Sozialgericht Aurich
Urt. v. 11.06.2013, Az.: S 32 R 127/12
Bibliographie
- Gericht
- SG Aurich
- Datum
- 11.06.2013
- Aktenzeichen
- S 32 R 127/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 64301
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Auch während des Bezuges von Elterngeld in der Elternzeit ist eine Hinterbliebenenrente fortzuzahlen (Anschluss an BSG vom 26.01.2000 Aktenzeichen B 13 RJ 53/99 R).
Tenor:
Der Bescheid vom 24.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.03.2012 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Beklagten, eine Bewilligung einer Hinterbliebenenrente für die Klägerin aufzuheben und bereits ausbezahlte Beträge ab dem Aufhebungszeitpunkt zurückzufordern.
Die Klägerin ist am G. geboren und die Tochter des am H. verstorbenen Herrn I.. Sie erhielt nach Bescheid vom 12.07.2010 auf Grund Ihres Antrages vom 23.06.2010 eine Halbwaisenrente nach ihrem verstorbenen Vater. Ausweislich des Bescheides wurden ab dem 01.08.2010 monatlich 201,27 € an sie ausbezahlt. Der Beginn der Rente war mit dem 01.08.2010 festgelegt und die Auszahlung war bis zum 30.06.2012 befristet. Die Befristung erfolgte auf Grund der Tatsache, dass der Rentenanspruch voraussichtlich nur bis zum Abschluss einer von der Klägerin durchgeführten Schulausbildung oder Berufsausbildung bestand. Die Klägerin befand sich zu dieser Zeit in einer Ausbildung im Rahmen der zweijährigen Fachschule Sozialpädagogik an den Berufsbildenden Schulen.
Die Klägerin wurde im Jahr 2010 schwanger und befand sich vom 11.02. bis 26.05.2011 in Mutterschutz. Ihr Sohn wurde am J. geboren. Ab dem 27.05.2011 war die Klägerin auf Grund von Elternzeit vom Unterricht freigestellt. Nach Bescheid vom 28.04.2011 bezog sie in der Zeit vom 27.03.2011 bis 26.03.2012 Elterngeld in Höhe von monatlich 300,00 €.
Mit Schreiben vom 26.09.2011 fragte die Beklagte bei der Klägerin an, ob die Schulausbildung weiter fortgeführt würde. Unter dem 06.10.2011 teilte die Klägerin mit, dass sie am 11.02.2011 auf Grund der Mutterschutzzeit die Ausbildung zunächst beendet habe, um sich um Ihren Sohn zu kümmern.
Infolge dieser Mitteilung wurde die Klägerin mit Schreiben vom 31.10.2011 zu einer Aufhebung und Erstattung der Halbwaisenrente ab dem 01.06.2011 angehört.
Die Rechtsgrundlage dieser Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung sollte § 48 Abs. 1, S. 2 Nr. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches Verwaltungsverfahren (SGB X) sein. Begründet wurde die beabsichtigte Aufhebung damit, dass der Klägerin ab Ende der Mutterschutzzeit kein Anspruch auf Bewilligung und Auszahlung einer Halbwaisenrente mehr zustände. Die Erstattungsforderung wurde in Höhe von 1010,96 € beziffert.
Nachdem die Klägerin sich im Verwaltungsverfahren hierzu geäußert hatte (Schreiben vom 06.11.2011) wurde mit hier streitigem Bescheid vom 24.11.2010 die Bewilligung der Rente und damit der Bescheid vom 12.07.2010 für die Zeit ab dem 01.06.2011 aufgehoben und Leistungen in Höhe von 1010,96 € für die Zeit ab dem 01.06.2011 als Erstattung gefordert. Diese Entscheidung wurde mit streitigem Widerspruchsbescheid vom 15.03.2012 bestätigt.
