1. Der Bescheid des Beklagten vom 29.12.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2011 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum 01.01.2011 - 31.07.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Berücksichtigung des Hauses G., H., als Vermögen zu gewähren.

3. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 01.01.2011 als Zuschuss.

Die Klägerin steht nach Zuzug in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten seit dem 01.01.2008 dort im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie bezog eine gemeinsame Wohnung mit ihrem neuen Lebensgefährten und jetzigen Ehemann Herrn I. in dem Haus „G.“ in H., dessen Eigentümer Herr I. ist. Da sie zunächst im Jahre 2008 Leistungen als Alleinstehende bezog bewilligte ihr die Beklagte auf den Folgeantrag vom 12.12.2008 mit Bescheid vom 06.01.2009 Leistungen für den Zeitraum 01.01. bis 30.06.2009 in Höhe von monatlich 241,68 Euro unter Berücksichtigung einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrem späteren Ehemann Herrn I..

Herr I. ist am 23.12.1968 geboren und erlitt im Jahre 1994 einen Unfall, in dessen Folge er zu 100 % schwerbehindert und auf einen Rollstuhl angewiesen ist, er bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die sich im 2. Halbjahr 2008/1. Halbjahr 2009 auf 945,41 Euro netto belief (ab 01.07.2012: 995,83 Euro/ab 01.07.2013: 998,32 Euro). Zum 01.04.2009 zogen die Klägerin und ihr späterer Ehemann aus dem Herrn I. gehörenden Haus „G.“ aus und in eine Wohnung unter der Adresse „J.“, H.. Das Haus „G.“ wurde von Herrn I. vermietet. Der Beklagte erließ daraufhin den Änderungsbescheid vom 07.05.2009, in dem die monatliche Leistung für den Zeitraum 01.04. bis 30.06.2009 auf 49,48 Euro angepasst wurde, den dagegen gerichteten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2010 als unbegründet zurück. Das Verfahren ist Gegenstand des Rechtsstreits S 15 AS 823/10.

Den Folgeantrag der Klägerin vom 23.11.2010 auf Leistungen ab 01.01.2011 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29.12.2010 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin sei nicht hilfebedürftig, da ihr Lebensgefährte Eigentümer eines Hausgrundstücks sei und damit über verwertbares Vermögen verfüge. Da dieses nicht selbst bewohnt werde, stelle es auch kein Schonvermögen dar.

Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2011 als unbegründet zurück und führte aus, das Hausgrundstück habe einen Wert von ca. 85.000,-- Euro, so dass sich abzüglich der Belastungen in Höhe von ca. 53.000,-- Euro und der Vermögensfreibeträge in Höhe von 12.900,-- Euro ein verwertbares Vermögen in Höhe von 19.100,-- Euro ergebe, das die Hilfebedürftigkeit ausschließe.

Das streitgegenständliche Haus „G.“ ist 1962 errichtet worden, hat eine Wohnfläche von ca. 130 qm und steht auf einem 774 qm großen Grundstück. Die Bodenrichtwertkarte weist zum Stichtag 01.01.2007 einen Quadratmeterpreis von 28,-- Euro aus. Der Beklagte ermittelte unter Zuhilfenahme des sogenannten Immobilienkalkulators einen Wert der Immobilie von 85.000,-- Euro.

Mit der Klage bestreitet die Klägerin die Höhe des von der Beklagten ermittelten Wertes und trägt vor, ihrem Lebensgefährten sei die Veräußerung des Hausgrundstücks nicht zumutbar, da dieses angesichts seiner Schwerbehinderung Teil seiner Altersvorsorge sei. Aufgrund seines Gesundheitszustandes habe er auch nicht die Möglichkeit weitere Rentenanwartschaften aufzubauen. Die Entschädigung in Höhe von ca. 50.000 - 60.000.- Euro, die er aus seinem Unfall erhalten habe, sei in die Finanzierung des Hauses eingeflossen. Im Übrigen habe der Beklagte ein Privatdarlehen der Eltern des Kläger, das für die Hausfinanzierung gewährt worden sei, bei ihrer Berechnung nicht berücksichtigt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 29.12.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum 01.01. bis 31.07.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Berücksichtigung des Hauses G., H., als Vermögen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, er habe den Vermögenswert zutreffend errechnet. Eine besondere Härte sei hier nicht gegeben.