In der Zeit nach Ende des Elterngeldbezuges von März 2012 bis Juni 2012 bezog die Klägerin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) in Höhe von ca. 180,00 - 190,00 € monatlich. Zum Schuljahr 2012/2013 nahm die Klägerin mit dem 03.September 2012 die zweijährige Fachschule Sozialpädagogik als Schulausbildung wieder auf und mit Bescheid vom 17.08.2012 wurde die Halbwaisenrente ab dem 01.09.2012 befristet bis zum 31.07.2014 in Höhe eines Auszahlungsbetrages von 207,09 € neu bewilligt und seitdem laufend ausbezahlt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr auf Grund des Bescheides vom 12.07.2010 ein Anspruch auf Auszahlung der Halbwaisenrente über den 01.06.2011 hinaus zustehe. Sie stützt sich hierzu auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 17.04.2008, Aktenzeichen: B 13/4 R 69/06 R). In jedem Fall habe Sie ihre Schwangerschaft und den voraussichtlichen Geburtstermin bei der Beklagten vor dem Oktober 2011 mitgeteilt, so dass eine Aufhebung für die Vergangenheit ausscheide.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 24.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung bezüglich der Halbwaisenrente der Klägerin rechtmäßig erfolgt sei. Der Klägerin stehe über den 01.06.2011 hinaus kein Anspruch auf Zahlung der Halbwaisenrente mehr zu, da sie sich ab diesem Zeitpunkt in Elternzeit befunden habe. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Hinterbliebenenrente in Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit werde von der Beklagten nicht akzeptiert. Auch sei die von der Klägerin zitierte Entscheidung aus dem Jahre 2008 nicht auf die aktuelle im Jahre 2011/2012 geltende Gesetzeslage anwendbar. Bezüglich einer Mitteilung der Klägerin vor dem Oktober 2011 kann die Beklagte dies nicht bestätigen. Anhaltspunkte für eine frühere Mitteilung finden sich in ihren Akten nicht.
Das Gericht führte in der Angelegenheit am 11.06.2013 eine mündliche Verhandlung durch. Gegenstand der Entscheidungsfindung waren der Inhalt der Gerichtsakten, der Inhalt der von der Beklagten überreichten Verwaltungsvorgänge und der Inhalt der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2013.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der streitige Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2012 ist rechtswidrig ergangen und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Aufhebungsentscheidung der Beklagten gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ist rechtwidrig, weil in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des aufgehobenen Bescheides vorgelegen haben, keine in Bezug auf den Bescheid wesentliche Änderung eingetreten ist. In dem Beginn der Elternzeit liegt keine solche Veränderung.
Die Rechtswidrigkeit der Erstattungsentscheidung des Beklagten ergibt sich in der Konsequenz schon daraus, dass kein rechtmäßig aufgehobener Verwaltungsakt besteht, der nach § 50 Abs. 1 SGB X erforderlich ist.
Nach § 48 Abs. 1 SGB X gilt: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Wesentlich ist die Änderung, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte. (Schütze in von Wulffen SGB X Kommentar 7. Aufl. 2010 § 48 Rn 12 unter Verweis auf BSG SozR 1300 § 48 Nr 22)
Sicherlich besteht aufgrund der Mutterschaft der Klägerin eine Veränderung in ihren Lebensverhältnissen. Diese Veränderung führt jedoch nicht dazu, dass der von der Beklagten aufgehobene Verwaltungsakte mit Dauerwirkung der Rentenbewilligungsbescheid 12.07.2010, aufzuheben wäre. Die Mutterschaft und folgende Elternzeit der Klägerin hat keine Auswirkung auf die Bewilligungsentscheidung bezüglich der Halbwaisenrente. Die ergibt sich daraus, dass der Klägerin auch weiterhin ein Anspruch auf ihre Halbwaisenrente jedenfalls bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres zusteht. Dies auch in Anbetracht der Mutterschaft bzw. des Antritts der Elternzeit. Die Voraussetzungen des § 48 des sechsten Buches des Sozialgesetzbuches, Gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI) sind gewahrt.
Die Regelung des § 48 Abs. 4 SGB VI besagt: Der Anspruch auf Halb- oder Vollwaisenrente besteht längstens
[…]
2. bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise
a) sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet
b) sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben c) liegt, oder
c) oder ein freiwilliges soziales Jahr oder freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes oder
d) wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten.
Eine Schulausbildung oder Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 liegt nur vor, wenn die Ausbildung einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert. Der Tatsächlich zeitliche Aufwand ist ohne Bedeutung für Zeiten, in denen das Ausbildungsverhältnis trotz einer Erkrankung fortbesteht und damit gerechnet werden kann, dass die Ausbildung fortgesetzt wird. Dies gilt auch für die Dauer der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz.
Bei Beginn der Schwangerschaft befand sich die Klägerin zwischen den Beteiligten unstreitig in einer Schulausbildung im Sinne des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a SGB VI. Diese Einschätzung trifft nach Überprüfung durch das Gericht zu.