Das Gericht hat die Verwaltungsakten des Beklagten beigezogen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Das Gericht hat ferner eine Rentenauskunft hinsichtlich der Klägerin und ihres Ehemannes eingeholt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, inhaltlich ist sie auch begründet.

Die Klägerin hat dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Zuschuss. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist sie hilfebedürftig, da das ihrem damaligen Lebensgefährten und jetzigen Ehemann gehörende Haus „G.“ nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist, weil dessen Verwertung für den Ehemann der Klägerin eine besondere Härte darstellen würde.

Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II erhalten Personen, die u.a. erwerbsfähig und hilfebedürftig sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. (§ 9 Abs. 1 SGB II in der ab 01.01.2011 gültigen Fassung).

Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II).

Der Ehemann der Klägerin ist gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 a als Ehegatte bzw. c als Partner Angehöriger der Bedarfsgemeinschaft, so dass auch sein Vermögen grundsätzlich zu berücksichtigten ist.

Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Der Begriff Vermögen wird in Gesetz selbst nicht definiert und ist nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucksache 15/1516, S. 53) in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG zum Recht der Arbeitslosenhilfe zu bestimmen (vgl. etwa BSG, U. v. 2.7.2009 -B 14 AS 33/08 R,  SozR 4-4200 § 22 Nr 25; U. v. 15.4.2008 -B 14/7b AS 52/06 R, NDV-RD 2008, 120). Danach ist Vermögen der Bestand an Sachen und Rechten in Geld oder Geldeswert, der dem Hilfebedürftigen oder einem sonstigen Einstandspflichtigen gehört (BSG, U. v. 11.2.1976 - 7 RAr 159/74, BSGE 41,187; U. v. 20.6.1978 - 7 RAr 47/77, BSGE 46, 271; U. v. 12.5.1993 - 7 RAr 56/92, BSGE 72, 248; Hänlein in: Gagel, Kommentar zum SGB III mit SGB II, § 12 Rdn. 23; Mecke in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, § 12 Rdn. 13; Frank in: GK zum SGB II, § 12 Rdn. 6). Jedenfalls alle nach zivilrechtlichen Grundsätzen im Eigentum der jeweiligen Person stehenden Sachen (Mobilien und Immobilien) sowie Forderungen, Anwartschaften und sonstige Rechte, deren Inhaber der Betroffene ist, fallen unter den Vermögensbegriff. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt der Antragstellung nach § 37 SGB II (BSG, U. vom 7.5.2009 -B 14 AS 4/08 R).

Die Klägerin verfügt nach Aktenlage über kein Vermögen in diesem Sinne, der wesentliche Vermögensgegenstand des Ehemannes ist das Haus „G.“ in H..

a. Dieses Haus ist nicht von dem besonderen Schutz des § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II erfasst.

Als Vermögen ist u. a. nicht zu berücksichtigen ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung (§ 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Bei dem Begriff der angemessenen Größe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BSG, U. v. 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R; U. v. 16.05.2007 - B 11b AS 37/06 R). Maßstab für die Ausfüllung des Begriffs der Angemessenheit sind die Grundsätze des bis zum 31.12.2001 gültigen zweiten Wohnungsbaugesetzes, nach dessen § 39 Abs. 1 Eigenheime mit einer Größe von 130 qm und Eigentumswohnungen mit einer Größe von 120 qm im Rahmen des öffentlichen Wohnungsbaurechts förderungsfähig und nach der ständigen Rechtsprechung des BSG damit im Anwendungsbereich des SGB II vor der Verwertung geschütztes, sogenanntes Schonvermögen darstellen (BSG a.a.O.). Dabei geht das Gericht von einer Belegung mit 4 Personen aus und nimmt für jede Person mehr oder weniger Zuschläge oder Abzüge von 20 qm vor (vgl. BSG, U. v. 29.03.2007 - B 7b AS 12/06, in: NZS 2008, 100 [BSG 29.03.2007 - B 7b AS 12/06 R]; U. v. 19.09.2008 -B 14 AS 54/07 R, in:NDV-RD 2009, 27). Diese Grenzwerte können allerdings nicht als quasi normative Größe herangezogen werden, es bleibt vielmehr Entscheidungsspielraum für geringfügige Überschreitungen sowie für außergewöhnliche Bedarfslagen (BSG, U. v. 19.09.2008, a.a.O.). So hat das BSG in einem Fall bei einer Belegung mit zwei Personen ein selbstgenutztes Hausgrundstück trotz einer Größe von 91,89 qm noch für angemessen gehalten (U. v. 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R, NJW 2009, 2327).

Da das Haus „G.“ seit dem 01.04.2009 nicht mehr von der Klägerin und ihrem Ehemann bewohnt wird, fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal „selbst genutzt“, so dass es einer weiteren Prüfung der Angemessenheit vorliegend nicht bedarf.

b. Die Verwertung des Hauses würde für den Ehemann der Klägerin indes eine besondere Härte bedeuten.

Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 2. Alternative SGB II).

Bei dem Begriff der besonderen Härte handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2007 - B 7a AL 34/06 R, FEVS 58, 486; Urteil vom 16. 5. 2007 -B 11b AS 37/06 R, BSGE 98, 243; Urteil vom 07.05.2009 - B 14 AS 35/08 R). Dabei ist auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abzustellen, wobei maßgeblich nur außergewöhnliche Umstände sind, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst Recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (vgl. Urteil des BSG vom 07.05.2009 - B 14 AS 35/08 R; U. v. 16. 5. 2007 -B 11b AS 37/06 R, BSGE 98, 243 [BSG 10.05.2007 - B 10 KR 1/05 R]). Die Härtefallregelung erfasst atypische Fälle, bei denen aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls der Vermögenseinsatz die Betroffenen unbillig belasten und den im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Leitvorstellungen des Gesetzgebers nicht gerecht würde (vgl. BSG zum SGB XII, Urteil vom 19.05.2009, B 8 SO 7/08 R; Bundesverwaltungsgericht zum BSHG, Urteil vom 26.01.1966 in BVerwGE 23, 149 ff [BVerwG 26.01.1966 - BVerwG V C 88.64]). Eine besondere Härte kann sich nicht nur aus den wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Hilfebedürftigen, sondern auch aus den besonderen persönlichen Umständen ergeben, die mit einer Vermögensverwertung verbunden sind, wie etwa eine schwerwiegende familiäre Konfliktsituation (BSG, Urteil vom 06.05.2010, B 14 AS 2/09 R).

Der Gesetzgeber selbst hat zu den Voraussetzungen einer besonderen Härte ausgeführt: „Die Regelung soll es ermöglichen, besondere Härtefälle angemessen zu lösen. Ein derartiger Härtefall kann z. B. vorliegen, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsste, obwohl sein Rentenversicherung Lücken wegen selbständiger Tätigkeit aufweist“ (BT-Drucksache 15/1749, S. 32). Generell kann sich eine besondere Härte mithin auch aus einer besonderen Ausbildungs- oder Erwerbsbiografie ergeben, sofern diese zu Versorgungslücken geführt hat (vgl. BSG, Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 51/04 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.11.2006 - L 9 AS 1/05). Auch die Kumulation verschiedener Risiken und Belastungen kann eine besondere Härte darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 07.05.2009 - B 14 AS 35/08 R).

Im Rahmen der Härtefallabwägung ist hier zu berücksichtigen, dass der Ehemann der Klägerin aufgrund eines im Jahre 1994 erlittenen Verkehrsunfalls querschnittsgelähmt ist und eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht. Sein Rentenanspruch liegt im streitigen Zeitraum unter 1.000,-- Euro. Aufgrund seiner Behinderung ist er auch nicht in der Lage weitere Rentenansprüche zu erwerben. Damit liegt sein Anspruch unterhalb der sogenannten „Standard- oder Eckrente“, die im Jahre 2012 mit 1.134,15 Euro beziffert wird (vgl. den Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung für das Jahr 2012, dort: Übersicht 12) und die maßgeblicher Gesichtspunkt für die Angemessenheit einer Altersvorsorge ist (vgl. dazu BSG, U. v. 20.10.2005, B 7a/7 AL 76/04 R).