Bezüglich der hier streitigen Zeit der Elternzeit nach Beendigung der Mutterschutzzeit befand sich die Klägerin nicht mehr in der entsprechenden Schulausbildung im obigen Sinne, aber im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesozialgerichtes erkennt die Kammer, dass es für den Anspruch auf Waisenrente unschädlich ist, wenn ein Waise ihre Schulausbildung wegen der Erziehung eines Kindes zumindest während dessen ersten Lebensjahres unterbricht. (vgl. hierzu BSG vom 26.01.2000 Aktenzeichen B 13 RJ 53/99 R). Die dieser Entscheidung des Bundessozialgerichtes aus dem Jahre 2000 zugrundeliegenden Erwägungen beanspruchen nach eigener Ansicht der Kammer auch aktuell weiterhin Gültigkeit. In der Entscheidung des Bundessozialgerichts wird die Gefahr eines Wertungswiderspruches erkannt, wenn einerseits mit dem damals gesetzlich vorgesehenen Erziehungsurlaub die Kindesbetreuung durch ein Elternteil gefördert werden soll und mit dem Erziehungsgeld eine Sozialleistung vorgesehen ist, die weder auf andere Sozialleistungen noch auf private Unterhaltsleistungen angerechnet wird, andererseits aber die Waisenrente eines im Berufsausbildung befindlichen Elternteils wegfallen soll, wenn er Erziehungsurlaub nimmt.
Hintergrund dieser Erwägung ist die Tatsache, dass die Waisenrente dem Lebensunterhalt des hinterbliebenen Kindes dienen soll. Die Waisenrente soll es einem Kind ermöglichen, ohne Sorge für den Lebensunterhalt eine Schul- bzw. Berufsausbildung jedenfalls bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres durchzuführen.
Insoweit stellt die gesetzliche Waisenrente eine Kompensation dafür dar, dass zivilrechtliche Unterhaltsansprüche des Kindes gegen seinen Elternteil mit dem Tode des Elternteils nicht mehr fortlaufend beansprucht werden können. Es soll wenigstens aus den Rentenansprüchen des verstorbenen Elternteils eine Unterhaltsfunktion erfüllt werden. (vgl. zur Unterhaltsersatzfunktion: BSG vom 01.07.2010, Aktenzeichen B 13 R 86/09 R zitiert nach Juris m. w. m.)
Bei der Zeit der Kindererziehung handelt es sich nicht um eine Übergangszeit im Sinne der damaligen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes und der heutigen Regelung des § 48 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 b SGB VI. Eine solche Übergangszeit ist auf vier Monate begrenzt, weil nach dem Willen des Gesetzgebers bei einer längeren Übergangszeit zwischen Ausbildungsabschnitten es dem hinterbliebenen Rentenbezieher zumutbar ist, seinen Lebensunterhalt nicht mit einer Waisenrente zu bestreiten, sondern sich um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen. Die Zeit der Elternzeit ist hingegen kein Übergang zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, sondern eine Unterbrechungszeit der Ausbildung. Diese der Annahme einer Übergangszeit von vier Monaten zu Grunde liegende Wertung kann nach Auffassung der Kammer nicht auf die Elternzeit im ersten Lebensjahr des Kindes übertragen werden. Die der Entscheidung des BSG zugrunde liegende Feststellung eines Wertungswiderspruchs gilt fort. Auch das Elterngeld verfolgt den Zweck, dass ein Elternteil sich vollumfänglich um ein neugeborenes Kind kümmern kann, ohne Probleme mit der Bestreitung des Lebensunterhalts bekommen zu müssen. Bei dieser Annahme stellt sich die Fortzahlung einer Waisen- bzw. Halbwaisenrente auch für die Zeit einer Elternzeit als der Intention des Gesetzgebers entsprechend dar. Anderenfalls bestände der oben erläuterte Wertungswiderspruch. (vgl. BSG vom 26.01.2000 Aktenzeichen B 13 RJ 53/99 R)
Diese Entscheidung des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 2000 (s.o.) erging zu einer anders formulierten Regelung des § 48 SGB VI. Ebenso erging sie zu einer Zeit, als das heutige Elterngeld noch nicht gesetzlich vorgesehen war. Nichtsdestotrotz können die obigen Erwägungen und die in der Entscheidung des Bundessozialgerichts umfänglich dargelegten Punkte weiterhin Gültigkeit beanspruchen.