Diese Lücke in der Altersvorsorge soll nach der Einlassung des Ehemannes der Klägerin im Termin durch das von ihm erworbene Haus „G.“, H., geschlossen werden. Nach seinen Angaben, die von dem Beklagten nicht bestritten werden und an deren Richtigkeit die Kammer nicht zweifelt, hat er die Versicherungsleistungen, die er aufgrund seines Unfalles bezogen hat, in die Finanzierung dieses Hauses gesteckt. Dies ist als „Zweckbestimmung“ im Sinne der BSG-Rechtsprechung ausreichend (vgl. dazu BSG, U. v. 07.05.2009, B 14 AS 35/08 R).

Dabei ist es unerheblich, dass dies über den Umweg einer früheren Hausfinanzierung mit anschließendem Verkauf und Investition des Verkaufserlöses in das jetzige Haus geschehen ist (vgl. dazu etwa BSG, 15.04.2008, B 14/7b AS 6/07 R, Rdn. 19). Unerheblich ist auch, ob es sich um Barbeträge, in Versicherungs- oder Sparverträgen angelegte Beträge oder in Immobilien geflossene Beträge handelt. Angesichts des sich nach Berechnung des Beklagten ergebenden Verwertungsbetrages von ca. 20.000,-- Euro stellt sich auch nicht die Problematik der Unangemessenheit der ersatzweisen Altersvorsorge und der Verwertbarkeit eines möglicherweise überschießenden Betrages.

Die vorliegende Konstellation ist im Übrigen mit den Konstellationen vergleichbar, die den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 12.05.1993 (7 RAr 56/92) zum Recht der Arbeitslosenhilfe und vom 15.04.2008 (B 14/7b AS 6/07 R) zum Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zugrunde lagen und in denen es um die Verwertung des Auszahlungsbetrages einer Unfallversicherung, die zum Ausgleich eines bleibenden Erwerbsschadens gezahlt wurde bzw. um die Verwertung von Schmerzensgeldzahlungen ging und in denen das Gericht ebenfalls eine besondere Härte angenommen hat. Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum BSHG war anerkannt, dass die Verwertung von Kapitalabfindungen aus einem Unfallereignis oder von Schmerzensgeldzahlungen in der Regel eine besondere Härte begründet (vgl. etwa BVerwGE 98, 256 sowie die weiteren Nachweise im Urteil des BSG vom 15.04.2008, a. a. O.).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch keine abweichende Beurteilung aus der Tatsache, dass die Härte nicht bei der Klägerin selbst, sondern bei ihrem Ehemann eintreten würde. Das Bundessozialgericht hat insoweit bereits entschieden, dass auch Härten berücksichtigt werden, die bei Dritten eintreten (vgl. Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 2/09 R). Es wäre im Übrigen schlichtweg unverständlich, wenn Dritte über Zurechnungsvorschriften wie § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II zwar mit ihrem Einkommen und Vermögen für einen Lebenspartner/Ehepartner eintreten müssten, anders als dieser selbst aber nicht vor evtl. durch die Verwertung dieses Vermögens auftretenden Härten geschützt wären.

Da die Verwertung des Hauses den Ehemann der Klägerin daher unverhältnismäßig hart, insbesondere härter als Betroffene in der üblichen Situation einer Hausverwertung treffen würde, ist dieser Vermögensgegenstand von der Verwertung ausgenommen.

Der Bewilligungszeitraum war bis zum 31.07.2011 zu begrenzen, da für die Zeit ab dem 01.08.2011 ein neuer Antrag gestellt wurde, über den der Beklagte bereits entschieden hat und der hier nicht streitgegenständlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.