Die Kammer schließt sich ausdrücklich nicht der Rechtsprechung des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg an. (Urteil vom 01.02.2011, Aktenzeichen L 11 R 813/10 zitiert nach Juris, nicht rechtskräftig, beim BSG anhängig zum Aktenzeichen B 13 R 12/11 R) Die vom LSG Baden-Württemberg vertretene Argumentation erscheint der Kammer vertretbar, aber nicht zwingend überzeugend. Es wird inhaltlich argumentiert, dass die fehlende gesetzliche Regelung zur Fortzahlung einer Waisenrente in der Elternzeit gerade in Anbetracht der Änderung des Gesetzes zum 01.06.2008 darauf hindeutet, dass der Gesetzgeber keine Fortzahlung während der Elternzeit beabsichtigte. Jedoch erscheint diese Ansicht nicht überzeugend. Entgegen der Ansicht des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg ist im Gesetz nicht vollumfänglich geregelt, welche Unterbrechungstatbestände für das Fortbestehen der Schul- oder Berufsausbildung unschädlich sind. Im Gesetz ist ausdrücklich nur die Übergangszeit bzw. die Mutterschutzzeit geregelt. Eine Regelung bzgl. eventueller Unterbrechungszeiten ist nicht erkennbar. Die oben aufgeführte Argumentation des Bundessozialgerichtes aus dem Jahre 2000 erscheint der Kammer weiter durchgreifend. Dies vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Rechtsprechung des BSG zur Erziehungs- bzw. Elternzeit bei Änderung des Gesetzes bekannt und hoch umstritten war. Eine ausdrückliche Neuregelung hätte durch den Gesetzgeber erfolgen können, wenn dies denn gewollt war.
Im Übrigen formuliert das Bundessozialgerichtes in seiner Entscheidung vom 17.04.2008 (Aktenzeichen: B 13/4 R 49/06 R zitiert nach Juris) in Randziffer 23 in einem Obiter dictum ausdrücklich:
Obwohl die vorliegenden Entscheidung einen Zeitraum vor dem 01.08.2004 betrifft, sei darauf hingewiesen, dass der Senat die Meinung (Verbandskomm, § 48 SGB VI, anm. 13, stand 2004; Kamprath in Hauk/Nowsk, SGB VI, K § 48 Rd. Nr. 46, stand 2005; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der RV, § 48 SGB VI, Rd. Nr. 68, Stand 2005) nicht nachvollziehen kann, mit der Neuregelung des § 48 IV S. 1 Nr. 2 Buchstabe b SGB VI zum genannten Zeitpunkt durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz sei der Gesetzgeber der Rechtsprechung der BSG „zur Elternzeit“ (gemeint die Urteile vom 29.04.1997 und vom 26.01.2000) nicht gefolgt. Denn wenn er mit der oben zitierten Vorschrift die Grundregel zur Übergangszeit in das Gesetz übernommen hat, folgt hieraus nicht, dass damit eine Unterbrechungszeit durch Kindererziehung ausgeschlossen werden sollte; hierzu geben auch die Materialien (BT-Drucks 15/2149, S. 21) nichts her (insoweit zutreffend Pohl in Wannagatt, SGB, § 48 SGB VI, Rd. Nr. 26, Stand 2007; s insgesamt Gürtner in Kasseler Komm, § 48 SGB VI, Rd. Nr. 44, Stand 2005).
Auf Grund dieser Formulierung in der Entscheidung des Bundessozialgerichtes vermag die Auffassung der Beklagten, dass diese Entscheidung zur Gesetzeslage vor dem 01.06.2008 ergangen sei und auf den späteren Zeitraum noch Änderung des § 48 Abs. 4 SGB VI nicht anwendbar sei, nicht durchdringen. Die Formulierung des BSG wird von der Kammer so verstanden, dass die Entscheidung auch für die späteren Zeiträume Gültigkeit beanspruchen soll. Ebenso wird die Entscheidung so verstanden, dass das Bundessozialgericht beabsichtigt, seine Rechtsprechung zur Elternzeit aus den Entscheidungen im Jahre 1997 und 2000 (s. o.) auch nach Gesetzesänderung fortzuführen. Diese Ansicht des Bundessozialgerichtes hält das erkennende Gericht auch nach eigener Überprüfung weiterhin für überzeugend.
Auf Grund der Tatsache, dass nach Auffassung der Kammer der durch die Beklagte mit streitigen Bescheid aufgehobenen Verwaltungsakt nicht rechtswidrig auf Grund einer Veränderung geworden ist, bedurfte es keiner Entscheidung darüber, ob bezüglich der Aufhebung der Rentenbewilligung für die Vergangenheit ein Vertrauensschutz für die Klägerin zu gewähren war.
Die im streitigen Bescheid ebenfalls getroffene Erstattungsentscheidung gem. § 50 Abs. 1 SGB X ist ebenfalls rechtwidrig. Wie oben ausgeführt, wurde kein Verwaltungsakt rechtmäßig aufgehoben, sodass auch keine Erstattungsforderung entstanden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Klägerin ist mit ihrem ausdrücklich formulierten Begehren im vollen Umfange durchgedrungen.